BFH Beschluss v. - V B 59/10

Keine Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids bei einer erst nachträglich erkannten fehlerhaften Umsetzung einer Richtlinie

Gesetze: AO § 110, AO § 155, AO § 172, AO § 355, Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchstabe f, EG Art. 10, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

2 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfenen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts sind bereits geklärt.

3 a) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt in Betracht, wenn Auslegungszweifel in Bezug auf das anzuwendende Unionsrecht vorhanden sind und im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einzuholen wäre (vgl. , BFH/NV 2008, 390).

4 b) Die Kläger benennen in den Schriftsätzen zur Beschwerdebegründung vom und die folgenden —ihrer Ansicht nach auslegungsbedürftigen— Rechtsfragen.

5 aa) Sie halten das Unionsrecht hinsichtlich der Frage für auslegungsbedürftig, ob dem sog. Emmott-, Emmott (Slg. 1991, I-4269) der Rechtsgrundsatz zu entnehmen sei, dass jemand seine durch das Unionsrecht eingeräumten Rechte nur geltend machen könne, wenn er in der Lage sei, sich von diesen in ausreichender Weise Kenntnis zu verschaffen und ob dies erfordere, dass die Einspruchsfrist (§§ 347 Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 1 der AbgabenordnungAO—) bei einer fehlerhaften Umsetzung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG durch den Gesetzgeber einer Anlaufhemmung unterliegen müsse, bis der Steuerpflichtige durch ein EuGH-Urteil Kenntnis vom Umsetzungsverstoß erlangen könne.

6 bb) Gestützt auf Ausführungen im (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 60) halten die Kläger es außerdem für unionsrechtlich klärungsbedürftig, ob es bei einer nachträglich erkannten fehlerhaften Richtlinienumsetzung —wie in der bisherigen Rechtsprechung des BFH angenommen (vgl. Entscheidungen vom V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436; vom V R 45/06, BFH/NV 2008, 1889; vom I B 230/08, BFH/NV 2009, 1779)— unter Anwendung der sog. „Kühne und Heitz-Rechtsprechung” des , Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837) mit dem Unionsrecht vereinbar sei, dass ein bestandskräftiger und der Festsetzungsverjährung unterliegender Steuerbescheid nur geändert werden könne, wenn das deutsche Verfahrensrecht hierfür eine Korrekturvorschrift enthalte und ob ein unionsrechtlicher Änderungsanspruch stets verlange, dass der Steuerpflichtige zuvor erfolglos den Rechtsweg gegen die bestandskräftig gewordene Steuerfestsetzung bis zum Ende beschritten habe.

7 cc) Der EuGH müsse schließlich darüber befinden, ob die Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO, der eine Änderung rechtswidriger bestandskräftiger Steuerbescheide nach § 130 AO ausschließe, den Vorgaben des unionsrechtlichen Effektivitätsprinzips zuwiderlaufe.

8 c) Die aufgeworfenen Auslegungsfragen sind jedoch geklärt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf sein Urteil vom V R 57/09, BFHE 230, 504; (vgl. auch BFH-Entscheidungen vom X B 41/10, BFH/NV 2010, 1783, und vom XI R 41/08, BFH/NV 2010, 1).

9 2. Eine Zulassung der Revision zur Vermeidung einer drohenden „nachträglichen Divergenz” (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 291; Senatsbeschluss vom V B 34/08, BFH/NV 2009, 2011) kommt nicht in Betracht. Der Senat hat die von den Klägern angeführten —bei Beschwerdeeinlegung noch anhängigen— Verfahren mittlerweile entschieden. Damit stimmen die tragenden Rechtssätze des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts überein.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 409 Nr. 3
QAAAD-60631