Behandlung der Scheinrenditen aus dem „Phoenix Managed Account” im Schneeballsystem der Phoenix Kapitaldienst GmbH bei den Anlegern
1 Sachverhalt
Die Phoenix Kapitaldienst GmbH (Phoenix) mit Firmensitz in Frankfurt am Main war bis zu der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens am Finanzdienstleister, dessen Geschäftstätigkeit das Finanzkommissionsgeschäft und die Finanzportfolioverwaltung umfasste. Ende 1992 wurde der „Phoenix Managed Account” aufgelegt. Dabei handelte es sich um ein Produkt, bei dem Phoenix Investitionssummen der Kunden in Stillhalter- und Spekulations- bzw. private Veräußerungsgeschäfte investierte.
Bei dem „Phoenix Managed Account” handelte es sich um ein Schneeballsystem. Die von den Anlegern bereit gestellten Mittel wurden nicht wie vertraglich vereinbart verwendet. Allerdings wurden den Anlegern monatliche Abrechnungsmitteilungen zur Verfügung gestellt, die den Erfolg des Produkts vortäuschten. Der größte Teil der gutgeschriebenen Scheinrenditen wurde im Wege der Novation wieder angelegt. Bis zum Zusammenbruch des Schneeballsystems wurde auch ein Teil der Scheinrenditen (auf Anforderung) ausbezahlt.
Am wurde auf Initiative der Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Phoenix Kapitaldienst GmbH eröffnet, das bisher noch nicht abgeschlossen ist. Die Anleger können allenfalls mit einer teilweisen Rückzahlung des eingesetzten Kapitals (ohne Gewinnbeteiligungen) rechnen. Informationen über den Stand des Insolvenzverfahrens sind auf der Internetseite des Insolvenzverwalters (www.schubra.de) veröffentlicht.
2 Steuerrechtliche Beurteilung
Das Vertragsverhältnis zwischen Phoenix und den geschädigten Anlegern ist als stille Beteiligung zu qualifizieren. Grundlage dieser Beurteilung ist das , als Anlage beigefügt, wonach die Anleger aus der Beteiligung an dem „Phoenix Managed Account” Einkünfte aus einer stillen Beteiligung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erzielen.
Die Anleger haben deshalb die ausgezahlten Scheinrenditen im Jahr des Zuflusses und die (nur) gutgeschriebenen Scheinrenditen im Jahr der Gutschrift als Einnahmen aus Kapitalvermögen aus der stillen Beteiligung zu versteuern. Wurden ausgezahlte Scheinrenditen an den Insolvenzverwalter zurück gezahlt, sind diese im Jahr der Rückzahlung als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen anzusetzen.
Nach der Rechtsprechung des BFH (, BStBl 2009 II S. 190, die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde mit nicht zur Entscheidung angenommen, und , juris) sind (auch) Scheinrenditen zu versteuern, da der Anleger sich die ihm gutgeschriebenen Renditen seiner Kapitalanlage hätte auszahlen lassen können, er stattdessen aber die Wiederanlage der Renditen bestimmt hat. Das gilt aber nur, solange der Schuldner noch zahlungsfähig war, bei Phoenix bis einschließlich des Jahres 2004.
3 Ermittlung der Einkünfte/Festsetzungsverjährung
Phoenix hat für die Jahre 1999 bis 2004 Mitteilungen erstellt, in denen sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG (Stillhaltegeschäfte) und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (Wertpapierveräußerungsgeschäfte) und Nr. 4 (Termingeschäfte) EStG ausgewiesen sind. Dieser Einordnung ist nicht zu folgen.
Aufgrund der Beurteilung des Vertragsverhältnisses als (typisch) stille Gesellschaft ist keine Aufteilung der Einkünfte (mehr) erforderlich. Die so ermittelten Einkünfte sind insgesamt als solche aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu besteuern.
Liegen keine Mitteilungen vor, können die Einkünfte insgesamt für den jeweiligen Veranlagungszeitraum anhand der monatlichen Kontoauszüge ermittelt werden. Hierfür ist von dem Kontostand zum 31.12. eines Jahres laut der letzten Abrechnung eines Jahres der Kontostand vom 01.01. eines Jahres (= Kontostand zum 31.12. des vorhergehenden Jahres) laut der ersten Abrechnung des Jahres und die insgesamt geleistete Einlage abzuziehen. Bei dieser Berechnung sind die Verwaltungsgebühren und die Gewinnbeteiligung der Phoenix, die auch als Werbungskosten anzusetzen sind, bereits berücksichtigt.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kontostand am | 49.731,53 Euro |
Kontostand am | ./. 35.703,15 Euro |
Im Jahr 2004 eingezahlter Anlagebetrag | ./. 10.000,00 Euro |
Kapitalerträge im Jahr 2004 | 4.028,38 Euro |
4 Verlustansatz für Scheinrenditen im Jahr 2005
Aus sachlichen Billigkeitsgründen sind die nach dem (nur) gutgeschriebenen, einkommensteuerlich zugeflossenen und versteuerten Scheinrenditen aus sachlichen Billigkeitsgründen im Veranlagungszeitraum 2005 (Jahr der Insolvenzeröffnung) als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen aus einer (typisch) stillen Beteiligung anzusetzen.
Dadurch wird eine Gleichstellung mit denjenigen Anlegern erreicht, die sich ihre Scheinrenditen haben auszahlen lassen und bei denen der Insolvenzverwalter die ausgezahlten Renditen zurückgefordert hat. Die bis vier Jahre vor Insolvenzeröffnung ausgezahlten Renditen sind nach § 134 InsO zurückzufordern (, juris), und zwar auch dann, wenn der Anleger Schadensersatzansprüche wegen seines verlorenen Anlagekapitals geltend machen kann.
Die Billigkeitsregelung reicht aber nur soweit, wie die nach dem gutgeschriebenen und nicht ausbezahlten Scheinrenditen in den Jahren der Gutschrift tatsächlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert wurden. Deshalb mindern tatsächliche Werbungskosten, der Werbungskosten-Pauschbetrag und der Sparer-Freibetrag (ggf. anteilig) in den Vorjahren den im Jahr 2005 anzusetzenden Verlust.
Die im Jahr 2005 aus Billigkeitsgründen anzusetzenden negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen sind dort mit anderen positiven Einkünften auszugleichen. Ergibt sich dadurch ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte, kann dieser im Wege des Verlustrücktrags nach § 10d Abs. 1 EStG im Jahr 2004 und ggf. im Rahmen des Verlustvortrags nach § 10d Abs. 2 EStG in den Jahren 2006 ff. berücksichtigt werden. Die Verlustausgleichsbeschränkungen für private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG und Einkünfte aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG kommen nicht (mehr) zur Anwendung, weil die Schreinrenditen insgesamt Einkünfte aus Kapitalvermögen (stille Beteiligung; § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) sind.
5 Wiederaufnahme von Rechtsbehelfsverfahren
Den Einspruchsführern ist die Fortsetzung der Verfahren mitzuteilen. Dabei ist auf die Umqualifizierung der Einkunftsart hinzuweisen und – falls keine Anlage KAP für das Streitjahr vorliegt – zur Abgabe einer vollständig ausgefüllten Anlage KAP für die Inanspruchnahme eines bisher nicht ausgeschöpften Sparer-Freibetrags aufzufordern.
Einsprüche wegen der Einkommensteuer 2005 sind erst nach Bestandskraft der Vorjahre abschließend zu bearbeiten. Die Billigkeitsmaßnahme darf erst ausgesprochen werden, wenn der die Einnahmen enthaltende Bescheid unanfechtbar geworden ist.
Im Jahr 2005 sind nur die in diesem Jahr ausgezahlten Renditen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die im Jahr 2005 nur gutgeschriebenen Scheinrenditen bleiben aufgrund der Billigkeitsregelung außer Ansatz. Darüber hinaus sind negative Einnahmen i. H. der in den Jahren 2001 bis 2004 steuerpflichtigen positiven Einkünfte zu erfassen. Beträge, die nicht besteuert wurden, z. B. wegen eingetretener Festsetzungsverjährung, können im Wege der Billigkeit auch nicht als negative Einnahmen anerkannt werden (Korrespondenzprinzip).
Dem Steuerpflichtigen A wurden von Phoenix in den Jahren 2001 bis 2005 jeweils Renditen i. H. von 5.000 Euro gutgeschrieben. Außerdem bezog A in jedem Jahr noch andere Kapitalerträge, die jeweils höher waren als die Summe aus Sparer-Freibetrag und Werbungskosten-Pauschbetrag.
In den Einkommensteuerbescheiden 2004 und 2005 wurden jeweils Einkünfte nach § 23 EStG und § 22 Nr. 3 EStG i. H. von 5.000 Euro erfasst. Diese Bescheide sind mit Einspruch angefochten. Die Bescheide für 2001 bis 2003 wurden aufgrund des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht geändert und die Einnahmen somit nicht erfasst.
Lösung
Da A im Jahr 2004 über dem Sparer-Freibetrag und dem Werbungskosten-Pauschbetrag liegende Einnahmen aus Kapitalvermögen hatte, kann eine Änderung mangels steuerlicher Auswirkung unterbleiben. Ggf. ist wegen der Einkommensteuer 2004 eine Einspruchsentscheidung zu fertigen.
Der Bescheid für 2005 ist nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 2004 (ggf. nach Ablauf der Klagefrist) so zu ändern, dass die im Jahr 2005 gutgeschriebenen Scheinrenditen außer Ansatz bleiben und (wegen der im Jahr 2004 besteuerten Scheinrenditen) 5.000 Euro negative Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt werden.
Sachverhalt wie im Beispiel 2 mit der Abweichung, dass A – außer seinen Phoenix-Renditen – keine anderen Kapitalerträge hatte.
Lösung
Der im Jahr 2004 nicht ausgenutzte Sparer-Freibetrag (1.370 Euro) und der ebenfalls nicht verbrauchte Werbungskosten-Pauschbetrag (51 Euro), zusammen 1.421 Euro, mindern die als negative Einnahmen im Jahr 2005 anzusetzenden Scheinrenditen. Demzufolge steht aus der Festsetzung für 2004 ein im Bescheid für 2005 anzusetzender Verlustbetrag von (5.000 Euro ./. 1.421 Euro =) 3.579 Euro zur Verfügung.
Für das übersteigende „Verlustvolumen” aus den in den Jahren 2001 bis 2003 erzielten Einkünften kommt eine Billigkeitsregelung mangels vorheriger steuerlicher Erfassung nicht in Betracht.
6 Antrag auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen
Bei der aus sachlichen Billigkeitsgründen erfolgenden Berücksichtigung der zugeflossenen Scheinrenditen als negative Einnahmen im Jahr der Insolvenzeröffnung (2005) handelt es sich um eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen i. S. von § 163 AO.
Über eine solche Maßnahme ist unabhängig von der Steuerfestsetzung in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden. Die Billigkeitsentscheidung stellt, auch wenn sie – was hier der Fall ist – mit der Steuerfestsetzung verbunden wird, einen gegenüber der Steuerfestsetzung selbständigen Verwaltungsakt dar und ist für diese Grundlagenbescheid i. S. von § 171 Abs. 10 AO. Die Steuerfestsetzung für 2005 ist daher nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anzupassen. Hieraus folgt auch, dass die Bestandskraft (Ablauf der Rechtsbehelfsfrist) der Steuerfestsetzung für 2005 der Gewährung der Billigkeitsmaßnahme nicht entgegen steht.
Die Gewährung der Billigkeitsmaßnahme muss nicht mit gesondertem Verwaltungsakt erfolgen. Es reicht aus, wenn folgender Erläuterungstext in den Änderungsbescheid für das Jahr 2005 aufgenommen wird:
„Die Einkommensteuer wird aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung durch Ansatz negativer Einnahmen aus Kapitalvermögen i. H. von <…> Euro aus dem Finanzanlageprodukt „Phoenix Management Account” niedriger festgesetzt.”
7 Verzinsung
Die Billigkeitsregelung umfasst nicht die Verzinsung von Steuernachzahlungen nach § 233a AO. Ebenso sind ausgesetzte Steuerbeträge nach § 237 AO zu verzinsen.
Die (einschließlich aller späteren Aktualisierungen) wird aufgehoben.
Oberfinanzdirektion Karlsruhe v. - S 2256/49 - St 111
Fundstelle(n):
YAAAD-58217