BGH Beschluss v. - II ZR 105/09

Hauptversammlung der Aktiengesellschaft: Berechnung der Einberufungsfrist nach altem Recht

Leitsatz

Der Tag der Einberufung war bei der Berechnung der Einberufungsfrist nach § 123 Abs. 1 AktG in der Fassung vom mitzuzählen .

Gesetze: § 123 Abs 1 AktG vom

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 5 U 9/08 Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 3/5 O 178/07 Urteilnachgehend Az: II ZR 105/09 Revision zurückgewiesen

Gründe

1Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags richtet, festzustellen, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom unter Punkt 8.1 der Tagesordnung gefasste Beschluss über die Änderung der Satzung in §§ 16 und 17 nichtig ist, und sie sich aus diesem Grund gegen die Abweisung des Klagantrags richtet, die in der Hauptversammlung der Beklagten vom unter Punkt 2, 3, 4, 5 und 6 gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären. Insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen, und die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Soweit die Revision zugelassen ist - hinsichtlich des auf die Unterschreitung der Einberufungsfrist gestützten Antrags auf Nichtigerklärung der in der Hauptversammlung der Beklagten vom gefassten Beschlüsse - ist sie nach § 552a ZPO zurückzuweisen. Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht und die Revision des Klägers hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

I.

2Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich auf die angeblich unwirksame Beschlussfassung über die Satzungsänderung vom betreffend die Mindestfrist zur Einberufung, die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und den Nachweis des Anteilsbesitzes stützt und daraus die Nichtigkeit der angegriffenen Beschlüsse der Hauptversammlung vom herleiten und die Nichtigkeit der Satzungsänderungsbeschlüsse festgestellt haben will. Dazu ist die Revision nicht zugelassen. Das Berufungsgericht (NZG 2009, 990) hat die Revision nur beschränkt zu dem vom Kläger vorgebrachten Anfechtungsgrund zugelassen, die in der Hauptversammlung vom gefassten Beschlüsse seien wegen Nichtwahrung der Einberufungsfrist anfechtbar.

3Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam.

41. Das Berufungsgericht kann die Zulassung der Revision auf einen Beschlussanfechtungsgrund beschränken (BGH, Beschl v. - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Tz. 3). Eine Beschränkung auf einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs, der Gegenstand eines Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte, ist zulässig (BGHZ 180, 77 Tz. 17 "UHU"). Die Anfechtungsgründe sind abtrennbare Teile des Streitstoffs. Der Streitgegenstand der aktienrechtlichen Anfechtungsklage wird durch die jeweils geltend gemachten Beschlussmängelgründe als Teil des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts bestimmt (, ZIP 2005, 706 in Klarstellung zu Senat, BGHZ 152, 1; BGHZ 180, 221 Tz. 32 "Schiedsfähigkeit II"; Beschl. v. - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Tz. 3). Schon die Klage kann auf einzelne Anfechtungsgründe mit der Folge begrenzt werden, dass nach Ablauf der Klagefrist nachgeschobene Gründe nicht mehr berücksichtigt werden ( aaO). Erst recht ist eine solche Beschränkung im Verlauf des Rechtsstreits möglich.

5Der Beschlussanfechtungsgrund, die Einberufungsfrist sei nicht eingehalten, zu dem das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ist rechtlich selbständig und ein von dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund, die Teilnahmebedingungen und der Nachweis des Anteilsbesitzes seien unzutreffend angegeben, abtrennbarer und unabhängiger Teil des Streitstoffes. Zwar haben Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen gegen einen Hauptversammlungsbeschluss ein einheitliches Rechtsschutzziel, so dass ein Teilurteil über die Anfechtungs- oder die Nichtigkeitsgründe ausscheidet, wenn diesen ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegt (, ZIP 1999, 580; BGHZ 152, 1, 5 f.). Die Einberufung auf der Grundlage einer vom Kläger für nichtig gehaltenen Satzungsbestimmung als Nichtigkeitsgrund betrifft indes einen anderen Lebenssachverhalt als die Einhaltung der Einberufungsfrist als Anfechtungsgrund.

62. Der Wirksamkeit der Beschränkung steht nicht entgegen, dass der Kläger zusätzlich beantragt hat, die Nichtigkeit der Satzungsänderungsbeschlüsse in der Hauptversammlung vom festzustellen. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzungsänderung vom hat gegenüber der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage, mit der sich der Kläger gegen die in der Hauptversammlung vom gefassten Beschlüsse wendet, einen anderen Streitgegenstand. Die Beschränkung der Revision auf einen von mehreren Streitgegenständen ist möglich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand nicht von der Entscheidung über den anderen abhängt (vgl. , NJW-RR 2006, 877 Tz. 14). Da die Revision gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung vom auf den Anfechtungsgrund der Nichtwahrung der Einberufungsfrist beschränkt ist und die Einberufungsmängel aufgrund der behaupteten nichtigen Satzungsänderung nicht Gegenstand der Revision sind, ist die Entscheidung über den Teil der Klage, zu dem die Revision zugelassen ist, von der Entscheidung über die Nichtigkeit der Satzungsänderung vom unabhängig.

II.

7Die hilfsweise eingelegte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Nach § 16 Satz 2 EGAktG galt neben der Regelung über den Nachweis in § 123 Abs. 3 AktG i.d.F. des UMAG bis zur Anpassung der Satzung auch eine bestehende Satzungsregelung für die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts mit der Maßgabe fort, dass für den Zeitpunkt der Hinterlegung oder der Ausstellung eines sonstigen Legitimationsnachweises auf den Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Versammlung abzustellen ist (, ZIP 2010, 622). Ein Klärungsbedarf entsteht nicht dadurch, dass der Kläger zahlreiche Klagen mit seiner abweichenden Auffassung begründet hat.

III.

8Soweit die Revision zugelassen ist, ist sie nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

91. Zulassungsgründe bestehen nicht mehr. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. , NJW-RR 2005, 650; v. - XII ZR 175/04, juris Tz. 7). Die Fristenberechnung bei der Einberufung einer Hauptversammlung ist spätestens durch die Änderung des § 123 AktG mit dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) vom (BGBl. I S. 2479) mit Wirkung für Hauptversammlungen, die nach dem einberufen werden (§ 20 Abs. 1 EGAktG), geklärt. § 123 Abs. 1 AktG i.d.F. des ARUG schließt aus, den Einberufungstag bei der Fristberechnung mitzuzählen.

10Klärungsbedarf für die Fristberechnung nach § 123 AktG i.d.F. vor dem ARUG besteht nicht mehr. Bei auslaufendem Recht entfällt die Grundsatzbedeutung nur dann nicht, wenn noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden sein wird (vgl. MünchKommZPO/Wenzel 3. Aufl. § 543 Rdn. 8, § 544 Rdn. 13). Das ist hier nicht zu erwarten. Gemäß § 20 Abs. 3 EGAktG gelten die alten Satzungsregelungen nur für die erste nach dem Inkrafttreten des ARUG einberufene Hauptversammlung und auch nur dann weiter, wenn die Fristen seither abweichend von der jetzigen Regelung nicht in (Kalender-)Tagen ausgedrückt waren. Für Hauptversammlungen zwischen dem Inkrafttreten des UMAG im Jahr 2005 und des ARUG im Jahr 2009 hat die Klärung der Berechnung der Einberufungsfrist keine Bedeutung mehr. Mit einer größeren Zahl von Entscheidungen über die Fristberechnung nach altem Recht zu Hauptversammlungen aus dieser Zeit ist nicht zu rechnen, zumal die Frist nach § 123 Abs. 1 AktG a.F. eine Mindestfrist war und Gesellschaften durch die Wahl einer längeren Einberufungsfrist für eine rechtssichere Einberufung vorsorgen konnten.

112. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die Beklagte mit der Bekanntmachung der Einberufung am die Einberufungsfrist zur Hauptversammlung vom gewahrt hat.

12Die Hauptversammlung war mindestens 30 Tage vor dem Tage der Versammlung einzuberufen (§ 123 Abs. 1 AktG a.F.). Da die Satzung der Beklagten eine Anmeldung vorsah, trat an die Stelle des Tages der Versammlung der Tag, bis zu dessen Ablauf sich die Aktionäre vor der Versammlung anzumelden hatten (§ 123 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F.). Dies war der . Die Satzung der Beklagten sah eine Anmeldung bis zum Ablauf des siebten Tages vor der Hauptversammlung vor. Der vom aus betrachtet siebte Tag vor der Hauptversammlung war mit dem - Christi Himmelfahrt - ein bundesweit und damit auch am Sitz der Beklagten gesetzlich anerkannter Feiertag, so dass an seine Stelle der zeitlich vorangehende trat (§ 123 Abs. 4 AktG a.F.).

13Vom aus 30 Tage zurück gerechnet lag der . Im Gegensatz zum Tag der Hauptversammlung bzw. dem nach § 123 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. maßgebenden Anmeldeschluss war der Tag der Einberufung mitzuzählen (vgl. Hüffer, AktG 8. Aufl. § 123 Rdn. 14; Willamowski in Spindler/Stilz, § 123 Rdn. 2; Großkomm.z.AktG/Werner 4. Aufl. § 123 Rdn. 3 ff.; Reger in Bürgers/Körber, AktG § 123 Rdn. 13; Göhmann in Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 8. Aufl. Kap. 9 Rdn. 58;Geßler/Käpplinger, AktG Stand März 2010, § 123 Rdn. 3; Grobecker, NZG 2010, 165; Mimberg, AG 2005, 716, 718; ders. ZIP 2006, 649, 651; so schon zum alten Rechtszustand MünchKommAktG/Kubis 2. Aufl. § 123 Rdn. 7; a.A. Ziemons in Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der AG, Stand 4/2009 § 123 Rdn. 10, 183; dies. in K. Schmidt/Lutter, AktG § 123 Rdn. 34; Repgen, ZGR 2006, 121, 128 f.). § 107 AktG 1937 sah explizit vor, dass sowohl der Tag der Einberufung als auch der Tag der Hauptversammlung nicht mitzurechnen seien. Im Aktiengesetz von 1965 fehlte eine Regelung, weil nach Ansicht des Gesetzgebers nach der Fristenregelung im BGB ohnehin der Tag der Einberufung nicht mitzurechnen sei (Begründung RegE zum AktG 1965, vgl. Kropff, Textausgabe des Aktiengesetzes vom mit Materialien, S. 172). Da § 123 Abs. 4 AktG i.d.F. des UMAG im Gegensatz dazu aber ausdrücklich nur noch den Tag der Hauptversammlung von der Zählung ausschloss, war der Tag der Einberufung mitzuzählen (vgl. Mimberg, AG 2005, 716, 717 f.). Das entspricht auch dem Willen der Verfasser des Regierungsentwurfs zum UMAG (vgl. BT-Drucks. 15/5092 S. 14). Außerdem wäre die Regelung in § 123 Abs. 4 2. Halbsatz AktG a.F. sonst nicht verständlich. Wenn der Tag des Fristendes nicht mitrechnen würde, hätte nicht geregelt werden müssen, dass beim Fristende am Sonnabend an die Stelle dieses Tages der vorangehende Werktag tritt, da ohne Mitrechnung des Sonnabends von vorneherein am Freitag hätte einberufen werden müssen (Reger in Bürgers/Körber, AktG § 123 Rdn. 13).

Goette                                  Strohn                               Reichart

                  Drescher                               Bender

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom erledigt worden.

Fundstelle(n):
AG 2010 S. 748 Nr. 20
BB 2010 S. 2445 Nr. 41
DB 2010 S. 2158 Nr. 39
DStR 2010 S. 2203 Nr. 43
NJW-RR 2010 S. 1625 Nr. 23
WM 2010 S. 1839 Nr. 39
ZIP 2010 S. 1898 Nr. 39
DAAAD-52664