Nichtzulassungsbeschwerde; nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts ehrenamtlicher Richter als Kameradenbeisitzer; Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses
Leitsatz
1. Das Truppendienstgericht ist nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn an der Entscheidung ein ehrenamtlicher Richter als sog. Kameradenbeisitzer (§ 18 Abs. 1 WBO i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 1 WDO) mitwirkt, der in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht der Dienstgradgruppe des Beschwerdeführers angehört.
2. Ist das Truppendienstgericht bei dem Beschluss, einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht abzuhelfen, in dieser Weise fehlerhaft besetzt, so ist der Nichtabhilfebeschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung darüber, ob der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen wird, an das Truppendienstgericht zurückzuverweisen.
Gesetze: § 18 Abs 1 WBO, § 22b WBO, § 75 Abs 2 S 1 WDO 2002, § 75 Abs 3 WDO 2002, § 138 Nr 1 VwGO
Tatbestand
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss eines Truppendienstgerichts, das seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hatte, Nichtzulassungsbeschwerde (§ 22b WBO) erhoben. Das Truppendienstgericht half der Nichtzulassungsbeschwerde nicht ab; es war bei diesem Beschluss mit einem Richter als Vorsitzenden sowie zwei ehrenamtlichen Richtern - einem Stabsoffizier und einer Soldatin aus der Dienstgradgruppe der Mannschaften - besetzt. Der Beschwerdeführer war über zwei Monate vor der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde zum Seekadetten (Unteroffizier ohne Portepee) befördert worden und war mit diesem Dienstgrad auch im Rubrum des Nichtabhilfebeschlusses aufgeführt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Nichtabhilfebeschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Truppendienstgericht zurückverwiesen.
Gründe
1Das Truppendienstgericht war bei seiner Entscheidung, der Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers nicht abzuhelfen (§ 22b Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 WBO), nicht vorschriftsmäßig besetzt. Der Beschluss vom ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, ob der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen wird, an das Truppendienstgericht zurückzuverweisen.
21. Der Beschluss über die Nichtabhilfe verstößt gegen die Besetzungsvorschrift des § 18 Abs. 1 WBO i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 1 WDO, wonach ein ehrenamtlicher Richter (der sog. "Kameradenbeisitzer") der Dienstgradgruppe des Beschwerdeführers angehören muss.
3Über die Abhilfe nach § 22b Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 WBO entscheidet, wovon auch das Truppendienstgericht zutreffend ausgegangen ist, gemäß § 75 Abs. 1 WDO das Truppendienstgericht in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern und nicht durch den Vorsitzenden der Kammer allein (vgl. im Einzelnen BVerwG 2 WNB 7.10 - juris Rn. 3 ff.). Maßgeblich für die vorschriftsmäßige Besetzung ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. für das Wehrdisziplinarrecht BVerwG 2 WD 25.05 - Buchholz 11 Art. 101 GG Nr. 22 <Rn. 8>; für das allgemeine Verwaltungsprozessrecht BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 = NJW 2001, 1878 <Rn. 38 m.w.N.>).
4Der Antragsteller wurde am zum Seekadetten befördert. Mit diesem neuen Dienstgrad ist er auch zutreffend im Rubrum des Nichtabhilfebeschlusses als Beschwerdeführer genannt. Ein ehrenamtlicher Richter hätte daher gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 WDO der Dienstgradgruppe der Unteroffiziere ohne Portepee angehören müssen. An dem Beschluss vom hat jedoch - neben dem ehrenamtlichen Richter im Dienstgrad eines Stabsoffiziers (§ 75 Abs. 2 Satz 3 WDO) - eine ehrenamtliche Richterin aus der Dienstgradgruppe der Mannschaften mitgewirkt.
52. Folge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ist die Aufhebung des Beschlusses vom und die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung.
6a) In der Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen die Regelungen des § 75 Abs. 2 und 3 WDO (bzw. deren Vorgängerbestimmungen) über die Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern einen schweren Verfahrensmangel darstellt, der regelmäßig von Amts wegen die Aufhebung der Entscheidung gebietet (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 2 WD 24.75 - <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 53, 64 und NZWehrr 1976, 100>, vom - BVerwG 2 WD 17.91 - BVerwGE 93, 161 <162> = NZWehrr 1992, 36 und vom a.a.O. Rn. 13; ebenso für die Besetzung der Kammern für Disziplinarsachen mit Beamtenbeisitzern 16 D 94.1831 - BayVBl. 1995, 183). Das gilt in gleicher Weise für die Besetzung des Gerichts in Wehrbeschwerdeverfahren, die sich ebenfalls nach den Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung (hier insbesondere § 75 WDO) richtet, weil die Wehrbeschwerdeordnung - abgesehen von vereinzelten Modifikationen wie der bereits erwähnten Bestimmung des § 18 Abs. 1 WBO - keine eigenen Regelungen über die Besetzung der Spruchkörper enthält.
7b) Die Erheblichkeit des Besetzungsmangels mit der Konsequenz der Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses steht auch nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung zur allgemeinen verwaltungsprozessualen Vorschrift des § 138 Nr. 1 VwGO, wonach ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Diese Vorschrift wird in der Rechtsprechung der Revisionssenate des Bundesverwaltungsgerichts einschränkend dahingehend ausgelegt, dass eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts nur dann den absoluten Revisionsgrund des § 138 Nr. 1 VwGO erfüllt, wenn zugleich der Anspruch auf den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist. Im Ergebnis wird eine solche Verletzung erst dann bejaht, wenn das Gericht seine Zuständigkeit willkürlich angenommen hat, also aufgrund einer Auslegung und Anwendung der einschlägigen Normen, die durch sachliche Erwägungen nicht mehr gerechtfertigt ist, bzw. für die Fehlerhaftigkeit des Vorgangs, der als Verfahrensmangel gerügt wird, willkürliche oder manipulative Erwägungen bestimmend gewesen sind (vgl. Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 138 Rn. 34 ff. und Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 138 Rn. 19 f., jeweils m.w.N.).
8Ein ehrenamtlicher Richter aus der Dienstgradgruppe der Mannschaften ist nicht bloß aufgrund der Umstände des Einzelfalls (etwa der Heranziehung nach den Listen der ehrenamtlichen Richter), sondern generell und schlechterdings kein geeigneter Richter, um an einer gerichtlichen Entscheidung über die Wehrbeschwerde eines Soldaten aus der Dienstgradgruppe der Unteroffiziere ohne Portepee mitzuwirken. Der Beschluss vom enthält - zulässigerweise - keine Gründe; es sind aber auch sonst keine sachlichen Erwägungen denkbar, die die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterin aus der Dienstgradgruppe der Mannschaften in der Sache des Antragstellers rechtfertigen könnten. Insofern wäre die offensichtliche, sich unmittelbar aus dem Rubrum des Nichtabhilfebeschlusses ergebende Divergenz zwischen der Dienstgradgruppe des Beschwerdeführers einerseits und der Dienstgradgruppe des "Kameradenbeisitzers" auf der Richterbank andererseits auch als ein - objektiv - "willkürlicher" Verstoß im Sinne der Rechtsprechung zu § 138 Nr. 1 VwGO zu qualifizieren.
Fundstelle(n):
GAAAD-58035