BGH Beschluss v. - V ZB 243/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Itzehoe, 11 S 25/09 vom AG Oldenburg (Holstein), 16 C 37/08 vom

Gründe

I. Das Landgericht hat die gegen ein gerichtete Berufung der Beklagten mit der Begründung als unzulässig verworfen, sie sei nicht innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat eingelegt worden. Die Frist habe mit der Zustellung des Urteils am zu laufen begonnen; die Berufung sei erst am bei Gericht eingegangen.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde. Sie machen geltend, das Urteil des Amtsgerichts sei ihnen ausweislich der in der Gerichtsakte befindlichen Zustellungsurkunde erst am zugestellt worden.

II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluss richtet, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Zulässig ist sie nach § 574 Abs. 2 ZPO aber nur unter den dort aufgeführten Voraussetzungen. Diese liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

1. Dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts keine tatbestandlichen Feststellungen enthält, obwohl Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen müssen (st. Rspr., vgl. , NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. , VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910; Beschl. v. , IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916; Beschl. v. , II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; Beschl. v. , IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649), erfordert schon deshalb keine Entscheidung des Senats, weil tatbestandliche Feststellungen hier aus Rechtsgründen entbehrlich waren. Revisions- und Rechtsbeschwerdegericht haben selbst von Amts wegen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob eine Berufung zulässig ist; an Feststellungen des Berufungsgerichts zu der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Berufung sind sie nicht gebunden (vgl. , NJW-RR 1992, 1338, 1339 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 559 Rdn. 16 i.V.m. § 557 Rdn. 26). Demgemäß können sie einen Beschluss, mit dem eine Berufung als unzulässig verworfen worden ist, auch dann einer rechtlichen Überprüfung unterziehen, wenn dieser, wie hier, keine Darstellung des Sachverhalts enthält.

2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht wegen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Beklagten erforderlich.

a) Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass das Berufungsgericht seiner von dem Bundesgerichtshof unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG abgeleiteten Pflicht nachgekommen ist, die Beklagten darauf hinzuweisen, dass es beabsichtige, ihre Berufung als unzulässig zu verwerfen (st. Rspr., vgl. , NJW-RR 2008, 78 m.w.N.). Denn der Zugang des entsprechenden, mit einfacher Post versandten Schreibens des Berufungsgerichts lässt sich nicht nachweisen; die Beklagten stellen ihn der Sache nach in Abrede.

b) Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liegt jedoch nicht vor, weil der angefochtene Beschluss nicht darauf beruht, dass die Beklagten möglicherweise keine Gelegenheit erhalten haben, zu der beabsichtigten Verwerfung der Berufung Stellung zu nehmen.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils sei bereits am erfolgt, gründet sich auf den Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten vom und ihrer zunächst bei dem (unzuständigen) Landgericht Lübeck eingereichten Berufungsschrift vom . In beiden Anträgen nimmt der - in erster und zweiter Instanz tätige - Anwalt der Beklagten Bezug auf das "Urteil vom , zugestellt am ", und beantragt dessen Berichtigung bzw. legt dagegen Berufung ein. Dem durfte das Berufungsgericht entnehmen, dass ihm das Urteil am tatsächlich zugegangen und die seitens des Amtsgerichts am veranlasste, mangels Rücksendung des Empfangsbekenntnisses aber gescheiterte Zustellung (§ 174 Abs. 1 ZPO) geheilt war. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstücks nicht nachweisen, so gilt es, auch wenn mit der Zustellung eine Notfrist in Gang gesetzt wird, nämlich in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist (§ 189 ZPO). Daran ändert die (weitere) Zustellung des Urteils am nichts.

Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Beklagten etwas vorgetragen hätten, das diese Würdigung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht in Frage gestellt hätte, wenn ihnen vor der Verwerfung ihrer Berufung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre. Ihr Hinweis, aus dem Tatbestandsberichtigungsantrag vom folge nicht, dass das mit der Berufung angefochtene Urteil am zugestellt worden sei, tatsächlich hätten sie von der Zustellung des Urteils an die Eheleute Z. erfahren und deshalb die Tatbestandsberichtigung beantragt, ist mehrdeutig; er lässt nicht den Schluss zu, dass die Beklagten bei der gebotenen Anhörung in Abrede gestellt hätten, dass das Urteil ihrem Prozessbevollmächtigten am zugegangen ist. Darüber hinaus legt die Rechtsbeschwerde nicht dar, was die Beklagten in Bezug auf die an das Landgericht Lübeck gerichtete Berufungsschrift vorgetragen hätten, in der es ebenfalls heißt, das Urteil des Amtsgerichts sei am zugestellt worden, und mit der dieses Urteil sogar abschriftlich vorgelegt worden ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
ZAAAD-45653