BGH Beschluss v. - XI ZB 40/09

Zulässigkeit der Berufung im Prozess über die Rückabwicklung einer Medienfondsbeteiligung: Berufungsbeschwer bei begehrter Beseitigung bzw. Abänderung einer Zug-um-Zug-Verurteilung

Leitsatz

1. Die nach dem Interesse des Klägers zu bemessende Berufungsbeschwer bei der Beseitigung bzw. Abänderung einer Zug-um-Zug-Verurteilung richtet sich in der Regel nach dem Zeit- und Kostenaufwand, der ihm bei der Erfüllung des Gegenanspruchs entsteht .

2. Bei der Beurteilung der Berufungsbeschwer kommt dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs neben dem Antrag auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung nicht zu .

Gesetze: § 511 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 19 U 5408/08 Beschlussvorgehend LG München I Az: 22 O 12777/08

Gründe

I.

1Der Kläger macht gegen die beklagte Bank im Zusammenhang mit der Beteiligung an zwei Medienfonds im Nennwert von insgesamt 180.000 € Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend.

2Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, an ihn die von ihm aus Eigenmitteln erbrachte Einlagensumme nebst Agio zurückzuzahlen und ihn von allen Verbindlichkeiten bezüglich der von ihm bei einer anderen Bank zur Finanzierung der Beteiligungen aufgenommenen Darlehen freizustellen, sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus den von ihm gezeichneten Beteiligungen herrühren, und zwar jeweils Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von ihm gezeichneten Fondsbeteiligungen und Abtretung aller Rechte aus diesen Beteiligungen an die Beklagte, hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung der von ihm gezeichneten Fondsbeteiligungen, und schließlich die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der Fondsbeteiligungen und der Abtretung der Rechte aus den Beteiligungen in Verzug befindet.

3Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und ihr den Erfolg lediglich insoweit versagt, als es hinsichtlich der begehrten Zug-um-Zug-Verurteilung nur dem Hilfsantrag entsprochen und die Klage auf Feststellung des Annahmeverzugs abgewiesen hat. Mit seiner dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs weiter und erstrebt hinsichtlich der Zug-um-Zug-Verurteilung die Abänderung des landgerichtlichen Urteils dahin, dass die Zug-um-Zug-Verurteilung um die Abtretung aller Rechte aus den Beteiligungen zu ergänzen sei.

4Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht die Beschwer des Klägers auf 350 € festgesetzt und dessen Berufung als unzulässig verworfen. Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs komme neben dem Antrag auf Zug-um-Zug-Leistung kein eigenständiger Gegenstandswert zu. Hinsichtlich der Abänderung der Zug-um-Zug-Verurteilung sei der Aufwand des Klägers für die Übertragung des Gegenrechts maßgeblich, der mangels konkreter Angaben des Klägers nach freiem Ermessen unter Zugrundelegung eines Zeitaufwandes von höchstens zwei Stunden nebst Kosten für Porto und Briefpapier für die Anfertigung von im Wesentlichen gleichlautenden acht Schreiben an die Komplementäre, Treuhänder und Darlehensgeber auf 350 € zu bemessen sei. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

5Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig, weil die vorgetragenen Zulassungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der Fortbildung des Rechts nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und der grundsätzlichen Bedeutung nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen.

61. Die Rechtsbeschwerde ist in Bezug auf den vom Berufungsgericht festgesetzten Wert der Beschwer für die vom Kläger begehrte Abänderung der Zug-um-Zug-Verurteilung unzulässig. Der insoweit behauptete Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht gegeben.

7a) Unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Rechtsbeschwerde dann zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGHZ 154, 288, 292 f.). Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist ferner dann gegeben, wenn einem Gericht bei der Rechtsanwendung Fehler unterlaufen, die eine Wiederholung durch dasselbe Gericht oder eine Nachahmung durch andere Gerichte erwarten lassen, und wenn dadurch so schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung zu entstehen oder fortzubestehen drohen, dass eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig ist. Dabei muss es sich allerdings um einen Rechtsfehler von symptomatischer Bedeutung handeln (BGHZ 152, 182, 187). Diese Voraussetzungen sind also nicht schon dann erfüllt, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts, gemessen an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, fehlerhaft ergangen ist (BGHZ 154, 288, 293). Ein schwerer, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine funktionierende Rechtsprechung gefährdender Rechtsfehler liegt erst dann vor, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Gerechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deswegen von Verfassungs wegen der Korrektur bedarf. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers - insbesondere des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) - beruht (BGHZ 154, 288, 296). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

8b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht hinsichtlich der begehrten Abänderung der Zug-um-Zug-Verurteilung die Argumentation des Klägers, seine Beschwer richte sich insoweit nach seinem wirtschaftlichen Interesse, nicht gehörswidrig übergangen, sondern - wie es dies im angefochtenen Beschluss auch ausgeführt hat - im Ausgangspunkt zugrunde gelegt und das wirtschaftliche Interesse des Klägers nach dessen Aufwand für die Übertragung der Fondsbeteiligungen bemessen. Der von der Rechtsbeschwerde insoweit behauptete Gegensatz ist daher tatsächlich nicht gegeben.

9c) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat das Berufungsgericht auch nicht in grundlegender Weise verkannt, dass es für die Beschwer des Klägers allein auf den rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils ankommt. Davon ist zwar wegen der Maßgeblichkeit der formellen Beschwer im Grundsatz auszugehen (vgl. , WM 1993, 845, 847). Bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung ist aber bei gleichzeitiger Teilabweisung der uneingeschränkt erhobenen Klage nur die aus dem Bestehen des Gegenanspruchs sich ergebende Beschränkung des Klageanspruchs rechtskraftfähig, während der Anspruch auf die Gegenleistung als solcher nicht in Rechtskraft erwachsen kann (BGHZ 117, 1, 2 ff.). Dies steht damit in Einklang, dass jedenfalls bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung im Falle einer Anwendung des § 255 BGB das Bestehen des Gegenanspruchs nicht festgestellt werden muss, sondern die Möglichkeit des Bestehens eines solchen Anspruchs genügt (vgl. BGHZ 6, 55, 61; , WM 1990, 723, 725).

10Für die Bemessung des Wertes der Beschwer des durch die Teilabweisung im Vergleich zum Klageziel aberkannten Weniger ist daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Interesse des Klägers an der Abänderung der in dem angefochtenen Urteil ausgesprochenen Zug-um-Zug-Leistung maßgebend, das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessen ist (vgl. , NJW 1999, 723 m.w.N.). Dabei sind auch mögliche Erschwernisse bei der Durchsetzung seines Anspruchs auf Übertragung seiner Beteiligung gegenüber Komplementären, Treuhänder und Darlehensgeber zu berücksichtigen.

11d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt auch eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vor. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich die Beschwer nach dem Aufwand für die Übertragung des Gegenrechts berechne, hat es sich damit nicht in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzt, die - wie bereits dargelegt - auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Beseitigung bzw. Abänderung der Zug-um-Zug-Verurteilung abstellt (vgl. , NJW 1999, 723 m.w.N.). Denn dieses kann nach dem Aufwand für die Übertragung des Gegenrechts bemessen werden.

12e) Gegen den vom Berufungsgericht angenommenen Wert der Beschwer des Klägers ist auch in der Sache nichts zu erinnern. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den Wert der Beschwer des Klägers sein Interesse an der Beseitigung bzw. Abänderung der in dem angefochtenen Urteil ausgesprochenen Zug-um-Zug-Leistung maßgebend, das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessen ist (vgl. , NJW 1999, 723 m.w.N.). Die vom Berufungsgericht vorgenommene und nach § 3 ZPO im freien Ermessen stehende Bewertung dieses Interesses kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. nur , FamRZ 2010, 881, Tz. 10 m.w.N.). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (, FamRZ 2010, 881, Tz. 10 m.w.N.). Solche Ermessensfehler sind dem Berufungsgericht hier nicht unterlaufen.

13Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist dem Kläger aus rechtlichen Gründen im Hinblick auf seine lediglich mittelbare Treuhandbeteiligung eine Zug-um-Zug-Übertragung seiner Beteiligungen an den beiden Medienfonds nicht unmöglich, so dass er auch nicht Gefahr läuft, ein nicht vollstreckbares Urteil zu erhalten.

14Besteht die Kapitalanlage - wie hier - in der Rechtsposition als Treuhandkommanditist, genügt es, wenn der Geschädigte im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs als Zug um Zug zu gewährende Leistung die Abtretung sämtlicher Rechte aus dem Treuhandvertrag anbietet (vgl. , WM 2010, 262, Tz. 29). Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung der Fondsanteile von der Zustimmung Dritter abhängig ist (vgl. , juris, Tz. 3; OLG Celle, WM 2010, 499, 504 f.). Aufgrund dessen ist die vom Landgericht erkannte Zug-um-Zug-Verurteilung, die im Übrigen in ihrer Formulierung dem Hilfsantrag des Klägers entsprochen hat, dahin auszulegen (vgl. hierzu BGHZ 122, 16, 17 f.; 142, 388, 391), dass sich die "Übertragung der vom Kläger ... gezeichneten Beteiligung(en)" nur auf die Rechtsposition beziehen kann, die der Kläger aufgrund der Zeichnung erworben hat. Der Wert der Beschwer des Klägers bemisst sich dann nach seinem Zeit- und Kostenaufwand, der ihm bei der Abtretung seiner Rechte aus den beiden Fondsbeteiligungen entsteht. Diesen hat das Berufungsgericht ermessensfehlerfrei mit 350 € beziffert. Gegen den Zeitaufwand nebst Stundensatz erhebt die Rechtsbeschwerde keine Beanstandungen; solche sind auch nicht ersichtlich.

152. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Hinblick auf den Wert der Beschwer für den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

16Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs neben dem Antrag auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung bei der Beurteilung der Beschwer zukommt, ist vom Senat mit Beschluss vom (XI ZR 219/09) verneint worden. Die Frage des Annahmeverzugs ist nur ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch. Eine mit dem Feststellungsausspruch verbundene etwaige Kostenersparnis des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung kann für die Ermittlung des Streitwerts oder des Werts der Beschwer im Erkenntnisverfahren nicht maßgeblich sein.

17Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Senat die aufgeworfene Rechtsfrage erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das bei seiner Einlegung zulässige Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZR 197/03, NJW 2004, 3188 f. und vom - V ZR 260/03, NJW 2005, 154, 156). Da das Berufungsgericht die Rechtsfrage im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats beantwortet hat, ist diese Voraussetzung hier nicht gegeben.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2010 S. 1295 Nr. 18
WM 2010 S. 1673 Nr. 35
WM 2010 S. 1675 Nr. 35
RAAAD-47750