BVerwG Urteil v. - 2 C 50/08

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 1 A 1180/06 Urteilvorgehend Az: XX Urteil

Tatbestand

1Der Kläger steht als Richter der Besoldungsgruppe R 1 im Dienst des beklagten Landes. Er ist verheiratet und Vater eines Kindes. Auf seinen Antrag, ihm für krankheitsbedingte Aufwendungen für seine Tochter Beihilfen zu gewähren, setzte der Beklagte unter Abzug der jährlichen Selbstbeteiligung des Klägers von 240 € für das Jahr 2004 eine Beihilfe in Höhe von 49,42 € fest.

2Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 240 € abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten im Wesentlichen aus folgenden Gründen zur Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 240 € verpflichtet:

§ 12a BVO NRW sei zwar formell rechtmäßig, verstoße jedoch seit 2003 gegen Art. 33 Abs. 5 GG und sei deshalb unanwendbar. Seit diesem Jahr dürfe die Kostendämpfungspauschale den Beihilfeansprüchen der Beamten wegen der bis dahin eingetretenen Besoldungsabsenkung durch Abschaffung des Urlaubsgeldes und Kürzung der jährlichen Sonderzuwendung nicht mehr entgegengehalten werden. Der Umfang dieser Absenkung überschreite 4% eines Jahresnettoeinkommens; die Kostendämpfungspauschale mache zusätzlich und je nach Gehaltsstufe bis zu 1,32% eines Jahresnettoeinkommens aus. Sie führe damit zu einer Unterschreitung der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen amtsangemessenen Alimentation, da die Beamtenschaft greifbar von der Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter abgekoppelt worden sei. Deshalb verletze die jährliche pauschale Selbstbeteiligung an den Krankheitskosten ab dem Jahr 2003 die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser sei verpflichtet, die Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation im Bereich der Beihilfe durch eine Nichtanwendung des § 12a BVO NRW zu kompensieren. Ob die Vorschrift wegen Verfassungswidrigkeit nichtig sei, könne demgegenüber offen bleiben.

3Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom zurückzuweisen.

4Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise festzustellen, dass die Anwendung des § 12a BVO NRW für den Kläger dazu geführt hat, dass das durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich vorgegebene Niveau einer amtsangemessenen Alimentation ab dem Jahr 2003 unterschritten wurde.

5Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

6Die Revision des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1, § 141 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte war berechtigt, die Beihilfe des Klägers für das Jahr 2004 um die Kostendämpfungspauschale gemäß § 12a der nordrhein-westfälischen Beihilfenverordnung - BVO NRW - zu kürzen (dazu 1. und 2.). Das Begehren des Klägers festzustellen, dass seine Alimentation wegen der Anwendung des § 12a BVO NRW die Grenze der Amtsangemessenheit seit 2003 unterschritten habe, ist unzulässig (dazu 3.).

71. Gemäß § 12a Abs. 1 BVO NRW in der hier maßgebenden Fassung des Art. II des Gesetzes zur Änderung der Beihilfenverordnung vom (GV. NW S. 660 <666>, geändert durch die 19. Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung vom , GV. NW S. 756) wird die Beihilfe je Kalenderjahr, in dem die beihilfefähigen Aufwendungen entstanden sind, um eine gestaffelte Kostendämpfungspauschale von 150 bis 750 € gekürzt. Richter mit einem Amt der Besoldungsgruppe R 1 sind der Stufe 2 (300 €) zugeordnet. Für jedes berücksichtigungsfähige Kind verringert sich die Kostendämpfungspauschale nach § 12a Abs. 5 BVO NRW um 60 €.

8§ 12a Abs. 1 BVO NRW unterliegt nach der Rechtsprechung des Senats weder hinsichtlich des Art. 33 Abs. 5 GG noch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG oder auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts Bedenken; insbesondere verlangen weder die Alimentations- noch die Fürsorgepflicht, dass Aufwendungen im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfeleistungen lückenlos gedeckt werden ( BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 Rn. 19).

9Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründet auch nicht der Umstand, dass sowohl kinderlose Beamte als auch Beamte mit Kindern von der Kostendämpfungspauschale betroffen sind (vgl. Urteil vom a.a.O. Rn. 18 m.w.N.). Der vom Kläger angestellte Vergleich zwischen einem kinderlosen Beamten, der in einem Kalenderjahr keine Leistungen der Beihilfe in Anspruch nimmt, und einem Beamten, der Leistungen nicht für sich selbst, sondern nur für seine Kinder in Anspruch nimmt, zeigt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG auf. § 12a Abs. 1 BVO NRW knüpft nicht an die Unterscheidung zwischen Beamten mit Kindern und kinderlosen Beamten an, sondern gewährt unterschiedslos und familienbezogen jedem Beamten im Bedarfsfall einen Anspruch auf eine um den Betrag der Kostendämpfungspauschale geminderte Beihilfe, soweit die Aufwendungen dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Der tatsächliche Umstand, dass in dem vom Kläger gebildeten Vergleichspaar nur der letztgenannte Beamte den Betrag der um den Abzugsbetrag des § 12a Abs. 5 BVO NRW reduzierten Kostendämpfungspauschale aus seinen Bezügen bestreiten muss, ist darauf zurückzuführen, dass nur er die Erstattung von Aufwendungen begehrt und dementsprechend Leistungen erhält. Hiervon abgesehen verlässt § 12a BVO NRW nicht die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, wonach Beamte im Bedarfsfall nicht mit erheblichen krankheitsbedingten Aufwendungen belastet werden dürfen, die nicht durch zumutbare Eigenvorsorge abgesichert werden können (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG 2 C 62.08 - ZBR 2010, 88). Der Selbstbehaltsregelung liegt die Wertung zu Grunde, dass die Anspruchsminderung um den Betrag der Kostendämpfungspauschale jedem betroffenen Beamten im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden kann. Zudem reduziert sich für Beamte mit Kindern die Kostendämpfungspauschale um 60 € je berücksichtigungsfähiges Kind, so dass Beamte der unteren Besoldungsgruppen ab dem dritten Kind von der Kostendämpfungspauschale freigestellt, in den mittleren Gehaltsgruppen erheblich entlastet sind. Außerdem entfällt gemäß § 12a Abs. 7 BVO NRW die Kostendämpfungspauschale bei Aufwendungen für Vorsorgeuntersuchungen, die bei Kindern besonders häufig anfallen; schließlich besteht die Möglichkeit einer zusätzlichen Unterstützung bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage (§ 13 Abs. 9 BVO NRW), so dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht zu Lasten kinderreicher Beamter vermieden werden kann.

10§ 12a BVO NRW verstößt auch nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil chronisch Kranke von der Kostendämpfungspauschale grundsätzlich in gleicher Weise betroffen sind wie Beamte, die Beihilfeleistungen nicht im Zusammenhang mit einer chronischen Erkrankung beanspruchen. Denn die Beihilfeverordnung bietet in § 12a Abs. 7 - Wegfall der Kostendämpfungspauschale bei dauernd pflegebedürftigen chronisch Erkrankten - und § 13 Abs. 9 Entlastungsmöglichkeiten für die Gruppe der chronisch Kranken; unzumutbare wirtschaftliche Nachteile chronisch kranker Beamter können auf diese Weise bei sachgerechter Handhabung vermieden werden.

112. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Dienstherr sei auf Grund des Fürsorgegrundsatzes (Art. 33 Abs. 5 GG) dazu berechtigt oder gar verpflichtet, Versäumnisse der Besoldungsgesetze ggf. durch eine Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften zu kompensieren, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

12Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht gebietet, dass Beamte in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nicht mit erheblichen Aufwendungen beschwert bleiben, die sie durch zumutbare Eigenvorsorge mit Hilfe der Regelalimentation nicht absichern können (Urteil vom a.a.O. m.w.N.). Allerdings kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG entsprechenden Systems von Alimentation und Fürsorgeleistungen, insbesondere bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang Beihilfeleistungen gewährt werden, ein erheblicher Spielraum zu. Das Beihilfensystem als solches ist nicht verfassungsrechtlich verankert, da es nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) gehört. Ob die Fürsorge in Krankheits- und Pflegefällen durch Beihilfeleistungen, durch Mittel der Regelalimentation zur Finanzierung einer Krankenversicherung oder nicht versicherbarer Belastungen oder durch eine Kombination aus diesen Elementen unter Wahrung der Amtsangemessenheit der Alimentation sichergestellt wird, ist dem Gesetzgeber überlassen ( - BVerfGE 106, 225 <232 f.>; Kammerbeschluss vom - 2 BvR 1715/03 u.a. - DVBl 2007, 1493 <1494>; BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <279 f.>). Der Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Besoldungsrechts wird grundsätzlich erst durch Maßnahmen überschritten, die sich als evident sachwidrig erweisen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <320> und vom - 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <364>). Deshalb kann der Gesetzgeber das Alimentationsniveau sowohl dadurch anheben, dass er die Dienstbezüge erhöht, als auch dadurch, dass er besoldungsrelevante Einschnitte rückgängig macht oder Fürsorgeleistungen gewährt. Selbst wenn das Beihilfensystem so ausgestaltet sein sollte, dass die Beamten in Krankheits- und Pflegefällen unter Verstoß gegen das Gebot amtsangemessener Alimentation mit unzumutbaren Kosten belastet werden, würde daraus nicht die Nichtigkeit oder - wie das Berufungsgericht meint - die Unanwendbarkeit der entsprechenden beihilferechtlichen Vorschriften folgen, sondern die Notwendigkeit einer Anpassung des Alimentationsniveaus, etwa durch Änderung des Besoldungsgesetzes.

13Die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften im Einzelfall verkennt diesen Zusammenhang von Alimentations- und Fürsorgepflicht. Der Beamte, der sein grundrechtsgleiches Recht auf amtsangemessene Alimentation geltend machen will, kann dieses Ziel nicht durch eine Klage auf Gewährung von Fürsorgeleistungen erreichen. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise die amtsangemessene Alimentation sichergestellt wird. Aus demselben Grund kann auch das Gericht nicht die Anwendung belastender Beihilferegelungen sperren und sich so an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Vielmehr kann der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nur dadurch gewahrt werden, dass betroffene Beamte ihren auf eine höhere Alimentation zielenden Anspruch prozessual durch eine Feststellungsklage geltend machen (stRspr, Urteile vom a.a.O., vom - BVerwG 2 C 23.07 - Buchholz 11 Art. 57 GG Nr. 1, und vom - BVerwG 2 C 60.08 - juris; vgl. auch BVerwG 2 C 7.95 - Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8 und u.a. - juris). Dieser Weg ist ihnen auch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zuzumuten, da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen aus einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung ziehen wird. In wirtschaftlichen Notlagen kommen unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorläufige Zahlungen in Betracht (Urteil vom a.a.O.).

14Die Annahme des Berufungsgerichts, Rechtsschutz sei in Fällen wie dem vorliegenden dort zu suchen, wo das System von Alimentation und Beihilfe die Schwelle der Rechtswidrigkeit überschreite, trifft zwar zu. Allerdings führt sie nicht dazu, dass eine Verpflichtungsklage auf Gewährung höherer Beihilfen zu erheben ist, da nicht die beihilferechtliche Regelung, die zu einem Absinken des Alimentationsniveaus unter die Schwelle der Amtsangemessenheit führt, rechtswidrig ist, sondern das Besoldungsgesetz, das eine verfassungswidrig zu niedrige Alimentation festsetzt. Die vom Berufungsgericht für ausreichend gehaltene Anwendungssperre des § 12a BVO NRW trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass weder die Kostendämpfungspauschale noch ihre Anwendung rechtswidrig sind, sondern - unterstellt, das Alimentationsniveau des Klägers sei im Jahre 2004 verfassungswidrig zu niedrig gewesen - das Besoldungsgesetz. Dem abweichenden Ansatz des Berufungsgerichts stehen bereits der besoldungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes sowie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegen, da er auf eine behördliche oder gerichtliche Nichtanwendungskompetenz für jeden Einzelfall hinausläuft, in dem das für verfassungsgemäß gehaltene Alimentationsniveau durch Anwendung einer Kürzungs- oder Streichungsregelung gefährdet erscheint. Er greift in den Gestaltungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers ein, der zu der Entscheidung darüber berufen ist, ob eine unzureichende Alimentation durch den Abbau von Kürzungsvorschriften oder durch Anhebung der Regelalimentation behoben werden soll. Schließlich führt der Ansatz des Berufungsgerichts zu dem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht tragbaren Ergebnis, dass je nach geltend gemachter Leistung - Beihilfe ohne Selbstbehalt für beihilfefähige Aufwendungen, Beihilfe für nicht beihilfefähige Aufwendungen, Sonderzuwendung usw. - und Einzelfall beliebige Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts einer Anwendungssperre gegenüber einzelnen Beamten unterworfen würden, während sie gegenüber anderen Beamten Anwendung fänden, weil diese ihren Anspruch auf Kompensation der unzureichenden Besoldung in anderer Weise oder gar nicht geltend gemacht haben.

153. Der im Revisionsverfahren erstmalig ausdrücklich gestellte Hilfsantrag ist als Antrag auf Feststellung auszulegen, dass die Alimentation des Klägers seit 2003 unter Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot amtsangemessener Alimentation (Art. 33 Abs. 5 GG) zu niedrig bemessen ist. Eine im Hinblick auf den Wortlaut des Antrags nahe liegende Beschränkung auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des § 12a BVO NRW seit 2003 würde dem Anliegen des Klägers (vgl. § 88 VwGO) nicht gerecht werden, da ein solches Begehren bereits im Hauptantrag enthalten ist.

16Der Hilfsantrag stellt jedoch eine Klageänderung in der Revisionsinstanz dar und ist deshalb gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig. Denn ein auf die Feststellung einer verfassungswidrig unzureichenden Alimentation ab dem Jahr 2003 gerichtetes Begehren lässt sich dem Vortrag des Klägers in erster und zweiter Instanz weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen (Urteil vom a.a.O. Rn 34). Daher ist der in der Revisionserwiderung formulierte Antrag keine Klarstellung oder Ergänzung der in den Tatsacheninstanzen gestellten Anträge, sondern eine Erweiterung des bis dahin auf die Verpflichtung zur Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 240 € unter Anfechtung der ergangenen Bescheide beschränkten Streitgegenstands.

17Der Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird nicht nur durch den Klageantrag, sondern auch durch den Klagegrund bestimmt. Neben der angestrebten Rechtsfolge ist deshalb auch der Sachverhalt, aus dem sich diese Rechtsfolge ergeben soll, für den Streitgegenstand bestimmend ( BVerwG 8 B 72.00 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 80). Das Gericht ist bei der Ermittlung des Begehrens zwar nicht an die Fassung der Anträge gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 88 VwGO).

18Im vorliegenden Fall hat der Kläger sich nach den in erster und zweiter Instanz gestellten Anträgen auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 240 € für das Jahr 2004 unter Anfechtung des Beihilfebescheids vom und des Widerspruchsbescheids vom beschränkt. Einen darüber hinausgehenden ausdrücklichen Antrag auf Feststellung unzureichender Alimentation hat er nicht gestellt. Ein solches Begehren ist seinem Vorbringen in den Tatsacheninstanzen auch konkludent nicht zu entnehmen. Denn er hat den zur Entscheidung des Gerichts gestellten Sachverhalt auf die Handhabung des Beihilferechts in einem Einzelfall beschränkt; alleiniges Ziel des Verfahrens in den Tatsacheninstanzen war - wie sich nicht zuletzt in dem vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert widerspiegelt - die Durchsetzung eines einmaligen und bezifferten Anspruchs auf höhere Beihilfeleistungen.

19Zwar ist der Kläger zur Begründung des geltend gemachten Leistungsbegehrens auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit seiner Besoldung im Jahr 2004 eingegangen. Diesen Ausführungen kommt für das angestrebte Rechtsschutzziel jedoch lediglich die Funktion eines Begründungselements zu, das die Voraussetzungen für die Gewährung weiterer Fürsorgeleistungen belegen soll. Ein auf die allgemeine und dauerhafte Erhöhung der Bezüge bzw. auf die nach der Senatsrechtsprechung als Grundlage hierfür erforderliche Feststellung der Unteralimentation gerichtetes Klagebegehren wäre demgegenüber eine Erweiterung des bisherigen Streitstoffs. Es ist nicht als nachrangiges Begehren in dem streitgegenständlichen Verpflichtungsantrag auf Gewährung einer weiteren Beihilfe enthalten, weil die Rechtsschutzziele beider Begehren nicht identisch sind (vgl. BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <312>). Der vom Kläger formulierte Hilfsantrag würde die bisher nicht behandelte Frage des Alimentationsniveaus im Jahr 2003 zusätzlich zur Entscheidung des Gerichts stellen und damit schon in zeitlicher Hinsicht über den bisherigen Streitstoff hinausgehen. Hiervon unabhängig überschreitet die nunmehr begehrte Feststellung einer dauerhaften Unteralimentation in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Frage der Handhabung eines einmaligen Beihilfeanspruchs. Denn sie zielt auf die dauerhafte Korrektur eines Alimentationsdefizits durch den Besoldungsgesetzgeber unter der Annahme, dass § 12a BVO NRW nicht rechtswidrig ist, während das Begehren des Klägers in den Tatsacheninstanzen auf die Bewilligung einer einmaligen Beihilfeleistung durch den Dienstherrn unter der Annahme zielt, § 12a BVO NRW und infolgedessen auch die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig. Die Ausführungen des Klägers in den Tatsacheninstanzen zur amtsangemessenen Alimentation dienen lediglich dazu, Vorfragen für die Handhabung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in einem Einzelfall zu klären, ohne selbst Klagegegenstand zu sein. Der Kläger greift nicht - was nach der Rechtsprechung des Senats erforderlich wäre - Versäumnisse des Besoldungsgesetzgebers an, sondern begründet lediglich den geltend gemachten Anspruch auf eine einmalige Fürsorgeleistung zur Kompensation derartiger Versäumnisse.

Fundstelle(n):
WAAAD-45722