BFH Beschluss v. - II B 47/10

Keine Verletzung der Grundrechte bei nur ausnahmsweiser Überlassung von Gerichtsakten an Prozessbevollmächtigte

Gesetze: FGO § 78 Abs. 1, VwGO § 100 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers und Beschwerdeführers beantragte, ihm die Akten des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt) zur Einsicht in seine Kanzleiräume zu übersenden.

2 Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ab. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergebe sich aus § 78 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), dass die Einsichtnahme der Akten bei Gericht die Regel sein solle und eine Aktenüberlassung nur ausnahmsweise in Betracht komme. Der Prozessbevollmächtigte habe aber keine hinreichenden Gründe für eine Aktenübersendung vorgetragen, sondern lediglich die Nachteile benannt, die üblicherweise mit der Aktenübersendung verbunden seien.

3 Zur Begründung seiner Beschwerde verweist der Prozessbevollmächtigte auf sein Vorbringen zur Begründung seines beim FG gestellten Antrags auf Aktenübersendung.

4 Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

5 II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6 1. Gemäß § 78 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich aus dem Begriff „einsehen” und der Regelung über die Erteilung von Abschriften usw. durch die Geschäftsstelle, dass die Einsichtnahme der Akten bei Gericht die Regel sein soll und eine vorübergehende Überlassung von Akten an den Prozessbevollmächtigten nur ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom V B 5/02, BFH/NV 2002, 1464; vom VII B 188/03, BFH/NV 2003, 1595; vom V B 29/08, BFH/NV 2009, 194; vom III B 166/05, BFH/NV 2006, 963; vom III B 246/08, BFH/NV 2010, 49).

7 2. Diese Rechtsprechung verletzt keine Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte. Das Bundesverfassungsericht (BVerfG) hat durch Beschluss vom 1 BvR 1503/02 (Deutsche Steuer-Zeitung 2003, 46) die Verfassungsbeschwerde gegen den BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1464 nicht zur Entscheidung angenommen. Dem (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1998, 836), der die Gewährung von Akteneinsicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betraf (§ 100 Abs. 2 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis geltenden Fassung —VwGO a.F.—), können keine Aussagen für das finanzgerichtliche Verfahren entnommen werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1595, und in BFH/NV 2006, 963), denn § 78 FGO enthält anders als die VwGO keine Regelung, dass die Akten nach dem Ermessen des Vorsitzenden dem bevollmächtigten Rechtsanwalt (§ 100 Abs. 2 Satz 3 VwGO a.F.) bzw. der bevollmächtigten Person (§ 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO in der Fassung ab April 2005) zur Mitnahme in seine bzw. ihre Geschäftsräume übergeben werden können. Wie das (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 77; bestätigt durch , Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1984, 478) ausgeführt hat, kann die Art und Weise, wie Akteneinsicht zu gewähren ist, in den einzelnen Verfahrensordnungen unterschiedlich geregelt werden.

8 3. Der Bevollmächtigte hat im Übrigen —wie dies das FG zu Recht ausgeführt hat— keine hinreichenden Gründe für eine ausnahmsweise Übersendung der Akten in die Kanzleiräume vorgetragen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
AO-StB 2010 S. 268 Nr. 9
BFH/NV 2010 S. 1653 Nr. 9
NAAAD-46065