Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: OLG Düsseldorf, III-5 StS 5/10 vom
Gründe
1. Der Angeklagte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des ) am festgenommen und befindet sich seit dem in Untersuchungshaft. Gegenstand dieses Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe sich durch seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) vom bis Ende März 2009 als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, sowie am 29. Januar und wiederholt einem Ausländer, der nicht im Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dazu Hilfe geleistet, dass er unerlaubt in das Bundesgebiet einreist. Der Generalbundesanwalt hat unter dem Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Mit dieser wirft er dem Angeklagten vor, sich in der Zeit vom bis zum als Mitglied an der DHKP-C beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB) und am 4., 5. und 29. Januar sowie am als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, wiederholt einem Ausländer, der nicht im Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dazu Hilfe geleistet zu haben, dass er unerlaubt in das Bundesgebiet einreist (§ 95 Abs. 1 Nr. 3, § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Mit Beschluss vom (AK 12/10) hat der Senat die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am die Anklage des Generalbundesanwalts zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Am hat es den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs aufgehoben und durch einen neuen Haftbefehl im Umfang des Anklagesatzes ersetzt; mit Beschluss vom hat es die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten. Der Beginn der Hauptverhandlung ist auf den terminiert worden.
2. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft sind jedenfalls deswegen nicht gegeben, weil deren weiterer Vollzug nicht mehr verhältnismäßig ist (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO). Der Haftbefehl ist deshalb aufzuheben (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Im Einzelnen:
Allerdings ist der Angeklagte aufgrund der in der Anklageschrift vom aufgeführten Beweismittel dringend verdächtig, die ihm dort und in dem Haftbefehl des vorgeworfenen Taten objektiv verwirklicht zu haben. Bezüglich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Anklageschrift, den Haftbefehl sowie - auch was den Umfang der Vereinigung angeht - seinen Haftfortdauerbeschluss vom Bezug. Jedoch ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand ebenfalls davon auszugehen, dass der Angeklagte seit Dezember 2002 für den Bundesnachrichtendienst tätig war und diesem in bedeutendem Umfang Informationen über die DHKP-C geliefert hat.
Vor diesem Hintergrund muss sich der Senat im vorliegenden Haftprüfungsverfahren nicht mit der Frage befassen, ob aufgrund dieser Tätigkeit das objektiv tatbestandliche Handeln des Angeklagten ausnahmsweise - etwa nach den Grundsätzen des § 34 StGB - gerechtfertigt war oder er - etwa aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nach § 17 Satz 1 StGB - ohne Schuld handelte. Ebenso wenig ist darauf einzugehen, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Angeklagte - wie von ihm behauptet - gegenüber dem Bundesnachrichtendienst eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschrieben hat und er hierdurch - so dies der Fall wäre - in solchem Umfang in seinen Verteidigungsrechten beschränkt würde, dass ein nicht behebbares Verfahrenshindernis vorläge (vgl. hierzu , NJW 2007, 3010). Auch kann dahinstehen, ob gegen den Angeklagten weiterhin ein Haftgrund vorliegt. Denn der weitere Vollzug der nunmehr bereits fast zehn Monate andauernden Untersuchungshaft verstößt jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Der Senat hat schon in seinem Beschluss vom darauf hingewiesen, dass der Einfluss des Bundesnachrichtendienstes auf die Mitwirkung des Angeklagten in der DHKP-C sich gegebenenfalls - abhängig von der Art und Intensität - bei der Strafzumessung zu dessen Gunsten auswirken muss. Die in der Zwischenzeit durchgeführten weiteren Ermittlungen - insbesondere die Angaben des Bundesnachrichtendienstes in dem Schreiben vom - belegen, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Angeklagten und dem Bundesnachrichtendienst besonders intensiv war und die vom Angeklagten gelieferten Informationen einen hohen Wert hatten. Danach fand etwa die erste Begegnung bereits im Dezember 2002 und damit nur kurz nach Beginn des Tatzeitraums im Oktober 2002 statt. Insgesamt kam es zu 134 Treffen, die im 14tägigen Rhythmus durchgeführt wurden. Im Zusammenhang mit den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten wurde im August 2008 ein Betrag in Höhe von 10.000 € auf einem Konto des Angeklagten gutgeschrieben. Dessen Einlassung, er habe darüber hinaus ein monatliches Entgelt in erheblicher Höhe erhalten, ist nach den bisherigen Angaben des Bundesnachrichtendienstes nicht zu widerlegen. Über die einzelnen aktuellen Tätigkeiten des Angeklagten für die DHKP-C einschließlich der Schleusungsfahrten war der Bundesnachrichtendienst teilweise sogar im Voraus, zumindest jedoch nach deren Durchführung unterrichtet. Aus den vom Angeklagten übermittelten Informationen wurde eine Vielzahl von Meldungen erstellt; seine Arbeit wurde vom Bundesnachrichtendienst als besonders wichtig und hochwertig eingestuft, um die Strukturen der DHKP-C aufdecken zu können.
Bei sachgerechter Berücksichtigung all dieser Umstände ergibt sich, dass die Straferwartung des Angeklagten deutlich reduziert ist. Deshalb muss trotz des kurz bevorstehenden Beginns der Hauptverhandlung das staatliche Interesse an der weiteren Sicherung des Verfahrens hinter dem überwiegenden Freiheitsinteresse des Angeklagten zurücktreten.
Fundstelle(n):
UAAAD-59747