Aufwendungen für das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sind Werbungskosten
Leitsatz
Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV (sog. Statusfeststellungsverfahren) sind durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und deshalb als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3SGB IV § 7SGB IV § 7a Abs. 1
Instanzenzug: (EFG 2009, 994) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
1Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
2Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der H-GmbH. Er schloss im Oktober 2004 mit einem Beratungsunternehmen eine Vereinbarung über eine betriebswirtschaftliche Beratung. Gegenstand dieser Beratung war die Erörterung, ob für die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer Beiträge zu den Sozialversicherungen abgeführt werden müssen. Zudem schlossen der Kläger und die von ihm beauftragte Unternehmerberatung eine Honorarvereinbarung, wonach der Kläger ein Basishonorar in Höhe von 2.900 € zuzüglich Umsatzsteuer zahlen musste, wenn die Sozialversicherungspflicht des Klägers verneint wird. Zudem wurde für den Fall, dass Beiträge aus der Vergangenheit erstattet werden, ein Erstattungshonorar in Höhe von 12 % der bei Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingehenden Bruttoerstattungen zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Ende des Jahres 2004 teilte die angerufene Krankenkasse mit, dass der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig sei. Daraufhin stellte die von dem Kläger beauftragte Unternehmerberatung dem Kläger das Basishonorar in Höhe von 3.364 € in Rechnung. Diesen Betrag überwies der Kläger noch im Dezember 2004. Im Laufe des Jahres 2005 erstattete die Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz dem Kläger die entrichteten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 31.973,86 € und die Agentur für Arbeit die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 9.158,82 €. Dem nachfolgend stellte die Unternehmerberatung ein Erstattungshonorar in Höhe von 8.901,52 € und in Höhe von 2.549,81 € in Rechnung. Die Rechnungen beglich der Kläger im Veranlagungszeitraum 2005.
3In seiner Einkommensteuererklärung für den streitigen Veranlagungszeitraum 2005 gab der Kläger die erstatteten Sozialversicherungsbeiträge an und legte die beiden Rechnungen über die Erstattungshonorare in Höhe von insgesamt 11.451,33 € vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) änderte daraufhin gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) die Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2002 und 2003 dergestalt, dass die erstatteten Versicherungsbeiträge nicht mehr zum Sonderausgabenabzug zugelassen wurden. Im Einkommensteuerbescheid 2005 vom wurden die Beraterkosten in Höhe von 11.451,33 € weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben berücksichtigt. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 994 veröffentlichten Gründen ab.
4Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
5Der Kläger beantragt,
das aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Bescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.451,33 € herabzusetzen, hilfsweise die Aufwendungen von den als negative Sonderausgaben berücksichtigten erstatteten Versicherungsbeiträgen abzusetzen.
6Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
II.
7Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die streitbefangenen Beratungshonorare als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
81. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—).
9a) Sie liegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht. Dabei muss die Frage, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise , BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459; vom VI R 52/03, BFHE 216, 320, BStBl II 2007, 317; vom VI R 78/04, BFHE 218, 177, BStBl II 2007, 721; vom VI R 68/06, BFH/NV 2008, 1316, und vom VI R 2/07, BFH/NV 2008, 1837). Die sogenannte Bedingungslehre begründet als logisch naturwissenschaftliches Prinzip allerdings noch keinen Zurechnungszusammenhang. Sie allein ist deshalb zur Abgrenzung von beruflicher und privater Sphäre ungeeignet (vgl. , BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234). Ein lediglich abstrakter Kausalzusammenhang (Ursache-Folgeverhältnis im Sinne einer conditio sine qua non) rechtfertigt allein die einkommensteuerliche Zuordnung von Aufwendungen zur Erwerbssphäre noch nicht. Denn nach dem Einkommensteuergesetz sind Aufwendungen vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (, BFHE 226, 321, BStBl II 2010, 198). Ob sich der streitige Aufwand konkret auf die Höhe des Arbeitslohns auswirkt, ist dabei ohne Belang (BFH-Urteil in BFHE 216, 320, BStBl II 2007, 317).
10b) Auch Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) können danach Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart ist nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den Vorstellungen des Steuerpflichtigen, zu entscheiden. Mit der Einkunftsart der nichtselbständigen Arbeit hängen die das Arbeitsverhältnis betreffenden bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zusammen (, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314).
11Aber auch die mit einer Beschäftigung (§ 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch —SGB IV—) einhergehenden öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten weisen den erforderlichen Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus § 19 EStG auf. Denn die Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelmäßig Ausfluss eines Arbeitsverhältnisses (, Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung —USK— 2008, 50). Deshalb zählen insbesondere Aufwendungen des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV (sog. Statusfeststellungsverfahren), das die Feststellung der Sozialversicherungspflicht einer Beschäftigung zum Gegenstand hat (, BSGE 103, 17, und vom B 12 R 6/08 R, USK 2009, 72), zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
122. Die Entscheidung des FG, den streitbefangenen Honoraraufwand wegen des nur losen (mittelbaren) Zusammenhangs mit dem Einkünfteerzielungstatbestand nach § 19 EStG als steuerunerhebliche Aufwendungen der Lebensführung nicht zum Werbungskostenabzug zuzulassen, entspricht diesen Grundsätzen nicht. Sie verkennt den Veranlassungszusammenhang von honorierter Beratungsleistung und Arbeitsverhältnis. Die Vorinstanz hat insoweit bindend festgestellt, dass die Beratung auf die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers (vgl. § 7a SGB IV) zielte. Diese Frage beantwortet sich nach der Art der Beschäftigung (§ 7 SGB IV) und steht damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Der Umstand, dass das Steuerrecht den gesetzlich verwendungsgebundenen Teil des Arbeitseinkommens, den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, als Vorsorgeaufwendungen durch einen beschränkten Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG entlastet, lässt diesen Veranlassungszusammenhang entgegen der Auffassung des FG nicht entfallen. Insbesondere wird der Beratungsaufwand dadurch nicht zu einer Angelegenheit des Sonderausgabenabzugs. Ob der Steuerpflichtige sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, betrifft das Arbeitsverhältnis als solches und damit die Ebene der Einkommenserzielung, insbesondere die Höhe des vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Gehalts. Fragen der privaten Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen waren hingegen nicht Gegenstand der Beratungsleistung. Auch dieser Umstand zeigt, dass die streitigen Aufwendungen nicht als Kosten der Lebensführung einzuordnen sind, sondern in einem einkommensteuerlich erheblichen Bezug zum Arbeitsverhältnis stehen.
13Demnach hat die Vorinstanz den Werbungskostenabzug der geltend gemachten Beratungshonoraraufwendungen zu Unrecht versagt, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 851
BB 2010 S. 1821 Nr. 31
BFH/NV 2010 S. 1718 Nr. 9
BFH/PR 2010 S. 418 Nr. 11
BStBl II 2010 S. 851 Nr. 16
DB 2010 S. 1564 Nr. 29
DStR 2010 S. 1471 Nr. 29
DStRE 2010 S. 963 Nr. 15
DStZ 2010 S. 663 Nr. 18
EStB 2010 S. 368 Nr. 10
GStB 2010 S. 33 Nr. 9
HFR 2010 S. 931 Nr. 9
KÖSDI 2010 S. 17061 Nr. 8
NJW 2010 S. 3391 Nr. 46
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2010 S. 2356
StB 2010 S. 298 Nr. 9
StBW 2010 S. 675 Nr. 15
StC 2010 S. 7 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2010 S. 639
NAAAD-46360