Senatsverwaltung für Finanzen Berlin - III E - S 0338 - 2/2008

Umsetzung des BMF-Schreibens zu verfahrensrechtlichen Folgerungen nach der Neuregelung zum häuslichen Arbeitszimmer

Bezug:

1. Ausgangslage

Nach der nunmehr geltenden Gesetzeslage ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fassung des JStG 2010 rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2007 (§ 52 Abs. 12 Satz 8 EStG) anzuwenden. Demnach sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung in den Veranlagungszeiträumen ab 2007 dann als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar, wenn das Arbeitzimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet oder für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Zu den verfahrensrechtlichen Folgerungen aus der rückwirkenden Gesetzesänderung ist das bekannt gemacht worden. Zu dessen Umsetzung gilt Folgendes:

2. Berücksichtigung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ab dem Veranlagungszeitraum 2007

Eine gesetzliche Regelung zur Durchbrechung der Bestandskraft zur Anwendung der gesetzlichen Neuregelung ist im JStG 2010 nicht enthalten. Soweit Bescheide für Veranlagungszeiträume ab 2007 endgültig und ohne Nachprüfungsvorbehalt ergangen und nicht mehr anfechtbar sind, scheidet eine nachträgliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer aus. Insbesondere eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt nicht in Betracht (Hinweis auf AEAO zu § 173, Nr. 1.1.2 und Nr. 3).

Zur Frage, inwieweit es die bisherigen Vorläufigkeitsvermerke ermöglichen, Betriebsausgaben oder Werbungskosten erstmals geltend zu machen, gilt Folgendes:

  • Soweit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bisher dem Grunde nach nicht abziehbar waren, kann der Steuerpflichtige sämtliche Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer erstmals geltend machen unter Beachtung des ggf. relevanten Höchstbetrags (1.250 €).

  • Soweit Arbeitnehmer Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und weitere Werbungskosten bisher nicht geltend gemacht haben, weil nach bisheriger Rechtslage die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dem Grunde nach nicht abziehbar waren, und die übrigen Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (920 €) nicht überschreiten, sind sowohl die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als auch die sonstigen Werbungskosten nunmehr zu berücksichtigen, letztere aber maximal bis zu einem Betrag in Höhe von 920 €, da darüber hinaus gehende Werbungskosten auch bisher schon abziehbar gewesen wären.

2.1 Änderungen von Amts wegen

Die Anwendung der gesetzlichen Neuregelung ist in allen Fällen möglich, in denen die Steuerfestsetzung ab 2007 noch nicht formell bestandskräftig (unter Vorbehalt der Nachprüfung bzw. noch offener Einspruch) bzw. wegen der „Anwendung der Neureglung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007” vorläufig gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (und 4) AO ergangen ist. Im BMF-Schreiben ist hierzu in Tz 1 festgelegt, dass die Änderung von Amts wegen erfolgt, soweit dies möglich ist.

Dies ist dann der Fall, wenn in den Steuererklärungen ab 2007 im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf der Anlage N bei Kennzahl 87.74 oder 88.74 Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer erklärt, diese vom Finanzamt jedoch nicht anerkannt wurden und die Steuerfestsetzung zum Punkt „Arbeitszimmer” vorläufig ergangen ist oder weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht; also eine Abweichung der Primärdaten zu den Sekundärdaten bei den o. g. Kennzahlen vorliegt bzw. der standardisierte Erläuterungstext 328

(„Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einschließlich dessen Ausstattung (jedoch mit Ausnahme von Arbeitsmitteln)konnten nicht (mehr) berücksichtigt werden, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt Ihrer gesamten beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit darstellt.)

eingegeben wurde.

Zur Identifikation der betroffenen Steuerfestsetzungen werden in Kürze Arbeitslisten ausgeliefert. Ich bitte, bei den dort aufgeführten Steuerfällen die ursprünglich unberücksichtigten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nunmehr zur Berücksichtigung nach Maßgabe der rückwirkenden gesetzlichen Neuregelung zu prüfen. Soweit im Einzelfall erforderlich, sind vor Änderung der Steuerbescheide noch die notwendigen Sachverhaltsermittlungen durchzuführen.

Eine abschließende Abarbeitung der Listen sollte auch im Hinblick auf die Öffentlichkeitswirkung baldmöglichst, spätestens bis zum , erfolgen.

2.2 Maschinell nicht erkennbare Fälle

Soweit der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit der ursprünglichen Regelung zur Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auf deren Geltendmachung ab dem Veranlagungszeitraum 2007 verzichtet hat und die Steuerbescheide zum Punkt häusliches Arbeitszimmer vorläufig ergangen sind, kann er bei noch offener Vorläufigkeit (§ 165 Abs. 2 Satz 4 AO) bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung die Bescheidänderung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO beantragen. Hierauf wird durch Öffentlichkeitsarbeit meines Hauses hingewiesen. Die dafür vorgesehene Sprachregelung (vgl. Kurzinfo AO Nr. 5/10 vom ) ist u. a. auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Finanzen einsehbar.

Gleiches gilt, wenn Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für eine andere Einkunftsart zwar erklärt, aber vom Finanzamt aufgrund der früheren (verfassungswidrigen) Gesetzeslage nicht anerkannt wurden.

2.3 Einsprüche

Noch anhängige Einsprüche bitte ich ebenfalls zu erledigen bzw. nach ergangener Teil-Einspruchsentscheidung weiter zu bearbeiten. Eine Allgemeinverfügung (§ 367 Abs. 2b; § 172 Abs. 3 AO) zur Zurückweisung der Einsprüche und Änderungsanträge zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer kommt nicht in Betracht und wird nicht ergehen.

2.4 Anträge auf Änderung trotz bereits eingetretener Bestandskraft

Anträge auf Änderung bestandskräftiger Steuerfestsetzungen zur steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind abzulehnen. Hierfür wird die Vorlage „Ablehnung Bescheidänderung wg. Arbeitszimmer” (Ordner Arbeitnehmerstelle bzw. Veranlagung/Bearbeitung Verwaltungsakte) zur Verfügung gestellt werden.

2.5 Endgültigkeitserklärungen

Außer im Rahmen der o. g. Bescheidänderungen und ggf. Einspruchsentscheidungen sind die Bescheide darüber hinaus nur dann für endgültig zu erklären, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt oder die Bescheide aus anderen Gründen zu ändern sind (§ 165 Abs. 2 Satz 4 AO).

3. Anpassung der maschinellen Steuerfestsetzungsprogramme an das

Die maschinellen Steuerfestsetzungsprogramme sind ab dem Rechentermin an die Vorgaben im angepasst.

Alle nach diesem Rechentermin produzierten Änderungsbescheide, die einen wegen der Geltendmachung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer vorläufig gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (und 4) AO bzw. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO ergangenen Bescheid ändern, werden nach den Vorgaben des BMF-Schreibens in Sachen Arbeitszimmer maschinell für endgültig erklärt, unabhängig davon, ob in der Steuerfestsetzung Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (bereits) berücksichtigt worden sind.

Der im zusätzlich vorgesehene Erläuterungstext zur Endgültigkeitserklärung (bis auch bei erstmaligen Festsetzungen)

(„Bitte informieren Sie innerhalb der Einspruchsfrist (siehe Rechtsbehelfsbelehrung) das Finanzamt, wenn Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zu berücksichtigen sind, weil Ihnen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Das Finanzamt wird dann eine Änderung dieses Bescheids prüfen.”)

wird maschinell eingesteuert. Die Einsteuerung dieses Texts unterbleibt jedoch, wenn maschinell erkannt wird, dass beim Vorliegen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

  • bei einer Einzelveranlagung ein Wert zu Kennziffer 87.74 der Anlage N oder

  • bei Zusammenveranlagung bei beiden Ehegatten ein Wert zu Kennziffer 87.74 und 88.74 vorhanden

ist.

4. FEIN-Verfahren

Zur Umsetzung des im FEINVerfahren ergehen noch gesonderte Hinweise. Die Erteilung von Änderungsbescheiden zur Umsetzung der gesetzlichen Neuregelung ist bis dahin zurückzustellen.

Senatsverwaltung für Finanzen Berlin v. - III E - S 0338 - 2/2008

Fundstelle(n):
EStB 2011 S. 113 Nr. 3
FAAAD-59898