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OFD Niedersachsen - S 0530 - 14 - St 156 VD

Mobiliarvollstreckung bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften, Wohnungsgemeinschaften bzw. Lebenspartnerschaften

1. Eheähnliche Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften

Die bei Ehegatten zugunsten des Gläubigers eines Ehegatten bestehende Gewahrsams- und Besitzvermutung des schuldenden Ehegatten (§ 263 AO, § 739 ZPO, § 1362 BGB) ist auf eheähnliche Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften nicht anwendbar (, KKZ 1990, S. 52).

Bewohnt der Schuldner mit seiner Lebensgefährtin oder anderen Personen eine gemeinsame Wohnung, so können Gegenstände, die sich im gemeinsamen Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners und eines Dritten befinden, nur mit Zustimmung des Dritten gepfändet werden. Die Erklärung des Dritten, dass er zur Herausgabe bereit sei (der Pfändung zustimme), muss unbedingt sein, wenn nicht die Bedingungen von allen Beteiligten angenommen werden. Die Erklärung muss auch ergeben, dass der Dritte mit der Verwertung der Sache einverstanden ist. Nach der Pfändung kann die Erklärung nicht mehr wirksam widerrufen werden (Abschnitt 43 Abs. 6 VollzA).

Mitgewahrsam der Lebensgefährtin oder der anderen Personen, die in der Wohnung wohnen, wird bei allen Gegenständen vermutet, die üblicherweise zu einer Wohnungseinrichtung gehören (, DGVZ 1985, S. 115). Nach den Umständen wird Mitgewahrsam vielfach aber nur für gemeinsam benutzte Einrichtungsgegenstände anzunehmen sein, nicht aber für Gegenstände, die bei getrennter Raumnutzung (bei Wohngemeinschaften) in einzeln genutzten Räumen der gemeinsamen Wohnung stehen. Ebenso wird vielfach Alleingewahrsam für Sachen unter Alleinverschluss und die Pfändungsmöglichkeit für eindeutig erkennbare eigene Sachen der Mitglieder einer Wohngemeinschaft gegeben sein.

Wird die Zustimmung zur Herausgabe verweigert, muss der Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den Dritten auf Herausgabe gemäß § 318 AO gepfändet und die Einziehung angeordnet werden. Da die Pfändung des Herausgabeanspruchs die genaue Bezeichnung der herauszugebenden Gegenstände erfordert, ist durch den Vollziehungsbeamten vorab festzustellen, welche der sich in der gemeinsamen Wohnung befindlichen pfändbaren Sachen dem Schuldner gehören.

Zu diesem Zweck ist der Vollziehungsbeamte befugt, die von der Wohngemeinschaft benutzten Räumlichkeiten nach § 287 AO – ggf. mit richterlichem Durchsuchungsbeschluss – zu durchsuchen. Dieser Vorgehensweise steht § 286 Abs. 4 AO nicht entgegen, denn die Vorschrift verbietet lediglich die Pfändung und Verwertung gegen den Willen des Dritten, nicht aber die Ermittlung von vorhandenen pfändbaren Gegenständen des Schuldners. Der Inhaber einer Wohnung, der einen anderen bei sich aufnimmt und die Wohnung mit ihm teilt, ohne ein auf einen bestimmten Raum begrenztes Untermietverhältnis zu begründen, schränkt freiwillig sein Recht ein, die Wohnung allein zu betreten und zu nutzen. Der von außen kommende Eingriff in die Rechte des Schuldners beeinträchtigt nicht die Rechte der Mitbewohner (vgl. , DGVZ 1982, S. 90).

Ein Verstoß gegen § 286 Abs. 4 AO führt nicht zur Nichtigkeit der Pfändung. Die Vollstreckungsmaßnahme ist mit dem Einspruch (§ 347 AO) anfechtbar.

2. Besonderheiten bei Lebenspartnerschaften gemäß Lebenspartnerschaftsgesetz (LpartG)

Mit dem LpartG vom , das am in Kraft getreten ist, wurde für Personen gleichen Geschlechts die Möglichkeit geschaffen, eine gesetzlich anerkannte Lebenspartnerschaft zu begründen, die rechtlich in vielen Bereichen der Ehe angeglichen ist.

Die Lebenspartnerschaft wird von zwei Personen gleichen Geschlechts durch persönliche Erklärung bei gleichzeitiger Anwesenheit gegenüber der zuständigen Behörde (überwiegend Standesämter) begründet, eine Lebenspartnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen.

Bei Lebenspartnerschaften gibt es entgegen den Regelungen für Ehegatten keinen gesetzlichen Güterstand bzw. Vermögensstand. Möglich ist jedoch der Abschluss eines Lebenspartnerschaftsvertrages vor einem Notar hinsichtlich der Vereinbarung des Vermögensstandes einer Ausgleichsgemeinschaft (§ 6 Abs. 1 S. 2 LPartG). Wählen die Partner die Ausgleichsgemeinschaft, so bleibt es bei getrennten Vermögensmassen, bei Beendigung des Vermögensstandes wird jedoch der erzielte Überschuss ausgeglichen. Für die Ausgleichsgemeinschaft sind auch die Vorschriften anwendbar, die für die Zugewinngemeinschaft bei Ehegatten gelten.

Durch einen Lebenspartnerschaftsvertrag kann die Vermögenstrennung oder die Vermögensgemeinschaft vereinbart werden.

Gemäß § 8 Abs. 1 LPartG wird zugunsten der Gläubiger eines der Lebenspartner vermutet, dass die im Besitz eines Lebenspartners oder beider Lebenspartner befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. Im Übrigen gilt § 1362 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 BGB entsprechend.

Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kann somit gemäß § 739 ZPO auf Vermögensgegenstände der Lebenspartnerschaft zugegriffen werden. Damit gilt auch bei Lebenspartnerschaften für die Durchführung der Zwangsvollstreckung der Schuldner als Gewahrsamsinhaber (vgl. Abschnitt 43 Abs. 2 VollzA).

Das bisherige Karteiblatt § 386 AO Karte 4 (Kontroll-Nr. 1047) ist auszusondern.

OFD Niedersachsen v. - S 0530 - 14 - St 156 VD

Fundstelle(n):
DAAAD-55230