Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen, weil er den Geschädigten nicht ausschließbar in Notwehr erstochen habe. In ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der später Getötete hielt sich am seit den Nachmittagsstunden mit zwei Bekannten in einem Lokal auf, in dem alle drei Personen reichlich alkoholische Getränke konsumierten. Bis gegen 19.30 Uhr gesellten sich noch zwei Freundinnen zu ihnen. Kurze Zeit später suchte der Angeklagte mit seiner Verlobten und einem ihnen bekannten Paar ebenfalls das Lokal auf, um gemeinsam zu essen. Sie setzten sich an einen wenige Meter entfernten Nebentisch.
Als die Gruppe um den Geschädigten die Rechnung verlangte, kam es wegen deren Höhe mit der Kellnerin zu einem lautstark geführten Disput. Die Kellnerin verließ den Raum, um die Geschäftsführerin zu informieren. Nunmehr äußerte der Bekannte des Angeklagten laut in Richtung auf die Gruppe, ob man hier nicht in Ruhe essen könne. Er ging schließlich zum Nebentisch und begann mit einem der Bekannten des Geschädigten eine körperliche Auseinandersetzung.
Fast gleichzeitig sprang der Geschädigte (Blutalkoholkonzentration von 1,5 ‰) auf und begab sich zum Tisch des Angeklagten, der mit dem Rücken zum Raum saß. Als sich der vom Geschehensablauf überraschte Angeklagte umdrehte und entweder gerade aufgestanden war oder im Begriff war aufzustehen, erhielt er von dem durchtrainiert wirkenden Geschädigten einen heftigen und schmerzhaften Faustschlag auf das linke Auge, durch den er seine Kontaktlinse verlor. Der Angeklagte taumelte nach hinten und schlug mit seinem Ellenbogen schmerzhaft auf eine Tischplatte, während der Geschädigte ihm nachsetzte. Nicht ausschließbar schickte sich der Geschädigte an, erneut auf den Angeklagten einzuschlagen. Um weitere Schläge abzuwehren, zog der Angeklagte sein Messer aus dem Hosenbund und führte einen tödlich wirkenden Stich in den Rücken des über ihn gebeugten Geschädigten aus. Er stach im Laufe der insgesamt nur wenige Sekunden dauernden körperlichen Auseinandersetzung - während der es ihm noch gelang, sich wieder aufzurichten und vor dem Geschädigten zu stehen - noch zweimal in den vorderen Oberkörper des Geschädigten, der durch den ersten Stich nicht sofort handlungsunfähig geworden war. Dieser verlor jedoch alsbald seine Kräfte, rutschte, sich am dabei zerreißenden T-Shirt des Angeklagten festhaltend, vor diesem zu Boden und verstarb noch am Ort des Geschehens.
2. Die gegen die Beweiswürdigung gerichteten Beanstandungen der Revision gehen fehl. Mit der Annahme des Landgerichts, es sei nicht auszuschließen, dass der Geschädigte den Angeklagten völlig überraschend angegriffen habe, wird die tatgerichtliche Tatsachengrundlage ausreichend ausgeschöpft. Insbesondere wird die dahingehende Darstellung des Angeklagten durch die rechtsmedizinische Begutachtung seiner und der Verletzungen des Getöteten bestätigt und durch Zeugenaussagen sowie die Auswertung des Verlaufs der Ereignisse unter Berücksichtigung der räumlichen Verhältnisse gestützt. Aus dem rechtsfehlerfrei angenommenen Sachverhalt lässt sich auch ein Verteidigungswille des Angeklagten ableiten. Dass dieser angegeben hat, er habe keine Erinnerung mehr an die konkret geführten Stiche, widerstreitet der insoweit bestehenden Möglichkeit nicht (vgl. zu den Voraussetzungen des Verteidigungswillens Fischer, StGB, 58. Aufl., § 32, Rn. 25 f.). Auch die detaillierten Ausführungen des Nebenklägervertreters in der Hauptverhandlung lassen keinen durchgreifenden revisiblen Rechtsfehler hinsichtlich der landgerichtlichen Auswertung der einzelnen Aussagen zu dem dynamischen Tatgeschehen erkennen. Dass andere Wertungen als diejenigen des Landgerichts möglich wären, vielleicht sogar näher liegen mögen, berechtigt das Revisionsgericht nicht zum Eingreifen (vgl. , NJW 2006, 925, 928, in BGHSt 50, 299 insoweit nicht abgedruckt).
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Schwurgericht bei dem rechtsfehlerfrei zugrunde gelegten Sachverhalt die Voraussetzungen des § 32 StGB angenommen hat. Dieser rechtfertigt namentlich die Annahme, der Angeklagte habe das Maß der objektiv erforderlichen Verteidigung nicht überschritten.
Ob die Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich ist, hängt im Wesentlichen von Art und Maß des Angriffs ab. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur , NStZ 1994, 581; , NStZ 2002, 140) darf sich der Angegriffene grundsätzlich des Abwehrmittels bedienen, das er zur Hand hat und das eine sofortige sowie endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt. Das schließt auch den Einsatz lebensgefährlicher Mittel ein. Zwar kann ein solcher nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen; er darf auch nur das letzte Mittel der Verteidigung sein; doch ist der Angegriffene nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang braucht er sich nicht einzulassen.
Nach diesen Maßstäben ist das Tatgericht entgegen der Auffassung der Revision zu Recht davon ausgegangen, dass auch die beiden weiteren Messerstiche durch Notwehr gerechtfertigt seien. Der gesamte Vorgang spielte sich innerhalb weniger Sekunden ab; der Angeklagte musste nicht die weiteren Wirkungen des ersten Stiches auf den - nicht sofort handlungsunfähig gewordenen - Geschädigten abwarten (vgl. , BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 3).
Fundstelle(n):
BAAAD-79539