Leitsatz
Leitsatz:
Eine behördliche Erklärung, deren feststellende Regelungsqualität im Sinne des § 35 VwVfG nicht bereits durch Aufnahme in den Tenor des Bescheides dokumentiert wurde, ist im Wege der Auslegung nur dann als feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn der Regelungswille der Behörde in anderer Weise klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt.
Instanzenzug: OVG Rheinland-Pfalz, OVG 1 A 10387/08 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein
Gründe
I
Gegenstand des Verfahrens ist ein Zielabweichungsbescheid des Beklagten für ein geplantes Factory-Outlet-Center (FOC) im Bereich des ICE-Bahnhofs Montabaur. Die Klägerin ist ein zentraler Ort im näheren Umkreis der Stadt Montabaur. Sie macht geltend, durch den Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein. Zur Überprüfung steht ein im Berufungsverfahren ergangenes Zwischenurteil, mit dem das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz festgestellt hat, dass die Klage gegen den Zielabweichungsbescheid zulässig sei.
Die Beigeladenen beantragten bei der obersten Landesplanungsbehörde des Beklagten die Einleitung eines Raumordnungs- sowie, soweit erforderlich, eines Zielabweichungsverfahrens, um für das Vorhaben die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen schaffen zu können.
Im Landesentwicklungsprogramm III (LEP III) des Beklagten sind in Kapitel 3.4.1.3 unter anderem folgende Ziele enthalten:
Abs. 5: Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind in der Regel in engem räumlichem und funktionalem Zusammenhang (städtebauliches Integrationsgebot) mit den zentralen Einkaufsbereichen der Standortgemeinde zu errichten.
Abs. 8: Durch die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben darf die Funktion benachbarter zentraler Orte und ihrer Versorgungsbereiche nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Beeinträchtigungsverbot).
Gleichlautende Ziele finden sich in Kapitel 2.2.5 des Regionalen Raumordnungsplans Mittelrhein-Westerwald.
Die Frage, ob das geplante Vorhaben mit den genannten Zielen, insbesondere mit dem Beeinträchtigungsverbot, in Einklang zu bringen sei, prägte von Anfang an die Diskussion zwischen den Beteiligten. Entsprechende Bedenken wurden auch von den Städten Koblenz und Limburg - den Klägerinnen in den Parallelverfahren BVerwG 4 C 2.09 und BVerwG 4 C 3.09 - sowie von der hessischen Landesregierung vorgebracht.
Wegen eines festgestellten Verstoßes gegen das städtebauliche Integrationsgebot leitete die oberste Landesplanungsbehörde des Beklagten das Zielabweichungsverfahren ein. Das Beeinträchtigungsverbot sah die Behörde vor dem Hintergrund einer Verträglichkeitsstudie "bei summarischer Bewertung" im Hinblick auf die geplante Verkaufsfläche von 10 000 qm als nicht verletzt an; "rein vorsorglich" bezog sie aber auch diese Frage in das Zielabweichungsverfahren ein.
Daraufhin erging der streitgegenständliche Zielabweichungsbescheid. Der Verfügungssatz des Bescheides lautet:
"Für die Errichtung eines Factory-Outlet-Centers mit maximal 10.000 qm Verkaufsfläche im ICE-Park Montabaur und die dafür erforderliche Bauleitplanung wird eine Abweichung vom städtebaulichen Integrationsgebot des Landesentwicklungsprogramms Rheinland-Pfalz und des gleichlautenden Ziels des Regionalen Raumordnungsplanes Mittelrhein-Westerwald zugelassen.
Die Entscheidung ergeht unter folgenden Maßgaben, die in den nachfolgenden Verfahren umzusetzen sind:
1.
Die maximal zulässige Verkaufsfläche ist auf 10.000 qm zu begrenzen.
2.
In einem städtebaulichen Vertrag ist verbindlich zu regeln, dass nur FOC-typische Sortimente angeboten werden dürfen. Dabei ist die Sortimentsstruktur so zu gestalten, dass negative Auswirkungen auf die benachbarten zentralen Orte, insbesondere auf die hessische Kreisstadt Limburg an der Lahn, aber auch auf die Innenstadt von Montabaur so gering wie möglich sein werden."
Die Zulassung einer Abweichung - so die Begründung des Bescheides - sei auf das städtebauliche Integrationsgebot zu beschränken gewesen, weil das Beeinträchtigungsverbot durch das Vorhaben nicht verletzt werde. Der Gutachter habe ein FOC mit einer Verkaufsfläche von 10 000 qm als städtebaulich und raumordnerisch verträglich beurteilt. Dem schließe sich die oberste Landesplanungsbehörde an. Demgegenüber hätte eine darüber hinausgehende Verkaufsfläche wesentliche Auswirkungen auf die umliegenden zentralen Orte. Daher müsse die Abweichungszulassung mit der Maßgabe verknüpft werden, dass im Rahmen der Bauleitplanung eine Obergrenze der Verkaufsfläche von 10 000 qm verbindlich festzulegen sei. Des Weiteren seien Vorgaben bezüglich der Sortimentsbeschränkung veranlasst. Die Sortimente seien so festzulegen, dass die negativen Auswirkungen auf benachbarte zentrale Orte, insbesondere auf die Stadt Limburg, möglichst gering sein werden.
Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Zielabweichungsbescheides. Sie befürchtet, dass ihre Funktion als zentraler Ort durch das geplante FOC wesentlich beeinträchtigt werde. Der Bescheid beinhalte nicht nur die Zulassung einer Abweichung vom städtebaulichen Integrationsgebot, sondern habe auch die Frage einer eventuellen Abweichungszulassung vom Beeinträchtigungsverbot, auf das sich benachbarte Kommunen berufen könnten, zum Verfahrensgegenstand gemacht. Der Beklagte befasse sich in den Gründen des Zielabweichungsbescheides ausführlich mit diesem Ziel. Er verneine zwar im Ergebnis eine Verletzung dieses Ziels. Damit habe er jedoch eine negative Feststellung mit Regelungscharakter getroffen. Hierdurch entfalle zu ihren - der Klägerin - Lasten die Sperre des § 1 Abs. 4 BauGB in der Bauleitplanung, die andernfalls nicht überwunden werden könne.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Zwischenurteil unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festgestellt, dass die Klage zulässig sei. Der streitgegenständliche Bescheid stelle auch der Klägerin gegenüber einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Er regle mit verbindlicher Wirkung, dass unter den genannten Voraussetzungen und Maßgaben keine Zielabweichung hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots erforderlich sei. Das Beeinträchtigungsverbot verfolge nicht ausschließlich überörtliche Interessen der Raumordnung und Landesplanung, sondern auch den Schutz der hierdurch begünstigten benachbarten zentralen Orte, zu denen auch die Klägerin zähle. Von diesem drittschützenden Ziel habe der Bescheid zwar keine Abweichung zu Lasten der Klägerin zugelassen. Er habe jedoch zur abschließenden Klärung des zwischen den Beteiligten bestehenden Streits, ob das Vorhaben das Beeinträchtigungsverbot verletze, aufgrund der im Zielabweichungsverfahren hierzu bewusst vorgenommenen Überprüfung eine verbindliche Feststellung getroffen. Der Bescheid sei deshalb ein feststellender Verwaltungsakt, der das Nichterfordernis einer Zielabweichung vom Beeinträchtigungsverbot zum Gegenstand habe. Unschädlich sei, dass diese Feststellung nicht im Verfügungssatz des Bescheides enthalten sei. Denn die Besonderheiten des Falles, insbesondere die Verfahrensgeschichte sowie die umfassenden Darlegungen und Rechtsausführungen im Bescheid, mit denen der Beklagte erläutere, warum eine Verletzung des Beeinträchtigungsverbots ausscheide, belegten, dass es sich insoweit um mehr handle als um ein bloßes obiter dictum. Vor diesem Hintergrund sei auch von Bedeutung, dass der Beklagte seine Entscheidung unter den als Nebenbestimmungen zu qualifizierenden "Maßgaben" getroffen habe. Der Klägerin fehle auch nicht das Rechtsschutzinteresse, weil sie eine Klärung der Fragen in einem späteren Normenkontrollverfahren gegen einen das streitige Vorhaben zulassenden Bebauungsplan wegen der dem Zielabweichungsbescheid zukommenden Tatbestandswirkung nicht mehr herbeiführen könne.
Gegen dieses Zwischenurteil wenden sich der Beklagte und die Beigeladenen mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision.
II
Die zulässige Revision ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar nicht die sich aus § 35 Satz 1 VwVfG RhPf ergebenden Merkmale eines feststellenden Verwaltungsakts verkannt (1.) Das Zwischenurteil wendet aber die bundesrechtlichen Maßstäbe für die Auslegung von Verwaltungsakten unzutreffend an und verkennt den Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Bescheides. Der Zielabweichungsbescheid enthält entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht eine verbindliche Feststellung, dass das geplante FOC unter Beachtung der Maßgaben das Beeinträchtigungsverbot zulasten der benachbarten zentralen Orte nicht verletzt (2.). Der Klägerin fehlt deshalb die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Klage als unzulässig abgewiesen hat, ist zurückzuweisen.
1. Außer Frage steht, dass dem Zielabweichungsbescheid Verwaltungsaktqualität zukommt. Jedenfalls die Zulassung einer Abweichung vom städtebaulichen Integrationsgebot erfüllt die Voraussetzungen des § 35 Satz 1 VwVfG RhPf. Insoweit ist die Klägerin aber nicht klagebefugt, weil das Integrationsgebot ihr unstreitig keine subjektiven Rechte vermittelt. Klagebefugt wäre sie, wenn der Beklagte im Zielabweichungsbescheid zugleich im Sinne eines Negativattests verbindlich festgestellt hätte, dass das Vorhaben unter Beachtung der "Maßgaben" einer Abweichung vom Beeinträchtigungsverbot nicht bedarf. Das Oberverwaltungsgericht hat das LEP III des Beklagten und den Regionalen Raumordnungsplan Mittelrhein-Westerwald dahin ausgelegt, dass das Beeinträchtigungsverbot auch dem Schutz der hierdurch begünstigten benachbarten zentralen Orte dient. Diese Auslegung des Landesrechts ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindend.
Für einen feststellenden Verwaltungsakt ist kennzeichnend, dass er sich mit seinem verfügenden Teil darauf beschränkt, das Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorgangs verbindlich festzuschreiben ( BVerwG 3 C 29.02 - NVwZ 2004, 349 <350>; vgl. z.B. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, Rn 219 zu § 35). Ein feststellender Verwaltungsakt muss dabei aber - ebenso wie ein gestaltender oder befehlender Verwaltungsakt - die Definitionsmerkmale des § 35 Satz 1 VwVfG vollständig erfüllen. Das gilt insbesondere für die Merkmale "Regelung" und "Außenwirkung". Regelungscharakter hat eine Maßnahme, wenn sie nach ihrem Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn Rechte des Betroffenen begründet, geändert oder aufgehoben werden, sondern - als Besonderheit des feststellenden Verwaltungsakts - auch dann, wenn sie mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden ( BVerwG 7 C 83.84 - BVerwGE 77, 268 <271> m.w.N.). Ist eine Erklärung der Verwaltung darauf gerichtet, die im Verhältnis von Staat und Bürger (oder dem Staat gegenüberstehenden sonstigen Rechtssubjekten) bestehenden Unsicherheiten zu beseitigen, indem sie die generelle und abstrakte Regelung des Gesetzes verbindlich konkretisiert und/oder individualisiert, so legt die Verwaltung fest, was im Einzelfall rechtens sein soll, und trifft damit eine Regelung mit Außenwirkung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG (vgl. BVerwG 8 C 52.77 - BVerwGE 58, 37 <38 f.>). Hiervon ist das Berufungsgericht ersichtlich ausgegangen, indem es bei der Qualifizierung des streitgegenständlichen Bescheides auf den Rechtsbindungswillen der Behörde auch hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots abstellt und diesen von (unverbindlichen) bloßen Meinungskundgaben abgrenzt.
2. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts lässt sich dem Zielabweichungsbescheid ein Rechtsbindungswille der Behörde im Sinne eines Negativattests hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots aber nicht entnehmen.
Der Senat ist befugt, den Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Bescheides in der Revision selbst zu bestimmen und das Auslegungsergebnis der Vorinstanz zu überprüfen (a). Diese Überprüfung ergibt, dass das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Regelungsgehalts des Bescheides die Auslegungsmaßstäbe entsprechend §§ 133, 157 BGB in bundesrechtswidriger Weise angewandt und deshalb zu Unrecht von einer feststellenden Regelung auch hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots ausgegangen ist (b).
a) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt - [...] Rn 20 m.w.N.) hält sich das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung für befugt, den Inhalt von Verwaltungsakten in der Revision selbst zu bestimmen (vgl. BVerwG 2 C 34.80 - BVerwGE 67, 222 <234>, vom - BVerwG 4 C 44.87 - BVerwGE 85, 348 <366> und vom - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; vgl. auch Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn 156 zu § 137). In seinem Urteil vom (BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <279 f.>) hat der Senat diese Befugnis nicht in Abrede gestellt. Dort ging es um die Feststellung des konkreten Inhalts einer behördlichen Erklärung. Diese Feststellung ist Tatsachenfeststellung und deshalb im Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. auch BVerwG 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <68 f.>; BVerwG 8 B 164.90 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 6, jeweils m.w.N.). Demgegenüber ist die Frage, welche Rechtsqualität ein vom Tatsachengericht festgestellter konkreter Inhalt einer behördlichen Erklärung hat, insbesondere, ob er nach Maßgabe der entsprechend §§ 133, 157 BGB entwickelten Auslegungsregeln die Qualifikationsmerkmale des § 35 VwVfG erfüllt und damit als Verwaltungsakt anzusehen ist, eine Rechtsfrage und steht deshalb gemäß § 137 Abs. 1 VwGO in vollem Umfang zur revisionsgerichtlichen Überprüfung ( BVerwG 6 C 41.65 - Buchholz 237.5 § 94 HessBG Nr. 1; vgl. auch BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162> m.w.N. - zur Auslegung eines Prozessvergleichs -).
Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts ist hiernach für den Senat inhaltlich voll überprüfbar. Fraglich ist vorliegend nicht, wie die im Zielabweichungsbescheid enthaltenen behördlichen Erklärungen in tatsächlicher Hinsicht zu interpretieren sind. Auch geht es nicht um die Frage, ob und gegebenenfalls welche Hilfstatsachen und Begleitumstände auf die Auslegung des konkreten Erklärungsinhalts von Einfluss sein können. Fraglich ist vielmehr allein, was aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Erklärungsinhalt in rechtlicher Hinsicht abzuleiten ist, konkret, ob sich der behördlichen Erklärung ein Rechtsbindungswille auch hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots entnehmen lässt und der Zielabweichungsbescheid deshalb auch insoweit als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG RhPf zu qualifizieren ist.
b) Diese Frage ist zu verneinen. Das Berufungsgericht verkennt, dass eine behördliche Erklärung, deren feststellende Regelungsqualität nicht bereits durch Aufnahme in den Tenor des Bescheides dokumentiert worden ist, im Wege der Auslegung nur dann als feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, wenn der Regelungswille der Behörde in anderer Weise klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt.
Ob eine behördliche Maßnahme die Kriterien des § 35 VwVfG RhPf erfüllt, ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Maßstäben nach ihrem objektiven Erklärungswert zu beurteilen. Maßgebend ist, wie der Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung ( BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> und vom - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 m.w.N.).
Eine Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB ergibt hier, dass der Empfänger den Bescheid bei objektiver Würdigung aller Umstände nur so verstehen konnte, dass der Beklagte lediglich die für die Verwirklichung des geplanten FOC für erforderlich gehaltene Abweichung vom städtebaulichen Integrationsgebot zulassen und mit Maßgaben versehen wollte, während eine Regelungsabsicht auch hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots weder im Bescheidtenor dokumentiert ist noch sich aufgrund sonstiger Umstände erkennen lässt.
Im Ansatz geht das Oberverwaltungsgericht selbst zutreffend davon aus, dass eine feststellende Regelung regelmäßig im Verfügungssatz eines Bescheides nachzuweisen sein sollte. Zu Recht hebt es darauf ab, dass feststellende Regelungen durch ein spezifisches Abgrenzungsbedürfnis gegenüber bloßen Begründungselementen eines Bescheides gekennzeichnet sind. Der Adressat des Bescheides muss - letztlich aus Gründen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots - Klarheit darüber haben, ob die Behörde durch einen feststellenden Verwaltungsakt mit verbindlicher Wirkung festlegen wollte, was im Einzelfall rechtens sein soll, oder ob es sich insoweit lediglich um ein grundsätzlich nicht an der Bindungswirkung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, Rn. 15 zu § 43) des Verwaltungsakts teilnehmendes Begründungselement handelt. Eine feststellende Regelung des Inhalts, dass das geplante FOC (unter Einhaltung der Maßgaben) das Beeinträchtigungsverbot nicht verletzt, ist im Tenor des Zielabweichungsbescheides aber nicht enthalten.
Aufgrund der "Besonderheiten des Falles" ist das Oberverwaltungsgericht allerdings der Auffassung, dass vorliegend trotz des Fehlens einer entsprechenden Tenorierung gleichwohl von einer feststellenden Regelung auszugehen sei. Die Besonderheiten sieht es zum einen darin, dass der Bescheid den verbindlichen Abschluss eines jahrelangen Streits darstelle und damit zugleich den Endpunkt einer langen Entwicklung markiere. Zum anderen hebt es auf die umfassenden Darlegungen und Rechtsausführungen im Bescheid, mit denen der Beklagte erläutere, warum seiner Auffassung nach eine Verletzung des Beeinträchtigungsverbots ausscheide, sowie auf die Verfahrensgeschichte ab. Weder diese "Besonderheiten des Falles" noch sonstige Umstände lassen bei objektiver Würdigung mit der erforderlichen Klarheit erkennen, dass der Beklagte eine feststellende Regelung auch hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots treffen wollte. Im Gegenteil sprechen diese Umstände auch für sich genommen eher gegen als für eine feststellende Regelung.
aa) Zu einer feststellenden Regelung im Rahmen des Zielabweichungsverfahrens hatte die oberste Landesplanungsbehörde des Beklagten keine Veranlassung. Der Erlass eines Negativattests hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots mit Verwaltungsaktqualität war weder von Seiten der Beigeladenen beantragt noch gesetzlich vorgezeichnet. Die Beigeladenen hatten bei der obersten Landesplanungsbehörde beantragt, für ein FOC mit einer Verkaufsfläche von 10 000 qm Verkaufsfläche ein Raumordnungsverfahren, und, soweit erforderlich, ein Zielabweichungsverfahren durchzuführen. Eine rechtsverbindliche Entscheidung im Zielabweichungsverfahren wollten die Beigeladenen folglich nur, soweit dies für das Raumordnungsverfahren erforderlich war. Eine verbindliche Feststellung, dass das Vorhaben auch hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots zielkonform ist, war aber für den positiven Abschluss des Raumordnungsverfahrens nicht erforderlich. Aufgabe des Raumordnungsverfahrens nach § 15 ROG (in der bis zum Inkrafttreten des ROG vom - BGBl. I S. 2986 - geltenden Fassung; im Folgenden: ROG a.F.) i.V.m. § 17 LPlG RhPf ist es zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine raumbedeutsame Planung oder Maßnahme mit den Erfordernissen der Raumordnung im Einklang steht (vgl. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Rn 38 zu K § 15). Ergebnis dieser Überprüfung ist dabei häufig die Feststellung einer nur eingeschränkten Übereinstimmung. In diesen Fällen wird im raumordnerischen Entscheid dargelegt, unter welchen Voraussetzungen das Vorhaben raumordnungsrechtlich durchgeführt werden könnte. Dabei können auch Maßgaben und Änderungsvorschläge angegeben werden, durch die in nachfolgenden Verfahren - etwa einem gemeindlichen Bauleitplanverfahren - sichergestellt werden kann, dass den raumordnerischen Erfordernissen Rechnung getragen wird (vgl. Schmitz, a.a.O., Rn 144 zu K § 15, m.w.N.). Das Zielabweichungsverfahren gemäß § 11 ROG a.F. i.V.m. § 8 Abs. 3, § 10 Abs. 6 LPlG RhPf erfüllt eine andere Funktion. In ihm wird rechtsverbindlich darüber entschieden, ob von einem Ziel der Raumordnung, das einem konkreten Vorhaben entgegensteht, unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen abgewichen und damit der Weg für die Verwirklichung des Vorhabens frei gemacht werden kann. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, bereits im Zielabweichungsverfahren eine verbindliche Feststellung darüber zu treffen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ziel der Raumordnung durch das Vorhaben nicht berührt wird, weil entsprechende Feststellungen - wie dargestellt - im raumordnerischen Entscheid getroffen werden, wie hier im Entscheid vom auch tatsächlich geschehen. Eine rechtsverbindliche Feststellung der Zielkonformität im Rahmen des Zielabweichungsverfahrens hätte im Übrigen auch weitergehende Wirkungen als der raumordnerische Entscheid selbst. Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens hat nämlich weder gegenüber dem Träger der Planung oder Maßnahme noch gegenüber Einzelnen unmittelbare Rechtswirkung (§ 17 Abs. 11 LPlG RhPf). Bei raumbedeutsamen Planungen, die den im Raumordnungsverfahren überprüften Gegenstand betreffen, ist der raumordnerische Entscheid von den in § 4 Abs. 2 und 3 ROG genannten Stellen nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen; die Pflicht, Ziele der Raumordnung zu beachten, bleibt unberührt (§ 17 Abs. 10 LPlG RhPf). Anhaltspunkte dafür, warum die oberste Landesplanungsbehörde im Zielabweichungsbescheid über den durch das Raumordnungsverfahren gesetzten Rahmen hinausgehen wollte, sind nicht ersichtlich, wobei offen bleiben kann, ob sie hierzu überhaupt berechtigt gewesen wäre.
bb) Die im Tenor des Zielabweichungsbescheides formulierten "Maßgaben, die in den nachfolgenden Verfahren umzusetzen sind", rechtfertigen es bei objektiver Würdigung ebenfalls nicht, dem Beklagten eine Regelungsabsicht auch hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots zu unterstellen. Die Maßgaben (10 000 qm maximal zulässige Verkaufsfläche; Sortimentsbeschränkungen) sind zwar der Sache nach auch auf das Beeinträchtigungsverbot bezogen; sie geben Voraussetzungen an, unter deren Einhaltung von dem geplanten FOC nach Einschätzung der obersten Landesplanungsbehörde keine wesentlichen Auswirkungen auf die umliegenden zentralen Orte zu erwarten sind. Für regelungsbedürftig hat die oberste Landesplanungsbehörde die Maßgaben aber offensichtlich allein mit Blick auf die Zulassung einer Abweichung vom Integrationsgebot gehalten. Das ergibt sich aus der Begründung des Bescheides (S. 6). Dort ist ausgeführt, dass "eine darüber hinausgehende Verkaufsfläche wesentliche Auswirkungen auf die umliegenden zentralen Orte" hätte, dass "solche Auswirkungen ... aus raumordnerischer Sicht aber nicht vertretbar" seien. Mit dem Begriff "aus raumordnerischer Sicht ... vertretbar" knüpft der Bescheid an die in § 11 ROG a.F. i.V.m. § 8 Abs. 3, § 10 Abs. 6 LPlG RhPf normierte materiellrechtliche Voraussetzung für die Zulassung einer Abweichung von einem raumordnerischen Ziel an. "Daher", so die weitere Begründung des Bescheides, "musste die Abweichungszulassung mit der (genannten) Maßgabe verknüpft werden". Die Behörde ließ sich ersichtlich von der Vorstellung leiten, dass eine Abweichung vom städtebaulichen Integrationsgebot nur zulässig sei, wenn diese unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist, und dass dies nur der Fall sei, wenn keine wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die umliegenden zentralen Orte zu befürchten sind, was wiederum nur bei einer Verkaufsfläche von maximal 10 000 qm gewährleistet sei. Mit den Maßgaben sollte also allein die Zulassung einer Abweichung vom städtebaulichen Integrationsgebot abgesichert werden, wobei offen bleiben kann, ob die Behörde insoweit von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen geleitet war. Das erklärt auch, warum die "Maßgaben" zusammen mit der Abweichungszulassung in den Bescheidtenor aufgenommen wurden.
cc) Eine feststellende Regelungsabsicht der Behörde ergibt sich auch nicht aus sonstigen Umständen. Die "rein vorsorgliche" Einbeziehung des Beeinträchtigungsverbots in das Zielabweichungsverfahren belegt lediglich, dass sich die Behörde sicherheitshalber auch die Zulassung einer Abweichung vom Beeinträchtigungsverbot offen halten wollte, obwohl sie diese schon im Zeitpunkt der Einleitung des Zielabweichungsverfahrens bei "summarischer Würdigung" nicht als erforderlich erachtet hatte. Dass zwischen den Beteiligten - wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat - intensiv und auch Länder übergreifend um eine verbindliche Größenordnung für das geplante FOC gerungen worden sei, und es gegolten habe, die "rote Linie" zwischen einer erheblichen Beeinträchtigung der Nachbarzentren und der erforderlichen Mindestgröße zur Gewährleistung der Rentabilität des FOC zu finden, liefert allenfalls ein Indiz dafür, dass sich die für den Erlass des Zielabweichungsbescheides zuständige oberste Landesplanungsbehörde des Beklagten - das Ministerium des Innern und für Sport - hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbots politisch abschließend festlegen wollte. Für eine auch rechtsförmliche Regelung bestand - wie dargestellt - kein Anlass, noch existieren hinreichend dichte Anhaltspunkte für einen entsprechenden Regelungswillen, den der Beklagte auch stets in Abrede gestellt hat.
Da der Zielabweichungsbescheid die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Beeinträchtigungsverbot nicht verbindlich feststellt und die Klage bereits aus diesem Grunde unzulässig ist, kann offen bleiben, ob eine solche Feststellung - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - bindende Wirkung für ein späteres Normenkontrollverfahren gegen einen die Zulassung des Vorhabens ermöglichenden Bebauungsplan entfalten würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
...
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungs- und das Revisionsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG auf je 30 000 Euro festgesetzt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
OAAAD-59467