Schadenersatz bei Körperverletzung: Tatrichterliche Schätzung des Erwerbsschadens
Leitsatz
Zu der für die Bemessung des Erwerbsschadens erforderlichen Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung, wenn der Geschädigte behauptet, er hätte ohne den Schadensfall in fortgeschrittenem Alter eine gut bezahlte Festanstellung erhalten, der Schädiger dies aber unter Hinweis auf die Lage am Arbeitsmarkt bestreitet .
Gesetze: § 252 BGB, § 833 BGB, § 287 ZPO, § 7 StVG, § 11 StVG, § 13 StVG
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 24 U 51/08 Urteilvorgehend LG Darmstadt Az: 8 O 584/05
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 als Haftpflichtversicherer eines Zugfahrzeugs und die Beklagte zu 2 als Tierhalterin auf Ersatz von Verdienstausfallschaden in Anspruch.
2Die Klägerin half am beim Verladen eines Turnierpferds auf einen Pferdeanhänger mit Zugfahrzeug. Das Pferd riss sich beim Verladen los und trat der Klägerin in den Bauchraum. Hierbei erlitt sie schwerste Verletzungen, aufgrund derer sie dauerhaft arbeitsunfähig ist und eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht. Ihre Klage auf Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall wurde im sozialgerichtlichen Verfahren rechtskräftig abgewiesen.
3Die am geborene Klägerin hatte 1978 eine Ausbildung zur Patentanwaltsgehilfin abgeschlossen. 1983 erlangte sie auf dem zweiten Bildungsweg die allgemeine Hochschulreife mit einer Durchschnittsnote von 2,4. Von 1991 bis 1996 studierte sie Germanistik und erreichte einen Magisterabschluss mit der Gesamtnote "sehr gut". Seit 1992 unterrichtete sie in verschiedenen Einrichtungen vor allem Deutsch als Fremdsprache. Mit Wirkung vom ging sie ein bis zum befristetes Beschäftigungsverhältnis in Teilzeit als Lehrkraft für besondere Aufgaben bei der Technischen Universität Darmstadt ein. Sie beabsichtigte zu promovieren und begann mit Vorbereitungen hierfür.
4Die Klägerin hat Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten verlangt. Zum Verdienstausfallschaden hat sie mit Beweisangeboten vorgetragen, ohne den Unfall hätte sie bis zum Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses zum ihre beabsichtigte Promotion abgeschlossen. Aufgrund ihrer erworbenen beruflichen Qualifikation hätte sie ab 2004 eine sichere vollschichtige Arbeitsstelle im öffentlichen Dienst als Lehrkraft erlangt, die mindestens nach der Vergütungsgruppe BAT IIa eingruppiert gewesen wäre. Hierdurch hätte sie eine monatliche Bruttovergütung von rund 4.500 € erzielt, was nach Abzug der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ein Einkommen vor Steuern von 3.600 € ergeben hätte. Demgegenüber haben die Beklagten vorgetragen, auf dem für die Klägerin relevanten Arbeitsmarkt stehe ein sehr geringes Angebot an Arbeitsplätzen einer großen Zahl von Bewerbern gegenüber. Die Klägerin, die im Zeitpunkt des beabsichtigten Berufseintritts erheblich älter als andere gleich qualifizierte Bewerber gewesen wäre, hätte voraussichtlich keine Chance auf Erlangung eines Arbeitsplatzes gehabt.
5Das Landgericht hat der Klage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 25 % teilweise stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagten auf die Berufung der Klägerin auf der Grundlage einer hundertprozentigen Haftung zur Zahlung weiteren Schadensersatzes verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Unter anderem hat es die Beklagten verurteilt, ab eine monatliche Rente in Höhe von 2.853,33 € abzüglich bereits gezahlter 42.085 €, vierteljährlich im Voraus zu zahlen. In diesem Umfang hat der erkennende Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten die Revision zugelassen, mit der die Beklagten insoweit ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgen.
Gründe
I.
6Das Berufungsgericht, dessen Urteil von Langenick in NZV 2009, 257 ff. und 318 ff. näher dargestellt und besprochen worden ist, hat, soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, Folgendes ausgeführt:
7Die Klägerin könne von der Beklagten zu 1 gemäß § 7 Abs. 1, §§ 11, 13 StVG a.F., § 3 Nr. 1 PflVG a.F. (nunmehr § 115 Abs. 1 VVG) und von der Beklagten zu 2 gemäß § 833 BGB eine monatliche Verdienstausfallrente in Höhe von 2.680 € beanspruchen. Aufgrund ihrer früheren beruflichen Tätigkeit, des Verlaufs und des sehr guten Abschlusses ihres Studiums der Germanistik, ihrer erworbenen Lehrerfahrung sowie der Vorbereitung der Promotion sei es in hohem Maße wahrscheinlich, dass die Klägerin im Bereich der sprachlichen Ausbildung eine regelmäßige und vollschichtige Anstellung gefunden hätte. Ihr bisheriger Werdegang weise die Klägerin als strebsam sowie besonders leistungswillig und -fähig aus. Deswegen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen, dass die Klägerin nach Ablauf ihres befristeten Arbeitsvertrages und einer gewissen Zeit der Arbeitssuche eine vollschichtige Erwerbstätigkeit im öffentlichen Dienst, bei karitativen oder sonstigen privaten Institutionen erlangt hätte. In den letzten fünf Jahren sei der Anteil von Akademikern an der Gesamtzahl der Arbeitslosen verhältnismäßig niedrig gewesen. Zwar sei der Arbeitsmarkt für Natur- und Wirtschaftswissenschaftler günstiger als für Geisteswissenschaftler. Jedoch bestehe - auch außerhalb des öffentlichen Dienstes - ein zunehmender Bedarf an Lehrkräften zur Unterweisung ausländischer Mitbürger in deutscher Sprache. Deswegen sei keine anteilige Kürzung des Rentenbetrages wegen angenommener Zeiten der Arbeitslosigkeit vorzunehmen. Die Klägerin hätte ein ihrer Ausbildung entsprechendes Gehalt in der Größenordnung der Vergütungsgruppe IIa des BAT erzielen können. Dementsprechend sei von einem monatlichen Bruttogehalt von 4.550 € auszugehen. Das sich nach Abzug der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ergebende Gehalt betrage rund 80 % des Bruttogehalts, nämlich 3.600 €. Nach Abzug der Erwerbsunfähigkeitsrente ergebe sich ein von den Beklagten zu bezahlender Rentenbetrag in Höhe von 2.680 €.
8Wegen Vermehrung ihrer Bedürfnisse stehe der Klägerin eine monatliche Rente in Höhe von 173,33 € zu.
II.
9Die dagegen gerichtete Revision hat im Umfang der Zulassung weitgehend Erfolg. Die bisherigen Feststellungen tragen die Zuerkennung einer Verdienstausfallrente in Höhe von 2.680 € nicht.
101. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist nicht mehr im Streit. Auf die von der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts zum fehlenden Mitverschulden der Klägerin an der Entstehung des Schadens kommt es im Revisionsverfahren nicht an, da die Revision insoweit nicht zugelassen worden ist.
112. Unbegründet ist die Revision, soweit die Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente wegen Mehrbedarfs in Höhe von 173,33 € bis zum verurteilt worden sind. Die Revision hat die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass die Klägerin unfallbedingt eine Hilfe für vier Stunden wöchentlich benötige und der Aufwand dafür auf monatlich 173,33 € zu schätzen sei, nicht angegriffen.
123. Die Revision hat Erfolg, soweit das Berufungsgericht der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Vermehrung ihrer Bedürfnisse für die Zeit nach dem zugesprochen hat. Dies verstößt gegen § 308 Abs. 1 ZPO, was das Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten hat (, VersR 1993, 609, 612, insoweit in BGHZ 120, 239 nicht abgedruckt). Der Klageantrag war auf eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Rente lediglich bis zum gerichtet. Das Berufungsgericht durfte der Klägerin schon deshalb keine zeitlich unbefristete Rente zusprechen.
13Entgegen der Auffassung der Revision verstößt das Urteil des Berufungsgerichts hingegen nicht gegen § 308 Abs. 1 ZPO, soweit es eine über einen monatlichen Betrag von 2.723,33 € hinausgehende Rente zugesprochen hat. Die Klägerin hat im Berufungsrechtszug beantragt, die Beklagten über den bereits zuerkannten monatlichen Rentenbetrag von 130 € hinaus zur Zahlung einer monatlichen Rente von weiteren 2.723,33 € zu verurteilen. Dies entspricht dem im Berufungsrechtszug zuerkannten monatlichen Rentenbetrag von 2.853,33 €.
144. Die Revision hat weiter Erfolg, soweit das Berufungsgericht die Verdienstausfallrente über den Zeitpunkt des mutmaßlichen Ausscheidens der Klägerin aus dem Erwerbsleben hinaus zuerkannt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Anspruch eines abhängig Beschäftigten auf Ersatz des Erwerbsschadens auf die voraussichtliche Lebensarbeitszeit zu begrenzen (vgl. , VersR 1995, 1321; vom - VI ZR 245/94, VersR 1995, 1447, 1448; vom - VI ZR 342/02, VersR 2004, 653 f. = r+s 2004, 342 m. Anm. Lemcke).
155. Die Revision ist auch begründet, soweit das Berufungsgericht der Klägerin eine monatliche Rente wegen unfallbedingter Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 2.680 € zuerkannt hat. Die dem zugrunde liegende Prognose, die Klägerin hätte ohne den Unfall während der gesamten Dauer ihres Erwerbslebens ein Bruttogehalt in Höhe von 4.550 € erzielt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16a) Eine vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung unterliegt allerdings nur der beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. , BGHZ 92, 85, 86 f. = VersR 1984, 966; vom - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 330 = VersR 1989, 299, 301; vom - VI ZR 354/93, VersR 1995, 469, 470; vom - VI ZR 173/07, VersR 2009, 408 Rn. 12; vom - VI ZR 186/08, Rn. 17, z.V.b.). Derartige Fehler zu Lasten der Beklagten liegen hier indes vor.
17b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht den hier streitigen Verdienstausfallschaden unter Heranziehung von § 252 Satz 2 BGB und § 287 ZPO ermittelt. Ist die voraussichtliche berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis zu beurteilen, muss der Geschädigte nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für die erforderliche Prognose dartun. Doch dürfen insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (, VersR 1992, 973; vom - VI ZR 228/92, VersR 1993, 1284, 1285; vom - VI ZR 62/94, VersR 1995, 422, 424; vom - VI ZR 354/93, VersR 1995, 469, 470; vom - VI ZR 342/96, VersR 1998, 770, 772; vom - VI ZR 65/98, VersR 2000, 233). Dies gilt insbesondere dann, wenn das haftungsauslösende Ereignis den Geschädigten zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als er noch in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung stand und deshalb noch keine Erfolge in der von ihm angestrebten Tätigkeit nachweisen konnte (vgl. , VersR 2000, 1521, 1522; vom - VI ZR 186/08, aaO Rn. 18).
18Soweit sich keine Anhaltspunkte ergeben, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen; verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden (, aaO; vom - VI ZR 65/98, aaO; vom - VI ZR 172/99, aaO; vom - VI ZR 186/08, aaO Rn. 21).
19Insoweit sind dem weiten Ermessen des Tatrichters zur Schadensschätzung allerdings auch Grenzen gesetzt. Insbesondere darf er sich nicht über Vorbringen des Schädigers, das für die Schadensschätzung von Bedeutung ist, ohne weiteres hinwegsetzen oder dies ohne den Ausweis eigener Sachkunde und die Hinzuziehung sachverständiger Hilfe als unerheblich oder widerlegt ansehen.
20c) Diesen Grundsätzen wird das Urteil des Berufungsgerichts nicht gerecht. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht weder den Vortrag der Beklagten noch die Ausführungen des Landgerichts zu den Berufsaussichten der Klägerin in der gebotenen Weise bei seinen Überlegungen zur Schadensschätzung in Betracht gezogen hat.
21Die Beklagten haben darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls bereits fast 39 Jahre alt gewesen sei, erst zwei Jahre nach dem Abschluss ihres Germanistikstudiums im Mai 1996 einen bis zum befristeten Teilzeit-Arbeitsvertrag als wissenschaftliche Lehrbeauftragte erhalten und geplant habe, im Anschluss zu promovieren, wobei sie bei Abschluss einer Promotion mindestens 45 Jahre alt gewesen und insoweit als Berufsanfängerin völlig aus der Norm gefallen wäre. Dabei sei völlig offen, ob und ggf. wann die Klägerin ihre Dissertation tatsächlich abgeschlossen hätte, zumal diese berufsbegleitend und neben der Betreuung zweier minderjähriger Kinder erfolgreich hätte abgeschlossen werden müssen. Zudem haben die Beklagten geltend gemacht, die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte nach dem fiktiven Abschluss ihrer Promotion ab dem eine feste Vollzeitanstellung auf hohem Niveau mit einem Gehalt in Höhe von BAT IIa auf Dauer erhalten, gehe in keiner Weise auf die Feststellungen des Landgerichts ein, wonach die Hessische Landesregierung zur damaligen Zeit ihr Projekt "Sichere Zukunft in Hessen" gestartet habe, zu dem auch Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst gehört hätten; infolgedessen seien insbesondere Zeitverträge nicht verlängert sowie Neueinstellungen kaum noch vorgenommen worden. Überdies haben die Beklagten vorgetragen, dass bei Einstellung einer Kraft im höheren Alter höhere Gehälter zu bezahlen seien, so dass sich auch aus diesem Grund angesichts der aufgezeigten Sparmaßnahmen die Chancen der Klägerin bei der Stellensuche verringert hätten.
22Die Ausführungen im Berufungsurteil lassen nicht erkennen, dass das Berufungsgericht diese Einwände ausreichend in Erwägung gezogen hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht aufgrund eigener Sachkunde die Gegebenheiten des hier in Frage stehenden Arbeitsmarkts zutreffend beurteilen konnte. Seine Feststellung, dass die Akademikerarbeitslosigkeit geringer sei als die Arbeitslosigkeit der Gesamtheit aller Arbeitnehmer, stellt auf die konkreten Gegebenheiten des Streitfalls ebenso wenig ab wie die Feststellung, im Bereich sprachlicher Ausbildung bestehe erheblicher Bedarf, und diesem Bedarf werde - insoweit habe das Landgericht seinen Blick allzu sehr verengt - nicht nur von einigen öffentlichen Instituten begegnet.
23Es kann aufgrund der bisherigen beruflichen Entwicklung der Klägerin, die nach Abschluss ihres Studiums eine Stelle als Lehrkraft für besondere Aufgaben erlangt hat und auch in der Vergangenheit immer erwerbstätig war, davon ausgegangen werden, dass es ihr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gelungen wäre, ihrer Qualifikation entsprechende Arbeitsstellen zu finden. Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen und seine Erwägungen bilden jedoch keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass die Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ab Januar 2006 bis zu ihrem Renteneintritt durchgehend ein monatliches Bruttoeinkommen von 4.550 € erzielt hätte.
246. Das Berufungsurteil kann danach insoweit keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die Schadensschätzung unter Berücksichtigung des entscheidungserheblichen Parteivortrags erneut vornimmt.
25Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der erkennende Senat auf Folgendes hin:
26a) Mit Recht beanstandet die Revision, dass die Ermittlung des Verdienstausfallschadens, wie sie das Berufungsgericht bisher vorgenommen hat, zu unrichtigen Ergebnissen führen kann.
27Dabei kommt es allerdings auf die von der Revision gerügten Fehler des Berufungsgerichts bei der Anwendung der Bruttolohnmethode für den Erwerbsschaden bis zum nicht an. Insoweit ist die Revision nicht zugelassen worden. Die Grundsätze, die bei der Anwendung dieser Methode zu beachten sind, insbesondere wenn der Geschädigte in der gesetzlichen Sozialversicherung versichert ist und neben den Schadensersatzleistungen auch Leistungen aus einer Sozialversicherung erhält, sind geklärt (vgl. , VersR 1986, 162, 163; vom - VI ZR 194/93, VersR 1995, 104, 105 f.; vom - VI ZR 165/98, VersR 2000, 65; vgl. ferner Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 3. Aufl., Kap. 3 Rn. 261 ff.; ders., r+s 1996, 205 ff.; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rn. 95 ff.; Langenick, NZV 2009, 257 ff., 318 ff.).
28Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass auch bei der Bemessung des Zukunftsschadens, bei dem rechnerisch von einem angemessenen Bruttoeinkommen ausgegangen werden kann, auf die konkreten Verhältnisse des Geschädigten hinsichtlich der Belastung durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und hinsichtlich der Vorteile, die sich aufgrund von Lohnersatzleistungen der Drittleistungsträger ergeben, abzustellen ist. Eine pauschalisierende Betrachtung führt insbesondere bei abhängig Beschäftigten vielfach zu falschen Ergebnissen (vgl. Langenick, NZV 2009, 318 ff. m.w.N.).
29b) Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten, die Klägerin müsse sich Werbungskosten oder sonstige ersparte berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 10 % ihres hypothetischen Einkommens anrechnen lassen, unberücksichtigt gelassen, weil dieser nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte; die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat es abgelehnt. Ob dies, wie die Revision meint, aus Rechtsgründen zu beanstanden ist, kann dahinstehen. Aufgrund der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ist eine erneute mündliche Verhandlung geboten, aufgrund derer das Vorbringen geprüft werden kann. Bei einer Prüfung in der Sache wird das Berufungsgericht die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze in Betracht zu ziehen haben (vgl. dazu etwa Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, aaO, Kap. 8 Rn. 16 ff., 33 ff.; Küppersbusch, aaO, Rn. 78 f., jeweils m.w.N.).
30c) Für die Mehrbedarfsrente gilt die Beschränkung auf die Lebensarbeitszeit der Klägerin nicht. Insoweit ist darauf abzustellen, wie lange der Mehrbedarf voraussichtlich bestehen wird.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 1146 Nr. 16
NWB-Eilnachricht Nr. 2/2011 S. 105
NWB-Eilnachricht Nr. 2/2011 S. 39
FAAAD-58809