BGH Beschluss v. - XI ZB 20/08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Koblenz, 3 O 457/06 vom OLG Koblenz, 5 U 1124/07 vom

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagten auf Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung in Anspruch.

Die klagenden Eheleute erwarben im Jahre 1994 eine Eigentumswohnung in dem Objekt D. in C. . Der Kaufpreis betrug 142.500 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Kläger mit der Beklagten zu 2), die hierbei durch die Beklagte zu 1) vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über 168.000 DM sowie zwei Bausparverträge mit der Beklagten zu 1). Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch ein Unternehmen der H. Gruppe (im Folgenden: H. Gruppe), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die Beklagte zu 1) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Im Rahmen des Vermittlungsgesprächs unterzeichneten die Kläger nach ihrem unstreitigen Vortrag unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, in welchem unter Punkt 4 eine Finanzierungsvermittlungsgebühr und unter Punkt 5 eine Courtage aufgeführt waren und in dem es hieß: "Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o.g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt. Im Jahr 2004 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen unter Berufung auf das Haustürwiderrufsgesetz.

Mit der Klage begehren die Kläger - in erster Linie gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung -insbesondere Rückerstattung geleisteter Zinsraten in Höhe von 100.425,09 € nebst Zinsen und die Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche der Beklagten mehr bestehen, jeweils Zug-um-Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils an der Wohnung sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz sämtlicher durch die Rückabwicklung des Darlehensvertrages entstehender Schäden verpflichtet sind.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt:

Den Klägern stehe ein Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere hafteten die Beklagten nicht aus vorvertraglichem Aufklärungsverschulden, da die Kläger keinen ausreichenden Vortrag für Umstände erbracht hätten, bei deren Vorliegen ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht der Finanzierungsbank bestehe. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufklärung über im Kaufpreis möglicherweise enthaltene Innenprovisionen bestehe nicht, da die Kläger einerseits lediglich pauschal deren Zahlung an den Vertrieb in einer Höhe von 20% bis 23% behauptet hätten, zum anderen eine diesbezügliche Aufklärungspflicht ohnehin erst dann in Betracht komme, wenn die Innenprovision zu einer so wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert führe, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung der Käufer durch den Verkäufer ausgehen müsse. Dies könne mangels substantiierter Darlegung des Verkehrswertes der erworbenen Eigentumswohnung indes nicht festgestellt werden.

Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil haben die Kläger ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter verfolgt. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit Beschluss als unzulässig verworfen, weil es an einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügenden Begründung fehle.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Rechtsbeschwerde.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO, dessen Voraussetzungen auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (, BGHZ 151, 42, 43 f.), zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil die angefochtene Entscheidung die Verfahrensgrundrechte der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt und darauf beruht (vgl. , BGHZ 154, 288, 296 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO; vom - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f.; vom - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 9). Das Berufungsgericht hat den Klägern den Zugang zur Berufungsinstanz aus den nachfolgend dargelegten Gründen durch überspannte Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Berufungsbegründung versagt.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt (Senat, Beschlüsse vom - XI ZB 21/08, [...] Rn. 13 und vom - XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rn. 11, jeweils mwN), wobei die Darstellung auf den Streitfall zugeschnitten sein muss (Senat, Beschluss vom - XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rn. 11 mwN). Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 133/02, NJW-RR 2003, 1580 mwN und vom - XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532).

b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründungsschrift der Kläger in einem, die angefochtene Entscheidung tragenden Punkt (noch) gerecht.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings beanstandet, die Berufungsbegründung beschäftige sich weitgehend nicht mit dem erstinstanzlichen Urteil. Zu Recht rügt das Berufungsgericht auch, dass sie teilweise neues Vorbringen enthält, ohne gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO die Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffsmittel zuzulassen sind, zu bezeichnen.

bb) Die Rechtsbeschwerde hat dennoch Erfolg. Enthält die Berufungsbegründung nämlich immerhin zu einem Punkt eine § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung, ist sie insgesamt zulässig, wenn dies geeignet ist, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (vgl. Senat, Urteil vom - XI ZR 25/00, ZIP 2003, 160, 162 mwN). So ist es hier im Hinblick auf die Frage einer möglichen Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit den im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Vertriebsprovisionen. Insoweit legt die Berufungsschrift Umstände dar, die aus dem Kontext mit (noch) hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen (vgl. , NJW 2009, 442 Rn. 12), dass sie die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils aus der Sicht der Kläger in Frage stellen sollen (vgl. Senat, Beschluss vom - XI ZB 21/08, [...] Rn. 14) und welche Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit die Kläger bei der angefochtenen Entscheidung beanstanden (vgl. , NJW 2009, 442 Rn. 12).

Auch wenn sich die Berufungsbegründung unter dem Stichwort "arglistige Täuschung über versteckte Innenprovision" auf knapp 30 Seiten vor dem Hintergrund des Urteils des erkennenden Senats vom (XI ZR 243/05, WM 2007, 1831 ff.) weitgehend abstrakt mit der Frage der Aufklärungspflicht hinsichtlich an den Vertrieb geflossener Provisionen beschäftigt, wird mit (noch) hinreichender Deutlichkeit klar, dass sie rügt, das Landgericht habe im Ergebnis zu Unrecht eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen abgelehnt.

Die Berufungsbegründung macht gegen die vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung, die Beklagten seien mangels ausreichenden Vortrags der Kläger zu einer sittenwidrigen Übervorteilung nicht zur Aufklärung über die Höhe der an den Vertrieb gezahlten Innenprovisionen verpflichtet gewesen, unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom (XI ZR 243/05, WM 2007, 1831 ff.) geltend, die Beklagten seien nach dieser neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Vermittlungsprovisionen schadensersatzpflichtig. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes habe eine ungefragte Aufklärungspflicht nur bei einer sittenwidrigen Überteuerung bestanden; mit der neuen Rechtsprechung habe der Bundesgerichtshof die Aufklärungspflicht bei arglistiger Täuschung über eine versteckte Innenprovision erweitert; entscheidend sei, dass eine tatsächliche Aussage über die Höhe der Provision gemacht worden sei, diese sich aber als falsch erweise und die Bank davon positive Kenntnis habe. So sei es hier. Durch die Angaben in dem unstreitig verwendeten Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der Vermittlungskosten in Höhe von rund 5,5% ausweise, sei bei den Klägern gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung seien - auch den hiesigen Vermittler betreffend - lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren Vertriebsprovisionen zu zahlen, obwohl tatsächlich im vorliegenden Fall im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagten Provisionen von weiteren 23% geflossen seien.

Aus dem Kontext wird damit (noch) hinreichend klar, dass die Kläger rügen, das landgerichtliche Urteil erweise sich jedenfalls bei Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aufklärungspflicht bei Innenprovisionen als unrichtig. Die Ausführungen der Kläger stellen sich daher - was ausreicht - in einem entscheidungserheblichen Punkt als den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügend dar; auf die rechtliche Vertretbarkeit der Auffassungen der Kläger kommt es hierfür, wie ausgeführt, nicht an.

III. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO); dabei gelten die vom Berufungsgericht in dem den Verwerfungsbeschluss vorbereitenden Hinweisbeschluss enthaltenen inhaltlichen Ausführungen unter 6. als nicht geschrieben (vgl. , NJW 1999, 794, 795 mwN). Das Berufungsgericht wird mit Rücksicht auf die mittlerweile zum Aufklärungsverschulden im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Anleger durch einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ergangene Rechtsprechung des Senats eine Haftung der Beklagten wegen Aufklärungsverschuldens auch nach Maßgabe der in dem Senatsurteil vom (XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96) aufgestellten Grundsätze zu prüfen haben.

Fundstelle(n):
TAAAD-80284