BFH Beschluss v. - VII B 85/10

Selbstbehalt bei der Vergütung von Mineralölsteuer für Betriebe der Landwirtschaft und Forstwirtschaft nicht verfassungswidrig

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1, MinöStG § 25 Abs. 4, MinöStG § 25d, EnergieStG § 57 Abs. 6, StromStG § 9 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) hat den Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf Vergütung von Mineralölsteuer für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft nach § 25b i.V.m. § 25d des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) mit der Begründung abgelehnt, dass der vom Kläger in seinem Antrag errechnete Vergütungsbetrag den in § 25d MinöStG 1993 festgelegten Selbstbehalt von 350 € nicht übersteigt. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

2 Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA die Gewährung einer Vergütung zu Recht abgelehnt habe. Bei der Ausgestaltung von Steuergesetzen habe der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, der eine Typisierung zulasse. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sei der in § 25d MinöStG 1993 festgelegte Selbstbehalt nicht zu beanstanden. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Haushaltsbegleitgesetz 2005 habe der Gesetzgeber mit dieser Regelung den Abbau von Subventionen bezweckt. Der Einwand des Klägers, der Gesetzgeber hätte nur eine gleichmäßige Absenkung des Steuersatzes vornehmen dürfen, greife nicht durch. Für eine willkürliche und damit gleichheitswidrige Belastung des Klägers bestünden keine Anhaltspunkte.

3 Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Von grundsätzlicher Bedeutung sei der Umstand, dass § 25d MinöStG 1993 sowie die in § 57 Abs. 6 des Energiesteuergesetzes getroffenen Regelungen verfassungswidrig und damit nichtig seien. Zweck der Steuerbegünstigung für das in der Forst- und Landwirtschaft verwendete Mineralöl sei die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der begünstigten Betriebe im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der Gesetzgeber habe die Regelung so ausgestaltet, dass kleine und weniger leistungsfähige Betriebe deutlich stärker belastet würden. Dies sei mit dem in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) normierten Gleichheitssatz nicht vereinbar. Da der Gesetzgeber rein fiskalische Interessen verfolgt habe, fehle es an einer sachlichen Begründung für die zum erfolgte Einführung des Selbstbehalts. Eine Typisierung habe der Gesetzgeber nicht vorgenommen, wie die zusätzlich aufgenommene Bagatellgrenze von 50 € belege. Den angestrebten Subventionsabbau hätte der Gesetzgeber auch durch eine Absenkung des Vergütungssatzes erreichen können, von der alle Betriebe gleichermaßen betroffen gewesen wären.

4 Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

5 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie eindeutig so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat. Die in § 25d MinöStG 1993 getroffene Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

6 1. Der beschließende Senat hat sich wiederholt mit den Voraussetzungen für die Festlegung eines echten Selbstbehalts im Rahmen von energiesteuerrechtlichen Begünstigungstatbeständen befasst. In seinem Urteil vom VII R 21/97 (BFHE 187, 177) hat er den in § 53 Abs. 1 Nr. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung festgelegten Betrag von 10.000 DM als echten Selbstbehalt eingestuft. In einer weiteren Entscheidung hat er die in § 25 Abs. 4 MinöStG 1993 verankerte Sockelbetrags-Regelung verfassungsrechtlich legitimiert und ausgeführt, dass es nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, wenn Betriebe des Produzierenden Gewerbes, die sowohl Mineralöl als auch Strom einsetzen, sowohl den Selbstbehalt nach § 25 Abs. 4 MinöStG 1993 als auch den Selbstbehalt nach § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes zu tragen haben (Senatsbeschluss vom VII B 211/03, BFHE 205, 361). Steuerbetragsgrenzen in Form eines echten Selbstbehalts sind dem Verbrauchsteuerrecht nicht fremd. Allein für sich genommen geben sie keinen Anlass zu verfassungsrechtlichen Beanstandungen. Auch die im Streitfall festgelegte Grenze von 350 € hält sich in den von der Verfassung gezogenen Grenzen.

7 2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist es dem Gesetzgeber unbenommen, die Verwirklichung des Steueranspruchs durch Typisierung verfahrensrechtlich zu erleichtern und dabei die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel zu berücksichtigen (vgl. , BVerfGE 96, 1, 6 f.). Im Steuerrecht kommt es für die am Maßstab des Gleichheitssatzes vorzunehmende Prüfung insbesondere darauf an, ob durch die Differenzierung eine Gruppe von Steuerpflichtigen ohne hinreichenden sachlichen Grund stärker belastet wird als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage gerät, so dass die gesetzlichen Auswirkungen der getroffenen Differenzierung weiter greifen, als es der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck rechtfertigt, und schutzwürdige Belange der Nichtbegünstigten ohne hinreichenden sachlichen Grund vernachlässigt werden (, BVerfGE 85, 238, 245, m.w.N.). Die Grenze seines Gestaltungsspielraumes überschreitet der Gesetzgeber erst dann, wenn sich kein sachlicher Grund für die getroffene Differenzierung finden lässt, der auf nachvollziehbaren Erwägungen z.B. finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Art beruht (vgl. und 20/82, BVerfGE 74, 182, m.w.N.).

8 Ausweislich der Gesetzesbegründung diente die Erhöhung des in § 25d MinöStG 1993 aufgenommenen Selbstbehalts dem weiteren Abbau von Subventionen (BTDrucks 15/3442, S. 4). Aufgrund seiner im Steuerrecht weitgehenden Gestaltungsfreiheit ist der Gesetzgeber nicht daran gehindert, einmal gewährte Steuerbegünstigungen —auch aus finanzpolitischen Erwägungen— zurückzuführen und Subventionen abzubauen. Der Abbau von Steuersubventionen greift auch nicht in verfassungswidriger Weise in geschützte Rechtspositionen der betroffenen Wirtschaftsbeteiligten ein (zum Abbau von Steuerbegünstigungen für Biokraftstoffe vgl. , BFH/NV 2007, Beilage 4, 441). Dabei ist der Gesetzgeber nicht gezwungen, eine Einschränkung der Begünstigung lediglich durch eine generelle Absenkung des Vergütungssatzes vorzunehmen. Auch eine Erhöhung des Selbstbehalts kann zur Zielerreichung eingesetzt werden und zum Subventionsabbau beitragen.

9 Es liegt auf der Hand, dass jede Festlegung einer Steuerbetragsgrenze in Form eines echten Selbstbehalts zu einem Ausschluss von Betrieben führt, deren errechneter Vergütungsbetrag die festgelegte Grenze nicht erreicht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass alle nach § 25d MinöStG 1993 begünstigten Betriebe der Forst- und Landwirtschaft den Selbstbehalt gleichermaßen zu tragen haben. Insoweit wird eine Belastungsgleichheit hergestellt, die nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, dass sich unter Berücksichtigung der Bagatellgrenze von 50 € und des Selbstbehalts von 350 € eine unterschiedliche durchschnittliche Steuerbelastung je nach verbrauchter Mineralölmenge ergibt. Nach der Rechtsansicht des Klägers wäre jeder Selbstbehalt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, da sich bei Errechnung der durchschnittlichen Steuerbelastung nach der jeweils in einem Vergütungsabschnitt verbrauchten Menge stets Belastungsunterschiede zwischen den verglichenen Betrieben ergäben. Einer solchen Betrachtungsweise ist jedoch nicht zu folgen. Vielmehr erweist sich die Erhöhung des Selbstbehalts aus den dargelegten Gründen nicht als willkürlich, so dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht vorliegt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 315 Nr. 2
BAAAD-58644