BGH Beschluss v. - IX ZB 261/09

Treuhändervergütung in der Wohlverhaltensperiode: Stichtag für die Anwendbarkeit der Neuregelung; Vergleichsberechnung zwischen Regelvergütung und Mindestvergütung; Voraussetzungen eines Zuschlags für jeweils 5 Gläubiger

Leitsatz

1. Die Neuregelung der Mindestvergütung des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode durch die Erste Änderungsverordnung zur Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung findet für die Tätigkeit des Treuhänders ab Anwendung; für seine Tätigkeit davor gilt die frühere Fassung .

2. Zu vergleichen ist die Regelvergütung nach § 14 Abs. 1 und 2 InsVV mit der Mindestvergütung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsVV, jeweils bezogen auf die gesamte Dauer der Tätigkeit. Die höhere Vergütung ist festzusetzen .

3. Der Zuschlag nach § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV kann nicht zur Regelvergütung verlangt werden; er setzt nicht voraus, dass auch ohne Verteilung die Mindestvergütung anzusetzen wäre .

4. Der Zuschlag von 50 € wird für jeweils fünf Gläubiger gewährt, auch für die ersten fünf Gläubiger, wenn insgesamt an mehr als fünf Gläubiger verteilt wurde .

Gesetze: § 14 Abs 1 InsVV, § 14 Abs 2 InsVV, § 14 Abs 3 S 1 InsVV, § 14 Abs 3 S 2 InsVV, § 19 Abs 1 InsVV, Art 1 Nr 10 InsVVÄndV, Art 2 InsVVÄndV

Instanzenzug: LG Lüneburg Az: 3 T 106/09 Beschlussvorgehend AG Celle Az: 34 IN 53/03 Beschluss

Gründe

I.

1Das am eröffnete Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss vom gemäß § 211 InsO eingestellt. Dem Schuldner wurde Restschuldbefreiung angekündigt und der weitere Beteiligte zum Treuhänder für die Wohlverhaltensperiode bestellt.

2Der Treuhänder beantragte, seine Vergütung als Treuhänder für die Wohlverhaltensperiode ( bis ) ausgehend von einer Berechnungsgrundlage von 17.489,38 € auf 874,47 € zuzüglich Auslagen von 74,20 € und Umsatzsteuer von 180,25 € auf 1.128,92 € festzusetzen. Daneben beantragte er für jedes Jahr der Quotenausschüttung eine zusätzliche Vergütung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV in Höhe von 1.100 € zuzüglich Umsatzsteuer aufgrund zu berücksichtigender 111 Gläubiger, zusammen für zwei Jahre 2.618 €.

3Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht die Vergütung auf 874,47 € zuzüglich 74,20 € Auslagen und 19 v.H. Umsatzsteuer festgesetzt, zusammen 1.128,92 €. Eine zusätzliche Vergütung nach § 14 Abs. 3 InsVV hat es abgelehnt.

4Die sofortige Beschwerde des Treuhänders hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt er weiterhin die Festsetzung der Vergütung auf 3.148,67 € zuzüglich Umsatzsteuer, zusammen 3.746,92 €.

II.

5Die zulässige Rechtsbeschwerde ist überwiegend begründet.

61. Das Beschwerdegericht (ZInsO 2010, 207) hat gemeint, im vorliegenden Fall sei zwar § 14 Abs. 3 InsVV in der ab geltenden Fassung anwendbar. Die Anwendung scheitere jedoch daran, dass der Treuhänder wegen der zur Befriedigung der Gläubiger eingegangenen Beträge in Höhe von 17.489,38 € eine Vergütung nach § 14 Abs. 1 und 2 InsVV erhalte. In einem solchen Fall finde eine Erhöhung der Vergütung aufgrund getätigter Ausschüttungen gemäß § 14 Abs. 3 InsVV nicht statt. Die Erhöhung werde im Übrigen nur blockweise für jeweils fünf Gläubiger gewährt, nicht für jeweils angefangene fünf Gläubiger.

72. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Die Rechtsbeschwerde ist überwiegend begründet.

8a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Neufassung des § 14 Abs. 3 InsVV durch die am in Kraft getretene Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom (BGBl. I S. 2569) auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Das stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.

9aa) Die seinerzeit durch Art. 1 Nr. 10 der Ersten Änderungsverordnung zur InsVV geschaffene Übergangsvorschrift des § 19 InsVV (jetzt: § 19 Abs. 1 InsVV) bestimmt zwar, dass auf Insolvenzverfahren, die vor dem eröffnet wurden, die Vorschriften der Verordnung in der zuvor geltenden Fassung weiter anzuwenden sind. Im vorliegenden Fall wurde das Insolvenzverfahren am eröffnet. Der Senat hat hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters darauf abgestellt, wann das Insolvenzverfahren selbst eröffnet worden ist (vgl. , NZI 2007, 46). Das führt dazu, dass die erhöhte Mindestvergütung der vorläufigen Insolvenzverwalter bereits für eine Tätigkeit vor dem Anwendung findet, wenn das Verfahren selbst erst nach dem eröffnet wurde.

10bb) § 19 Abs. 1 InsVV (§ 19 InsVV a.F.) trifft eine Übergangsregelung für das Insolvenzverfahren. Damit ist auch das Eröffnungsverfahren gemeint ( aaO Rn. 8). Die Wirkungen der Wohlverhaltensperiode beginnen demgegenüber erst mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 211 InsO, die ihrerseits gemäß § 289 Abs. 2, 3 InsO die Rechtskraft der Entscheidung über die Ankündigung der Restschuldbefreiung voraussetzen (vgl. , ZIP 2010, 1610 Rn. 4).

11Das Restschuldbefreiungsverfahren ist selbstständig. Hierfür hat § 19 Abs. 1 InsVV keine Übergangsregelung getroffen. Deshalb gilt die Neuregelung des § 14 Abs. 3 InsVV gemäß Art. 2 der Ersten Änderungsverordnung ab mit Inkrafttreten der Änderungsverordnung. Da der Rechtsbeschwerdeführer am zum Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode bestellt wurde, ist auf ihn die Neuregelung für die gesamte Dauer seiner Tätigkeit anwendbar.

12Der Begriff des Insolvenzverfahrens in § 19 Abs. 1 InsVV ist nicht in einem umfassenden, auch das Restschuldbefreiungsverfahren meinenden Sinne zu verstehen. Der zeitliche Abstand zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Beginn der Wohlverhaltensperiode kann viele Jahre betragen. Auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann deshalb in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, weil andernfalls zum Teil noch für erhebliche Dauer die alte Fassung des § 14 Abs. 3 InsVV anwendbar geblieben wäre. Das war nicht beabsichtigt.

13In der Begründung zu Art. 1 Nr. 10 der Ersten Änderungsverordnung zur InsVV (abgedruckt bei Kübler/Prütting/Bork, InsO Anhang III zur InsVV) ist ausgeführt, die Neuregelung habe für Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode die Konsequenz, dass für Tätigkeiten, die sie nach Inkrafttreten dieser Verordnung entfalteten, die neuen Vergütungssätze maßgebend seien. Daraus ergibt sich, dass die Übergangsregelung für den Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode nicht gelten soll.

14Umgekehrt findet die Neufassung aber auch keine Anwendung auf die vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung bereits geleistete Tätigkeit (im Gesamtergebnis ebenso LG Hamburg, ZInsO 2010, 352 Rn. 8 f; LG Memmingen, ZInsO 2009, 302 Rn. 8 ff; a.A. LG Saarbrücken, NZI 2010, 696 f: Abstellen auf den Zeitpunkt der Bestellung des Treuhänders nach dem ; LG Augsburg, NZI 2010, 531: Abstellen auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach dem ).

15b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts findet die Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV nicht nur Anwendung, wenn schon Satz 1 Anwendung finden würde, also wenn auch unabhängig von einer Verteilung bereits die Mindestvergütung anzusetzen wäre.

16Nach der Neuregelung soll der Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode zumindest die sich aus § 14 Abs. 3 InsVV n.F. zustehende Mindestvergütung erhalten (vgl. Begründung zu Art. 1 Nr. 6 des Entwurfs der Ersten Änderungsverordnung zur InsVV, aaO). Zu vergleichen sind deshalb für die gesamte Dauer der Tätigkeit des Treuhänders, für die gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 InsVV die Vergütung bei Beendigung des Amtes einheitlich festgelegt wird, einerseits die Mindestvergütung nach § 14 Abs. 3 InsVV, andererseits die Regelvergütung nach § 14 Abs. 1 und 2 InsVV. Die höhere Vergütung ist zu bewilligen.

17Die vom Beschwerdegericht zugrunde gelegte Auslegung würde zu in sich widersprüchlichen Ergebnissen führen, weil durch eine Erhöhung der zu verteilenden Beträge die verdiente Vergütung absinken könnte. Das war ersichtlich nicht beabsichtigt. § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV erhöht bei Vorliegen seiner Voraussetzungen in allen Fällen die Mindestvergütung.

18Das kann zwar im Einzelfall bei einer hohen Zahl von Gläubigern selbst bei beachtlicher Höhe der aufgrund der Abtretungserklärung des Schuldners eingehenden Beträge zu deutlich höheren Mindestvergütungen als die Regelvergütung führen. Der Verordnungsgeber sah jedoch nur auf diesem Weg eine auskömmliche Vergütung gewährleistet (vgl. Begründung aaO).

19c) Die Erhöhung der Vergütung nach § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV um jeweils 50 € pro fünf Gläubiger setzt voraus, dass die eingegangenen Beträge in dem zu prüfenden Jahr der Tätigkeit an mehr als fünf Gläubiger verteilt wurden. Der Zuschlag fällt dann jeweils an, wenn an (weitere) fünf Gläubiger verteilt wird.

20Zuzugeben ist der Rechtsbeschwerde, dass in den Regelungen des § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 InsVV und des § 13 Abs. 1 Sätze 4 und 5 InsVV abweichend von § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV auf eine Zahl von je angefangenen fünf Gläubigern abgestellt wird. Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, dass es sich bei § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV um ein redaktionelles Versehen handelt und der Verordnungsgeber in Wirklichkeit auch hier, wie bei den genannten Vergleichsvorschriften, auf je angefangene fünf Gläubiger abstellen wollte. Für diese Annahme ergeben sich weder aus der Verordnung noch aus deren Begründungen Anhaltspunkte. Es muss davon ausgegangen werden, dass dem Verordnungsgeber die unterschiedliche Formulierung bewusst war.

21Ein Wertungswiderspruch ergibt sich daraus nicht. Die unterschiedlichen Berechnungen führen zu im System übereinstimmenden Ergebnissen. Denn die Berechnung nach § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV unterscheidet sich von derjenigen von § 2 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 InsVV dadurch, dass die Erhöhung schon für die ersten fünf Gläubiger anfällt (vorausgesetzt, die Zahl 5 ist überschritten), bei § 2 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 InsVV dagegen erst für die angefangenen fünf Gläubiger, die über die Zahl von fünf (§ 13 Abs. 1 InsVV) oder zehn Gläubigern (§ 2 Abs. 2 InsVV) hinausgeht; für die ersten fünf (zehn) Gläubiger wird dort also gerade keine Erhöhung gewährt. Im Ergebnis wird der Zuschlag also in gleicher Weise gewährt wie bei den Parallelvorschriften (a.A. LG Saarbrücken, NZI 2010, 696; LG Lübeck, NZI 2009, 566, LG Memmingen; ZInsO 2009, 302, die den ersten Zuschlag von 50 € erst bei zehn Gläubigern gewähren wollen).

22d) Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 14 Rn. 15) kann § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV nicht so verstanden werden, dass für jeden einzelnen zusätzlichen Gläubiger, an den verteilt wird, ein Zuschlag von 10 € gewährt wird. Auch wenn die Mindestvergütung des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode in gewissem Umfang tätigkeitsorientiert ist, zwingt dies nicht dazu, die angeordnete Pauschalierung auf jeweils fünf Gläubiger wegen zwingenden höherrangigen Rechts außer Acht zu lassen.

23e) Entgegen dem Vergütungsantrag des Treuhänders kann nach dem Gesagten nicht die Regelvergütung nach § 14 Abs. 2 InsVV und zusätzlich die Erhöhung nach § 14 Abs. 3 Satz 2 InsVV verlangt werden. Letztere kann nur die Mindestvergütung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 InsVV erhöhen.

24f) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wurden die eingegangen Beträge 2008 und 2009 an jeweils 103 verschiedene Gläubiger verteilt. Maßgeblich ist die Kopfzahl der Gläubiger und nicht die Zahl ihrer Forderungen (vgl. , z.V.b.).

25Danach berechnet sich die Vergütung des Treuhänders wie folgt:

26cc) Da die Mindestvergütung höher ist als die Regelvergütung, ist die Mindestvergütung festzusetzen. Darauf sind die Vorschüsse in Höhe von 788,66 € anzurechnen.

Kayser                               Gehrlein                            Vill

                  Fischer                                  Grupp

Fundstelle(n):
WM 2011 S. 274 Nr. 6
TAAAD-60523