Betrieblicher Geltungsbereich des VTV-Bau - Durchführung von Bauhilfsarbeiten für Subunternehmen - Wirksamkeit der in Abschn III Nr 5 der AVE enthaltenen Einschränkungsklausel
Gesetze: § 1 Abs 2 Abschn V Nr 9 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 37 VTV-Bau, § 5 Abs 4 TVG
Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 8 Ca 1661/06 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 16 Sa 211/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, für den Zeitraum Februar bis August 2006 der Höhe nach unstreitige Sozialkassenbeiträge nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu zahlen.
2Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes und zieht nach näherer tariflicher Maßgabe die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes ein. Sie nimmt die Beklagte auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom (VTV) in Anspruch.
3Die Beklagte war zunächst als Bauträger tätig. Nach einer Umstrukturierung ist sie seit dem mit dem Tischlerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen. Seit dem ist sie Mitglied der Tischlerinnung Mettmann, einem Mitglied des Fachverbandes des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen, der wiederum Mitglied des Bundesverbandes Holz und Kunststoff ist. Der Fachverband des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen ist neben anderen Landesinnungsverbänden des Tischlerhandwerks auf Arbeitgeberseite Partei des Manteltarifvertrages für das Tischlerhandwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland vom (MTV Tischlerhandwerk), der mit der Tarifgemeinschaft der Gewerkschaft Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung (GKH) im Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB) - GKH im CGB, über deren Tariffähigkeit noch nicht abschließend entschieden ist (anhängig beim BAG - 1 ABR 88/09 -) - und dem Deutschen Handels- und Industrieangestellten-Verband (DHV) auf Arbeitnehmerseite geschlossen worden ist. Außerdem ist die Beklagte seit Mitte des Jahres 2005 Mitglied des Bauindustrieverbandes Nordrhein-Westfalen, welcher Mitglied im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist, der gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes auf Arbeitgeberseite Partei des VTV ist. Schließlich besteht eine Mitgliedschaft der Beklagten in der BIG Interessengemeinschaft Trockenbau e. V.
4Im Betrieb der Beklagten wurden im Klagezeitraum mit sechs bis sieben gewerblichen Arbeitnehmern Wandverkleidungen, Trennwände, Abtrennungen und Deckenbekleidungen erstellt. Streitig ist, in welchem zeitlichen Anteil der betrieblichen Gesamtarbeitszeit diese Arbeiten erledigt wurden und welche sonstigen Tätigkeiten die Beklagte ausführte. Im Geschäftsleben tritt die Beklagte, die jedenfalls auch mit Subunternehmern zusammenarbeitet, als Betrieb zur Durchführung von Spezialausbauten im Innenbereich auf. In einem Bescheid vom , aus dem hervorgeht, dass die Bundesagentur für Arbeit von der Beklagten keine Winterbeschäftigungs-Umlage gemäß §§ 354 ff. SGB III erhebt, wird auf die „von Ihrem Betrieb ausgeführten Trockenbauarbeiten“ Bezug genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Betrieb der Beklagten falle im Streitzeitraum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, weil die Beklagte in dieser Zeit zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Trocken- und Montagebauarbeiten durchgeführt habe. Sie habe mit den in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern im streitgegenständlichen Zeitraum Akustikdecken und -wände zum Schallschutz (zB aus Holz) erstellt und montiert, Baunormteile aus Holz, Gipskartonwände und -decken montiert, damit im Zusammenhang stehende Verfugungs- und Verspachtelungsarbeiten ausgeführt, Unterkonstruktionen zur Befestigung und zum Halt der Baunormteile erstellt, Brandschutzarbeiten erbracht (wie zB Isolierungen und Anbringung von Brandschutzelementen) sowie Wärmedämmarbeiten durchgeführt. Dabei habe der Schwerpunkt der Tätigkeiten bei Dämm-(Isolier-)Arbeiten vielfältiger Art gelegen. Dass der Betrieb der Beklagten im Streitzeitraum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV falle gelte auch dann, wenn man von den von der Beklagten selbst vorgetragenen Tätigkeits- und Stundenangaben ausgehe, nach denen folgende Tätigkeiten verrichtet würden:
6Die von der Beklagten unter den Ziffern 1 bis 3 genannten Tätigkeiten seien als bauliche Leistungen anzusehen, so dass die Beklagte unter Berücksichtungen der in Ziffer 7 aufgeführten Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbracht habe. Eine Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV greife nicht. Zudem sei die Wirksamkeit des diesbezüglich von der Beklagten angeführten MTV Tischlerhandwerk fraglich, da die Tariffähigkeit der GKH im CGB als Vertragspartei zweifelhaft sei. Schließlich sei der MTV Tischlerhandwerk nicht spezieller als der VTV.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ihr Betrieb werde vom Geltungsbereich des VTV nicht erfasst, da sie überwiegend baufremde Leistungen erbringe. Die Klage sei bereits nicht schlüssig, da die Klägerin nicht substantiiert dargelegt habe, dass die Beklagte zu mehr als 50 % Trockenbauarbeiten leiste. Dazu gehöre nämlich der Vortrag, welche Tätigkeiten die Beklagte mit welchem prozentualen Arbeitszeitanteil verrichtet habe. Dieser fehle. Sie bediene sich im Übrigen zur Durchführung von baulichen Arbeiten generell Sub-/Nachunternehmern. Der von ihr in der Tätigkeitsübersicht unter Ziff. 7 genannte Arbeitsbereich hätte im Jahr 2006 nur ca. 20 % der Gesamtarbeitszeit beansprucht, die unter den Ziffern 1 bis 6 genannten dagegen weit mehr als 70 % bis nahezu 90 %. Die Tätigkeiten zu den Ziffern 1 bis 3 und 7 zusammen hätten im Jahr 2006 mehr als 50 % der betrieblichen Gesamttätigkeiten ausgemacht. Selbst unter Berücksichtigung sämtlicher Zusammenhangsarbeiten sei von maximal 25 % baulicher Leistung auszugehen. Zudem falle ihre Tätigkeit unter die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV, und zwar im Hinblick auf die von ihr - überwiegend als Vor-, Nach- und Nebenarbeiten für die von ihr eingesetzten Subunternehmer - ausgeübten Tätigkeiten in den Bereichen Innenausbau, Wand- und Deckenverkleidung, Böden, Fenster, Innentüren, Schließ- und Schutzsysteme, Trennwände, Trockenbau. Gut die Hälfte der von ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer habe eine Tischlerausbildung. Diese würden jedoch nur für besonders hochwertige und anspruchsvolle Aufgaben eingesetzt und leisteten ansonsten qualifizierte Zuarbeiten für die eingesetzten Subunternehmer, mit denen der Großteil der Arbeiten durchgeführt werde. Die Tarifvertragspartei GKH des MTV Tischlerhandwerk sei tariffähig. Der MTV Tischlerhandwerk sei schließlich auch spezieller als der VTV, weil der fachliche Geltungsbereich ausschließlich die handwerksspezifischen Tätigkeiten umfasse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage, die in zwei vom Arbeitsgericht verbundenen Verfahren auf Auskunftsansprüche für den Zeitraum Februar bis August 2006 und für den Fall der Nichterfüllung auf Entschädigung gemäß § 61 Abs. 2 ArbGG gerichtet war, stattgegeben. In der Berufungsinstanz ist die Klägerin von der Auskunfts- auf eine Leistungsklage übergegangen, nachdem die Beklagte die Auskünfte erteilt hatte. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und der im Wege der Anschlussberufung geltend gemachten Leistungsklage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
10Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und der Anschlussberufung der Klägerin stattgegeben. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe von 20.060,63 Euro verlangen.
11I. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich aus § 18 Abs. 2 des für allgemeinverbindlich erklärten VTV in seiner für das Kalenderjahr 2006 gültigen Fassung. Die Beklagte unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Der Anwendung des VTV steht auch nicht die in der Allgemeinverbindlicherklärung enthaltene Einschränkungsklausel entgegen. Selbst wenn der MTV Tischlerhandwerk zu Gunsten der Beklagten als wirksam unterstellt wird, kann er nicht als speziellerer Tarifvertrag die Erstreckung der Allgemeinverbindlichkeit des VTV einschränken.
121. Für die Entscheidung über das Klagebegehren sind folgende Regelungen maßgeblich:
a) Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist, soweit vorliegend von Interesse, in § 1 Abs. 2 VTV wie folgt geregelt:
b) Für den Streitzeitraum war der VTV gemäß der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom (AVE vom ; BAnz. Nr. 71 vom S. 2729) für allgemeinverbindlich erklärt worden. Abschnitt III der AVE vom sowie der darin genannte Anhang II dieser AVE lauten auszugsweise wie folgt:
c) Der MTV Tischlerhandwerk bestimmt folgenden Geltungsbereich:
16Die „Anlage zum fachlichen Geltungsbereich“ des MTV Tischlerhandwerk enthält zu Beginn den Satz „Darunter fallen insbesondere Betriebe, die folgende Tätigkeiten ausüben“ und ist ansonsten im Wesentlichen wortgleich mit dem Text der vier mit Spiegelstrichen beginnenden Absätze in Anhang II „Holz- und kunststoffverarbeitendes Handwerk“ zu Abschnitt III der AVE vom .
172. Der Betrieb der Beklagten fiel im Streitzeitraum unter die betriebliche Geltungsbereichsbestimmung des VTV.
18a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Betrieb dann vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst bzw. auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an ( - 10 AZR 737/08 - Rn. 11, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 317 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 138; - 10 AZR 698/05 - BAGE 120, 197, 201 f.; - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1, 8 f., jeweils mwN). Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Erläutern die Tarifvertragsparteien ein solches Tätigkeitsbeispiel in einem Klammerzusatz, bringen sie damit zum Ausdruck, dass die im Klammerzusatz genannten Beispiele das Tätigkeitsbeispiel erfüllen ( - mwN aaO). Den baugewerblichen Tätigkeiten ebenfalls zuzuordnen sind dabei diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen in Zusammenhang stehen ( - zu II 1 der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 244 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 110).
19b) Diese Voraussetzungen wurden von der Beklagten im Streitzeitraum erfüllt. Wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, hat die Klägerin hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Beklagte im Kalenderjahr 2006 und damit auch im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Trocken- und Montagebauarbeiten sowie Dämm-(Isolier-)Arbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV ausgeführt hat. Dieser schlüssige Vortrag ist von der Beklagten nicht erheblich bestritten worden, nachdem die Klägerin sich deren Vortrag zu ihren Tätigkeiten unter den Ziffern 1 bis 3 der Auflistung ihrer Tätigkeiten im Bereich ua. des Fahr- und Transportdienstes, der Materialtransporte, der Gerüsttransporte und des Vertragens von Materialien auf Baustellen zu eigen gemacht und - insoweit abweichend von der Rechtsansicht der Beklagten - als bauliche Leistungen bewertet hat. Die genannten, von der Beklagten unter den Ziffern 1 bis 3 und 7 der Auflistung geschilderten Tätigkeiten stellen die Erbringung baulicher Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV dar. Sie werden auch zeitlich überwiegend ausgeübt.
20aa) Die Beklagte erbringt bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV.
21(1) Unter Trocken- und Montagebauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV versteht man ua. die Montage industriell hergestellter Fertigteile, die nicht wesentlich geändert, als Bauteile aus verschiedenen Materialien zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden und auch zur Errichtung von Leichtbauwänden verwendet werden ( - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 221 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 95; - 10 AZR 225/02 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 255 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 115). Montagebauarbeiten sind auch der Aufbau und der Zusammenbau vorgefertigter Teile zu einer Wand, wenn dies unmittelbar der Herstellung des Gebäudes dient ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 110).
22Dämm-(Isolier-)Arbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 VTV sind solche Arbeiten, die herkömmlicherweise dem Isoliergewerbe zuzurechnen sind ( - Rn. 18, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 309). Das Isoliergewerbe gehört zum Baugewerbe. Zum Berufsbild des Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierers zählt gemäß § 58 Nr. 10 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom (BGBl. I S. 1102, 1120, geändert durch die Verordnung vom , BGBl. I S. 522) das Herstellen von Dämmungen für den Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz.
23(2) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die von der Klägerin behaupteten Tätigkeiten - das Erstellen und Montieren von Akustikdecken und -wänden zum Schallschutz, das Montieren von Baunormteilen, Gipskartonwänden und -decken und Unterkonstruktionen sowie Brandschutz- und Wärmedämmarbeiten - zu den baulichen Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV gezählt. Die Bewertung der von der Klägerin dargelegten Tätigkeiten als bauliche Leistungen wird auch von der Revision nicht angegriffen.
24bb) Die Klägerin hat schlüssig dargelegt, dass die Beklagte im Klagezeitraum Trocken- und Montagebauarbeiten sowie Dämm-(Isolier-)Arbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV ausgeführt hat.
25(1) Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig, wenn die klägerische Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Klägerin muss demnach Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, der Betrieb werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 VTV zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen ( - zu II 2 b aa der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 271 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 118; - 9 AZR 258/04 - zu I 3 a der Gründe, AP AEntG § 1 Nr. 20 = EzA AEntG § 1 Nr. 5). Es ist entgegen der Revision jedoch nicht erforderlich, dass die Klägerin jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorträgt. Dies kann sie in der Regel auch gar nicht, wenn sie nicht in jeden potentiell unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Betrieb einen Prüfer setzt, der die gesamte Tätigkeit ständig überwacht ( - zu II 2 b der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 264). Eine Partei, die - wie die Klägerin in ihrer Funktion als Gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien - keine näheren Einblicke in dem Gegner bekannte Geschehensabläufe hat und deren Darlegung deshalb erschwert ist, kann auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Unzulässig ist ein derartiges prozessuales Vorgehen erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhält. Dies kann in der Regel nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden oder wenn die Partei selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Behauptungen glaubt ( - aaO; - 5 AZR 562/02 - zu I 2 b cc der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2).
26(2) Danach ist der klägerische Vortrag schlüssig. Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte führe Trocken- und Montagebautätigkeiten sowie Dämm- (Isolier-)Arbeiten durch. Sie hat diese Behauptung nicht „ins Blaue hinein“ aufgestellt; vielmehr bestehen für die Richtigkeit dieser Behauptung greifbare Anhaltspunkte. So hat die Beklagte im Jahr 2006 unstreitig tatsächlich Wandverkleidungen, Trennwände, Abtrennungen und Deckenbekleidungen erstellt; insoweit ist nur der zeitliche Anteil dieser Tätigkeiten streitig. Außerdem hat die Klägerin Ausdrucke der Internetseite der Beklagten, auf der die Beklagte Trockenbauarbeiten anbietet, sowie eine Stellenanzeige vorgelegt, in der die Beklagte zur Verstärkung ihrer „Montagemannschaft“ einen „berufserfahrenen Trockenbaumonteur“ sucht. Darüber hinaus spricht auch die Mitgliedschaft der Beklagten in der BIG Interessengemeinschaft Trockenbau e. V. gegen eine Behauptung der Klägerin „ins Blaue hinein“. Schließlich enthält das Schreiben der Bundesagentur für Arbeit mit dem Bezug auf die vom Betrieb der Beklagten „ausgeführten Trockenbauarbeiten“ ebenfalls einen Hinweis darauf, dass die Beklagte Trockenbauarbeiten verrichtet.
27Der Schlüssigkeit der Klage steht insoweit nicht § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV entgegen. Danach sind Betriebe des Schreinerhandwerks nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Eine Rückausnahme gilt jedoch ausdrücklich für Betriebe, die Dämm-(Isolier-), Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausführen, was nach dem Vortrag der Klägerin der Fall ist. Die Beklagte würde damit selbst dann, wenn man unterstellt, sie betreibe ein Schreinerhandwerk, nach dem Klägervortrag unter die Rückausnahme nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV fallen.
28cc) Die Beklagte erbringt die genannten baulichen Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV auch zeitlich überwiegend, weshalb nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV der Betrieb als Ganzes unter diesen Tarifvertrag fällt. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler die Hilfsbegründung der Klägerin als zutreffend angesehen, wonach auch die von der Beklagten unter den Ziffern 1 bis 3 genannten Tätigkeiten bauliche Leistungen sind und zusammen mit den unter Ziffer 7 genannten Trockenbauarbeiten einen prozentualen Anteil baulicher Leistungen von mehr als 50 % ergeben. Es hat weiterhin ohne Rechtsfehler den Vortrag der Beklagten als nicht erhebliches Bestreiten angesehen.
29(1) Die Beklagte räumt selbst ein, dass die von ihr unter Ziffer 7 ihrer Tätigkeitsaufstellung aufgeführten Arbeiten (ua. das Erstellen von Wandverkleidungen, Trennwänden, Abtrennungen und Deckenbekleidungen) bauliche Leistungen im Sinne des VTV sind und einen Anteil von ca. 20 % der Arbeitszeit ihres Betriebes - oder ca. 25 % inklusive aller Zusammenhangstätigkeiten - im Streitzeitraum ausmachen.
30(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass über die Tätigkeiten nach Ziffer 7 hinaus weiterhin die von der Beklagten nach Ziffer 1 bis 3 dargelegten Nebenarbeiten für Subunternehmer (Fahr- und Transportdienste, Schuttentsorgung, Reinigung und Aufräumen, Einrichten von Baustellen) als bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV anzusehen sind. Damit haben im Jahr 2006 und damit auch im Streitzeitraum bauliche Leistungen im Sinne des VTV mehr als 50 % der betrieblichen Gesamttätigkeiten der Beklagten ausgemacht.
31(a) Nebenarbeiten sind den baugewerblichen (Haupt-)Tätigkeiten zuzuordnen, wenn sie zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen ( - Rn. 15, BAGE 120, 197; - 10 AZR 458/01 - zu II 2 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 253). Vor-, Nach- und Hilfsarbeiten dienen den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten und können diesen somit zugeordnet werden ( - zu II 2 b dd der Gründe). So ist auch der Transport von Baumaterialien zu Baustellen als eine für die sachgerechte Ausführung der baulichen Leistungen notwendige Nebenarbeit angesehen worden ( - zu II 2 b der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 200 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 85). Dasselbe gilt für die von der Beklagten dargelegten Tätigkeiten im Bereich der Fahr- und Transportdienste, der Schuttentsorgung, der Reinigung und des Aufräumens und des Einrichtens von Baustellen.
32Voraussetzung für ein diesbezügliches Zusammenrechnen ist jedoch stets ein Zusammenhang mit eigenen baulichen Haupttätigkeiten ( - Rn. 25). Erbringt ein Betrieb ausschließlich Nebenarbeiten, ohne zugleich baugewerbliche Arbeiten auszuführen, unterfällt er nicht dem VTV ( - zu II 2 b ee der Gründe). Führt ein Betrieb bauliche Leistungen - zB Trockenbauarbeiten gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV (oder im Fall - aaO Asbestsanierungsarbeiten) - inklusive der hierzu erforderlichen Nebenarbeiten aus, erledigt aber zudem auf anderen Baustellen ausschließlich Nebenarbeiten, ohne selbst bauliche Leistungen zu erbringen, liegt ein sog. Mischbetrieb vor ( - aaO). Die Geltung des VTV richtet sich in diesem Fall danach, ob die baulichen Leistungen nebst hinzuzurechnenden Zusammenhangstätigkeiten oder die sonstigen, nicht baugewerblichen Leistungen arbeitszeitlich überwiegen ( - aaO). Bei Transportleistungen zur Entfernung von Abraum ist beispielsweise danach zu unterscheiden, ob der Transport den vom Betrieb selbst produzierten Abraum betrifft oder ob die Transporte für Dritte durchgeführt werden ( - zu II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 253). Bei Reinigungsarbeiten hängt die Zuordnung zu den baulichen Leistungen davon ab, ob es sich um „eigenständige“ und „isolierte“ (Fußboden-)Reinigungsarbeiten oder um (Fußboden-)Reinigungsarbeiten „im Zusammenhang mit den sonstigen baulichen Leistungen“ handelt ( - zu II 5 der Gründe, Verlegen von Bodenbelägen).
33Die Einweisung, Überwachung und Kontrolle von Arbeitnehmern eines Subunternehmens ist dann als eigene baugewerbliche Tätigkeit anzusehen, wenn die Arbeitnehmer des Subunternehmens Arbeiten ausführen, die vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst werden, der Subunternehmer vom Betrieb mit diesen Arbeiten beauftragt worden ist und ohne die Tätigkeit des Subunternehmens die Bauarbeiten von eigenen Arbeitnehmern durchgeführt werden müssten ( - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 200 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 85; - 4 ABR 63/98 - BAGE 95, 339). Unerheblich ist dabei, ob die Überwachung und Kontrolle werk- oder personenbezogen ist. Im einen wie im anderen Fall bezieht sich diese auf eine zu erbringende bauliche Leistung und ist Teil derselben ( - aaO).
34(b) Die von der Beklagten unter den Ziffern 1 bis 3 der Tätigkeitsübersicht aufgeführten Nebenarbeiten für von ihr beauftragte Subunternehmen unterfallen § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und Nr. 37 VTV, jedenfalls aber § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV, denn die Tätigkeiten dienen dazu, Bauwerke zu erstellen, instand zu setzen, - zu halten oder zu ändern.
35Zu Recht stellt das Landesarbeitsgericht darauf ab, dass hier der Transport von Menschen und Material zur Baustelle, die Entsorgung von Bauschutt, die Reinigung und das Aufräumen von Baustellen sowie die Einrichtung von Baustellen Arbeiten sind, die dazu bestimmt sind, die sachgerechte Durchführung und Beendigung der an den Baustellen von Subunternehmern durchzuführenden Trocken- und Montagebauarbeiten zu gewährleisten. Diese Arbeiten sind nach dem eigenen Vortrag der Beklagten dadurch charakterisiert, dass den baulichen Haupttätigkeiten der Subunternehmer zugearbeitet wird. Die Verantwortung für die Durchführung dieser Tätigkeiten hatte die Beklagte zunächst selbst gegenüber einem dritten Auftraggeber übernommen und die Tätigkeiten, die sie deshalb an sich hätte selbst erledigen müssen, an Subunternehmer vergeben. Aufgrund dieser Verknüpfung ist bei den hier in Rede stehenden Nebenarbeiten von einem unmittelbaren Bauwerksbezug auszugehen, die in der Regel deren Qualifikation als bauliche Leistungen gebietet. Um diese Vermutung zu widerlegen, hätte die Beklagte als Hauptunternehmerin konkrete Umstände vortragen müssen, die ernstliche Zweifel daran gerechtfertigt hätten, dass der geschilderte typische Zusammenhang zwischen den von ihr ausgeführten Nebenarbeiten und der durch sie erfolgten Vergabe der baulichen Leistungen an die Subunternehmen nicht bestand, insbesondere dass und warum sie deren Tätigkeiten trotz des hierfür streitenden vertraglichen Hintergrundes nicht kontrollierte. Hierzu hat die Beklagte nichts vorgetragen. Es reicht insoweit nicht aus, in der Tätigkeitsübersicht bei den betreffenden Nebentätigkeiten lediglich anzugeben „ohne baulichen Zusammenhang für Subunternehmer“.
36Dass die Tätigkeiten zu den Ziffern 1 bis 3 addiert mit den Tätigkeiten zur Ziffer 7 im Jahr 2006 mehr als 50 % der betrieblichen Gesamttätigkeit ausgemacht haben, hat die Beklagte selbst in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt.
373. Aufgrund der AVE vom galt der VTV im Streitzeitraum mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für die Beklagte (§ 5 Abs. 4 TVG). Der Betrieb der Beklagten wurde in diesem Zeitraum nicht von einer Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV erfasst. Insbesondere führt die Einschränkungsklausel in Abschnitt III Nr. 5 der AVE vom nicht zu einer Ausnahme von der Allgemeinverbindlichkeit des VTV für die Beklagte.
38a) Die in Abschnitt III Nr. 5 AVE vom enthaltene Einschränkungsklausel ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts rechtswirksam. Insbesondere ist das Tatbestandsmerkmal der Ausnahmeregelung, wonach eine Geltung des VTV ausscheide, „falls derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist“, nicht zu unbestimmt.
39aa) Derartige Klauseln, mit denen der Geltungsbereich eines Tarifvertrages eingeschränkt werden soll, sind grundsätzlich rechtlich möglich (wobei jedoch im Hinblick auf das AEntG grundsätzlich keine Verdrängung des VTV hinsichtlich der Beiträge zur Urlaubskasse möglich ist, vgl. ua. - mwN, BAGE 120, 1, 16), wenn für die Einschränkung im Einzelfall ein sachlicher Grund besteht. Ein solcher kann zum Beispiel darin liegen, dass eine Einschränkungsklausel dem Zweck dienen soll, eine Tarifkonkurrenz auszuschließen. Erforderlich ist aber, dass die jeweilige Einschränkungsklausel hinsichtlich ihres Inhalts dem Bestimmtheitsgebot im Hinblick auf die rechtsstaatlichen Anforderungen an das Gesetzesrecht entspricht ( - BAGE 44, 191, 194; - 4 AZR 455/90 - BAGE 67, 330, 334). Unbestimmte Rechtsbegriffe genügen den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Normklarheit und Justitiabilität, wenn sie mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden können (, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 - zu B I 2 b der Gründe, BVerfGE 103, 21).
40bb) Dies ist bei dem unbestimmten Rechtsbegriff „spezieller“ in Abschnitt III Nr. 5 AVE vom der Fall. Er kann mit Hilfe der juristischen Auslegungsmethoden hinreichend bestimmt ausgelegt und angewandt werden.
41(1) Das Landesarbeitsgericht ist der Auffassung, dass die näheren Maßstäbe, aus denen nach dieser Einschränkungsklausel der speziellere Tarifvertrag zu ermitteln ist, alles andere als eindeutig seien. Auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Spezialität von spartenspezifischen Handwerkstarifverträgen gegenüber dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) und gegenüber dem VTV ließen sich keine hinreichend klaren und bestimmten Grundsätze dafür entnehmen, wann ein Tarifvertrag spezieller als der BRTV und der VTV sei.
42(2) Dies ist unzutreffend. Mit dem Kriterium der Spezialität knüpft der Verordnungsgeber erkennbar an die in der Vergangenheit hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an. Das Landesarbeitsgericht lässt bei seiner Erwägung außer Acht, dass die Frage der Spezialität maßgebend von den konkreten Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der Tätigkeit der beschäftigten Arbeitnehmer abhängt. Sie kann daher nicht generell, sondern nur im Einzelfall unter Heranziehung einschlägiger Kriterien beantwortet werden. Den maßgebenden Kriterien - der räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Nähe des Tarifvertrages - kommt dabei notwendigerweise je nach diesen Erfordernissen und Eigenarten unterschiedliches Gewicht zu, wobei der fachliche (betriebliche) Geltungsbereich besonderes Gewicht hat ( - BAGE 98, 263) und eine abschließende Gesamtabwägung vorzunehmen ist. Der Umstand, dass die Rechtsprechung in der Vergangenheit teils eine Spezialität handwerksspezifischer Spartentarifverträge gegenüber den Bautarifverträgen bejaht, teils verneint hat, führt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zur Unbestimmtheit des Begriffs der Spezialität. Eine allgemeingültige Entscheidung der Frage, ob handwerksspezifische Spartentarifverträge spezieller als der BRTV oder der VTV sind, gibt es nicht und kann es nicht geben. Die vom Landesarbeitsgericht beanstandete Uneinheitlichkeit der Entscheidungen beruht gerade darauf, dass es sich um verschiedenartige Tätigkeiten und unterschiedliche Tarifverträge handelte (vgl. nur - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4: „Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des metallverarbeitenden Handwerks im Wirtschaftsgebiet Rheinland-Rheinhessen“; - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6 und - 10 AZR 611/92 - BAGE 75, 298: jeweils „Rahmentarifvertrag für Arbeitnehmer in ländlichen Lohnunternehmen in Schleswig-Holstein“; - 10 AZR 599/00 - aaO: „Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie Sachsen-Anhalt“; - 10 AZR 113/02 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 28 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 17: „Manteltarifvertrag für das Metallbauer-Handwerk, das Maschinenbaumechaniker-Handwerk, das Werkzeugmacher-Handwerk, das Dreher-Handwerk, das Feinmechaniker-Handwerk, das Metallformer- und das Metallgießer-Handwerk in Hessen“; - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1: „Manteltarifvertrag für Montagebetriebe im Holz und Kunststoff verarbeitenden Gewerbe im Land Sachsen-Anhalt“).
43b) Die Einschränkungen der AVE vom greifen im Fall der Beklagten nicht ein. Insbesondere unterfällt sie nicht der in Abschnitt III Nr. 5 dieser AVE enthaltenen Einschränkungsklausel. Der MTV Tischlerhandwerk ist nach den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes der Beklagten und der Tätigkeit der beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber dem VTV nicht der speziellere Tarifvertrag.
44aa) Die erste Voraussetzung der Einschränkungsklausel in Abschnitt III Nr. 5 der AVE vom , die unmittelbare oder mittelbare Mitgliedschaft im Bundesverband Holz und Kunststoff, ist erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte Mitglied der Tischlerinnung Mettmann ist, welche Mitglied des Fachverbandes des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen, welcher wiederum Mitglied des Bundesverbandes Holz und Kunststoff ist. Die Beklagte ist damit mittelbar Mitglied des Bundesverbandes Holz und Kunststoff.
45bb) Weiter kann hier zugunsten der Beklagen unterstellt werden, dass der MTV Tischlerhandwerk wirksam ist, was die Tariffähigkeit der GKH im CGB voraussetzte. Zu ihren Gunsten soll auch davon ausgegangen werden, dass zwei weitere Voraussetzungen der Einschränkungsklausel in Abschnitt III Nr. 5 der AVE vom erfüllt sind, nämlich dass die Beklagte von dem Rahmen- oder Manteltarifvertrag des Bundesverbandes Holz und Kunststoff oder eines seiner Mitgliedsverbände erfasst wird und dass sie in ihrem Betrieb überwiegend Tätigkeiten ausübt, die im fachlichen Geltungsbereich des am geltenden Manteltarifvertrages für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk Saar (Anhang II) genannt sind.
46cc) Nicht erfüllt ist dagegen die in der AVE für die Einschränkung genannte Voraussetzung, dass derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist. Der MTV Tischlerhandwerk ist weder an sich noch hinsichtlich des Betriebes der Beklagten und der darin ausgeübten Tätigkeiten gegenüber dem VTV spezieller.
47(1) Im Hinblick auf den persönlichen Geltungsbereich unterscheiden sich der VTV und der MTV Tischlerhandwerk nicht wesentlich. Beide Tarifverträge erfassen gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte.
48(2) Auch der Vergleich der räumlichen Geltungsbereiche lässt keinen entscheidenden Unterschied erkennen. Zwar kann grundsätzlich ein nach seinem räumlichen Geltungsbereich enger begrenzter Tarifvertrag den regionalen Besonderheiten Rechnung tragen, die ein bundesweit geltender Tarifvertrag weitgehend vernachlässigen muss (ua. - Rn. 32 mwN, BAGE 120, 1). Unter diesem inhaltlichen Gesichtspunkt ist der MTV Tischlerhandwerk aber nicht in einem für die Spezialitätsbestimmung relevanten Umfang regional enger begrenzt als der bundesweit geltende VTV. Er gilt für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen. Eine spezifische Einbeziehung regionaler Eigentümlichkeiten ist danach bei ihm im Grundsatz ebenso ausgeschlossen wie bei einem bundesweit geltenden Tarifvertrag.
49(3) Nach dem fachlichen (betrieblichen) Geltungsbereich ist der MTV Tischlerhandwerk weder an sich noch nach der Eigenart des Betriebes der Beklagten und der darin tätigen Arbeitnehmer spezieller als der VTV.
50(a) Da es bei der Frage, ob der MTV Tischlerhandwerk gegenüber dem VTV der speziellere Tarifvertrag ist, maßgeblich darauf ankommt, ob er den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der darin tätigen Arbeitnehmer besser gerecht wird, ist der fachliche (betriebliche) Geltungsbereich von besonderem Gewicht (ua. - Rn. 33, BAGE 120, 1; - 10 AZR 599/00 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 98, 263). Grundsätzlich ist dafür der gesamte vom Tarifvertrag bestimmte Bereich entscheidend ( - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 28 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 17).
51(b) Aus den betrieblichen Geltungsbereichsbestimmungen lässt sich eine größere Spezialität des MTV Tischlerhandwerk gegenüber dem VTV nicht ableiten.
52(aa) Der MTV Tischlerhandwerk erfasst unter dem ersten Spiegelstrich der „Anlage zum fachlichen Geltungsbereich“ sowohl die Planung, Konstruktion, rationelle Fertigung, Montage, den Einbau und die Instandhaltung von Produkten und Objekten für eine große Palette von Bereichen (privat, geschäftlich, öffentlich, kulturell und für den Sport- und Freizeitbereich). Es werden die verschiedensten Materialien erfasst (neben Holz und Holzwerkstoffen auch Kunststoffe, Glas, Metall, Stein, Werkstoffe für den Trockenbau, Belag- und Verbundwerkstoffe), wobei Holz und Holzwerkstoffe als dem Tischlerhandwerk besonders entsprechende Materialien nicht besonders hervorgehoben werden. Möbel und Inneneinrichtungen für und Innenausbau von verschiedenen Objekten werden nur als Beispiele („insbesondere“) innerhalb der weit gefassten Palette genannt.
53(bb) Der MTV Tischlerhandwerk erfasst unter dem zweiten Spiegelstrich der „Anlage zum fachlichen Geltungsbereich“ ohne jeglichen Bezug zum Tischlerhandwerk ganz unterschiedliche Tätigkeiten. Dazu gehören solche, die den Einbau, die Montage, Instandhaltung, Wartung und Restauration von „Produkten und Objekten“ betreffen. Welche Produkte und Objekte gemeint sind, wird im MTV Tischlerhandwerk nicht näher festgelegt. Zu den Tätigkeiten, die unter den Tarifvertrag fallen sollen, gehören daneben aber auch die vom VTV nicht erfassten, für einen Bauträger typischen Aufgaben der gewerkübergreifenden Koordination von Bauabläufen. Eingeschlossen ist ausdrücklich der Einbau, die Montage, Instandhaltung, Wartung und Restauration von Versorgungstechnik. Dagegen sind vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV jedenfalls Betriebe des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaues gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV grundsätzlich nicht erfasst.
54(cc) Schließlich werden unter dem vierten Spiegelstrich der „Anlage zum fachlichen Geltungsbereich“ des MTV Tischlerhandwerk selbst Schlüssel- und Notdienste, die nicht zu den baulichen Leistungen iSd. VTV gehören, genannt. Nicht zum Geltungsbereich des VTV gehören auch die Objektplanung und die Gebäudeverwaltung sowie die Durchführung von Bestattungen und Überführungen Verstorbener, die Beratung Hinterbliebener, die Organisation von Trauerfeiern und die Abwicklung von Behördengängen, die sämtlich vom MTV Tischlerhandwerk abgedeckt werden.
55(c) Ist somit bereits der fachliche (betriebliche) Geltungsbereich des MTV Tischlerhandwerk an sich sehr weit und im Verhältnis zum VTV in der Gesamtabwägung nicht spezieller, so ist auch im Hinblick auf den Betrieb der Beklagten und die dort ausgeführten Tätigkeiten keine Spezialität erkennbar. Weder die von der Klägerin behaupteten Trockenbauarbeiten noch die von der Beklagten selbst aufgelisteten Tätigkeiten entsprechen eher den Geltungsbereichsbestimmungen des MTV Tischlerhandwerk als denen des VTV.
56(d) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Beklagten im Übrigen.
57(aa) Der fachliche Geltungsbereich des MTV Tischlerhandwerk mag - wie von der Revision behauptet - an das Berufsbild des Tischlers nach der Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Tischler-Handwerk vom (BGBl. I S. 826 „Tischlermeisterverordnung“) angelehnt sein, entspricht diesem jedoch nur teilweise und bestimmt seinen Geltungsbereich weit über diese Anforderungen hinausgehend. Inwieweit damit im MTV Tischlerhandwerk für ihren Betrieb und die darin ausgeführten Tätigkeiten eine speziellere, weil sachlich nähere Regelung liegen soll, erschließt sich nicht. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten verfügt zwar gut die Hälfte der von ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer über eine Tischlerausbildung. Diese werden jedoch offenbar nur teilweise entsprechend ihrer Ausbildung eingesetzt. Ansonsten leisten sie nach dem eigenen Vortrag der Beklagten qualifizierte, mit dem Tischlerhandwerk nicht erkennbar im Zusammenhang stehende Zuarbeiten für die eingesetzten Subunternehmer wie Fahr- und Transportdienste, Materialtransporte, Gerüsttransporte, Vertragen von Materialien auf Baustellen, Schuttentsorgung, Reinigung und Aufräumen sowie das Einrichten von Baustellen.
58(bb) Der Hinweis der Beklagten, der MTV Tischlerhandwerk sei spezieller, weil die Tarifregelungen im Tischlerhandwerk auf eine ganzjährige Beschäftigung abstellten, kann in Bezug auf ihren Betrieb bereits deshalb keine maßgebliche Rolle spielen, weil auch nach ihrem Vortrag nicht erkennbar ist, dass sie im Wesentlichen Leistungen in einer - von Witterungseinflüssen unabhängigen - Tischlerwerkstatt erbringt.
59c) Da die Beklagte nach alledem von der AVE des VTV erfasst ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob für die Begründung des Beitragsanspruchs nach § 18 VTV hiervon unabhängig auch die - im Streitfall vorliegende - einseitige Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den VTV ausreichte (verneinend - zu 1 der Gründe, BAGE 7, 106, 112; aA ua. Däubler/Hensche TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 946; Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 244; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 842 ff. mwN).
II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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PAAAD-55090