Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: BPatG, 10 Ni 18/07 (EU) vom
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des - unter Inanspruchnahme der Priorität einer dänischen Anmeldung vom - am angemeldeten europäischen Patents 901 564 (Streitpatents), das sieben Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1, dem die Ansprüche 2 bis 6 nachgeordnet sind, ist auf ein Auslassventil für einen Verbrennungsmotor gerichtet, Patentanspruch 7 auf die Verwendung einer chromhaltigen Nickelbasislegierung für ein solches Auslassventil. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:
"1. An exhaust valve for an internal combustion engine, particularly a two-stroke crosshead engine, comprising a movable spindle with a valve disc of a nickel-based alloy which also constitutes an annular seat area at the upper surface of the valve disc, which seat area abuts a corresponding seat area on a stationary valve member in the closed position of the valve, the seat area of the valve disc having been subjected at its manufacture to a thermo-mechanical deformation process at which the material is at least partially cold-worked, characterized in that the valve disc is made of a nickel-based alloy which can achieve a yield strength of at least 1000 MPa, and that the seat area at the upper surface of the valve disc has been given dent mark preventing properties in the form of a yield strength (Rp0,2) of at least 1000 MPa at a temperature of approximately 20° C by means of the thermo-mechanical deformation process and possibly a yield strength increasing heat treatment."
Der Anspruch ist in der Streitpatentschrift wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt:
"1. Auslassventil für einen Verbrennungsmotor, insbesondere einen Zweitaktkreuzkopfmotor, das eine bewegliche Spindel mit einem Ventilteller aus einer Legierung auf der Basis von Nickel mit einem ringförmigen Sitzbereich an der oberen Fläche des Ventiltellers enthält, wobei dieser Sitzbereich in der geschlossenen Position des Ventils an einem entsprechenden Sitzbereich an einem stationären Ventilelement anliegt und wobei der Sitzbereich des Ventiltellers bei seiner Herstellung einem thermomechanischen Umformungsverfahren unterzogen wurde, bei dem das Material zumindest teilweise kaltbearbeitet wurde, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Ventilteller aus einer Legierung auf der Basis von Nickel hergestellt ist, die eine Streckgrenze von mindestens 1000 MPa erreichen kann, und dass der Sitzbereich an der oberen Fläche des Ventiltellers mit Hilfe des thermomechanischen Umformungsverfahrens und eventuell einer Wärmebehandlung zur Erhöhung der Streckgrenze mit Eigenschaften zur Verhinderung von Vertiefungen in Form einer Streckgrenze (Rp0,2) von mindestens 1000 MPa bei einer Temperatur von etwa 20° C ausgestattet ist."
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig; er sei nicht neu, beruhe jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und beantragt, das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in einer Fassung verteidigt, die im Wesentlichen dem jetzigen Hauptantrag entspricht.
Die Klägerin hat auch diesen Anspruchssatz nicht für patentfähig erachtet. Das Patentgericht hat das Streitpatent mit dem angefochtenen Urteil für nichtig erklärt.
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent nur noch in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung und mit weiteren Hilfsanträgen.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. habil. E. B. , IWT-Stiftung, Institut für Werkstofftechnik, Hauptabteilung Fertigungstechnik, B. , ein schriftliches Sachverständigengutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein von Prof. Dr.-Ing. C. B. erstelltes Privatgutachten vorgelegt.
Gründe
Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären, soweit es über die noch verteidigte Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht. In den Grenzen der beschränkten Fassung des Streitpatents hat die Berufung dagegen Erfolg und führt zur Abweisung der Klage im Übrigen.
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Auslassventil für einen Verbrennungs-, insbesondere einen Zweitaktkreuzkopfmotor, das, wie aus seiner nachstehend eingefügten Figur 1 ersichtlich,
Grafik: [BGH_2011-01-25_X_ZR_98_08-001.jpg]
eine bewegliche Spindel (3) mit einem Ventilteller (4) und einem ringförmigen Sitzbereich (6) mit einer konischen Dichtfläche (7) an der Oberseite des Tellers umfasst, der in der geschlossenen Ventilposition an einem entsprechenden Sitzbereich (8) im Zylinderkopf mit einer ringförmigen, konischen Dichtfläche (9) anliegt.
Der Sitzbereich ist nach der Beschreibung des Streitpatents eine für die Zuverlässigkeit des Auslassventils neuralgische Stelle. Es müsse dicht schließen, um korrekt zu funktionieren. Die Dichtigkeit des Sitzbereichs könne bekanntermaßen durch Korrosion beeinträchtigt werden (sogenanntes Durchbrennen). Feste Verbrennungsrückstände wie beispielsweise Kokspartikel bei der Verwendung von Schweröl als Treibstoff für Schiffsmotoren würden auf dem Weg vom Verbrennungsraum in das Abgassystem des Motors zwischen den Dichtflächen an den Ventilsitzen eingeklemmt und dabei pulverisiert. Bei geschlossenem Auslassventil und Höchstdruck in der Verbrennungskammer würden die Dichtflächen um solche eingeschlossenen Pulveransammlungen herum gleichwohl vollständig zusammengedrückt und die Pulveransammlungen dabei in die beiden Dichtflächen der Ventilsitze gepresst. Deren Materialien würden dadurch primär elastisch verformt; sei eine Pulveransammlung jedoch so groß, dass der Druck im Kontaktbereich die Streckgrenze des anliegenden Sitzmaterials erreiche, komme es zur - irreversiblen - plastischen Verformung und die Bildung von Vertiefungen beginne. Nach und nach könnten sich solche Vertiefungen zu radialen Kanälen durch den Sitzbereich erweitern, durch die das heiße Gas aus dem Verbrennungsraum strömen könne, um so eine rasch um sich greifende korrosive Wirkung auf das Sitzmaterial auszuüben. Unter ungünstigen Umständen könne es bei Schiffsmotoren zwischen zwei turnusmäßigen Wartungsintervallen zum Durchbrennen von Ventilen und zum Motorausfall auf offener See zwischen zwei Häfen kommen.
2. Der Streitpatentschrift zufolge wurde das Ziel, Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Auslassventilen für Verbrennungsmotoren zu erhöhen, in der Entwicklung bislang durch Verwendung hitzekorrosionsbeständigen Materials auf der unteren Tellerfläche der Ventilspindeln und harten Materials im Sitzbereich verfolgt. Um dem Durchbrennen der Ventile entgegenzuwirken, seien über die Jahre immer härtere Materialien für den Ventilsitz mit zusätzlicher höherer Hitzekorrosionsbeständigkeit entwickelt worden. So beschreibe etwa die europäische Patentanmeldung 280 467 ein Auslassventil aus der unter der Bezeichnung "NIMONIC 80A" vertriebenen Nickelbasislegierung, das aus einem Grundkörper hergestellt sei, der nach dem Homogenisierungsglühen in die gewünschte Form geschmiedet werde, wobei der Sitzbereich zum Härten kaltbearbeitet und danach eventuell ausscheidungsgehärtet sei.
3. Die Anmelderin des Streitpatents ist, wie es in der Beschreibung heißt, demgegenüber durch Tests zu dem Ergebnis gelangt, dass die Härte des Sitzmaterials keinen großen Einfluss darauf hat, ob besagte Vertiefungen auftreten und will auf der Grundlage dieser Erkenntnis verbesserte Auslassventile anbieten. Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung (im Folgenden nur: Patentanspruch 1) schlägt dazu ein Auslassventil für einen Verbrennungsmotor, insbesondere einen Zweitaktkreuzkopfmotor vor (in Klammern die vom Patentgericht verwendeten Gliederungspunkte),
1. das eine bewegliche Spindel mit einem Ventilteller umfasst (b),
1.1 der aus einer Legierung auf der Basis von Nickel besteht (b) und
1.2 an seiner Oberseite einen ringförmigen Sitzbereich bildet (b),
1.2.1 der in der geschlossenen Position des Ventils an einem entsprechenden Sitzbereich eines stationären Ventilelements anliegt (b),
wobei
2. der Ventilteller aus einer Legierung auf der Basis von Nickel hergestellt ist (c), die eine Streckgrenze (Rp0,2) von mindestens 1100 MPa erreichen kann (e)
und
3. der Sitzbereich an der Oberseite des Ventiltellers bei seiner Herstellung einem thermomechanischen Umformungsverfahren unterzogen wurde, bei dem das Material zumindest teilweise kaltbearbeitet wurde (d), und
4. ihm vertiefungsverhindernde Eigenschaften in Gestalt einer Streckgrenze von mindestens 1100 MPa bei einer Temperatur von etwa 20° C verliehen worden sind (f), und zwar mithilfe
4.1 des thermomechanischen Umformungsverfahrens (g)
4.2 und eventuell einer die Streckgrenze erhöhenden Wärmebehandlung (g).
4. a) Die Lehre des Streitpatents will die Sitzmaterialien, um der Bildung von Vertiefungen entgegenzuwirken, nicht noch weiter härten, sondern die Sitzbereiche elastischer, mit einer hohen Streckgrenze herstellen, damit dickere Pulveransammlungen absorbiert werden können, bevor es zu einer plastischen Verformung kommt und das durch die elastische Verformung gebildete Vertiefungsprofil zugleich gleichmäßig und glatt wird. Dadurch soll sich das beim Ventilschluss zusammengedrückte Pulver auf einer größeren Fläche verteilen und gleichermaßen die Stärke der Pulveransammlung und die Belastungen des Materials im Kontaktbereich verringert werden. In der Streitpatentschrift wird von der Einschätzung ausgegangen, dass seinerzeit erhältliche Sitzmaterialien mit einer auf mindestens 1100 MPa erhöhten Streckgrenze hergestellt werden können, wie etwa die NIMONIC-Legierung 105, die nach dem Gießen und herkömmlichen Schmieden des Grundkörpers eine Streckgrenze von etwa 800 MPa aufweise und nach etwa 15% Kaltbearbeitung auf mehr als 1000 MPa gebracht worden sei, oder NIMONIC PK50, das bis zu einer Streckgrenze von etwa 1100 MPa kaltbearbeitet und ausscheidungsgehärtet werden könne (Beschreibung Tz. 22).
b) Das streitpatentgemäße thermomechanische Umformungsverfahren zur Erhöhung der Streckgrenze umfasst eine Warm-Kalt-Bearbeitung des Materials mittels bekannter Verfahrensweisen, zum Beispiel mit Hilfe von Walzen oder Schmieden des Sitzbereichs oder Strecken bzw. Hämmern desselben. Nach der Verformung kann die Dichtfläche des Sitzes eingeschliffen werden (vgl. Beschreibung Tz. 44 f.).
c) Soweit der als Sachanspruch formulierte Patentanspruch 1 für den Sitzbereich "vertiefungsverhindernde Eigenschaften" (dent mark preventing properties) vorsieht (Merkmal 4), handelt es sich um eine Zweck- bzw. Wirkungsangabe, die den geschützten Gegenstand im Streitfall nicht autonom bestimmt (vgl. zu Zweck-, Wirkungs- und Funktionsangaben Rn. 11 f. mwN - Bildunterstützung bei Katheternavigation, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die körperliche Beschaffenheit des Sitzes wird insoweit allein über die in Merkmal 4 definierte Streckgrenze von mindestens 1100 MPa bei 20° C bestimmt; der Hinweis auf die vertiefungsverhindernden Eigenschaften benennt lediglich die Wirkung, die das Streitpatent mit der Materialbeschaffenheit verbindet.
d) In der Beschreibung werden Analysebeispiele geeigneter Materialien gegeben, wobei die Legierungen als chromhaltige Legierungen auf Nickelbasis oder nickelhaltige Legierungen auf Chrombasis bezeichnet werden (Tz. 35 ff.). Beansprucht sind indes lediglich Legierungen auf der Basis von Nickel.
e) Der Verwendungsanspruch (Patentanspruch 7) differenziert für die chromhaltige Nickelbasislegierung mit einer Streckgrenze von mindestens 1100 MPa nicht danach, ob der Wert für das gesamte Ventil, für den Teller oder nur für den Sitzbereich vorzusehen ist; entscheidend ist, dass der ringförmige Sitzbereich diese Materialeigenschaften aufweist. Nach dem Anspruchswortlaut ist des Weiteren nicht ausdrücklich ein thermomechanisches Umformungsverfahren mit eventueller Wärmebehandlung vorgesehen; wie sich aus den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt, sind solche Streckgrenzenwerte aber ohnehin nicht durch das Material als solches zu gewährleisten, sondern es müssen, was dem Fachmann bewusst ist, entsprechende Bearbeitungen erfolgen. In welcher Weise vorzugehen ist, überlässt der Anspruch der Sachkunde des Fachmanns.
II. Das Patentgericht hat angenommen, der Fachmann - ein an einer Technischen Hochschule oder Universität ausgebildeter Maschinenbau-Ingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau", der mit der Konstruktion von Ein- und Auslassventilen für Brennkraftmaschinen, unter anderem für große Schiffsdieselmotoren befasst ist und über vertiefte Kenntnisse auf den Gebieten der Werkstoffkunde und Umformtechnik verfügt - gelange, ausgehend von der in der Streitpatentschrift erwähnten Veröffentlichung von M. Hammer und anderen ("Die Herstellung von Ventilspindeln für Schiffsdieselmotoren aus einer Nickelbasislegierung", Berg- und Hüttenmännische Monatshefte 9/1985, S. 333 ff., NK 5), allein unter Einsatz fachnotorischer Überlegungen zum Gegenstand von Patentanspruch 1. Das unter Schutz gestellte Auslassventil unterscheide sich von dem in der genannten Veröffentlichung offenbarten lediglich dadurch, dass an der oberen Fläche des Ventiltellers eine 0,2%-Streckgrenze von mindestens 1100 MPa eingestellt sei, durch die die Bildung von Vertiefungen in der Ventilsitzfläche verhindert werden solle. Um den mechanischen Verschleiß von Ventilen zu vermindern, würden in dem Beitrag für ein vollständig aus "NIMONIC 80A" herzustellendes Ventil höchste Sitzhärten, hohe Festigkeitswerte und feines Korn neben dem Verzicht auf eine Sitzpanzerung gefordert. Ob die ausgewiesenen Werte für Härte und Festigkeit (aaO, S. 338, Abbildung 14) hinreichten, um das Entstehen von Vertiefungen an der Oberfläche des Ventilsitzbereichs zu verhindern, sei in dem Beitrag zwar nicht ausdrücklich behandelt. Gelänge dies aber nicht und würde der angestrebte hohe Verschleißwiderstand verfehlt, würde der Fachmann eine weitere Verbesserung der mechanischen Eigenschaften des Ventils, insbesondere eine Erhöhung der 0,2%-Streckgrenze und der Härte im Sitzbereich anstreben, beispielsweise durch eine stärkere Kaltbearbeitung und/oder eine veränderte Wärmebehandlung im Anschluss an die thermomechanische Umformung. Die erhöhte 0,2%-Mindest-Streckgrenze werde dann erreicht, insbesondere wenn dies, wie die Beklagte geltend mache, ursächlich für die Verhinderung von Vertiefungen sei.
Auch aus der japanischen Offenlegungsschrift Hei 8-61028 (NK 28), in der als Ventilmaterial aushärtbare Nickelbasislegierungen wie zum Beispiel NIMONIC 80A ausgewählt seien, erhalte der Fachmann Anregungen dafür, ein Entstehen von Vertiefungen an den Ventilsitzflächen zu vermeiden. Die Schrift gebe zwar keine Festigkeitswerte wie die 0,2%-Streckgrenze für das im Sitzbereich verformte Material an. Der Fachmann wisse jedoch, dass durch thermomechanische Umformung und gegebenenfalls Wärmebehandlung sowohl die Härte als auch die Festigkeit des bearbeiteten Materials zunähmen und dass deshalb Härte und 0,2%-Streckgrenze gleichermaßen Referenzwerte für den Verschleißwiderstand und damit für das Entstehen von Vertiefungen liefern könnten. Die nach der japanischen Schrift gefertigten Ventile wiesen gegenüber den bei Hammer und anderen offenbarten eine um 100 Härtepunkte höhere Härte im Ventilsitzbereich auf und entsprechend sei auch eine 0,2%-Streckgrenze zu unterstellen, die über derjenigen von ca. 900 bis 970 MPa im Sitzbereich des Ventils liege, die bei Hammer und anderen beschrieben ist. Da bei einem nach der japanischen Schrift gefertigten Ventil Vertiefungen vermieden würden, sei davon auszugehen, dass auch eine hinreichend hohe 0,2%-Streckgrenze vorliege, wobei es für das angestrebte Ergebnis nicht entscheidend sei, ob diese mindestens 950, 1000, 1100 oder mehr MPa betrage. Der Fachmann werde die thermomechanische Umformung und eventuelle Wärmebehandlung bei einem Ventil jedenfalls so ausgestalten, dass es für eine vorbestimmte Lebensdauer zu keinen nennenswerten Vertiefungen im Ventilsitzbereich komme.
Diese Erwägungen gölten sinngemäß auch für Patentanspruch 7.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Berufung haben Erfolg. Mit der vom Patentgericht gegebenen Begründung kann die ausgesprochene Nichtigerklärung des Streitpatents keinen Bestand haben. Sie beruht, wie aus seinen Erwägungen zur japanischen Offenlegungsschrift Hei 8-61028 besonders deutlich wird, auf der Annahme, dass die Festigkeit bzw. Elastizität eines Materials dergestalt an dessen Härte gekoppelt sei, dass mit einer höheren Härte stets eine entsprechend höhere Festigkeit und Heraufsetzung der Dehngrenze des Materials einhergehen würde. Dieser Zusammenhang trifft zwar auf Baustahl zu, es ist jedoch nicht nachzuweisen, dass er in der vom Patentgericht angenommenen Allgemeinheit gleichermaßen für die hier interessierenden, als Superlegierungen bezeichneten Verbindungen gilt. Das ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, die mit dem übereinstimmen, was dazu im Privatgutachten von Prof. B. ausgeführt ist und die der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung anschaulich bekräftigt hat. Soweit die Beklagte für ihren gegenteiligen Standpunkt auf ihre in der Anlage NK 23 zusammengestellte Auswertung marktüblicher Legierungen verweist, hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass diese nicht repräsentativ und im Übrigen auch wenig aussagekräftig ist. Zwischen dem Anstieg der Härte von Legierungen und ihrer Dehnfestigkeit lässt sich zwar eine Korrelation herstellen, es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen einer Änderung der Härte und einer Änderung der Dehnfestigkeit, der es erlaubte, von einer bestimmten Härte auf eine bestimmte Streckgrenze zu schließen. Der Zusammenhang zwischen Härte- und Festigkeitswert lässt sich nur am konkreten Material und experimentell für den Einzelfall bestimmen: Härte und Dehnfähigkeit lassen sich in gewissen Bereichen (durch Wärmebehandlung) unabhängig voneinander einstellen. Dass Werkstoffzustände möglich sind, die für höhere Streckgrenzenwerte fallende Härtewerte liefern, liegt nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen am unterschiedlichen plastischen Verformungsverhalten von Werkstoffen. Trotz höherer Streckgrenze kann demzufolge eine geringere Härte gegeben sein, da eine größere plastische Verformung vorliegt. Nicht entscheidungserheblich ist, dass nicht aufgeklärt werden konnte, wie die aus Tabelle 9 der Anlage B 14 für die Legierung INCONEL 718 ermittelten Werte zustande gekommen sind, insbesondere ob die an zweiter Stelle angeführte Probe mittels einer Kaltumformung bearbeitet worden ist und danach die an dritter Stelle genannten Werte aufgewiesen hat. Eine Kausalität zwischen zunehmendem Härtegrad und steigender Dehngrenze ist gleichwohl nicht belegt; die erfinderische Tätigkeit kann mit der vom Patentgericht gegebenen Begründung aber erfolgreich nur infrage gestellt werden, wenn generell ein kausaler Zusammenhang zwischen Erhöhung der Materialhärte und zunehmender Streckgrenze besteht. Verbleiben insoweit, wie hier, zumindest Zweifel, wirkt sich dies nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen zugunsten des erteilten Patents und zulasten des Nichtigkeitsklägers aus. Auch der Einwand der Beklagten, das Streitpatent blockiere eine bekannte und praktizierte technische Entwicklung (Härtung des Sitzbereichs), beruht auf der nicht belegten Annahme eines beständigen Anstiegs der Streckgrenze bei Erhöhung der Materialhärte.
IV. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig dar.
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ).
a) In der Veröffentlichung der zentralen Forschungsabteilung von Daido Steel, "Schiffsmotorventile aus der DS-Legierung 80A" von 1983 (NK 10), werden Auslassventile für Zweitakt-Schiffsdieselmotoren aus einer modifizierten NIMONIC 80A-Legierung beschrieben, für die ein thermomechanisches Umformungsverfahren mit Warm-Kaltumformung bei einer erhöhten Ausscheidungshärtbarkeit entwickelt wurde, das die Merkmale 1 und 3 von Patentanspruch 1 erfüllt. In der Grafik in Figur 5 ist, wie in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert, das Ergebnis von Zugversuchen am Ventilschaft wiedergegeben, wonach für den vorgestellten Werkstoff Streckgrenzenwerte von über 1100 MPa gemessen wurden. Damit wird der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht neuheitsschädlich getroffen, weil kein Ventil vorgestellt wird, bei dem der Sitzbereich nach Maßgabe des Merkmals 4 von Patentanspruch 1 ausgeführt wäre. Dass Zugversuche am Schaft eine höhere Streckgrenze ergeben haben, ist insoweit nicht erheblich. Wie sich aus mehreren Veröffentlichungen ergibt, unterliegen die Schäfte von Ventilen anderen Beanspruchungen als deren Teller. Während der Sitzbereich durch den Fließdruck auch hohem mechanischen Verschleiß unterliegt, treten im Schaftbereich hohe dynamische Belastungen auf (vgl. Hammer u.a., aaO, S. 334 rechte Sp. oben); die japanische Veröffentlichung NK 10 erläutert, dass für den Schaft die Verwendung von martensitischen Stählen in Betracht komme, was für den Tellerbereich wegen der dort auftretenden größeren Hitzeentwicklung nicht opportun sei (Übersetzung NK 11 S. 2; vgl. zur unterschiedlichen Beschaffenheit von Schaft und Teller auch die europäische Patentanmeldung 280 467 mit deren Figur 2). Es ist deshalb nichts dafür ersichtlich, dass der Fachmann bei Kenntnisnahme der in Figur 5 der japanischen Veröffentlichung mitgeteilten Messwerte entsprechende Werte für den Sitzbereich "mitliest", zumal Figur 3 der Veröffentlichung die unterschiedliche Kornstruktur in den verschiedenen Bereichen des Ventils veranschaulicht.
b) Die Veröffentlichung von Hammer und anderen (NK 5) beschreibt Auslassventile für große Schiffsdieselmotoren des Herstellers Sulzer aus einer Nickelbasislegierung mit einem Sitzbereich (vgl. aaO, Abbildung 7 und Textseite 336 linke Sp., 3. Abs.), die im Verlauf des Herstellungsprozesses auch einem thermomechanischen Umformungsverfahren unterzogen werden, bei dem das Material zumindest teilweise kaltbearbeitet wird. Bei der gewählten Schmiedetechnologie werden Verformungsgrad und -geschwindigkeit sowie der Temperaturverlauf so gesteuert, dass es im Sitzbereich zu einem gewissen Anteil an Warm-Kaltverformung kommt (aaO, S. 337 linke Sp. unten). Neuheitsschädlich ist diese Vorveröffentlichung deshalb nicht, weil keine Streckgrenze von mindestens 1100 MPa für den - an der Oberfläche des Ventils befindlichen - Sitzbereich beschrieben wird. Die Messpunkte T1 und T2 (aaO, Abbildung 13), für die Festigkeitseigenschaften von 903 (T1) bzw. 974 (T2) N/mm2 gemessen wurden, liegen zudem nicht an der Oberseite des Ventiltellers, sondern in dessen Inneren.
c) Dem "Surface Vehicle Information Report" Stand 8/93 (NK 9) kann der mit dem Problem des Durchbrennens von Ventilen vertraute Fachmann entnehmen, dass sich mit Verfahren des thermomechanischen Umformens, des Kaltverformens und einer Wärmebehandlung, eine Widerstandsfähigkeit unter anderem gegen Einkerbungen im Sitzbereich aufgrund der möglichen Härtesteigerungen - es werden Härtewerte von 20 bis 40 HRC (Härteprüfung nach Rockwell) erzeugt - erzielen lässt. Konkrete Hinweise auf eine Ausgestaltung der Ventile nach Maßgabe der Merkmale 2 und 4 des Streitpatents enthält die Veröffentlichung nicht. Das gilt auch für die Offenbarung einer Nickellegierung (N 07001) in Tabelle 3 mit einer Streckgrenze von 1030 MPa. Dem Fachmann ist, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, zwar bewusst, dass dieser Wert nicht allein aufgrund des Werkstoffs erzielt werden kann, sondern dass es dazu einer entsprechenden Behandlung des Ventils bedarf. Allein mit der Angabe der Legierung wird dem Fachmann aber nicht zielgerichtet eine Behandlung nach Maßgabe der Lehre des Streitpatents offenbart, die ohnehin mit dem Wert von 1100 MPa über dem in der Veröffentlichung erwähnten liegt.
d) Die japanische Offenlegungsschrift Hei 8-61028 (NK 28) betrifft Verfahren zur Herstellung von Ventilen für Verbrennungsmotoren, bei denen ausscheidungsgehärtete, nickelbasierte Legierungen verwendet werden. Ziel des angemeldeten Verfahrens ist es, die Härte im Bereich der Ventilsitzflächen im Wege einer Kaltumformung bei anschließender Ausscheidungs-Wärmebehandlung zu erhöhen. Dem Gesichtspunkt einer erhöhten Elastizität durch Erhöhung der Streckgrenze widmet die Schrift sich nicht. Ein das Merkmal 4 von Patentanspruch 1 aufweisendes Ventil wird nicht gezeigt.
e) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist der Öffentlichkeit beim gegebenen Sach- und Streitstand auch nicht durch Benutzung zugänglich gemacht worden.
aa) Soweit die Klägerin in Bezug auf ein im Jahre 2003 gefertigtes Ventil erstinstanzlich vorgetragen hat, die im Rahmen der Serie mit der betreffenden Zeichnungsnummer (29156) gefertigten Auslassventile stimmten hinsichtlich der für den Streitfall relevanten Eigenschaften mit den vor dem Prioritätstag an P. gelieferten überein, insbesondere sei bis heute stets das gleiche Ausgangsmaterial verwendet und der Sitzbereich stets mittels des gleichen thermomechanischen Umformungsverfahrens behandelt worden, hat der gerichtliche Sachverständige zu der - bestrittenen - technischen Übereinstimmung Bedenken geäußert (Gutachten S. 33 unten). Er hat darauf hingewiesen, der gleiche Werkstoff und die gleichen Fertigungsbedingungen könnten bei nach Jahren wiederholter Fertigung zu gleichen Bauteileigenschaften führen, aber auch sehr stark abweichen. Den Unterlagen sei beispielsweise nicht zu entnehmen, ob die gleichen Fertigungseinrichtungen, die gleichen Umformgrade, die gleiche Temperaturführung etc. verwendet worden seien, wobei, wie dem Fachmann geläufig, gerade Superlegierungen sehr empfindlich auf kleinste Veränderungen der Werkstoffzusammensetzung und der Prozessführung reagierten.
Schon mit Blick auf die Stellungnahme des Gutachters hätte die Klägerin ihr diesbezügliches Vorbringen zu substanziieren gehabt. Das hat sie weder in ihrer Stellungnahme zum Gutachten getan, noch hat sie zu den Schlussfolgerungen Stellung bezogen, die die Beklagten aus der Aussage des Zeugen M. im Verletzungsprozess gezogen hat. Der Senat hatte danach keine Veranlassung, dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin nachzugehen.
bb) In Bezug auf das Auslassventil Nittan "EX 80 AH 7-94", das in Pakistan zum Einsatz gekommen sein soll und zwei Ventile, die im Februar bzw. April 1996 gefertigt und auf den Philippinen benutzt worden sein sollen, hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung seine Einschätzung aus dem schriftlichen Gutachten bekräftigt, dass die hier interessierenden Werte vom Einsatz der Ventile im Motor beeinflusst worden sein können. Schon deshalb lassen sich aus den Messergebnissen des Instituts für Eisenhüttenkunde der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen keine für die Vorbenutzungsfrage tragfähigen Schlussfolgerungen ziehen. Überdies wäre zu den behaupteten Vorbenutzungen zu bemerken: Hinsichtlich des nach Pakistan gelieferten Ventils ist völlig offen, wann das Ventil von seinem Hersteller Nittan an den Motorenhersteller Niigata geliefert worden ist, von dem es dann an den pakistanischen Kraftwerkbetreiber gelangt sein muss, bei dem es vor seinem Ausbau im Kraftwerk Sitara-Energy im Einsatz gewesen sein soll. Unabhängig von der Frage, ob die Lieferung nach Pakistan Offenkundigkeit bedeutet hat, ist über das Verhältnis Nittan - Niigata gar nichts bekannt, so dass ohne Weiteres auch ein mit Vertraulichkeitsabsprachen oder -erwartungen verbundenes Hersteller-/Zuliefererverhältnis vorgelegen haben kann. Außerdem ist für die Annahme einer offenkundigen Vorbenutzung nach der Rechtsprechung des Senats vorauszusetzen, dass fachlich versierte Personen Gelegenheit und Anlass zu einer Besichtigung des benutzten Gegenstands hatten (vgl. , GRUR 1986, 372, 373 - Thrombozyten-Zählung). Insbesondere für Letzteres bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte. Die hier interessierende Eigenschaft eines bestimmten Streckgrenzenwertes war nicht ohne Weiteres ersichtlich, sondern konnte erst nach Herausschneiden einer Probe aus einem Ventil durch Versuche ermittelt werden. Ein Anlass, dies vor dem Prioritätstag gerade bei dem nach Pakistan gelieferten Ventil zu tun, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es hatte einen Durchmesser von lediglich 8 cm und ist unstreitig kein Schiffsmotorventil. Wie sich aus der in das Verfahren eingeführten Literatur ergibt, bestand wohl bei großen Schiffsdieselmotoren ein Anlass, nach einer Verbesserung der Ventile zu suchen, weil nämlich die Qualität des als Treibstoff verwendeten Schweröls gesunken war. Entsprechendes ist für das hier in Rede stehende Ventil nicht behauptet, so dass auch nicht ersichtlich und nicht anzunehmen ist, warum ein Fachmann die nach Pakistan gelieferten Ventile der erforderlichen Untersuchung unterzogen haben sollte. Entsprechendes gilt für die übrigen Ventile.
2. Der Senat kann nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen einschließlich der Beweisaufnahme nicht die Wertung treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
a) Der Fachmann ist nach der übereinstimmenden Einschätzung des Patentgerichts und des gerichtlichen Sachverständigen ein an einer Technischen Hochschule oder Universität ausgebildeter Maschinenbauingenieur, der aufgrund einer mehrjährigen Tätigkeit in Industriefirmen (z.B. Hersteller von Gasturbinen oder Großdieselmotoren) vertiefte Kenntnisse in der Verarbeitung von Superlegierungen und auf den Gebieten der Werkstoffkunde und der Umformtechnik vorweisen kann.
b) Es ist nicht anzunehmen, dass der Fachmann in naheliegender Weise vom Stand der Technik zum Gegenstand von Patentanspruch 1 gelangte, indem er die von Baustahl her bekannte Kopplung von steigendem Härtegrad und erhöhter Streckgrenze unbesehen auf die für die Ventilfertigung in Betracht kommenden Superlegierungen übertrug. Wie die Erörterung mit dem Sachverständigen bestätigt hat, war von den hier in Rede stehenden Fachleuten zur Prioritätszeit auch aufgrund ihrer werkstoffkundlichen Kenntnisse nicht zu erwarten, dass sie ihre Anstrengungen zur Fortentwicklung von Ventilen auf der Grundlage solcher Fehlvorstellung über das Verhalten der zu verwendenden Materialien unternahmen, sondern vielmehr, dass sie sich gegebenenfalls in der Fachliteratur über die in Betracht kommenden Materialien und ihre Eigenschaften und das diesbezügliche Umformungspotenzial informierten und auf dieser Grundlage Eigenversuche unternahmen.
c) Der Senat vermochte auch nicht zu der Wertung zu gelangen, dass der Fachmann den Gegenstand von Patentanspruch 1 sonst aus dem Stand der Technik zu entwickeln Anlass hatte.
In der vor dem Prioritätstag veröffentlichten Fachliteratur wurden für das Problem hinreichender Betriebssicherheit der (Auslass-)Ventile insbesondere in Großdieselmotoren für Schiffe, das sich durch die sinkende Treibstoffqualität verschärft hatte, multiple Ursachen diskutiert. Das bereits in der Streitpatentschrift erwähnte, 1990 vom Institute of Marine Engineers, London, veröffentlichte Werk "Diesel engine combustion chamber materials for heavy fuel operation" (Brennkammer für Dieselmotoren, Unterlagen für Schwerölbetrieb) zeigt in Abschnitt 2 Dokument 2 "Review of operating experience with current valve materials" (Überblick über die Betriebserfahrungen mit gängigen Ventilmaterialien, Anlage B6, Übersetzung B6a) zunächst, dass das Problem, trotz verschlechterter Treibstoffqualität eine ausreichende Lebensdauer für Auslassventile zu erreichen, unter unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachtet werden konnte und betrachtet worden ist. Zunächst wird ausgeführt, dass einer der wichtigsten Aspekte der Betriebsumgebung des Auslassventils die Betriebstemperatur sei und die Steuerung der Ventiltemperatur eine der wirksamsten Methoden darstelle, um die Heißgaskorrosion zu reduzieren und die Ventillebensdauer zu erhöhen, weswegen eine wirksame Wärmeübertragung über den Ventilsitz zum Kühlen des Ventils wichtig sei (vgl. auch NK 5, S. 334 linke Sp., S. 336 linke Sp. oben). Es werden ferner die Ursachen für Ventilspannungen erörtert und Sitzdruck und -geschwindigkeit, Ventildrehvorrichtungen sowie die Zusammensetzung des Treibstoffs und Möglichkeiten seiner Vorbehandlung durch Zentrifugation und Filtern diskutiert.
Bei den zu Gaskanälen führenden Heißgaskorrosionsphänomenen werden vier verschiedene Mechanismen unterschieden: (1) die Bildung von Ablagerungen auf dem Sitz, die sodann rissig werden oder abplatzen, (2) die Bildung von Ablagerungen, die das Ventilmaterial korrodieren, (3) die Bildung von Vertiefungen und (4) thermische Ermüdungserscheinungen der Ventilsitzfläche, die zu Rissen im Sitzmaterial führen. Der Ablagerungsprozess (erster Mechanismus) wird als komplex und zweischichtig beschrieben und dazu ausgeführt, dass das Wegbrechen der Ablagerungen der oberen Schicht mehr zu einem Ausfall beitragen könne als durch die untere Schicht verursachte Korrosionsschäden (S. 21 linke Sp. = B6a S. 17 unten). Bei der Diskussion des zweiten Mechanismus wird die Wirkung bei der Verbrennung entstehender korrosiver Salze erörtert und die gegebenenfalls schützende Wirkung von Schmierölzusätzen (S. 20 linke Sp. = B6a S. 15). Im Zusammenhang mit dem vierten Mechanismus wird die Bedeutung der Kompatibilität von Basismaterial und Aufpanzerungsmaterialien diskutiert (S. 20 linke Sp. = B6a S. 16), wobei wiederum - dies zeigt, wie komplex die Dinge sind - der Einfluss von höheren oder niedrigeren Kalziumgehalten im Schmieröl auf die unterschiedlichen Aufpanzerungsmaterialien zu beachten sein soll (S. 23 rechte Sp. übergehend auf S. 24 = B6a S. 22). Im Zusammenhang mit der Bildung von Vertiefungen (dritter Mechanismus) wird die Verwendung weicher oder harter Materialien erwogen (näher unten IV 2 d).
In der Zusammenstellung der erforderlichen Materialeigenschaften wird postuliert:
1. Widerstandsfähigkeit gegen Vanadium- und Natriumsalze,
2. hartes Sitzmaterial, das einer Vertiefung widersteht,
3. niedriger Wärmeausdehnungskoeffizient,
4. angemessene Warmfestigkeit, um Durchbiegungen aufgrund von Gasbeanspruchungen, dynamischen Beanspruchungen und thermischen Spannungen zu begrenzen,
5. bei Aufpanzerungslegierungen ein mit dem Basismaterial kompatibler Wärmeausdehnungskoeffizient.
Danach führt der Stand der Technik dem Fachmann die Komplexität des Problemsfeldes vor Augen, in dem eine Vielzahl von Faktoren ineinandergreifen. Soweit es Materialfragen betrifft, scheint nirgendwo, wie im Ergebnis auch die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts angenommen hat, die Anregung auf, das zu tun, was das Streitpatent vorschlägt, nämlich nicht eine möglichst große Härte, sondern eine möglichst hohe Streckgrenze für das Sitzmaterial anzustreben, um durch eine höhere Elastizität des Materials dem Entstehen von Vertiefungen zu begegnen. Die Ausarbeitung der zentralen Forschungsabteilung von Daido Steel (NK 10) beschreibt eine thermomechanische Umformung, bei der ein Härtegrad von HV 400 (Härteprüfung nach Vickers) erreicht wird. Aus der Veröffentlichung von Hammer und anderen geht ebenfalls hervor, dass für den Ventilsitz in erster Linie höchste Härte angestrebt wird. In der Entgegenhaltung B6 wird betreffend die Ventilsitze ebenfalls geäußert, dass zur Erzielung einer langen Lebensdauer ein hartes Sitzmaterial benötigt wird, das einer Vertiefung widersteht (S. 21 linke Sp. = B6a S. 18); erhöhte Härte verringere die Tendenz einer Kanalbildung und das anschließende Durchbrennen. Es werden dort zwei Vergleiche von Ventilmaterialien wiedergegeben, bei denen jeweils einer NIMONIC-Legierung mit Aufpanzerung des Sitzbereichs die geringsten Korrosionsschäden und die höchste Lebensdauer attestiert werden (S. 22 f. = B6a S. 20 f.); Ventile aus NIMONIC 81, die mit einer bestimmten Legierung aufgepanzert seien und eine Härte von 60 HRC (Härteprüfung nach Rockwell) aufweisen, seien für einen Motorenhersteller für den Schwerölbetrieb die Ventile der Wahl (S. 23 rechte Sp. = B6a S. 21). Basis- und Aufpanzerungsmaterialien werden näher erörtert und es wird über noch in der Entwicklung befindliche Keramiküberzüge und die Möglichkeit der Einarbeitung monolithischer Keramikbestandteile in den Ventilsitz berichtet. Hammer und andere (NK 5) betonen die Bedeutung der Verfahrensführung, um bei der Sekundärverformung enge Schmiedetemperaturbereiche einzuhalten und die gewünschte Korngröße und einen möglichst gleichmäßigen Gefügezustand zu erreichen, wobei es als ratsam bezeichnet wird, das ganze Ventil auf höchste Härte zu behandeln (S. 337 rechte Sp. unten), jedenfalls aber die Forderung nach "höchster Sitzhärte" einzuhalten (S. 337 linke Sp. unten).
d) Der gerichtliche Sachverständige meint, der Fachmann werde nicht den Stand der Technik unreflektiert übernehmen und noch höhere Härtewerte anstreben, sondern die vorhandene Literatur zwar ergänzend berücksichtigen, methodisch vorgehend werde er aber versuchen, Lösungen aus gegebenen Problemstellungen unter Nutzung seines gesamten Wissens grundlegend aufzubauen, in diesem Zusammenhang auch die Werkstoffeigenschaften hinterfragen und aufgrund rein mechanischer Betrachtungen auf die Notwendigkeit einer hohen Werkstoffelastizität schließen.
Der Senat vermag hierzu keinen hinreichenden Anhalt dafür zu finden, dass der hinsichtlich Ausbildung, Erfahrung und entwicklerischer Kreativität repräsentative durchschnittliche Fachvertreter in den am Markt tätigen Unternehmen Veranlassung hatte, die in der Praxis bisher begangenen Lösungswege zu verlassen und die vom Sachverständigen gehegten hohen Erwartungen zu erfüllen. Der Fachmann lernt bei seiner Hochschulausbildung zwar eine solche abstrahierende, zerlegende Sichtweise, wie der Sachverständige sie schildert. Dies bedeutet aber nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres, dass diese Sicht die Entwicklung eines Fachgebiets prägt (vgl. Tz. 36 - Walzgerüst II). Es mag sein, dass dem Fachmann von einem bestimmten Punkt der Entwicklung an Bedenken daran kommen können, ob der im Stand der Technik vorherrschende Lösungsweg der Wahl immer noch härteren Materials weiter beschritten werden kann, weil unter zunehmender Härte die Duktilität des Materials leidet und dieses am Ende zu spröde gerät, um seinen Zweck noch optimal erfüllen zu können. Es ist aber schon fraglich, ob in der Entwicklung der hier interessierenden Ventile dieser Punkt zur Prioritätszeit schon erreicht war, zumal die Klägerin selbst diesen Standpunkt nicht eingenommen hat, sondern davon ausgeht, dass der Fachmann an einer weiteren Steigerung der Härte zum Zwecke der Steigerung der Elastizität gearbeitet hätte. Es ist außerdem zu bedenken, dass in der Fachliteratur, wie vorstehend dargestellt, die Bildung von Vertiefungen, auf die die Lösung des Streitpatents zugeschnitten ist, nur als eine unter mehreren Ursachen für das Durchbrennen erörtert wurde, was die Erwartung, der Fachmann würde gezielt die Erhöhung der Elastizität im Sitzbereich in den Blick nehmen, zumindest relativiert. Es kann des Weiteren nicht übersehen werden, dass beispielsweise die Veröffentlichung B6 den Fachmann von der vom Streitpatent befürworteten Lösung wegführt. In der Schrift wird im Zusammenhang mit der Bildung von Vertiefungen die Verwendung weicher oder harter Materialien erwogen. Der Vorteil weicheren Materials liegt demzufolge darin, dass eingetretene Vertiefungen allmählich durch Verschleiß und plastische Deformation wieder verschwinden, so dass ein relativ weiches Material mit einer hohen, aber vorhersagbaren Verschleißrate und einem guten Korrosionswiderstand manchmal gegenüber einem härteren Material überlegen sein kann, auch wenn Letzteres einem geringeren Verschleiß unterliegt, damit aber eine erhöhte Gefahr vertiefungsbedingter Ventilausfälle einhergeht (S. 20 rechte Sp. = B6a S. 16 f.). Danach würde der Fachmann erwägen, ob nicht der Vorteil kalkulierbarer Reparaturzyklen gegenüber dem Risiko, bei an sich längerlebigen härteren Ventilen einen Motorschaden unter ungünstigen Verhältnissen mit entsprechend hohen Folgekosten zu erleiden, groß genug ist, um sich doch für weicheres Material zu entscheiden, nicht aber das tun, was das Streitpatent vorschlägt, nämlich einen nochmals anderen Weg zu beschreiten und einem prinzipiell härteren Werkstoff eine höhere Elastizität zu verleihen, um auf diese Art und Weise dem Entstehen von Vertiefungen zu begegnen.
Auf die Annahme des Sachverständigen, der Fachmann werde im Rahmen übergreifender Anstrengungen auch die im Wälzlagerbereich gefundenen Erkenntnisse aufgreifen, hat die Klägerin in anderem Zusammenhang mit Zurückhaltung reagiert und darauf hingewiesen, es gebe zwischen der Herstellung von Wälzlagern einerseits und Auslassventilen der hier in Rede stehenden Art keine praktischen Berührungspunkte, die dazu geführt hätten, dass der Fachmann sich für die Produktion der Letzteren im Bereich der Wälzlagertechnik umgesehen hätte. Dieser Einwand erscheint plausibel, zumal sich das Arbeitsspiel der Ventile zumindest nicht als ein typisches tribologisches System aufeinander wirkender Oberflächen in Relativbewegung zueinander wie beispielsweise zwischen Kurbelwelle und Pleuel bzw. Pleuel, Kolben und Kolbenbolzen darstellt. Auch wird in der Untersuchung von Stangner als Antwort auf die Beeinträchtigung des Lagers durch Verunreinigung mit harten Partikeln, die beim Überrollen örtlich plastische Verformungen in der Laufspur hervorrufen und die mit dem Auftreten fester Verbrennungsrückstände in Dieselmotoren am ehesten vergleichbar erscheint, eine hohe Duktilität bei gleichzeitig ausreichend hoher Härte vorgeschlagen. Auch das weist nicht in die Richtung der Lösung des Streitpatents. Eine hohe Streckgrenze, wie sie das Streitpatent befürwortet, wird in der Veröffentlichung von Stangner mit stoßartigen Beanspruchungen im Wälzkontakt in Verbindung gebracht, denen die Belastungen im Verbrennungsraum des Motors indes nicht entsprechen.
3. Die Unteransprüche 2 bis 6 haben mit dem Hauptanspruch Bestand; Entsprechendes gilt für Patentanspruch 7.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
Fundstelle(n):
AAAAD-79522