BGH Urteil v. - IX ZR 227/09

Rechtsanwaltsvertrag mit einer bedürftigen Partei: Verpflichtung eines ehemals bei einer Sozietät angestellten und im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts zur Mandantenaufklärung über die gebührenrechtlichen Folgen der Auftragserteilung an die Sozietät

Leitsatz

Ein bei einer Sozietät angestellter Rechtsanwalt, der ein Mandat akquiriert und dabei erkennen kann, dass das Mandat unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe geführt werden soll, hat auf den Gleichlauf von Anwaltsmandat und Anwaltsbeiordnung hinzuwirken .

Gesetze: § 114 ZPO, § 122 Abs 1 Nr 3 ZPO, § 311 Abs 2 Nr 1 BGB, § 675 BGB

Instanzenzug: Az: 309 S 69/09 Urteilvorgehend AG Hamburg-Barmbek Az: 811A C 494/08

Tatbestand

1Am beauftragte die Beklagte die Rechtsanwaltskanzlei Z. GbR (fortan: Sozietät) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Der seinerzeit bei der Sozietät angestellte Rechtsanwalt G. erhob namens und im Auftrag der Beklagten Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom wurde der Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G. beigeordnet. Am endete das Arbeitsverhältnis des Rechtsanwalts G. Die Beklagte wünschte weiterhin von Rechtsanwalt G. vertreten zu werden und kündigte das Mandat der Sozietät.

2Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger als Rechtsnachfolger der Sozietät Zahlung von Anwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 1.029,23 € nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 785,28 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger weiterhin die Zurückweisung der Berufung der Beklagten erreichen.

Gründe

3Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte habe die Sozietät als die Rechtsvorgängerin des Klägers mandatiert. Nach Treu und Glauben stehe dem Kläger jedoch kein Anspruch auf Vergütung zu. Die Vorschrift des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, nach welcher der beigeordnete Anwalt gegen seine Partei Ansprüche auf Vergütung nicht geltend machen dürfe, gelte zwar nur für den beigeordneten Rechtsanwalt. Die Sozietät sei nicht beigeordnet worden. Der für sie handelnde Rechtsanwalt G. habe jedoch pflichtwidrig versäumt, für einen Gleichlauf von Mandat und Beiordnung Sorge zu tragen. Aus dem Fehler des Rechtsanwalts G., den der Kläger sich zurechnen lassen müsse, dürfe der Sozietät und dem Kläger als deren Rechtsnachfolger kein Vorteil entstehen.

II.

5Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

61. Der Kläger hat aus dem Anwaltsvertrag, welchen der seinerzeit für seine Rechtsvorgängerin handelnde Rechtsanwalt G. mit der Beklagten geschlossen hat, Anspruch auf Vergütung entsprechend den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Rechtsanwalt G. hat den Anwaltsvertrag nicht in eigenem Namen geschlossen, sondern namens und im Auftrag der Sozietät. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. änderte daran nichts. Die öffentlich-rechtliche Beiordnung lässt den zivilrechtlichen Mandatsvertrag unberührt, hat also auf den schon bestehenden Anwaltsvertrag - wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird, was hier nicht der Fall war - keinen Einfluss (vgl. , NJW-RR 2005, 494, 495; v. - IV ZR 343/07, ZIP 2009, 147, 148 Rn. 6).

72. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist der Kläger jedoch gehindert, den Anspruch gegen die Beklagte durchzusetzen.

8a) Der Beklagten steht wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) gegen den Kläger ein Anspruch auf Befreiung von dessen Vergütungsanspruch zu.

9(1) Der für die Sozietät handelnde Rechtsanwalt G. war verpflichtet, der Beklagten vor Übernahme des Mandats die gebührenrechtlichen Folgen einer Beauftragung der Sozietät einerseits, nur desjenigen Mitglieds der (oder Angestellten) der Sozietät, das schließlich im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet werden würde, andererseits zu erläutern. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt stand bereits im Zeitpunkt der Auftragserteilung fest, dass Prozesskostenhilfe beantragt und das Mandat entsprechend abgerechnet werden sollte. Gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann der beigeordnete Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen seine Partei nicht geltend machen. Bei der Beauftragung der Sozietät - nicht nur des Rechtsanwalts G. - stellte sich jedoch das Problem, dass es bis zur Grundsatzentscheidung des (aaO S. 147) gängiger Praxis der Gerichte entsprach, keine Anwaltssozietäten, sondern nur einzelne Anwälte beizuordnen (vgl. Ganter AnwBl. 2007, 847 mit Nachweisen in Fn. 8, Schultz, Festschrift für Günter Hirsch S. 525, 533 f mit Nachweisen in Fn. 43). Der Gebührenanspruch der nicht beigeordneten Sozietät unterfiel nicht § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Der für die Sozietät handelnde Rechtsanwalt G. hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass sie trotz der Bewilligung von Prozesskostenhilfe weitergehenden Gebührensansprüchen der Sozietät ausgesetzt sein konnte.

10Nach der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (BGHZ 123, 311, 314 ff; vgl. Ganter aaO S. 848) hätte die Beklagte dann, wenn sie auf diesen Umstand hingewiesen worden wäre, nur Rechtsanwalt G. als denjenigen Rechtsanwalt beauftragt, dessen Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe bei Gericht beantragt werden sollte. Ein Anspruch der Sozietät gegen sie persönlich wäre nicht entstanden. Ob Rechtsanwalt G. im Verhältnis zur Sozietät, seiner damaligen Arbeitgeberin, arbeitsvertraglich befugt war, Verträge im eigenen Namen abzuschließen, ist für die Entscheidung unerheblich. Der Arbeitsvertrag eines Rechtsanwalts kann diesen nicht wirksam zu einem Verhalten verpflichten, das den Interessen der Mandanten zuwiderläuft (vgl. Ganter aaO S. 848).

11(2) Der Kläger zieht dies im Grundsatz nicht in Zweifel. Er meint jedoch, der Anspruch der Beklagten auf Befreiung von dem streitgegenständlichen Honoraranspruch richte sich ausschließlich gegen Rechtsanwalt G. als denjenigen Rechtsanwalt, der die Beklagte beraten habe und schließlich allein beigeordnet worden sei. Diese Ansicht trifft nicht zu. Die Pflicht, die Beklagte auf die für sie nachteiligen Folgen eines Vertragsschlusses mit der Sozietät hinzuweisen und auf eine Beauftragung nur desjenigen Anwalts hinzuwirken, der schließlich beigeordnet werden würde, traf die Sozietät als die Vertragspartnerin der Beklagten. Das Verschulden ihres Angestellten, welcher das Mandat im Einverständnis der Beklagten für sie bearbeitete, ist ihr gemäß § 278 BGB zuzurechnen (vgl. aaO). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des IV. Zivilsenats des (aaO).

12(3) Rechtsfolge der vorvertraglichen Pflichtverletzung ist die Verpflichtung zum Schadensersatz. Der Kläger als Rechtsnachfolger der Sozietät ist verpflichtet, denjenigen Zustand wieder herzustellen, der bestünde, wenn kein Vertrag zwischen der Sozietät und der Beklagten geschlossen worden wäre (§ 249 Abs. 1 BGB).

13b) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbietet die Durchsetzung eines Anspruchs, wenn der Gläubiger das Erlangte wieder an den Schuldner herauszugeben hätte (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Gleiches gilt, wenn der Schuldner vom Gläubiger Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen kann (§ 257 BGB). Zahlt der Befreiungsgläubiger die Schuld, von der er freizustellen ist, erwirbt er einen Erstattungsanspruch gegen den Befreiungsschuldner; sind Hauptgläubiger und Befreiungsschuldner identisch, heißt das, dass der Hauptgläubiger den erlangten Betrag ohne weiteres wieder an den Schuldner zurückzuzahlen hätte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
DB 2010 S. 2165 Nr. 39
NJW 2011 S. 229 Nr. 4
WM 2010 S. 1718 Nr. 36
YAAAD-48494