Freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei unentgeltlichem Verzicht auf dingliches Wohnrecht; Einwände gegen die Richtigkeit der FG-Entscheidung im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich
Leitsatz
Das dingliche Wohnungsrecht entzieht dem Grundstückseigentümer auf Dauer das Nutzungsrecht an einem Gebäude bzw. Gebäudeteil. Es vermittelt dem Berechtigten eine gesicherte Rechtsposition, weil das Wohnungsrecht aufgrund seiner dinglichen Wirkung als beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht nur den bewilligenden Grundstückseigentümer, sondern auch dessen Rechtsnachfolger bindet. Der unentgeltliche Verzicht auf ein dingliches Wohnungsrecht ist als freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu beurteilen.
Gesetze: ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, BGB § 1093 Abs. 1, BGB § 598, BGB § 516, BGB § 517, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist unbegründet.
2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
3 Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob der unentgeltliche Verzicht auf ein dingliches Wohnungsrecht der Schenkungsteuer unterliegt, ist nicht klärungsbedürftig. Diese Rechtsfrage ist mit dem Finanzgericht (FG) offensichtlich dahin zu beantworten, dass dieser Rechtsverzicht als freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu beurteilen ist.
4 a) In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Urteil vom II R 3/01, BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429) ist bereits geklärt, dass der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Für den unentgeltlichen Verzicht auf ein dingliches Wohnungsrecht kann schon deshalb nichts anderes gelten, weil das dingliche Wohnungsrecht dem Nießbrauch ähnlich ist (vgl. § 1093 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—). Das dingliche Wohnungsrecht entzieht dem Grundstückseigentümer auf Dauer das Nutzungsrecht an einem Gebäude bzw. Gebäudeteil. Es vermittelt dem Berechtigten eine gesicherte Rechtsposition, weil das Wohnungsrecht aufgrund seiner dinglichen Wirkung als beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1093 BGB) nicht nur den bewilligenden Grundstückseigentümer, sondern auch dessen Rechtsnachfolger bindet (vgl. auch Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz 28; Hofstetter, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 1996, 17). Das FG hat daher zutreffend angenommen, dass der unentgeltliche Verzicht auf ein dingliches Wohnungsrecht eine Bereicherung des Grundstückseigentümers bewirkt, weil dieser aufgrund des Verzichts von einer Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse befreit wird und sein Grundstückseigentum insoweit eine Wertsteigerung erfährt.
5 b) Ein Klärungsbedarf besteht auch nicht im Hinblick auf die die vom Kläger herausgestellten Eigenheiten eines lediglich schuldrechtlichen Wohnungsrechts, weil sich dieses in grundlegender Weise von einem dinglichen Wohnungsrecht unterscheidet. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Einräumung bzw. der Verzicht auf ein schuldrechtliches Wohnungsrecht überhaupt als schenkungsteuerbar zu behandeln ist (dazu z.B. Gebel in Troll/ Gebel/Jülicher, a.a.O., § 7 Rz 28), kann offen bleiben.
6 Für das schuldrechtliche Wohnungsrecht hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs —BGH— (Urteil vom V ZR 247/80, BGHZ 82, 354; vgl. auch , BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371) angenommen, dass die Verpflichtung zur unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung einer Wohnung auf Lebenszeit als Leihvertrag (§ 598 BGB) und nicht als Schenkung (§ 516 BGB) zu beurteilen ist; nur insoweit kommt auch § 517 BGB zum Tragen, wonach keine Schenkung vorliegt, wenn jemand zum Vorteil eines anderen einen Vermögenserwerb unterlässt.
7 Die vorstehenden Rechtsgrundsätze können auf das auf anderen Rechtsgrundlagen beruhende dingliche Wohnungsrecht nicht angewendet werden. Schenkungsteuerrechtlich ist entscheidend, dass das lediglich schuldrechtliche Wohnungsrecht nicht die einem dinglichen Wohnungsrecht eigene dauerhafte Beschränkung der Eigentümerbefugnisse bewirkt.
8 2. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen Divergenz liegen ebenfalls nicht vor.
9 a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts, das über dieselbe Rechtsfrage entschieden hat, abgewichen ist, die abweichend beantwortete Rechtsfrage für beide Entscheidungen rechtserheblich war, die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, die vom FG abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und die Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48; BFH-Beschlüsse vom VI B 17/06, BFH/NV 2007, 950; vom IV B 163/06, BFH/NV 2008, 212, m.w.N.).
10 b) Daran fehlt es, weil die vom Kläger benannten Divergenzentscheidungen (BGH-Urteil in BGHZ 82, 354 sowie BFH-Urteil in BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371) jeweils unentgeltliche schuldrechtliche Wohnungsrechte und damit einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt betreffen.
11 c) Soweit der Kläger im Hinblick auf die vom FG bejahten Voraussetzungen des objektiven Zuwendungstatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einen „Verstoß gegen Denkgesetze” rügt, ist für einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung, der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO die Zulassung der Revision erfordern würde (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116, m.w.N.; vom X B 121/08, BFH/NV 2009, 890), nichts ersichtlich. Die Auffassung des FG, es sei bei der aus dem dinglichen Wohnungsrecht Berechtigten aufgrund der Aufgabe dieses Wohnungsrechts eine Vermögensminderung und insoweit beim Kläger als Grundstückseigentümer eine Vermögensmehrung eingetreten, ist schenkungsteuerrechtlich nicht zu beanstanden.
12 3. Ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist mit der Rüge des Klägers, das FG habe „versäumt zu ermitteln, welcher Gegenstand zugewendet worden sein soll” und es gebe „nichts, das zugewendet wurde”, nicht schlüssig dargelegt. Mit diesem Vorbringen macht der Kläger im Kern geltend, die dem angegriffenen Urteil zugrunde liegende materiell-rechtliche Auffassung sei unzutreffend. Einwände gegen die Richtigkeit des angegriffenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können, sind indes von vornherein unbeachtlich. Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschlüsse vom VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335; vom X B 173/02, BFH/NV 2003, 1325, std. Rspr.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 2075 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2010 S. 3166
StBW 2010 S. 1069 Nr. 23
RAAAD-52402