Anspruch eines Rechtsbetreuers auf die Funktionsstufe nach § 20 TV-BA - außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in Rechtsangelegenheiten
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 12 Ca 3912/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 2 Sa 1718/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über einen Anspruch auf eine tarifliche Funktionsstufe in Höhe von 50,00 Euro pro Monat für den Zeitraum von März 2007 bis April 2008.
2Die Klägerin ist seit 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt in der Abteilung Rechtsangelegenheiten der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung und arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit(TV-BA) Anwendung.
Die tariflichen Vorschriften lauten in der im streitgegenständlichen Zeitraum zuletzt maßgeblichen Fassung des 4. Änderungstarifvertrags vom auszugsweise:
In Anlage 2.4 zum TV-BA „Kriterien für Funktionsstufen in den Regionaldirektionen“ ist ua. geregelt:
5Die Funktionsstufe 1 zu Nr. 40 der Anlage 2.4 zum TV-BA betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 50,00 Euro monatlich.
Mit Schreiben vom wurde der Klägerin Folgendes mitgeteilt:
Das interne Tätigkeits- und Kompetenzprofil (TuK) „Betreuer/in Recht“ sah zum damaligen Zeitpunkt unter der Überschrift „Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten“ vor:
Später ist das TuK hinsichtlich der Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten wie folgt gefasst worden:
9Die Klägerin bearbeitet Schadensersatzansprüche gemäß § 116 SGB X und Erstattungsverfahren nach § 14 Abs. 4 SGB IX. Die überwiegende Anzahl der Verfahren erledigt sie außergerichtlich. Soweit es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt, werden diese im Bereich der Erstattungsverfahren beim Sozialgericht Nürnberg von dortigen Mitarbeitern der Beklagten geführt. Im Bereich der Schadensersatzansprüche werden gerichtliche Verfahren aufgrund der Streitwerte überwiegend bei den Landgerichten von Rechtsanwälten geführt. Die Klägerin ist bislang noch nicht vor Gericht aufgetreten. Ein von ihr vor dem Amtsgericht eingeleitetes Verfahren erledigte sich vor dem Gerichtstermin.
10Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie erfülle die tariflichen Voraussetzungen der Funktionsstufe 1. Ihr könne es nicht zum Nachteil gereichen, dass sie bislang nicht vor dem Amtsgericht aufgetreten sei. Tatsächlich sei sie in der Lage, gerichtliche Verfahren einzuleiten, was von ihr auch erwartet werde.
Die Klägerin hat beantragt,
12Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Für die Zahlung von Funktionsstufen sei die formale Übertragung von Tätigkeiten oder zusätzlichen Funktionen erforderlich. Eine solche sei nicht erfolgt. Im Übrigen bedürfe es der tatsächlichen Wahrnehmung der gerichtlichen Vertretung. Zwar sei unerheblich, wie häufig diese erfolge, entscheidend sei jedoch, dass sie regelmäßig und nicht nur ausnahmsweise stattfinde. Die bloße Erstellung von Schriftsätzen reiche nicht aus.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Gründe
14Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
15I. Der Klägerin steht für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf die Funktionsstufe 1 gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 2 TV-BA iVm. Anlage 2.4 Nr. 40 zum TV-BA in Höhe von 50,00 Euro monatlich zu.
161. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 TV-BA erhalten Beschäftigte der Beklagten als weiteren Gehaltsbestandteil monatlich eine oder mehrere Funktionsstufen, mit denen die Wahrnehmung zusätzlich übertragener Aufgaben bzw. Funktionen, besondere Schwierigkeitsgrade oder eine geschäftspolitisch zugewiesene besondere Bedeutung bestimmter Aufgaben abgegolten wird. Die Kriterien, nach denen die jeweilige Funktionsstufe gezahlt wird, sind in den Funktionsstufentabellen(§ 20 Abs. 2 Satz 3 TV-BA), die Höhe des jeweiligen Betrags ist in den Gehaltstabellen festgelegt (§ 20 Abs. 4 Satz 1 TV-BA).
17Die verschiedenen Tatbestandsalternativen des § 20 Abs. 2 Satz 1 TV-BA haben dabei unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen. Zur Erfüllung der ersten Tatbestandsalternative bedarf es der Übertragung zusätzlicher Funktionen oder Tätigkeiten, die nicht zwingend bereits Voraussetzung für die Einstufung in eine bestimmte Tätigkeitsebene und die Zuordnung zu einer bestimmten Tätigkeitsgruppe nach Anlage 1.4 zum TV-BA sind. Die weiteren Tatbestandsalternativen des § 20 Abs. 2 Satz 1 TV-BA setzen dies nicht voraus und verlangen auch nicht, dass neben der Übertragung der den Tätigkeits- und Kompetenzprofilen (TuK) entsprechenden Tätigkeiten stets ein weiteres Merkmal erfüllt sein muss. Die übertragene Aufgabe kann vielmehr bereits als solche, wenn sie als besonders schwierig oder bedeutsam eingestuft wird, die Zuerkennung einer Funktionsstufe gemäß den Anlagen 2.0 bis 2.11 zum TV-BA zur Folge haben (vgl. 6 P 9.08 - Rn. 15, BVerwGE 134, 83).
182. § 20 Abs. 2 TV-BA iVm. Anlage 2.4 Nr. 40 zum TV-BA setzt zur Erlangung der Funktionsstufe 1 die Übertragung der Schwerpunktaufgabe gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Regionaldirektion in Rechtsangelegenheiten im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts voraus. Die Schwerpunktaufgabe muss nicht alle Rechtsgebiete umfassen, sondern kann auf bestimmte Rechtsgebiete oder Teile davon beschränkt sein. Ein formalisierter Übertragungsakt ist nicht erforderlich.
19a) Für die Zuordnung der Funktionsstufen in den Regionaldirektionen bestimmt Teil II der Anlage 2.4 zum TV-BA tätigkeits- bzw. dienstpostenspezifische Kriterien. In der Tätigkeitsebene III finden sich alle Tatbestandsalternativen des § 20 Abs. 2 Satz 1 TV-BA als Kriterien für Übertragung und Widerruf der Funktionsstufen. So werden einzelne Funktionsstufen mit der „Geschäftspolitischen Setzung“ begründet, andere mit dem „Grad der Verantwortung“ oder der „Komplexität der Aufgabe“ (vgl. Nr. 18 - 26 der Anl. 2.4 zum TV-BA in der bis geltenden Fassung bzw. Nr. 36 - 57 in der ab geltenden Fassung). Letzteres ist hinsichtlich der „Schwerpunktaufgabe gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der RD in Rechtsangelegenheiten“ der Fall.
20Die Tätigkeit als Betreuer/in Recht kann, wie sich aus dem entsprechenden Tätigkeits- und Kompetenzprofil(TuK) ergibt, verschiedene Aufgaben beinhalten. So sind in der zum Zeitpunkt der Übertragung der Aufgabe an die Klägerin maßgeblichen Fassung neben der „Schwerpunktaufgabe gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der RD in Rechtsangelegenheiten im übertragenen Rahmen“ ausdrücklich die „Betreuung der Agenturen in Rechtsfragen“ und das „Controlling im Stab Rechtsangelegenheiten der RD“ als weitere Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten genannt. Die beiden letztgenannten Aufgaben sind nicht ohne Weiteres mit der gerichtlichen oder außergerichtlichen Vertretung der Regionaldirektion verbunden. Wird einem Betreuer Recht nur eine der letztgenannten Aufgaben zugewiesen, so kommt die Zahlung einer Funktionsstufe nicht in Betracht. Entsprechendes gilt für die später geänderte Fassung des TuK: Hier sind die „Fachliche Beratung (einschl. Fachcontrolling) der Agenturen in Rechtsfragen“ einerseits und die „Schwerpunktaufgabe gerichtliche und außergerichtliche Vertretung“ andererseits als Kernaufgaben genannt. Es hängt daher von der konkreten Aufgabenübertragung an den einzelnen Betreuer Recht ab, ob ein Anspruch auf die Funktionsstufe ausgelöst wird. Nur dann, wenn auch die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung in Rechtsangelegenheiten als sog. Schwerpunktaufgabe übertragen wird, besteht ein Anspruch auf die Funktionsstufe.
21b) Die Schwerpunktaufgabe muss gem. § 20 Abs. 2 TV-BA iVm. Anlage 2.4 Nr. 40 zum TV-BA nicht alle Rechtsgebiete umfassen. Vielmehr genügt es, dass eine Übertragung für ein bestimmtes Rechtsgebiet oder Teile davon vorliegt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut „in Rechtsangelegenheiten“; das Erfordernis der allumfassenden Vertretung lässt sich daraus nicht ableiten. Es ist dem Direktionsrecht der Beklagten vorbehalten, das Rechtsgebiet, für das der Betreuer Recht zuständig sein soll, zu bestimmen und zuzuweisen.
22c) § 20 Abs. 2 iVm. Anlage 2.4 Nr. 40 zum TV-BA verlangt keinen formalisierten Übertragungsakt.
23Weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus anderen Tarifregelungen ergeben sich Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer formellen Übertragung. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Beschäftigten die entsprechende Aufgabe durch die Beklagte im Rahmen der Ausübung ihres Direktionsrechts zugewiesen ist. Dies kann entweder durch eine ausdrückliche Übertragung oder konkludent durch die Zuweisung entsprechender Arbeit erfolgen. Fällt die Arbeitsaufgabe, die den Anspruch auf die Funktionsstufe ausgelöst hat, später weg, entfällt auch der Anspruch auf diese Zahlung, ohne dass es auf den Grund des Wegfalls ankäme(§ 20 Abs. 5 TV-BA).
243. Ist dem Beschäftigten die Schwerpunktaufgabe der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Regionaldirektion übertragen, löst die tatsächliche Wahrnehmung dieser Aufgabe den Anspruch auf die Funktionsstufe aus. Auf den Anteil oder die Ausübung einzelner Teiltätigkeiten kommt es nicht an.
25§ 20 Abs. 2 Satz 1 TV-BA erfordert die Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe. Der Beschäftigte muss demnach die Arbeiten im Rahmen der übertragenen Aufgabe in dem Maß ausführen, wie sie zur Erfüllung dieser Aufgabe erforderlich sind. Fallen im Einzelfall bestimmte Tätigkeiten nicht oder nur in geringem Umfang an, steht dies dem Anspruch auf die Funktionsstufe nicht entgegen, solange dem Beschäftigten die Aufgabe zugewiesen ist und er die Tätigkeiten bei konkretem Anfall auch ausführen würde. Es genügt, wenn in der zugewiesenen Tätigkeit die besondere Aufgabe umfassend angelegt ist.
26Weder fordert § 20 Abs. 2 iVm. Anlage 2.4 Nr. 40 TV-BA ein bestimmtes Mindestmaß an Tätigwerden noch eine bestimmte Regelmäßigkeit der Erfüllung von Einzeltätigkeiten. Als Grund für die Funktionsstufe benennt Anlage 2.4 Nr. 40 zum TV-BA die Komplexität der Aufgabe. Honoriert werden soll damit, dass der Betreuer Recht, der die Regionaldirektion in bestimmten Rechtsangelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich vertritt, mit einem breiteren Spektrum von Fragestellungen rechnen und diese bei seinem Handeln bedenken muss, als derjenige, der eine rein interne Beratung vornimmt oder dem generell nur die außergerichtliche Vertretung zugewiesen ist. Dieser Zweck der Funktionsstufe verlangt nicht, dass es tatsächlich zu einer gerichtlichen Vertretung kommt. Ob ein bestimmter (Regress-)Fall letztlich zu einem gerichtlichen Verfahren führt, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem vom Erfolg des außergerichtlichen Tätigwerdens. Derjenige Betreuer Recht, dem auch die gerichtliche Vertretung zugewiesen ist, wird und muss in jedem Fall bereits sein außergerichtliches Tätigwerden hierauf abstimmen und die Fälle in Vorbereitung des möglichen nächsten Arbeitsschritts entsprechend durchdringen. Insoweit unterscheidet er sich von demjenigen, dem nur die gerichtliche oder außergerichtliche Vertretung zugewiesen ist oder bei dem durch die interne Organisation oder die anwendbare Prozessordnung ausgeschlossen ist, dass es zu einer gerichtlichen Vertretung kommt. In den letztgenannten Fällen ist die Komplexität der Aufgabe gemindert.
274. Danach steht der Klägerin die Funktionsstufe 1 in Höhe von insgesamt 700,00 Euro brutto für den Zeitraum von März 2007 bis einschließlich April 2008(14 Monate à 50,00 Euro) zu.
28a) Der Klägerin ist die Schwerpunktaufgabe gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Regionaldirektion in Rechtsangelegenheiten übertragen worden.
29aa) Mit dem Schreiben vom ist eine ausdrückliche Übertragung erfolgt. Mit diesem Schreiben ist der Klägerin die Tätigkeit als „Betreuerin Recht (Rechtsangelegenheiten - Regress)“ zugewiesen worden. Hinsichtlich der damit verbundenen „Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten“ verweist das Schriftstück auf das im Intranet hinterlegte Tätigkeits- und Kompetenzprofil. Dort ist die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Regionaldirektion in Rechtsangelegenheiten(nebst Sternchenhinweis Schwerpunktaufgabe) aufgeführt. Die Aufgabenzuweisung bezog sich unstreitig auf die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Regionaldirektion in Rechtsangelegenheiten.
30bb) Unabhängig hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass mindestens eine konkludente Übertragung der Aufgaben an die Klägerin erfolgt ist. Die Klägerin vertritt die Beklagte mit deren Wissen und Wollen außergerichtlich und besitzt die gerichtliche Vertretungsbefugnis für Verfahren in Regressangelegenheiten vor den Amtsgerichten. Weder muss die Klägerin danach ein vor dem Amtsgericht zu führendes Verfahren an andere Kollegen abgeben, noch ist ausschließlich einem anderen Beschäftigten die gerichtliche Vertretung beim Amtsgericht in dem der Klägerin zugewiesenen Rechtsgebiet übertragen.
31cc) Es kann dahinstehen, ob eine spätere Änderung des Tätigkeits- und Kompetenzprofils zu einer Veränderung der Aufgabenzuweisung führt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben sich die fachlichen Aufgaben der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht geändert.
32b) Die Klägerin nimmt die Schwerpunktaufgabe tatsächlich wahr.
33Sie vertritt die Beklagte zunächst außergerichtlich. Sollten Fälle aus dem Zuständigkeitsbereich der Klägerin in das amtsgerichtliche Verfahren gelangen, weil eine außergerichtliche Regelung nicht gelingt, so vertritt sie die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch gerichtlich. Darauf, dass solche Verfahren im streitgegenständlichen Zeitraum nicht stattgefunden haben, kommt es für die Gewährung der Funktionsstufe nicht an.
34c) Hinsichtlich des Zinsanspruchs ist die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass dieser erst ab dem besteht. Die Klägerin hat Zinsen ab Rechtshängigkeit gem. § 291 BGB geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat Zinsen ab dem zugesprochen. Es hat dabei übersehen, dass die Zustellung der Klage erst am erfolgt ist und ein Zinsanspruch damit entsprechend § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem Folgetag besteht (vgl. - Rn. 35, EzA BGB 2002 § 306 Nr. 3).
II. Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
WAAAD-48836