BGH Beschluss v. - III ZB 83/09

Rechtsanwaltskosten des Rechtsmittelgegners: Höhe der zu erstattenden Verfahrensgebühr bei Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels vor dessen Begründung

Gesetze: § 91 Abs 2 S 1 ZPO, § 522 Abs 2 ZPO, Nr 3200 RVG-VV, Nr 3201 S 1 Nr 1 RVG-VV

Instanzenzug: Az: 11 W 2245/09 Beschlussvorgehend LG München I Az: 22 O 12655/08 Beschlussvorgehend Az: 3 U 2209/09 Beschluss

Gründe

I.

1Der Kläger legte am gegen das ihm am zugestellte Endurteil des Landgerichts München I vom Berufung ein mit dem Hinweis, dass Anträge und Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben sollten. Der Beklagte meldete sich im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom und kündigte den Antrag an, die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Berufung wurde am begründet. Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Nach Stellungnahme des Klägers wurden die Berufung wie angekündigt durch Beschluss zurückgewiesen und dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

2Der Beklagte hat im Kostenfestsetzungsverfahren hinsichtlich der Kosten für die Berufung die Festsetzung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr für seine Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.212,80 € beantragt. Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss lediglich eine 1,1-fache Verfahrensgebühr in Höhe von 833,80 € berücksichtigt. Hiergegen hat sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde gewandt, die vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden ist.

3Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Festsetzungsantrag weiter.

II.

4Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

51. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die durch den gestellten Antrag auf Zurückweisung der Berufung angefallene 1,6fache-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG sei nur in Höhe einer 1,1fachen-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Anmerkung Satz 1 Nr. 1 VV-RVG erstattungsfähig.

62. Die Auffassung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

7Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kommt es für die Erstattungsfähigkeit der 1,6fachen-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG nicht darauf an, ob der obsiegende Berufungsgegner noch eine Rechtsmittelerwiderung abgegeben hat, wenn - wie hier - nach Stellung des Zurückweisungsantrags das Rechtsmittel durch den Berufungsführer begründet wird und anschließend das Berufungsgericht nach § 522 ZPO die Berufung zurückweist (vgl. , NJW 2010, 3170 Rn. 8 f; vgl. auch Beschlüsse vom - VI ZB 61/09, VersR 2010, 1470 Rn. 5 ff und vom - XII ZB 12/07, NJW 2009, 2220 Rn. 11; siehe ferner BGH, Beschlüsse vom - V ZB 54/09, NJW 2009, 3102 Rn. 10 f und vom - I ZB 111/07, NJW-RR 2009, 859 Rn. 8 ff). Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der 1,6fachen-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG ist nicht, dass sich der Prozessbevollmächtigte inhaltlich mit der Berufungsbegründung auseinandersetzt. Die Verfahrensbeendigung nach Stellung des Zurückweisungsantrags stellt auch keine vorzeitige Erledigung im Sinne der Nr. 3201 Satz 1 Nr. 1 VV-RVG dar. Die volle Gebühr wird vielmehr bereits durch die Stellung der Sachanträge ausgelöst. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Abweisungsantrags noch keine Rechtsmittelbegründung vorlag, ist jedenfalls unbeachtlich, wenn diese später eingereicht wird; denn für die Frage der Erstattungsfähigkeit ist die zeitliche Reihenfolge der jeweiligen Anträge ohne Belang (vgl. Beschlüsse vom aaO Rn. 12 und vom aaO Rn. 7). Nach Einreichung der Rechtsmittelbegründung kann dem Rechtsmittelgegner ein berechtigtes Interesse nicht abgesprochen werden, mit anwaltlicher Hilfe eine Zurückweisung des Rechtsmittels zu erreichen und einen entsprechenden Antrag anzukündigen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob eine Vorgehensweise nach § 522 ZPO in Betracht kommt oder nicht (Beschluss vom aaO).

Schlick                             Dörr                                  Wöstmann

                  Seiters                           Tombrink

Fundstelle(n):
RAAAD-58562