Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: OLG Köln, 12 U 88/07 vom LG Köln, 30 O 116/06 vom
Gründe
I. Die Klägerin, die ein Betriebsgrundstück vermeintlich als voll erschlossen erworben hatte, erhielt im Mai 2002 von der zuständigen Gemeinde die Nachricht, sie müsse mit Erschließungsbeitragsforderungen über etwa 220.000 EUR rechnen. Die Klägerin beauftragte den beklagten Rechtsanwalt mit der Prüfung der Rechtslage, der ihr beratungsfehlerhaft empfahl, sich auf Festsetzungsverjährung zu berufen. Diesen Rechtsstandpunkt vertrat der Beklagte auch gegenüber der Gemeinde, die schließlich im Juni 2003 Beitragsbescheide über 108.383,27 EUR und 43.714,83 EUR erließ. Im nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegte die Gemeinde.
Die Klägerin lastet dem Beklagten an, sie im Vorfeld der Auseinandersetzung nicht auf die Möglichkeit eines Vergleichsabschlusses mit der Gemeinde hingewiesen zu haben. Bei ordnungsgemäßer Beratung hätte sie auf der Grundlage einer hälftigen Ermäßigung der im Raum stehenden Erschließungsbeiträge eine entsprechende Vergleichsabrede mit der Gemeinde abgeschlossen.
Hinsichtlich des Zustandekommens des geltend gemachten Vergleichsabschlusses hat sich die Klägerin auf die Einvernahme des Bürgermeisters der Gemeinde berufen. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestritten und ausgeführt, dem Vergleichsabschluss hätte der Haupt- und Finanzausschuss der Gemeinde zustimmen müssen. Deren Mitglieder wären einer vergleichsweisen Regelung entgegengetreten. Zur Richtigkeit seiner Behauptung hat der Beklagte sich auf die Einvernahme der Ausschussmitglieder berufen.
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben, ohne die vom Beklagten benannten Ausschussmitglieder zu vernehmen. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil im Wesentlichen bestätigt; die Ausschussmitglieder wurden nicht einvernommen. Das rügt die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten als Verletzung des rechtlichen Gehörs.
II. Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Das angefochtene Urteil ist daher nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Sachvortrags und Beweisangebots verstößt auch dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn der Tatrichter dieses Vorbringen - hier des Beklagten - zwar zur Kenntnis genommen hat, das Unterlassen der danach gebotenen Beweisaufnahme aber im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655; , NJW-RR 2007, 500, 501 Rn. 9). Das Berufungsgericht hat bei Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität wie schon das Landgericht die ihm nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO gezogenen Grenzen seines Aufklärungsermessens überschritten, indem es dem streitigen Vortrag der Klägerin nach Erhebung der von ihr benannten Zeugen gefolgt ist, ohne die gegenbeweislich vom Beklagten angebotenen Zeugen zu hören.
Das Bestreiten des Beklagten wendet sich gegen eine zentrale Haupttatsache des klägerischen Vorbringens. Kann die Klägerin nicht beweisen, dass die Gemeinde zum geltend gemachten Vergleichsabschluss bereit gewesen war, ist ihre Schadensersatzklage unbegründet. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf auch im Rahmen von § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (, WM 2002, 1004, 1006 unter II. 3. c). Die Vorschrift des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO rechtfertigt es nicht, in einer für die Streitentscheidung zentralen Frage auf die nach Sachlage unerlässlichen Erkenntnisse zu verzichten (, NJW 2006, 615, 616 f bei Rn. 28; Beschl. v. - IX ZR 173/03, aaO Rn. 10). Hiervon wird auch in der Rechtsprechung des Senats ausgegangen, wenn für das hypothetische Verhalten des Mandanten bei fehlerhafter Rechtsberatung auf die Erhebung der gebotenen Beweismittel nach § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO verwiesen wird (, WM 2004, 472, 474 unter IV. 1; Beschl. v. - IX ZR 173/03, aaO). Nur eine freie richterliche Würdigung des Sachvortrages ohne vollständige Beweiserhebung genügt danach in einem solchen Fall nicht.
Im Streitfall ging es entscheidend um das Verhalten der für einen Vergleichsabschluss auf Seiten der Gemeinde maßgeblichen Entscheidungsträger. Nachdem es das Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassen hatte, ob auch der Haupt- und Finanzausschuss der Gemeinde an der Entscheidungsfindung mitzuwirken hatte, war es für die Frage eines tatsächlichen Zustandekommens des Vergleichs unerlässlich, auch an Hand der angebotenen Beweismittel zu ermitteln, wie sich dieser Ausschuss entschieden hätte. Der Beklagte hat sich für die von ihm behauptete Ablehnung dieses Ausschusses auf die Einvernahme der Mitglieder dieses Ausschusses berufen. Das Berufungsgericht durfte nicht deshalb von der Vernehmung dieser Zeugen absehen, weil es im Hinblick auf die gegenteiligen Bekundungen des als Zeuge vernommenen Bürgermeisters eine etwa erforderliche Zustimmung des Ausschusses als wahrscheinlich erachtete.
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage des Abschlusses einer Ablösevereinbarung durch die Gemeinde (§ 55 VwVfG) und zur grundsätzlichen Annahme einer Vergleichsbereitschaft der Klägerin weisen keine sachfremden Erwägungen auf.
3. Demgegenüber erscheinen die Kausalitätsbetrachtungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend überzeugend. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klägerin "auch bereit gewesen wäre, über den einmal in den Raum gestellten Vergleichsbetrag von 50.000,00 EUR hinauszugehen". Ausweislich der Zeugenaussage des Bürgermeisters - so das Berufungsgericht weiter - war dieser bereit, einen Nachlass von 50 % auf die damals im Raume stehende Beitragsforderung von etwa 220.000 EUR zu gewähren. Dass die Klägerin sich auf einen Vergleich über 110.000 EUR eingelassen hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist wohl nicht einmal schlüssig vorgetragen. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Gemeinde bereit gewesen wäre, ihren Anspruch auf weniger als 110.000 EUR herabzusetzen. Dass der Betrag in den schließlich am ergangenen Bescheiden auf etwa 152.000 EUR abgesenkt wurde, erscheint wenig aussagekräftig, weil inzwischen die Vergleichsgespräche gescheitert waren. Die Absenkung besagt insbesondere nicht, dass die Gemeinde nun auch mit 50 % des abgesenkten Betrages zufrieden gewesen wäre. Davon geht aber das Berufungsgericht aus, ohne die hierfür gebotenen Feststellungen zu treffen. Auch seine weitere Erwägung, es seien "keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Klägerin nicht über ihre ursprünglichen Überlegungen, 50.000 EUR anzubieten, hinaus weitere 26.000 EUR angeboten hätte", ist nicht weiter belegt. In diesem Zusammenhang erscheint auch berücksichtigungswert, dass die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt, als die Gefahr, völlig zu unterliegen, offensichtlich schon greifbar nahe gerückt war, nicht einmal bereit war, die Klage zurückzunehmen, um rund 16.000 EUR Aussetzungszinsen zu sparen. Die Erklärung, die das Berufungsgericht dafür gefunden hat, erscheint kaum nachvollziehbar.
Fundstelle(n):
IAAAD-56650