BGH Beschluss v. - 1 StR 195/10

Strafverfahren: Gegenstandslosigkeit eines Urteils

Gesetze: § 260 StPO

Instanzenzug: Az: 18 KLs 220 Js 60183/06 Urteil

Gründe

11. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 1. der Urteilsgründe; zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Diebstahl (Tat II. 2. der Urteilsgründe; drei Jahre Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und 800 € als Wertersatz für verfallen erklärt. Von dem Vorwurf, sich in weiteren acht Fällen nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht zu haben, hat es den Angeklagten freigesprochen.

2Auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil durch sein Urteil vom (NStZ-RR 2009, 22) lediglich aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen der Tat II. 1. verurteilt worden war - insoweit zudem mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen -, sowie im Gesamtstrafenausspruch. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie diejenige des Angeklagten hat er verworfen und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

32. Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom wegen der Tat II. 1. erneut verurteilt. Insofern hatte es am , dem siebten Hauptverhandlungstag, das Verfahren zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt. Über die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom heutigen Tag entschieden (1 StR 196/10).

4Als verbliebenen Gegenstand der am fortgeführten Hauptverhandlung hat das Landgericht dagegen „die die Kammer bindenden Feststellungen“ zur Tat „II. 2. der Gründe des die bindende rechtliche Würdigung und die insoweit erkannte Freiheitsstrafe von drei Jahren“ angesehen. Durch Urteil vom selben Tag hat es sodann das „dahingehend abgeändert“, dass - bei identischem Schuld- und Strafausspruch - „ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe … zur Entschädigung für überlange Verfahrensdauer als vollstreckt“ gilt. „Zur Klarstellung“ hat es zudem den früheren Freispruch des Angeklagten erneut tenoriert. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision eingelegt, soweit er verurteilt und „nur eine Kompensation von einem Monat ausgesprochen wurde“.

53. Die daraufhin von Amts wegen auch auf die Frage des Bestehens von Verfahrenshindernissen zu erstreckende Prüfung hat ergeben, dass das angegriffene Urteil vom gegenstandslos ist.

6a) Denn das Verfahren wegen der Tat II. 2. aus dem war rechtskräftig abgeschlossen, nachdem der Senat die hiergegen eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten durch sein Urteil vom verworfen hatte (vgl. Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. Einl. Abschn. K Rdn. 57). Die Sache wurde daher insoweit nicht an das Landgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, dort also auch nicht mehr rechtshängig (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. Einl. Rdn. 165). Das Verfahren war somit dem Landgericht Stuttgart nicht mehr zur Entscheidung unterbreitet, so dass es insbesondere nicht mehr befugt war, eine in die Zeit nach dem Urteil des Senats fallende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu prüfen, festzustellen und zu kompensieren. Nichts anderes gilt, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der weiteren acht ihm zur Last gelegten Taten bereits rechtskräftig freigesprochen worden war.

7b) Besteht ein Verfahrenshindernis, so ist das Verfahren zwar grundsätzlich gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Anders liegt es aber, wenn - wie hier - ein (erstes) Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, weil sich dann eine das gesamte Verfahren abschließende Einstellung verbietet. Stattdessen sind lediglich die Auswirkungen der infolge der Rechtskraftwirkung und der fehlenden Befassung des Landgerichts mit der Sache unzulässigen Fortführung des Verfahrens zu beseitigen. Die Konstellation ist derjenigen vergleichbar, in der ein Einspruch gegen einen Strafbefehl unzutreffend als rechtzeitig eingelegt angesehen und daraufhin im selben Verfahren ein Urteil gesprochen worden ist, das wegen der bereits eingetretenen Rechtskraft nicht hätte ergehen dürfen und deshalb auf die hiergegen eingelegte Revision durch Aufhebung zu beseitigen ist (zur „gerichtlichen Strafverfügung“ BGHSt 13, 306, 308 f.). Der Senat hat daher das angefochtene für gegenstandslos erklärt.

84. Ebenfalls gegenstandslos ist damit die vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden zudem die Kosten, die durch die gegen das Urteil vom eingelegte Revision verursacht worden sind, nicht erhoben, da diese bei richtiger Behandlung der Sache durch das Landgericht nicht entstanden wären. Diese Freistellung erfasst jedoch nicht die notwendigen Auslagen des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 2000, 499; , jeweils m.w.N.).

Nack                              Wahl                              Hebenstreit

                   Elf                               Sander

Fundstelle(n):
LAAAD-47311