BGH Urteil v. - 1 StR 579/09

Betäubungsmitteldelikte: Strafbarkeit der bandenmäßigen Ausfuhr von betäubungsmittelhaltigen Medikamenten und Zubereitungen in Form des unerlaubten Internet-Versandhandels; Vereinbarkeit mit dem grundgesetzlichen Bestimmtheitsgrundsatz; Bestimmung der Grenzwerte für die Annahme einer nicht geringen Menge bei Benzodiazepinen und Zolpidem

Gesetze: § 1 Abs 1 Anl 3 BtMG, § 2 Abs 1 Nr 3 BtMG, § 3 BtMG, § 11 BtMG, § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 30a BtMG, Art 20 GG, Art 103 Abs 2 GG

Instanzenzug: LG München I Az: 9 KLs 361 Js 38416/07c Urteil

Gründe

A.

I.

11. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

2Im Jahr 2004 beschlossen die Angeklagten W. und B. sowie der gesondert verfolgte M. über das Internet Benzodiazepine (wie z.B. Valium) und sog. Non-Benzodiazepine (Zolpidem) an Kunden aus dem Ausland zu vertreiben, ohne jedoch über die für die Ausfuhr dieser Medikamente nach dem Betäubungsmittelgesetz erforderlichen Erlaubnisse zu verfügen. Der Versandhandel wurde maßgeblich über die von M. gegründete Medikamentengroßhandelsfirma "G." abgewickelt, deren faktischer Geschäftsführer seit dem Jahr 2002 der Angeklagte B. war. Der Angeklagte W. war ebenfalls bei der Firma "G." beschäftigt, zunächst ab dem Jahr 2003 als ein in die Geschäftsleitung eingebundener Angestellter und ab August 2005 als weiterer Geschäftsführer. Nach dem von den Angeklagten B. und W. sowie von M. ersonnenen Geschäftsmodell wurden die Medikamentenbestellungen von Kunden aus dem Ausland über diverse Internetplattformen erlangt, die von der von M. gegründeten Firma "N." betrieben wurden. Nach der Prüfung der Kreditkartendaten und der Kreditwürdigkeit des jeweiligen Bestellers wurden die Bestellungen an einen in das Geschäftsmodell eingeweihten Arzt übermittelt, der gegen ein zuvor festgelegtes Entgelt "online" ein entsprechendes Rezept ausstellte, um so nach außen hin den Anschein einer ordnungsgemäßen ärztlichen Untersuchung zu erwecken. Das Rezept und die Bestellung wurden schließlich an einen ebenfalls eingeweihten Apotheker weitergeleitet, der gegen eine zuvor bestimmte Vergütung die bestellten Medikamente über die Firma "G." bezog, diese anschließend versandfertig verpackte und - ohne über die hierfür erforderliche betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis zu verfügen - in das Ausland an die jeweiligen Kunden verschickte.

3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es auf diese Weise im ersten Tatkomplex (unter B II 2. "Versand durch S.") in dem Tatzeitraum vom bis zum durch den - von den Angeklagten B. und W. sowie von M. eingesetzten - Apotheker S. zu mindestens 18.995 Versendungen an Kunden im Ausland, die Medikamente mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam oder Zolpidem enthielten.

4b) Im Mai 2005 stellte M. die Angeklagte K. als freie Mitarbeiterin ein, die sowohl für die Firma "N." als auch für die Firma "G." tätig war. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten unter anderem die Erfassung der Bestellungen und der Kundendaten sowie die Erstellung von Versandlisten. Außerdem stand sie als "rechte Hand" des gesondert verfolgten M., der sich überwiegend im Ausland aufhielt, ständig in Kontakt mit diesem und informierte ihn über die Geschäftsentwicklung. Von dem Erfordernis einer betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnis für die Ausfuhr der über das Internet bestellten Medikamente in das Ausland und dem Umstand, dass keiner der Beteiligten über die entsprechende Erlaubnis verfügte, erlangte die Angeklagte K. spätestens im März 2006 anlässlich eines Gesprächs mit dem Angeklagten B. Kenntnis. Nachdem im Sommer 2006 auch der letzte der eingeweihten Ärzte aufgrund medizinischer Bedenken keine weiteren Rezepte mehr ausstellte, fälschte die Angeklagte K. dessen Unterschrift in 2.994 Fällen, um auf diese Weise den Internetversandhandel mit Medikamenten weiter aufrecht zu erhalten. Die von ihr gefälschten Rezepte leitete sie an den Apotheker St. weiter, der ab April 2006 die Tätigkeit des Apothekers S. übernommen hatte und für die Angeklagten und M. die über das Internet bestellten Medikamente in das Ausland verschickte, ohne über die erforderlichen betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnisse zu verfügen. In diesem zweiten Tatkomplex (unter B II 3. "Versand durch St.") kam es in dem Tatzeitraum von April 2006 bis Dezember 2006/Januar 2007 zu insgesamt 5.399 Versendungen an Kunden im Ausland, die Medikamente mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam oder Zolpidem enthielten.

5c) Im Januar 2007 vereinbarten die Angeklagten B. und W. sowie der gesondert verfolgte M. mit der Angeklagten Ke., die in Polen und Deutschland mehrere Medikamentengroßhandelsunternehmen betrieb, dass von der Firma "G." - ohne dass diese über die erforderlichen betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnisse verfügte, wovon auch die Angeklagte Ke. Kenntnis hatte - Benzodiazepine bzw. sog. Non-Benzodiazepine wie Zolpidem von Deutschland aus zu ihr nach Polen geliefert werden sollten, damit sie diese an die jeweiligen Besteller weiter verschicken konnte. Der Angeklagten K. kam hierbei die Aufgabe zu, aus den eingehenden Bestellungen täglich Versandlisten zu erstellen und diese an die Angeklagte Ke. zu übermitteln. Außerdem fertigte sie Aufstellungen über die verkauften Medikamente an, die unter anderem als Grundlage für die Abrechnung mit der Angeklagten Ke. herangezogen wurden. Im dritten Tatkomplex (unter B II 4. "Versand durch Ke.") kam es in dem Tatzeitraum von Januar 2007 bis Oktober 2007 zu insgesamt 71 Lieferungen an die Angeklagte Ke. in Polen, die Medikamente mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Lormetazepam (im Urteil fälschlich als Lormelazepam bezeichnet, wobei es sich um ein offensichtliches Schreibversehen handelt, da es einen Wirkstoff mit diesem Namen nicht gibt), Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam, Tetrazepam oder Zolpidem enthielten. Auf Anweisung des Angeklagten W. wurden die Medikamente vor dem Versand nach Polen falsch deklariert und auf den Lieferscheinen als Kosmetika oder Fußbalsam ausgewiesen.

62. Rechtlich hat das Landgericht den festgestellten Sachverhalt wie folgt bewertet:

7a) Im zweiten Tatkomplex ("Versand durch St.") hat es die Rezeptfälschungen durch die Angeklagte K. jeweils als Urkundenfälschungen gemäß § 267 StGB angesehen.

8b) Hinsichtlich der von den Angeklagten durchgeführten Versendungen von Medikamenten mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam, Tetrazepam und Zolpidem ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich hierbei jeweils um ausgenommene Zubereitungen i.S.v. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 BtMG i.V.m. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG gehandelt habe. Die Strafbarkeit der Ausfuhr solcher Zubereitungen ergebe sich als "Ausnahme von der Ausnahme" aus der Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2, wonach für ausgenommene Zubereitungen (außer solchen mit Codein oder Dihydrocodein) die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr gelten. Das Landgericht hat daher die Versendungen der Medikamente mit den oben bezeichneten Wirkstoffen jeweils als gewerbsmäßige unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 BtMG und - soweit es den Grenzwert zur nicht geringen Menge als überschritten angesehen hat - als bandenmäßig begangene Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bewertet. Gestützt auf die Ausführungen von drei Sachverständigen hat es dabei die nicht geringe Menge der von den Angeklagten vertriebenen Wirkstoffe wie folgt festgesetzt:

9Einen Grenzwert für den Wirkstoff Lormetazepam (Fall 71 im dritten Tatkomplex "Versand durch Ke.") hat das Landgericht nicht festgesetzt.

103. Ausgehend von dieser rechtlichen Bewertung hat das Landgericht die Angeklagten wie folgt verurteilt:

11- den Angeklagten B. wegen bandenmäßig begangener unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4.357 Fällen und wegen vorsätzlicher unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in 19.708 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren,

12- den Angeklagten W. wegen bandenmäßig begangener unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4.357 Fällen und wegen vorsätzlicher unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in 19.708 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten,

13- die Angeklagte K. wegen bandenmäßig begangener unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4.354 Fällen, davon in 2.382 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen vorsätzlicher Ausfuhr von Betäubungsmitteln in 1.116 Fällen, davon in 612 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und

14- die Angeklagte Ke. wegen bandenmäßig begangener unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 71 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

15Daneben hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz angeordnet, hinsichtlich des Angeklagten B. in Höhe von 150.000 Euro, hinsichtlich des Angeklagten W. in Höhe von 32.000 Euro, hinsichtlich der Angeklagten K. in Höhe von 13.500 Euro und hinsichtlich der Angeklagten Ke. in Höhe von 43.500 Euro.

II.

161. Die Angeklagten haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Rechtsmitteln beanstanden sie, dass das Landgericht sie zu Unrecht wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verurteilt habe. Sie machen dabei insbesondere geltend, dass das Landgericht die Grenzwerte zur nicht geringen Menge der von ihnen vertriebenen Wirkstoffe fehlerhaft berechnet und daher zu niedrig angesetzt habe. Der Angeklagte B. beanstandet darüber hinaus, dass die Anwendung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auf die Ausfuhr von sog. ausgenommenen Zubereitungen gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) verstoße. Im Übrigen habe das Landgericht zu Unrecht einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB verneint.

172. Die Staatsanwaltschaft hat zu Ungunsten der Angeklagten K. ebenfalls Revision eingelegt. Sie hat ihr Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt. Sie rügt insbesondere, dass das Landgericht bei der Strafzumessung bezüglich der Angeklagten K. die Annahme eines besonders schweren Falles sowohl hinsichtlich der Betäubungsmitteldelikte nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG als auch hinsichtlich der Urkundendelikte gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB rechtsfehlerhaft verneint habe.

B.

19Die Revisionen der Angeklagten haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.

201. Nicht zu beanstanden ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts insoweit, als es davon ausgegangen ist, dass die Versendung von Medikamenten mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam, Tetrazepam und Zolpidem ins Ausland den Tatbestand der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bzw. § 30a Abs. 1 BtMG erfüllt.

21a) Bei den von den Angeklagten versendeten Medikamenten handelt es sich jeweils um - verkehrs- und verschreibungsfähige - Betäubungsmittel, da sämtliche der darin enthaltenen oben genannten Wirkstoffe in der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt sind.

22b) Das Versenden dieser Medikamente ins Ausland ohne die erforderliche Erlaubnis (§ 3 Abs. 1 BtMG) und Genehmigung (§ 11 Abs. 1 BtMG) stellt eine unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bzw. § 30a Abs. 1 BtMG dar. Nach den in der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Bestimmungen sind die darin aufgeführten Wirkstoffe zwar als Zubereitungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, d.h. als Stoffgemische oder als Lösungen aus einem oder mehreren Stoffen, grundsätzlich von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ausgenommen, soweit sie - wie vorliegend - ohne Beimengung eines anderen Wirkstoffes die in der Anlage im Einzelnen festgelegten Wirkstoffmengen nicht überschreiten (sog. ausgenommene Zubereitungen; vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 2 Rn. 64). Nach der Regelung in der Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG gilt dies jedoch nicht für die Handlungen der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr derartiger Zubereitungen, da in diesen Fällen die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auch weiterhin Anwendung finden sollen. Werden daher - wie im vorliegenden Fall - Medikamente mit den in Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Wirkstoffen ohne die erforderliche Erlaubnis und Genehmigung über die deutsche Hoheitsgrenze ins Ausland verbracht, erfüllt eine solche Handlung den (Grund)Tatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG (vgl. Körner, BtMG, 6. Aufl., § 2 Rn. 66).

23Der Umstand, dass die Tathandlungen der Angeklagten nicht bloß auf die Ausfuhr der Medikamente beschränkt waren, sondern auch deren gewinnbringenden Verkauf mit umfassten, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehen zwar nicht nur der Erwerb, der Besitz und die Veräußerung, sondern auch die Ausfuhr als rechtlich unselbständige Teilakte des Gesamtgeschehens in der Tatbestandsalternative des Handeltreibens auf, wenn die Tathandlungen - wie hier - insgesamt auf einen Güterumsatz mit Betäubungsmitteln gerichtet sind (st. Rspr., vgl. , BGHSt 30, 28, 31; , BGHSt 31, 163, 165; , BGHSt 50, 252; , BGHSt 53, 89; , NStZ 2000, 540; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 449 mwN). Nach dem Wortlaut der in der Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Regelung knüpft die Anwendbarkeit der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auf sog. ausgenommene Zubereitungen jedoch nicht an die Tathandlung des Handeltreibens, sondern ausschließlich an die Tathandlungen der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr derartiger Zubereitungen an. Daraus schließt der Senat, dass das Verbringen von ausgenommenen Zubereitungen ins Ausland als eine unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln und nicht als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bewertet werden und auch im Schuldspruch zum Ausdruck kommen muss, selbst wenn die Ausfuhr lediglich ein Teilakt bei der Durchführung von Außenhandelsgeschäften mit sog. ausgenommenen Zubereitungen ist (vgl. , BGHSt 31, 163, 165 zur Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens).

24Die Angeklagten, die - in wechselnder Zusammensetzung - bei der Tatbegehung jeweils als Bande i.S.v. § 30a Abs. 1 BtMG zusammengeschlossen waren (vgl. , BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 9), sind daher, soweit die Grenzwerte zur nicht geringen Menge (siehe unten B II.) überschritten waren, wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG und, soweit die Grenzwerte nicht überschritten waren, wegen der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG schuldig zu sprechen gewesen, da das Gesetz insoweit keine Strafschärfung für die bandenmäßige unerlaubte Ausfuhr von "Normalmengen" vorsieht.

25c) Die hiergegen von der Revision des Angeklagten B. vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht angesichts des eindeutigen Wortlauts der in Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Regelung und des mit ihr verfolgten Zwecks, nämlich im Hinblick auf einen umfassenden weltweiten Gesundheitsschutz (vgl. , BGHR BtMG § 30 Strafzumessung 1; MüKoStGB/Kotz, § 29 BtMG Rn. 579) die Sicherheit und die Kontrolle des grenzüberschreitenden Betäubungsmittelverkehrs sicherzustellen, wie er auch in den internationalen Suchtstoffübereinkommen zum Ausdruck kommt (vgl. Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom [BGBl. II S. 111], Übereinkommen über psychotrope Stoffe vom [BGBl. 1976 II S. 1477] und Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom [BGBl. 1993 II S. 1136]).

262. Das Vorliegen eines Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Dass die Angeklagten mit dem Verbotensein ihres Tuns rechneten (vgl. , NStZ 1996, 236, 237), hat das Landgericht unter anderem daraus geschlossen, dass gegen den Angeklagten B. schon vor Beginn des verfahrensgegenständlichen Tatzeitraums ein Ermittlungsverfahren wegen der unerlaubten Ausfuhr von Benzodiazepinen durchgeführt worden ist, wovon die Angeklagten W. und K. Kenntnis hatten, und dass im dritten Tatkomplex die Medikamentenlieferungen an die Angeklagte Ke. falsch als Fußbalsam bzw. als Kosmetika deklariert worden waren, um ihren wahren Inhalt zu verschleiern. An dieser Bewertung durch das Landgericht ist rechtlich nichts zu erinnern.

II.

27Die vom Landgericht angenommenen Grenzwerte für die nicht geringe Menge der von den Angeklagten ins Ausland verbrachten Wirkstoffe sind nicht zutreffend, da sie im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit und im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln zu niedrig angesetzt worden sind. Der Senat hat daher die Grenzwerte wie folgt neu ermittelt (1.) und festgesetzt (2.):

281. Zur Wirkung und Gefährlichkeit von Benzodiazepinen, zu denen die Wirkstoffe Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam und Tetrazepam gehören, sowie von Zolpidem hat der Senat Gutachten des Apothekers für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie Dr. D. vom Bundeskriminalamt und des Facharztes für Pharmakologie und Toxikologie Prof. Dr. Sc. eingeholt. Nach diesen Gutachten ergibt sich zur Wirkungsweise und Gefährlichkeit dieser Wirkstoffe folgendes:

29a) Bei Benzodiazepinen handelt es sich um Wirkstoffe, die in einzeldosierbaren Zubereitungen als zugelassene Arzneimittel mit medizinischer Indikation allgemein verbreitet im Gesundheitsmarkt eingesetzt werden. Die Jahresproduktion von Benzodiazepinen lag im Jahr 2008 weltweit bei mindestens 195 Tonnen. Die vollständige Bezeichnung für das Benzodiazepin-Kerngerüst lautet nach der systematischen Nomenklatur (IUAPC) 2,3-Diaza-bicyclo[5.4.0]undeca-3,5,7,9,11-pentaen. Benzo-1,4-diazepine bilden die wichtigste Wirkstoffgruppe der sog. Tranquilizer. Als erste Verbindung dieser Substanzklasse wurde Chlordiazepoxid im Jahr 1960 eingeführt. 1963 folgte das in seiner Wirkungsweise verbesserte Diazepam. Die Benzodiazepine wirken angstlösend, beruhigend, erregungs- und spannungslösend sowie Muskelverspannung und cerebrale Krämpfe lösend. Sie werden in der medizinischen Therapie zur Behandlung von Angsterkrankungen, Schlafstörungen, Panikattacken, Epilepsie, Muskelspasmen, Alkoholentzug und zur Prämedikation operativer Eingriffe eingesetzt. Die einzelnen Benzodiazepine unterscheiden sich bezüglich der Geschwindigkeit ihrer Metabolisierung zu pharmakologisch wirksamen Formen und ihrer Plasmahalbwertzeiten. Die Halbwertzeit liegt bei kurz wirksamen Stoffen (z.B. Midazolam) unter sechs Stunden, bei mittellang wirksamen (z.B. Nitrazepam) bis 24 Stunden, während lang wirksame Benzodiazepine Halbwertzeiten über 24 Stunden aufweisen. Benzodiazepine sind in der Regel gut verträglich. Relativ häufig wird von Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schwindel und Benommenheit berichtet. Selten kommt es zu Kopfschmerzen, Gangunsicherheit, verlängerter Reaktionszeit, Verwirrtheit und Gedächtnisverlust. Bei hohen Dosierungen können reversible Störungen der Motorik wie Artikulationsstörungen und Gangunsicherheiten auftreten. Aufgrund der geringen Toxizität von Benzodiazepinen kommen akute Monointoxikationen, die in Ausnahmefällen auch zum Tod führen können, eher selten vor. Wenn sie aber gemeinsam mit Alkohol eingenommen werden, kann dies zu einer Enthemmung führen, die unter Umständen mit aggressivem oder feindseligem Verhalten einhergehen kann. Außerdem ist das Risiko tödlicher Überdosierungen erhöht, da sowohl Alkohol als auch die Benzodiazepine zentral dämpfend wirken. Ähnliche tödlich verlaufende Interaktionen können auftreten, wenn im Rahmen einer Mehrfachdrogenabhängigkeit Opiate und Benzodiazepine gemeinsam angewendet werden, etwa um die euphorisierende Wirkung der Opiate zu steigern oder die unangenehmen Wirkungen der Psychostimulantien zu vermindern. Die weitaus größte Gefahr, die mit der regelmäßigen Einnahme von Benzodiazepinen einhergeht, ist die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung schon bei geringen therapeutischen Dosierungen ohne Dosissteigerung (sog. Low-Dose-Dependency). Benzodiazepine dürfen daher nur zur kurzfristigen Behandlung von schwerwiegenden Angst- oder Schlafstörungen eingesetzt werden, denn Toleranzentwicklung und Abhängigkeit können sich bereits einige Wochen nach Beginn der Einnahme einstellen. Bei einem Absetzen der Benzodiazepine kann es - wie bei Alkoholerkrankungen auch - zu schweren Entzugserscheinungen wie Wahrnehmungsstörungen, Psychosen und Krampfanfällen kommen. Wegen der Toleranzentwicklung und der Gefahr der Abhängigkeit wird in keiner der einschlägigen medizinischen Leitlinien eine Einnahmedauer von mehr als acht Wochen empfohlen (Holzbach, Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie 2010, 425).

30b) Zolpidem ist ein Vertreter der sog. Z-Drogen (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon). In seiner chemischen Struktur unterscheidet es sich zwar von den Benzodiazepinen, es weist aber ähnliche pharmakodynamische Eigenschaften auf. Seine Bezeichnung lautet nach der systematischen Nomenklatur (IUAPC) N,N-Dimethyl-2-(6-methyl-2-p-tolylimidazo[1,2-a]pyridin-3-yl)acetamid. Zolpidem vermindert die Schlaflatenz, verlängert die Schlafdauer und Schlaftiefe ohne eine Beeinflussung des Schlafrhythmus. Im Vergleich zu den Benzodiazepinen kommt es nur geringfügig zu einer Angst, Muskelverspannung und Krämpfe lösenden Wirkung. Zolpidem wird daher als Hypnotikum zur Kurzzeitbehandlung bei schwerwiegenden Schlafstörungen angewandt und üblicherweise in Form von festen oralen Darreichungsformen abends unmittelbar vor dem Schlafengehen eingenommen. Es wird nach oraler Gabe rasch resorbiert. Aufgrund einer kurzen Halbwertszeit von etwa zweieinhalb Stunden und einer Wirkdauer von sechs Stunden weist es am nächsten Morgen praktisch keine Wirkung mehr auf. Als zentrale Nebenwirkungen können Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, erhöhte Lichtempfindlichkeit, Depression, Ängstlichkeit und Reizbarkeit auftreten. Zolpidem vermindert zudem die psychomotorische Leistung und führt zu Gedächtnisschwächen. Bei Monointoxikationen mit extrem hohen Dosierungen kann es zu einem Koma mit Atemdepression kommen. Mischintoxikationen, insbesondere in Kombination mit Alkohol, sind bezüglich ihrer überadditiven Wirkungen ebenso gefährlich wie eine Benzodiazepin-Mischintoxikation. Die dauerhafte Einnahme von Zolpidem über mehrere Wochen hinaus kann wie bei den Benzodiazepinen ebenfalls zu einer schwerwiegenden Abhängigkeitserkrankung führen.

31c) Bei einem Vergleich der Gefährlichkeit von Benzodiazepinen und Zolpidem mit anderen Betäubungsmitteln ist nach den Ausführungen der Sachverständigen festzuhalten, dass bei der Einnahme von Heroin, Opioiden und Kokain eine weitaus größere Gefahr besteht, an einer Überdosis zu sterben. Auch Barbiturate sind in ihrer Wirkungsweise als gefährlicher einzustufen, da ihre Toxizität im Rahmen einer Abhängigkeit sehr viel höher ist als die der Benzodiazepine und Zolpidem. Cannabis ist dagegen weniger gefährlich. Der chronische Cannabiskonsum kann zwar zu einer psychischen Abhängigkeit führen oder erhebliche Psychosen bei dem Konsumenten verursachen. Bei dem Konsum von Cannabis kommt es aber nicht zu tödlich verlaufenden Intoxikationen, zu bedrohlich verlaufenden Überdosierungsfällen oder zu schwerwiegenden Entzugserscheinungen, die eine internistische Behandlung erfordern. Das Verlangen nach Cannabis ist zudem in aller Regel weniger stark als bei einer Abhängigkeit von Heroin, Opioiden, Kokain oder Barbituraten. Von ihrer Gefährlichkeit her sind Benzodiazepine und Zolpidem daher hinter den Opioiden, aber noch deutlich gefährlicher als Cannabis einzustufen.

322. Bei der Festlegung des Grenzwertes der nicht geringen Menge von Diazepam, Alprazolam, Clonazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Tetrazepam und Triazolam und Zolpidem hat sich der Senat - wie auch schon zu Recht das Landgericht - auf die nach ständiger Rechtsprechung vorrangig anzuwendende Methode gestützt (, BGHSt 51, 318; , BGHSt 53, 89 jew. mwN). Danach ist in Ermangelung gesicherter Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis - nach den Ausführungen der Sachverständigen ist die Gefahr von Überdosierungen gering und kommen tödliche Intoxikationen (meist in Zusammenhang mit Alkohol) nur selten vor - die nicht geringe Menge der von den Angeklagten vertriebenen Wirkstoffe anhand der durchschnittlichen Konsumeinheit - hier: Tagesbedarf - und einer an der Gefährlichkeit orientierten Maßzahl zu bestimmen.

33a) Obwohl Zolpidem und Benzodiazepine eine gewisse euphorisierende Wirkung haben, bleibt ein typischer Rauschzustand, wie er z.B. mit dem Konsum von sog. harten Drogen wie etwa Heroin einhergeht, aus. Wegen dieser Besonderheit kann daher die für die Bestimmung der nicht geringen Menge erforderliche Konsumeinheit nicht - wie in der Rechtsprechung sonst üblich - anhand der adäquaten Dosis zur Erzielung einer stofftypischen Rauschwirkung ermittelt werden ( mwN). Es ist vielmehr - wie dies auch das sachverständig beratene Landgericht zu Recht getan hat - auf den regelmäßigen Tagesbedarf eines durchschnittlichen Benzodiazepin- bzw. Zolpidem-Konsumenten abzustellen. Bei der Eingrenzung des Tagesbedarfs hat daher zunächst die Gruppe der Konsumenten sog. harter Drogen wie Heroin (ca. 150.000 Personen) außer Betracht zu bleiben. Diese Gruppe kommt als Vergleichsmaßstab schon deshalb nicht in Betracht, weil die Benzodiazepine von dieser Gruppe in besonders hohen Dosierungen eingenommen werden, um eine Wirkungsverstärkung der illegal erworbenen Opiate und Opioide zu erreichen. Gegenüber den etwa 1,2 Millionen Benzodiazepinabhängigen erweist sich die Gruppe der Drogenabhängigen, die Benzodiazepine als Beikonsum zu anderen Drogen gebrauchen, zudem als verhältnismäßig klein. Die Bestimmung eines regelmäßigen Tagesbedarfs hat sich daher vornehmlich nach den Gebrauchsgewohnheiten der Konsumentengruppe zu richten, die ausschließlich Benzodiazepine oder Zolpidem regelmäßig einnehmen, zumal diese Gruppe - anders als die der Drogenabhängigen - einer wesentlich besseren ärztlichen Kontrolle unterliegt und somit eine verlässlichere und breitere Basis für die Risikoeinschätzung der Wirkstoffe bietet. Bei der Bestimmung des Tagesbedarfs ist weiterhin die übliche Darreichungsform zu berücksichtigen. Benzodiazepine und Zolpidem werden nicht als pulverförmige Substanzen oder als "gestreckte" Pulverzubereitung gehandelt, wie etwa Heroin, sondern als Fertigarzneimittel in Tablettenform mit bestimmt definierten Wirkstoffmengen. Da diese Wirkstoffmengen nach Art des Wirkstoffs in den Zubereitungen - zum Teil erheblich - differieren, bietet es sich vorliegend an, die Bestimmung des Tagesbedarfs an dem Wirkstoff Diazepam zu orientieren, da hinsichtlich dessen Wirkungsweise umfassende medizinische und pharmakologische Erkenntnisse vorliegen und es sich daher besonders als sog. Leitsubstanz eignet. Für die übrigen hier zu betrachtenden Benzodiazepine und Zolpidem kann anschließend auf die in der Forschung bekannten Äquivalenzdosierungen zurückgegriffen werden, die in ihrer Wirkungsweise der zugrunde zu legenden Menge an Diazepam entsprechen.

34Nach den Ausführungen der Sachverständigen gilt bei der Bestimmung des Tagesbedarfs an Diazepam Folgendes: Die übliche therapeutische Dosierung beträgt in der Regel fünf bis zehn Milligramm Diazepam am Abend (dies entspricht je nach Medikament einer Tablette), sofern auch am Folgetag noch eine beruhigende Wirkung erforderlich sein soll. Abgesehen von psychiatrischen Erkrankungen mit pathologischen Erregungs- und Panikzuständen wird eine solche Medikation etwa bei der Behandlung von Angst- und Unruhezuständen sowie von Schlafstörungen als ausreichend angesehen. Bereits diese Dosierung birgt bei einem Langzeitgebrauch die Gefahr einer Abhängigkeit, deshalb sollten therapeutisch erforderliche Dosissteigerungen auf 20 Milligramm am Tag besonders sorgfältig ärztlich kontrolliert werden. Dosierungen von 40 Milligramm Diazepam werden als mögliche Höchstdosis nur für besondere Indikationen (z.B. als Antiepileptikum) angesehen und sind nicht für Langzeitdosierungen geeignet. Hieraus ergibt sich, dass die Einnahme von mehr als 40 Milligramm Diazepam am Tag medizinisch nicht mehr indiziert ist und deshalb einen Missbrauch darstellt. Der - noch - übliche Tagesbedarf ist daher auf eine Menge von 40 Milligramm festzusetzen.

35Ausgehend von 40 Milligramm Diazepam ergeben sich für die übrigen zu betrachtenden Benzodiazepine und Zolpidem folgende Äquivalenzdosierungen:

36b) Bei der Bestimmung der Maßzahl sind die Eigenarten des jeweiligen Wirkstoffes und seine Gefährlichkeit im generalisierenden Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln zu berücksichtigen. Weitere in die Betrachtung mit einzubeziehenden Aspekte sind auch hier die übliche Darreichung in Tablettenform und die Art und Dauer der Anwendung. Da das hauptsächliche Gefahrenpotential bei einem Missbrauch von Benzodiazepinen und Zolpidem aber nicht - wie etwa bei der Einnahme von Heroin - in einer unmittelbaren, im ungünstigsten Fall sogar tödlich verlaufenden Gesundheitsschädigung liegt, sondern in der Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung und der damit einhergehenden chronischen Beeinträchtigungen für den menschlichen Organismus bei einem längerfristigen Gebrauch, ist die Maßzahl vornehmlich an der Art und Dauer des Gebrauchs zu orientieren. Dies hat das Landgericht in seiner Entscheidung nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt, indem es auf einen Zeitraum von lediglich 15 Tagen abgestellt hat. Um die Gefahr der Abhängigkeit zu verringern, darf die Einnahmedauer von Benzodiazepinen und Zolpidem nach den einschlägigen medizinischen Leitlinien nicht mehr als acht Wochen betragen. Wird dieser Zeitraum überschritten, liegt die Gefahr eines Missbrauchs nahe. Der Senat hält es unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte, insbesondere der Gefährlichkeit der hier zu betrachtenden Wirkstoffe in Bezug auf eine Abhängigkeitserkrankung, deshalb für erforderlich, diesen Zeitraum von acht Wochen bei der Bestimmung der Maßzahl zugrunde zu legen. Diese ist daher auf 60 (entsprechend einem Zeitraum von acht Wochen oder 60 Tagen) festzusetzen.

37c) Die Grenzwerte für die nicht geringe Menge der hier zu betrachtenden Benzodiazepine und Zolpidem sind somit nach der oben dargestellten, in der Rechtsprechung bewährten Methode (Konsumeinheit/Tagesbedarf multipliziert mit der Maßzahl 60) wie folgt festzulegen:

383. Die (Neu)Festsetzung der nicht geringen Menge der von den Angeklagten ins Ausland verbrachten betäubungsmittelhaltigen Zubereitungen durch den Senat hat sich somit wie folgt auf die Schuldsprüche der Angeklagten ausgewirkt:

39a) Soweit das Landgericht im ersten Tatkomplex ("Versand durch S.") eine Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge in drei Fällen angenommen hat, kann die Verurteilung der Angeklagten B. und W. nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat mangels anderweitiger Feststellungen zu Gunsten der Angeklagten B. und W. angenommen, dass sich in jeder der erfolgten Medikamentenversendungen ins Ausland jeweils nur eine Packung Tabletten befunden hat. Im Hinblick auf die festgestellten Verpackungsgrößen der Medikamente Lorazepam (Wirkstoff: Lorazepam; Wirkstoffgehalt pro Tablette: 2,5 mg; Verpackungsgröße: 60 Tabletten; Gesamtwirkstoffgehalt pro Packung: 150 mg), Valium (Wirkstoff: Diazepam; Wirkstoffgehalt pro Tablette: 10 mg; Verpackungsgröße: höchstens 90 Tabletten; Gesamtwirkstoffgehalt pro Packung: höchstens 900 mg) und Xanax (Wirkstoff: Alprazolam; Wirkstoffgehalt pro Trablette: 1 mg; Verpackungsgröße: höchstens 90 Tabletten; Gesamtwirkstoffgehalt pro Packung: höchstens 90 mg) ist es davon ausgegangen, dass zumindest bei je einer Versendung eines dieser drei Medikamente der von ihm jeweils zugrunde gelegte Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten gewesen ist. Dies ist unter Berücksichtigung der vom Senat festgelegten Grenzwerte (oben unter B II 2. c) jedoch nicht zutreffend. Der in den jeweiligen Packungen enthaltene Gesamtwirkstoffgehalt der Medikamente Lorazepam, Valium und Xanax liegt jeweils deutlich unter den vom Senat für die jeweiligen Wirkstoffe (Lorazepam, Diazepam und Alprazolam) bestimmten Grenzwerten, so dass - unter Zugrundelegung der Annahme des Landgerichts, dass sich in jeder Versendung nur jeweils eine Packung befunden hat - bei keiner der festgestellten Versendungen der Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten gewesen ist. Da hinsichtlich des ersten Tatkomplexes weitergehende Feststellungen über den Inhalt der jeweiligen Medikamentenversendungen nicht zu erwarten sind (UA S. 295), sind die Schuldsprüche bezüglich der Angeklagten B. und W. entsprechend abzuändern gewesen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.

40b) Im zweiten Tatkomplex ("Versand durch St.") kann der Schuldspruch bezüglich der Angeklagten B., W. und K. insgesamt keinen Bestand haben, da dem Senat eine sachlich-rechtliche Überprüfung der Urteilsgründe aufgrund unzureichender Feststellungen nicht zuverlässig möglich gewesen ist. Das Landgericht hat die einzelnen Versendungen in Tabellenform wiedergegeben. Diese Tabelle erstreckt sich über 233 Seiten der Urteilsgründe und weist pro Seite in der Regel mehr als 20 Zeilen auf. Die einzelnen Fälle werden lediglich allgemein nach dem Aussteller des jeweiligen Rezepts und daran anschließend alphabetisch nach dem Namen des jeweiligen Bestellers aufgezählt. Aus der Tabelle selbst ist die Anzahl der Einzeltaten nicht ohne weiteres ersichtlich, da eine Nummerierung gänzlich fehlt und nicht erkennbar ist, bei welchen der weit über 5000 Versendungen das Landgericht von einer tateinheitlichen Begehungsweise ausgegangen ist. Auf dieser Grundlage ist dem Senat eine revisionsgerichtliche Überprüfung, in welchen der vom Landgericht festgestellten Versendungen die Grenzwerte zur nicht geringen Menge überschritten gewesen sind, nicht mehr möglich (vgl. hierzu auch mwN). Dies führt aus sachlich-rechtlichen Gründen im zweiten Tatkomplex ("Versand durch St.") zur Aufhebung der Schuldsprüche gegen die Angeklagten B., W. und K.

41c) Im dritten Tatkomplex ("Versand durch Ke.") ist eine sachlich-rechtliche Überprüfung der Urteilsgründe hingegen möglich. Die ebenfalls in Tabellenform aufgeführten Lieferungen sind nummeriert und lassen die jeweiligen Einzeltaten sowie die jeweils versendeten Wirkstoffmengen erkennen. Die gebotene sachlich-rechtliche Überprüfung ergibt danach, dass entgegen der Annahme des Landgerichts in zwei der 71 Fälle (Lieferung Nr. 14: 250 mg Clonazepam; Lieferung Nr. 22: 2.000 mg Zolpidem) die Grenze zur nicht geringen Menge nicht überschritten gewesen ist. Die Schuldsprüche waren dementsprechend abzuändern. § 265 StPO steht dem auch hier nicht entgegen.

42In den übrigen Fällen überstiegen die gelieferten Wirkstoffmengen in der Regel deutlich die vom Senat festgelegten Grenzwerte, so dass insoweit ein durchgreifender Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht gegeben ist und die Schuldsprüche dementsprechend Bestand haben.

III.

431. Hinsichtlich der Strafaussprüche wirken sich die Abänderung der Schuldsprüche im ersten und dritten Tatkomplex ("Versand durch S.", "Versand durch Ke.") sowie die Aufhebung der Schuldsprüche im zweiten Tatkomplex ("Versand durch St.") wie folgt aus:

44a) Im ersten Tatkomplex ("Versand durch S.") führt die Schuldspruchänderung bezüglich der Angeklagten B. und W. in den drei Fällen, in denen das Landgericht rechtsfehlerhaft die Überschreitung der Grenzwerte zur nicht geringen Menge angenommen hat (siehe oben unter B II 3. a) zu einer Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafen. In den übrigen - 18.992 - Fällen können die verhängten Einzelstrafen dagegen bestehen bleiben.

45b) Im zweiten Tatkomplex ("Versand durch St.") zieht die Aufhebung der Schuldsprüche die Aufhebung der hierfür gegen die Angeklagten B., W. und K. verhängten Einzelstrafen nach sich.

46c) Im dritten Tatkomplex ("Versand durch Ke.") führt die Abänderung der Schuldsprüche in den Fällen B II 4., Lieferungen Nrn. 14 und 22 (siehe oben unter B II 3. a), zur Aufhebung der hierfür verhängten Einzelfreiheitsstrafen (jeweils ein Jahr und sechs Monate bei den Angeklagten B., W. und Ke.; jeweils ein Jahr bei der Angeklagten K.). In den übrigen 69 Fällen können die Einzelstrafen bestehen bleiben. Da das Landgericht bei der Strafzumessung im Einzelnen nicht auf die jeweilige Höhe der versendeten Wirkstoffmengen abgestellt hat, kann der Senat zudem ausschließen, dass es bei der Zugrundelegung der vom Senat zutreffend erachteten höheren Grenzwerte geringere Freiheitsstrafen verhängt hätte.

47d) Die - teilweise - Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der gegen die Angeklagten verhängten Gesamtstrafen nach sich.

482. Der Verfall von Wertersatz hat insgesamt Bestand. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen die Vermögenswerte, die die Angeklagten aus ihrer Beteiligung an den Medikamentenlieferungen ins Ausland i.S.v. § 33 Abs. 1 BtMG, § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB erlangt haben. Das Landgericht hat zudem das ihm nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Aufhebung der Schuldsprüche im zweiten Tatkomplex ("Versand durch St.") bezüglich der Angeklagten B., W. und K. steht dem nicht entgegen, da die Aufhebung lediglich aufgrund von Wertungsfehlern erfolgt ist und danach auf jeden Fall feststeht, dass sich diese Angeklagten auch in diesem Tatkomplex wegen der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln strafbar gemacht haben.

IV.

49Da die Feststellungen zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch insgesamt rechtsfehlerfrei getroffen sind, können diese bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.

C.

51Die wirksam wegen eines Wertungsfehlers auf den Strafausspruch bezüglich der Angeklagten K. beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

52Die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG begründet hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

53Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Prüfung der Frage, ob die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint, eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen sind, die für die Bewertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (, BGHSt 26, 97, 98). Die Erschwerungsgründe und die Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar ().

54Diesen Anforderungen werden die Erwägungen des Landgerichts zur Strafrahmenwahl schon deshalb nicht gerecht, weil das Landgericht die erforderliche Gesamtbetrachtung der für die Strafe bestimmenden Umstände unterlassen hat, um "ein Korrektiv zu den z.T. drastischen Strafandrohungen des BtMG zu erreichen". Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft. Sie lässt, worauf die Beschwerdeführerin in ihrer Revisionsbegründung zu Recht hinweist, den Willen des Gesetzgebers außer Acht, der in Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG für die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von sog. ausgenommenen Zubereitungen ohne jede Einschränkung auf die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften verwiesen hat. Für das vom Landgericht für erforderlich gehaltene "Korrektiv" des gesetzlichen Strafrahmens durch eine zwingende Annahme eines minder schweren Falles ohne Vornahme der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist daher kein Raum. Im Hinblick darauf vermag der Senat trotz der im Urteil aufgeführten gewichtigen Milderungsgründe nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei den Taten unter B II 3. und 4.: ("Versand durch St." bzw. "Versand durch Ke."), bei denen es von einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 1 BtMG ausgegangen ist, die Frage eines minder schweren Falles anders beantwortet hätte, wenn es jeweils von einem zutreffenden Maßstab bei der Bestimmung des Strafrahmens ausgegangen wäre.

II.

55Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 29 Abs. 3 BtMG hinsichtlich der Taten unter B II 3. ("Versand durch St."), in denen es die Grenzwerte zur nicht geringen Menge nicht als überschritten angesehen hat, verneint hat, halten ebenfalls der rechtlichen Prüfung nicht stand. Trotz der zutreffenden Annahme des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG hat das Landgericht das Vorliegen eines besonders schweren Falles ebenfalls ohne die Vornahme der erforderlichen Gesamtabwägung (vgl. ) mit der Begründung verneint, dass "auch hier ein Korrektiv" des gesetzlichen Strafrahmens erfolgen müsse. Die Strafkammer lässt hierbei, wie auch schon bei der Entscheidung über einen minder schweren Fall nach § 30a BtMG, den Willen des Gesetzgebers außer Acht (vgl. oben C. I.). Sie hat zudem die indizielle Bedeutung eines Regelbeispiels nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt. Zwar kann dessen Bedeutung durch andere Strafzumessungsfaktoren kompensiert werden, doch müssen diese dann so schwer wiegen, dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint. Ob dies so ist, kann der Tatrichter erst nach umfassender Abwägung aller Umstände entscheiden. Dabei dürfen jedenfalls die Umstände, welche das Regelbeispiel begründen, nicht unberücksichtigt bleiben; diese müssen vielmehr zunächst im Vordergrund der Abwägung stehen ( mwN). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts zur Strafrahmenwahl nicht gerecht.

III.

56Die Beschwerdeführerin beanstandet schließlich zu Recht, dass das Landgericht hinsichtlich der von der Angeklagten K. im zweiten Tatkomplex begangenen Urkundenfälschungen (unter B II 3. "Versand durch St.") jeweils die Annahme des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit und damit eines besonders schweren Falles gemäß § 267 Abs. 3 StGB verneint hat.

571. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es für die Annahme dieses Regelbeispiels stets erforderlich sei, dass die erlangten geldwerten Vorteile aus den Tathandlungen selbst stammen müssen. An dieser Unmittelbarkeit fehle es im vorliegenden Fall. Zwar seien die Urkundenfälschungen "Bestandteile innerhalb des Gefüges" gewesen, dennoch habe es des Hinzutretens weiterer Umstände, insbesondere der Einschaltung des Apothekers und der durch ihn vorgenommenen Versendungen, bedurft. Auch diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landgericht verkennt, dass es nicht erforderlich ist, dass der Täter seine Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung selbst erzielen muss. Es reicht vielmehr aus, wenn die Urkundenfälschungen dazu dienen sollen, durch andere vom Täter oder Dritten beabsichtigte Straftaten Gewinn zu erzielen (Schönke/Schröder-Cramer/Heine, StGB, 28. Aufl., § 267 Rn. 104). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die von der Angeklagten K. begangenen Urkundenfälschungen nicht nur "Bestandteile innerhalb des Gefüges", sie erfolgten auch insbesondere deshalb, weil die Angeklagte K. hierdurch die Fortführung des gewinnbringenden Medikamentenhandels - auch zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes und ihrer monatlichen Gehaltszahlungen - sicherstellen wollte.

582. Die Indizwirkung eines Regelbeispiels kann zwar durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (, NStZ 2004, 265, 266 mwN). Das Landgericht hat jedoch eine solche Gesamtwürdigung im Hinblick auf seinen rechtsfehlerhaften Ansatz bei der Verneinung des Regelbeispiels nicht vorgenommen. Da es zudem bei der konkreten Strafzumessung neben gewichtigen Strafmilderungsgründen (Geständnis) aber auch weitere erschwerende Umstände genannt hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht unter Zugrundelegung des zutreffenden rechtlichen Maßstabes nicht von einer Entkräftung der Indizwirkung ausgegangen wäre und wegen der Annahme eines besonders schweren Falles jeweils höhere Freiheitsstrafen gegen die Angeklagte K. verhängt hätte.

IV.

59Die - von der Revision der Staatsanwaltschaft nicht angegriffenen - dem Strafausspruch zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Urteils sind von den aufgezeigten Mängeln nicht berührt. Da sie auch sonst fehlerfrei getroffen sind, können sie bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, bleiben jedoch zulässig.

D.

60Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Nack                                                Wahl                                             Graf

                          Jäger                                              Sander

Fundstelle(n):
TAAAD-60147