BGH Beschluss v. - XII ZR 31/10

Revision im Räumungsprozess gegen den Gaststättenpächter: Vollstreckungsschutzantrag zum Revisionsgericht

Gesetze: § 707 ZPO, § 712 ZPO, § 714 ZPO, § 719 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 1 U 101/09 Urteilvorgehend LG Baden-Baden Az: 2 O 382/08

Gründe

I.

1Die Parteien streiten um gegenseitige Ansprüche aus einem Pachtverhältnis über eine Gaststätte. Auf die Widerklage des Beklagten zu 1. wurde der Kläger vom Landgericht u. a. zur Räumung und Herausgabe des Pachtobjekts verurteilt. Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens hat das Oberlandesgericht auf Antrag des Klägers die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts einstweilen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens gegen Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von 25.000 € eingestellt.

2Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers insoweit zurückgewiesen und das Urteil hinsichtlich der Räumung und Herausgabe des Pachtobjekts gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 € für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Revision hat es nicht zugelassen.

3Nach Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil einstweilen einzustellen. Zur Begründung trägt er vor, durch die Vollstreckung würde ihm ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen, weil durch die Räumung und Herausgabe der Gaststätte die wirtschaftliche Existenz des Klägers und seiner Familie vernichtet werde.

II.

4Der Einstellungsantrag des Klägers ist nicht begründet.

51. Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO).

62. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zulässig und begründet ist und ob, wenn der Senat ihr stattgeben würde, die Revision des Klägers Aussicht auf Erfolg hätte. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die besonderen Voraussetzungen für eine solche Einstellung (§ 719 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind.

7a) Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ein letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners angesehen, dem regelmäßig der Erfolg zu versagen ist, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (st. Rspr. vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZR 55/08 - NJW-RR 2008, 1038; vom - XII ZR 80/06 - NJW-RR 2006, 1088; vom - XII ZR 173/02 - NJW-RR 2002, 1650 und vom - XII ZR 262/90 - NJW-RR 1991, 1216). Das gilt auch dann, wenn die Vollstreckung die Gefahr des Existenzverlustes eines Gaststättenbetreibers zur Folge hat (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 237/99 - BGHR ZPO § 719 Abs. 2 Einstellungsgründe 3). An dieser Voraussetzung für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es hier.

8b) Der Kläger hat im Berufungsrechtszug den Antrag gestellt, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung einzustellen, dem das Berufungsgericht durch einstweilige Einstellung gegen Sicherheitsleistung des Klägers gemäß §§ 707, 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprochen hat. Den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO, dass ihm das Berufungsgericht auch bei seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren solle (BGH Beschlüsse vom - VI ZR 277/89 - VersR 1990, 994 und vom - IV ZR 229/92 - BGHR ZPO § 719 Abs. 2 Nachteil 3) hat der Kläger dagegen nicht gestellt. Zwar hat er in der Berufungsbegründung seinen Vollstreckungsschutzantrag aus der Berufungsschrift dahingehend ergänzt, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betreffend die Widerklage lediglich gegen Sicherheitsleistung zugelassen und dem Kläger "… bis zur rechtskräftigen Entscheidung in vorstehender Angelegenheit ein Räumungsaufschub bezüglich der Gaststätte […] einschließlich Wirtewohnung gewährt […]" wird. Doch genügen auch diese ergänzten Anträge den oben dargelegten Anforderungen nicht, weil dadurch ebenfalls nur um Vollstreckungsschutz hinsichtlich der Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil ersucht wird.

9c) Der Kläger hat schließlich auch keinen ausreichenden Grund vorgetragen, dass es ihm im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, einen entsprechenden Schutzantrag zu stellen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 262/90 - NJW-RR 1991, 1216). Soweit der Kläger meint, er habe aufgrund der Formulierung in dem Beschluss des Berufungsgerichts vom , die Zwangsvollstreckung werde bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens eingestellt, davon ausgehen können, dass der Vollstreckungsschutz auch über das Berufungsverfahren hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gewährt sei, reicht dies zur Begründung nicht aus. Der im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger hätte erkennen können, dass eine Vollstreckungsschutzentscheidung wie sie das Berufungsgericht getroffen hat, trotz ihres Wortlauts nach übereinstimmender Auffassung in der Rechtsprechung und der Literatur nur für die Dauer des Berufungsverfahrens gilt und nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinauswirkt (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 80/06 -NJW-RR 2006, 1099 m.w.N.; Zöller/Herget ZPO 28. Aufl. § 719 Rn. 10). Außerdem hat der Kläger im Berufungsverfahren einen Schutzantrag nach § 712 ZPO, der als Sachantrag in der mündlichen Verhandlung hätte gestellt werden müssen (Senatsbeschluss vom - XII ZR 173/02 - FamRZ 2003, 598), weder ausdrücklich noch nach dem Inhalt seiner Schriftsätze angekündigt. Der Kläger hat sich vielmehr darauf beschränkt, im Wege seines Ergänzungsurteils nach § 321 ZPO eine Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts über die vorläufige Vollstreckbarkeit und dadurch die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil zu erreichen, was das Berufungsgericht abgelehnt hat.

Dose                                     Weber-Monecke                                 Klinkhammer

                  Schilling                                                  Günter

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW-RR 2011 S. 705 Nr. 10
JAAAD-57999