BVerwG Urteil v. - 4 CN 3/08

Wirksame Bauleitplanung trotz Verletzung raumordnungsrechtlicher Planungspflichten

Leitsatz

Der Flächennutzungsplan einer Gemeinde wird durch das Fehlen oder die Unwirksamkeit eines landesweiten Raumordnungsplans nicht automatisch unwirksam. Bei der bauleitplanerischen Abwägung müssen aber die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung berücksichtigt werden; die Planung muss mit den betroffenen übergemeindlichen Planungen des Nachbarlandes abgestimmt werden.

Gesetze: § 1 Abs 4 BauGB, § 1 Abs 7 BauGB, § 2 Abs 2 S 2 BauGB, § 5 BauGB, § 8 Abs 2 S 1 BauGB, § 8 Abs 1 S 1 ROG, § 8 Abs 1 S 2 ROG, § 8 Abs 2 ROG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Az: 1 D 147/07 Urteil

Tatbestand

1Die Antragstellerin, eine niedersächsische Gemeinde, wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan 38 für den Bau eines Einrichtungshauses und SB-Möbelmarktes in Bremen-Osterholz. Sie ist nach dem Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen als Mittelzentrum ausgewiesen. Die Antragsgegnerin, die Stadtgemeinde Bremen, ist eine von zwei Gemeinden des Landes Bremen.

2Das etwa 11 ha große Plangebiet grenzt an seiner Ostseite an das Gemeindegebiet der Antragstellerin. Es ist etwa 8 km von der Innenstadt der Antragstellerin und etwa 10 km von der Bremer Innenstadt entfernt. Westlich des Plangebiets liegt das Einkaufszentrum "Weserpark". Der bisher geltende Bebauungsplan sah für das Plangebiet u.a. ein Sondergebiet "Radio Bremen" vor. Nachdem Radio Bremen in die Innenstadt umzog, erwarb die Beigeladene die frei gewordenen Flächen und beantragte die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans sowie parallel die Änderung des Flächennutzungsplans. Der Bebauungsplan sieht für den größten Teil des Plangebiets ein Sondergebiet "Einzelhandel SO (EH)" vor, das der Errichtung eines Einrichtungshauses und eines SB-Möbelmarktes mit einer Bruttogeschossfläche von insgesamt bis zu 90 000 qm und einer Verkaufsfläche von bis zu 45 000 qm dient. Der Beigeladenen ist zwischenzeitlich eine Baugenehmigung für die Errichtung des Vorhabens erteilt worden.

3Im Rahmen der Anhörung nahmen die Antragstellerin und der Kommunalverbund als Träger öffentlicher Belange zum Entwurf des Bebauungsplans Stellung. Mit der Kritik der Antragstellerin an dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Gutachten J. u. K. vom März 2006 sowie dem vom Kommunalverband in Auftrag gegebenen Gutachten S. befasste sich die Deputation für Bau und Verkehr und empfahl, den Bebauungsplan wie auch die Änderung des Flächennutzungsplans in Kenntnis der eingegangenen Stellungnahmen zu beschließen. Der Bebauungsplan mit Vorhaben- und Erschließungsplan wurde ebenso wie die 78. Änderung des Flächennutzungsplanes am von der Stadtbürgerschaft beschlossen und am bekannt gemacht.

4Mit Urteil vom hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag der Antragstellerin abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

5Dem Bebauungsplan fehle es nicht an der Planrechtfertigung. Die Antragsgegnerin habe die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung seien, in den wesentlichen Punkten zutreffend ermittelt und bewertet. Das Gutachten J. u. K. habe zu Recht nur Umverteilungen zu Lasten der Innenstadt der Antragstellerin berücksichtigt; nur die Innenstadt der Antragstellerin erfülle die Voraussetzungen eines zentralen Versorgungsbereichs. Das Gutachten habe sich auch darauf beschränken dürfen, nur die Effekte auf den vorhandenen Einzelhandel in der Innenstadt der Antragstellerin zu berücksichtigen. Das vom Kommunalverbund vorgelegte Gutachten S. habe die Antragsgegnerin nicht zu detaillierten Erhebungen über mögliche Umsatzverteilungen veranlassen müssen. Die Prognose dieses Gutachtens beziehe sich nicht auf die Innenstadt der Antragstellerin. Die Abwägung sei nicht zu beanstanden; die Antragsgegnerin habe die Auswirkungen ihrer Planung auf die städtebaulichen Belange der Antragstellerin bei der Abwägung hinreichend gewürdigt.

6Der Bebauungsplan sei auch gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB aus dem im Parallelverfahren geänderten Flächennutzungsplan entwickelt worden. Der Flächennutzungsplan in der Fassung der 78. Änderung sei nicht wegen Verstoßes gegen Raumordnungsrecht unwirksam. In Bremen gebe es kein Landesraumordnungsrecht, gegen das der Flächennutzungsplan verstoßen könnte. Das Landes-Raumordnungsprogramm aus dem Jahre 1981 sei nach der Entscheidung des Bremischen Staatsgerichtshofs vom nicht verbindlich; in der Folgezeit sei ein neues Landes-Raumordnungsprogramm nicht aufgestellt worden. Der Flächennutzungsplan erfülle auch nicht die Funktion eines Raumordnungsplans gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG. Soweit eine Äußerung im Urteil vom in dieser Richtung verstanden worden sein sollte, werde daran nicht festgehalten. Der aus dem Jahre 1983 stammende Flächennutzungsplan habe in seiner ursprünglichen Fassung keine eigenen raumordnerischen Regelungen enthalten, sondern sich darauf beschränkt, solche an anderer Stelle getroffenen Regelungen im Zuge der vorbereitenden Bauleitplanung bodenrechtlich zu konkretisieren. Auch in der Folgezeit sei der Flächennutzungsplan nicht um raumordnungsrechtliche Ziele angereichert worden. Unabhängig davon könne ein Flächennutzungsplan nur dann die Funktion eines Raumordnungsprogramms nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ROG übernehmen, wenn er auch inhaltlich die Anforderungen an einen Raumordnungsplan erfülle. Dass der Flächennutzungsplan nicht die Funktion eines Raumordnungsplans nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG übernehme, habe nicht die Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans zur Folge. Die Funktion des Flächennutzungsplans als vorbereitender Bauleitplan werde durch das Fehlen eines Raumordnungsplans nicht berührt. Der Flächennutzungsplan müsse sich aber, wenn landesrechtliche Vorgaben zur Raumordnung und Landesplanung nicht bestünden, an den Vorgaben des Bundesraumordnungsrechts messen lassen, soweit diese unmittelbar gelten würden. Bei raumbedeutsamen Planungen seien die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung in der Abwägung zu berücksichtigen. Zu diesen Grundsätzen gehöre auch das System der zentralörtlichen Gliederung nach § 2 Abs. 2 ROG. Diese Grundsätze habe die Antragsgegnerin bei ihrer Abwägungsentscheidung berücksichtigt. Die Antragsgegnerin sei nicht aus Rechtsgründen gehalten gewesen, den Grundsätzen in der Weise Rechnung zu tragen, dass aus ihnen zwingend verbindliche Ziele der Raumordnung in Gestalt eines Kongruenzgebots, eines Beeinträchtigungsverbots und eines Integrationsgebots mit einem Inhalt abzuleiten gewesen wären, die dem Vorhaben entgegengestanden hätten. Sie habe auch nicht ausdrücklich darlegen müssen, warum sie solche Ziele nicht für sachlich geboten erachte, obwohl sie für das niedersächsische Umland und in vielen anderen Ländern gälten. Der materiellen Abstimmungspflicht sei dadurch Genüge getan, dass die Antragsgegnerin die konkreten Auswirkungen ihrer Planung auf die raumordnungsrechtlichen Belange der Antragstellerin und der anderen betroffenen Gebietskörperschaften in ihre Erwägungen einbezogen und fehlerfrei ermittelt, bewertet und gewichtet habe. Ein Verstoß gegen die Abstimmungspflicht ergebe sich nicht daraus, dass zwar die Antragstellerin bei der Änderung des Flächennutzungsplans beteiligt worden, die Änderung aber nicht mit dem Land Niedersachsen abgestimmt worden sei. § 8 Abs. 2 ROG sei schon deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil der Flächennutzungsplan nicht die Funktion eines Raumordnungsplans habe. Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die Änderung des Flächennutzungsplans sei kein Grund ersichtlich, denn Planungen des Landes Niedersachsen würden durch die Änderung nicht berührt.

Gründe

7Die Revision der Antragstellerin ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht im Einklang. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan 38 mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

81. Der angefochtene Bebauungsplan ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB) und das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) unwirksam.

91.1 Zu den Belangen, die gemäß § 2 Abs. 3 BauGB zu ermitteln und in die Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen waren, gehören die städtebaulich relevanten Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf zentrale Versorgungsbereiche. Das von der Antragsgegnerin zugrunde gelegte Gutachten J. u. K., das eine Prognose der Umverteilung der Kaufkraftströme enthält, hat das Oberverwaltungsgericht methodisch nicht beanstandet und als geeignete Grundlage zur Ermittlung der möglichen negativen städtebaulichen Auswirkungen angesehen. Dass sich das Gutachten J. u. K. darauf beschränkt, die Umverteilung der Kaufkraftströme zu Lasten der Innenstadt der Antragstellerin prognostisch zu ermitteln, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Denn nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auswirkungen der Planung auf außerhalb der Innenstadt der Antragstellerin gelegene Betriebe städtebaulich relevant sein könnten. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass nur die Innenstadt der Antragstellerin einen zentralen Versorgungsbereich darstelle (UA S. 23). Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass Einzelhandelsbetriebe außerhalb der Innenstadt für die Erfüllung von deren mittelzentraler Funktion von Bedeutung sein könnten. Einem innenstadtnahen Möbelhaus mit einer Verkaufsfläche von 2 050 qm, auf das die Antragstellerin abhebt, hat das Oberverwaltungsgericht insoweit keine Bedeutung beigemessen. Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung wurden auch von der Antragstellerin nicht befürchtet.

10Der Verwertbarkeit des Gutachten J. u. K. stand nicht entgegen, dass nur die Effekte auf den vorhandenen Einzelhandel in der Innenstadt untersucht worden sind. Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts, künftige Ansiedlungen könnten schon deswegen jedenfalls nicht von der Prognose der Umsatzumverteilung erfasst werden, weil es keine konkret geplanten Vorhaben gebe, die nach Sortiment und Größe bestimmbar wären, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind ihre Bemühungen um eine künftige Ansiedlung weiterer Einzelhandelsbetriebe nicht unberücksichtigt geblieben. Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin bei der Abwägungsentscheidung nicht nur nach schädlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Innenstadt gefragt, sondern auch die Befürchtung der Antragstellerin gewürdigt, durch das Vorhaben werde die künftige Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben, um die sich die Antragstellerin mit Blick auf ihre Aufgabe als Mittelzentrum bemühe, erschwert, wenn nicht verhindert.

11Die von der Antragstellerin zur Ermittlung der abwägungsbeachtlichen Belange, insbesondere zur Geeignetheit des Gutachten J. u. K. erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Der Einwand der Antragstellerin, das Oberverwaltungsgericht habe das Gutachten J. u. K. nicht verwerten dürfen, weil der zentrale Versorgungsbereich als wesentliche Ausgangsgröße nicht ermittelt und definiert worden sei und damit die sachliche Grundlage für die gutachterliche Prognose fehle, ist unbegründet. Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass sich der räumliche Zuschnitt des im Gutachten markierten "Zentrums" nicht mit der Innenstadt deckt. Das Oberverwaltungsgericht verwendet beide Begriffe; der Begriff "Innenstadt" stellt nur eine andere sprachliche Umschreibung zur Veranschaulichung des räumlichen Zuschnitts und der Lage des "Zentrums" dar. Dass Unklarheit über den räumlichen Zuschnitt der Innenstadt bestünde, behauptet auch die Antragstellerin nicht. Von daher geht auch der Vorwurf der Aktenwidrigkeit fehl. Soweit die Antragstellerin die Berechnungsmethode des Gutachtens J. u. K. angreift, zeigt sie keine Mängel des Gutachtens, insbesondere keine "rechnerische Fehlervarianz" auf. Dass es auch andere Berechnungsmethoden geben mag, führt nicht auf die behauptete Ungeeignetheit des Gutachtens und belegt insbesondere nicht den behaupteten Denkfehler. Das Oberverwaltungsgericht hat die dem Gutachten J. u. K. zugrunde liegende Methode überprüft und festgestellt, dass das Gutachten auf einer methodisch anerkannten Vorgehensweise beruht. Wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, bot auch das vom Kommunalverband vorgelegte Gutachten S. keinen Anlass zu detaillierten Erhebungen über das verwertete Gutachten J. u. K. hinaus, weil sich das Gutachten S. auf das gesamte Stadtgebiet bezieht, mithin mit dem Gutachten J. u. K. nicht vergleichbar ist. Der von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang gerügte Verstoß gegen Denkgesetze beruht ebenfalls nur auf der Behauptung, es gebe nur eine einzige korrekte Methode zur Ermittlung von Umsatzumverteilungen. Das gilt auch für die mit dem Hinweis auf die Gutachten F. und L. begründete Verfahrensrüge. Das Oberverwaltungsgericht hat beide Gutachten gewürdigt und festgestellt, dass dadurch die Datenbasis, auf die sich das Gutachten J. u. K. gestützt hat, nicht substantiiert in Zweifel gezogen werde. Schließlich ist auch die Rüge, das Gutachten J. u. K. beruhe auf unrichtigen Zahlenangaben, unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zugrunde gelegt, dass nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin von der Umsatzumverteilung nur ein Bettenhaus im Zentrum und ein innenstadtnahes Möbelhaus mit einer Verkaufsfläche von 2 050 qm betroffen seien, und ist unter Bezugnahme auf das Gutachten S. davon ausgegangen, dass eine befürchtete Aufgabe allein dieser beiden Geschäfte keine Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs der Antragstellerin habe. Dass sich der Fehler auf das Gutachten insgesamt ausgewirkt haben könnte, ist nicht zu erkennen und behauptet auch die Antragstellerin nicht.

121.2 Die Abwägungsgrundsätze, die das Oberverwaltungsgericht aus § 1 Abs. 7 und § 2 Abs. 2 BauGB abgeleitet und der Überprüfung der Abwägung zugrunde gelegt hat, entsprechen der Rechtsprechung des Senats. Da auf der Grundlage des Gutachtens J. u. K. schädliche Auswirkungen des Vorhabens auf die Innenstadt der Antragstellerin nicht festgestellt worden sind, fehlt es insoweit an einer bei der Abwägung zu gewichtenden Gefährdungslage.

13Die gegen die Würdigung des Gutachtens J. u. K. erhobenen Verfahrensrügen bleiben erfolglos. Die Rüge, die Folgerung des Oberverwaltungsgericht, dass keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten seien, sei denkfehlerhaft, weil im Gutachten J. u. K. von einer Nachweisschwelle ausgegangen werde, die bei einer Umsatzverteilung von bis zu 0,1 Mio. € liege, berücksichtigt nicht, dass das Oberverwaltungsgericht wie auch das Gutachten J. u. K. einen festen Schwellenwert für die Schädlichkeit der Umsatzumverteilungen nicht zugrunde gelegt haben. Prozentual ermittelte Umsatzverteilungssätze lassen nicht lediglich einen einzigen "logischen" Schluss zu. Das Oberverwaltungsgericht stützt sich auch nicht allein darauf, dass die Umsatzverteilung bei den in Frage stehenden Sortimenten (Möbel/Betten) unterhalb einer Nachweisgrenze von 100 000 € liege, sondern berücksichtigt - wie bereits ausgeführt -, dass von dieser Umsatzumverteilung nur zwei Geschäfte betroffen seien und stellt zu den Randsortimenten fest, dass für diese Sortimente Einzelhandelsflächen in der Innenstadt nur in einer Größenordnung von ca. 625 qm vorhanden seien. Mit dem Vorwurf der mangelnden Sachkunde greift die Antragstellerin nur die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass die beiden Geschäfte keine besonderen "Leitsortimente" zum Gegenstand haben, an, weil sie meint, die Geschäfte seien "Kristallisationspunkte". Welche Geschäfte besondere Bedeutung für die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs haben, insbesondere ob einem Einzelhandelsbetrieb eine besondere Anziehungskraft ("Magnetfunktion") für einen zentralen Versorgungsbereich zukommt und damit unentbehrlich für die Funktionsfähigkeit des Bereichs erscheint, bestimmt sich nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und obliegt der Beurteilung des Tatsachengerichts. Fundierte Anhaltspunkte, dass die Innenstadt ihren Versorgungsauftrag bei Wegfall der genannten Geschäfte nicht mehr erfüllen könne, hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt.

141.3 Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin rechtlich nicht gehalten war, Bemühungen der Antragstellerin um eine Stärkung von deren Funktion als Mittelzentrum Vorrang vor der Verbesserung ihrer eigenen Funktion als Oberzentrum einzuräumen.

15In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegt, dass sich die Antragstellerin nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB auf ihre raumordnerische Funktion als Mittelzentrum berufen kann. Das Oberverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, es sei nicht zu verkennen, dass die Antragstellerin auf eine Ansiedlung weiterer Einzelhandelsbetriebe angewiesen sei, um ihre Funktion als Mittelzentrum wahrzunehmen, weil sie gegenwärtig nur eine Gesamtzentralitätsziffer von 77 habe. Das habe die Antragsgegnerin gesehen und bei der Abwägung auch die Befürchtungen der Antragstellerin im Hinblick auf ihre künftigen Entwicklungschancen gewürdigt. Nach den tatsächlichen, für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts weist jedoch auch die Antragsgegnerin Zentralitätsdefizite auf. Das Oberverwaltungsgericht hat sich dabei nicht darauf gestützt, dass das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen bestimmt, dass die oberzentrale Funktion der Antragsgegnerin zu beachten sei, sondern hat ausdrücklich betont, dass sich dieses Landes-Raumordnungsprogramm nur auf das Land Niedersachsen beziehe (UA S. 37). Maßgeblich war nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts vielmehr, welche Zentralitätsfunktion die Antragsgegnerin tatsächlich wahrnimmt und ob - geleitet von den tatsächlichen Annahmen, die der gängigen raumordnungsrechtlichen Kategorisierung zugrunde liegen - ein städtebauliches Defizit besteht, das durch das geplante Vorhaben ausgeglichen werden soll. Das ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Abwägungserheblich kann die oberzentrale Funktion der planenden Gemeinde nicht nur sein, wenn ihr diese Funktion durch ein Ziel der Raumordnung zugewiesen wurde. Auch die tatsächliche Wahrnehmung einer oberzentralen Funktion kann eine Planung rechtfertigen. Maßgeblich für die Abwägungsentscheidung ist das städtebauliche Ziel, das eine Gemeinde mit ihrer Planung verfolgt. Entscheidend ist, ob im Hinblick auf die besondere städtebauliche Situation der Gemeinde ein Defizit besteht, das durch das geplante Vorhaben ausgeglichen werden soll. Auf die im Raumordnungsrecht gebräuchlichen Zentralitätskennziffern hat das Oberverwaltungsgericht lediglich als Orientierungshilfe bei der Gewichtung des Zentralitätsdefizits zurückgegriffen. Auch das ist nicht zu beanstanden. Dass sich die den Zentralitätskennziffern zugrunde liegenden Annahmen als ungeeignet erweisen könnten und die städtebauliche Situation der Antragsgegnerin als Großstadt mit oberzentraler Funktion in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend erfasst worden wäre, ist nicht zu erkennen. Der Einwand der Antragstellerin, das Warenangebot des Vorhabens gehöre nicht zum Aufgabenbereich eines Oberzentrums, sondern sei den mittelzentralen Funktionen eines Ortes zuzurechnen, beruht auf einer unzutreffenden raumordnungsrechtlichen Betrachtungsweise. Ungeachtet der Frage, ob sich das Warenangebot des Vorhabens überhaupt insgesamt einem "höheren" oder "gehobenen" Bedarf zurechnen ließe, sind Orte, denen nach den tatsächlichen Gegebenheiten oberzentrale Bedeutung zukommt, nicht auf das Angebot eines spezialisierten höheren Bedarfs beschränkt. Die dort wohnende Bevölkerung muss nicht nur mit Angeboten eines spezialisierten höheren Bedarfs, sondern auch mit Angeboten für den gehobenen Bedarf und dem wohnortnahen, allgemeinen täglichen Grundbedarf versorgt werden. Entsprechend ist auch ein Mittelzentrum nicht beschränkt auf Angebote des gehobenen Bedarfs, sondern dient ebenso der Grundversorgung. Im Übrigen wird auch im Fall entsprechender raumordnungsrechtlicher Festlegungen des Zentrale-Orte-Prinzips - wie beispielsweise das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen belegt - lediglich ein Ausschluss zu Lasten der hierarchisch nachgeordneten Zentren formuliert.

16Die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen bleiben ebenfalls erfolglos. Die Rüge, das angefochtene Urteil leide an einem Begründungsmangel gemäß § 138 Nr. 6 VwGO, ist unbegründet. Wie auch das Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom , mit dem es den Antrag der Antragstellerin auf Tatbestandsberichtigung abgelehnt hat, dargelegt hat, bedurfte es zur rechtlichen Würdigung keiner ins Einzelne gehenden Beschreibung der bisherigen und künftigen Ansiedlungsbemühungen der Antragstellerin. Ebenso erfolglos bleibt die Rüge der Aktenwidrigkeit. Das Gutachten J. u. K. nennt zwar bezogen auf alle angeführten Warengruppen die Zentralitätskennziffer 102. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils wird aber die im Bebauungsplanverfahren zugrunde gelegte Zentralitätskennziffer 84 genannt (UA S. 4), was sich deckt mit der im Gutachten J. u. K. genannten Zentralitätskennziffer für die Warengruppe "Möbel". Der von der Antragstellerin behauptete Widerspruch ist damit jedenfalls nicht offensichtlich; der Sachzusammenhang legt es vielmehr nahe, dass das Oberverwaltungsgericht mit dem Hinweis, die Gesamtzentralität liege bei "84", lediglich auf Defizite in diesem Sortiment abhebt.

171.4 In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht aus dem Gebot, die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen (§ 2 Abs. 2 BauGB), abgeleitet, dass auch dann, wenn die Antragsgegnerin nicht gehalten gewesen sei, von der Verwirklichung eines Vorhabens insgesamt Abstand zu nehmen, sie gleichwohl bei der Planung des Vorhabens auf die Interessen der Antragstellerin Rücksicht zu nehmen habe. Hinsichtlich der Größe des Vorhabens hat es keinen Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot gesehen, weil städtebauliche Belange der Antragstellerin eine Reduzierung der Verkaufsflächen ungeachtet der Empfehlung des Kommunalverbunds im Rahmen des IMAGE-Verfahrens nicht zwingend geboten hätten. Zur Lage des Vorhabens an der Stadtgrenze zur Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass für die Ansiedlung gerade an dieser Stelle besondere städtebauliche Gründe bestünden und Alternativstandorte, die eine ähnliche Standortgunst, insbesondere unter verkehrlichen Aspekten, aufweisen würden, im beabsichtigten Realisierungszeitraum nicht zur Verfügung stünden. Diese auf bindenden Tatsachenfeststellungen beruhenden Erwägungen lassen Rechtsanwendungsfehler nicht erkennen.

182. Der Bebauungsplan verstößt nicht gegen das Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 33) ist er aus dem Flächennutzungsplan in der Fassung der 78. Änderung entwickelt worden. Bebauungspläne können grundsätzlich nur aus einem wirksamen Flächennutzungsplan entwickelt werden. Der Flächennutzungsplan in der Fassung der 78. Änderung ist - wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - nicht wegen eines Verstoßes gegen Raumordnungsrecht unwirksam.

19Landesraumordnungsrecht, gegen das der Flächennutzungsplan verstoßen könnte, besteht nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht, weil es in Bremen weder ein Gesetz, das eine Rechtsgrundlage für die Landesplanung enthält, noch ein verbindliches Landes-Raumordnungsprogramm i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 ROG gibt, da das Landes-Raumordnungsprogramm 1981 nach der Entscheidung des Bremischen Staatsgerichtshofs vom - St 1/82 - (BremStGHE 4, 57) rechtlich nicht verbindlich ist. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts erfüllt auch der Flächennutzungsplan weder in seiner Ursprungsfassung noch in der Fassung der 78. Änderung die Funktion eines Raumordnungsplans nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998, gleichwohl sei er deswegen nicht unwirksam.

20Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Wirksamkeit des Flächennutzungsplans in seiner Funktion als vorbereitender Bauleitplan nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB werde nicht durch das Fehlen eines Raumordnungsplans nach dem Raumordnungsgesetz berührt, steht in Übereinstimmung mit Bundesrecht. Der Flächennutzungsplan einer Gemeinde wird durch das Fehlen oder die Unwirksamkeit eines landesweiten Raumordnungsplans nicht automatisch unwirksam. Bei der bauleitplanerischen Abwägung müssen aber die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung berücksichtigt werden; die Planung muss mit den betroffenen übergemeindlichen Planungen des Nachbarlandes abgestimmt werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt.

212.1 Maßgebend für die Wirksamkeit der 78. Änderung des Flächennutzungsplans ist, soweit es um das Bundesraumordnungsrecht geht, das Raumordnungsgesetz 1998 (ROG 1998), da das Verfahren unter Geltung dieses Gesetzes begonnen und beendet worden ist. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 ROG 1998 hat jedes Land für sein Gebiet einen zusammenfassenden und übergeordneten Plan aufzustellen. In den Stadtstaaten kann ein Flächennutzungsplan nach § 5 BauGB die Funktion eines Plans nach Satz 1 übernehmen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 ROG 1998). § 8 Abs. 1 Satz 1 ROG 1998 verpflichtet die Länder und damit auch die Stadtstaaten. § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998 ändert nichts an dieser Planungspflicht sondern erlaubt es lediglich im Flächennutzungsplan auch raumordnungsrechtliche Festlegungen zu treffen. Die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Planungsinstrumenten soll es dem Stadtstaat jedoch nicht ermöglichen, sich der Planungspflicht durch Verweis auf die jeweils andere Alternative und in Bremen auf die Zuständigkeit der Stadtgemeinden für die Flächennutzungsplanung zu entziehen.

222.2 Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts erfüllt der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin bereits nach dem Willen des Plangebers nicht die Funktion eines Raumordnungsplans i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998. In dem aus dem Jahre 1983 stammenden Flächennutzungsplan seien die im Landes-Raumordnungsprogramm 1981 dargestellten Ziele der Raumordnung und Landesplanung berücksichtigt worden. Der Flächennutzungsplan habe in seiner ursprünglichen Fassung keine eigenen raumordnerischen Regelungen enthalten, sondern sich darauf beschränkt, solche an anderer Stelle getroffenen Regelungen im Zuge der vorbereitenden Bauleitplanung bodenrechtlich zu konkretisieren. Auch in der Folgezeit sei der Flächennutzungsplan nicht um raumordnungsrechtliche Ziele angereichert worden. Nach dieser auf Landesrecht beruhenden und damit bindenden Auslegung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) war der Flächennutzungsplan weder nach dem ursprünglichen Grundkonzept noch bei der hier in Rede stehenden 78. Änderung auf eine raumordnungsrechtliche Funktionsübernahme angelegt. Ob ein Flächennutzungsplan - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - unabhängig davon nur dann die Funktion eines Raumordnungsplans gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998 übernehmen kann, wenn er auch inhaltlich und mit dem planungstechnischen Instrumentarium der Raumordnung die Anforderungen an einen Raumordnungsplan erfüllt, bedarf keiner Vertiefung. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die Annahme, der Flächennutzungsplan übernehme die Funktion eines Raumordnungsplans, schon am mangelnden Willen des Plangebers scheitert, einen Plan mit der Funktion eines Raumordnungsplans gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998 aufzustellen. Dass Bremen seiner raumordnungsrechtlichen Planungspflicht weder nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ROG 1998 noch nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998 nachgekommen ist, räumt auch die Antragsgegnerin ein.

232.3 Streitentscheidend ist allein die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein Stadtstaat weder einen landesweiten Raumordnungsplan i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 ROG 1998 aufgestellt noch einen Flächennutzungsplan i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998 hat, der diese Funktion übernehmen kann. Das Raumordnungsgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zur Fehlerfolge. Aus § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998 ergibt sich nur, dass ein Flächennutzungsplan die Funktion eines Raumordnungsplans übernehmen kann. Fehlt es an der raumordnungsrechtlichen Funktionsübernahme, folgt daraus nicht, dass er allein deswegen auch die Funktion eines vorbereitenden Bauleitplans i.S.d. § 5 i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht mehr erfüllen kann. Die Funktion eines vorbereitenden Bauleitplans erschließt sich aus dem Entwicklungsgebot gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB: Bebauungspläne sind aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Welche Darstellungen ein Flächennutzungsplan in seiner Funktion als vorbereitender Bebauungsplan enthalten darf und muss, ergibt sich allein aus § 5 BauGB ( BVerwG 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <137 ff.>). Enthält der Flächennutzungsplan die erforderlichen Darstellungen nach § 5 BauGB und entspricht er den insoweit an einen Flächennutzungsplan zu stellenden verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Anforderungen, zu denen insbesondere die ordnungsgemäße Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB gehört, ist er als vorbereitender Bauleitplan i.S.d. § 5 BauGB wirksam. Die bundesgesetzliche Pflicht zur landesweiten Raumordnungsplanung nach § 8 Abs. 1 ROG 1998, die sich auch in der Neufassung des § 8 Abs. 1 ROG 2008 findet, ändert daran nichts. Ist ein Stadtstaat der Pflicht zur landesweiten Raumordnungsplanung nicht nachgekommen, hat dies für die Bauleitplanung keine weitergehenden Folgen als wenn ein Flächenland seine Planungspflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt. Auch in einem Flächenland werden die Flächennutzungspläne der Gemeinden durch das Fehlen oder die Unwirksamkeit des landesweiten Raumordnungsplans nicht automatisch unwirksam.

24Auch aus § 1 Abs. 4 BauGB können sich materiell-rechtliche Anforderungen an einen Flächennutzungsplan ergeben. § 1 Abs. 4 BauGB verlangt eine Anpassung der Bauleitpläne an wirksam festgelegte Ziele der Raumordnung. Fehlt aber eine steuernde Zielvorgabe der Raumordnung, kann die in § 1 Abs. 4 BauGB normierte Anpassungspflicht der Gemeinde von vornherein nicht zum Zuge kommen. In einem solchen Fall stellt sich die Frage der Zielkonformität des Bauleitplans nicht ( BVerwG 4 BN 17.07 - BRS 71 Nr. 45 S. 227 f.). Das Fehlen raumordnerischer Festlegungen mit Bindungswirkung i.S.d. § 1 Abs. 4 BauGB lässt die Wirksamkeit eines Flächennutzungsplans auch dann unberührt, wenn es sich um raumbedeutsame Planungen i.S.d. § 3 Nr. 6 ROG 1998 handelt. Das in § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB normierte Entwicklungsgebot findet keine raumordnungsrechtliche Entsprechung im Verhältnis zwischen Landesplanung und Bauleitplanung. Das Raumplanungsrecht umfasst eine Abfolge von Planungsentscheidungen auf Bundes- und Landesebene mit fortschreitender Verdichtung bis hin zu konkreten Festsetzungen auf Gemeindeebene. In diesem mehrstufigen System ist die gemeindliche Bauleitplanung der Landes- und Regionalplanung zwar nachgeordnet; sie stellt die unterste Ebene in der Planungshierarchie dar. Nach § 1 ROG 1998 obliegt der Raumordnung die übergeordnete, überörtliche, überfachliche und zusammenfassende Planung und Ordnung des Raumes ( BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <38>). Aus diesem mehrstufigen und auf Kooperation angelegten System der räumlichen Gesamtplanung folgt aber nicht, dass ein Flächennutzungsplan unwirksam ist, wenn es an einer landesrechtlichen Raumordnungsplanung mit Bindungswirkung nach § 1 Abs. 4 BauGB fehlt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht insoweit auch keine planwidrige Regelungslücke und läuft die Vorschrift nicht leer. Eine Verletzung der raumordnungsrechtlichen Planungspflicht nach § 8 Abs. 1 ROG 1998 bleibt nicht sanktionslos. Wenn raumbedeutsame Planungen zu raumordnungsrechtlich relevanten Spannungen führen, besteht die Notwendigkeit der Koordination der widerstreitenden Interessen. Die erforderliche planerische Koordinierung hat der Flächennutzungsplan mit Blick auf die konkrete Planung und deren Auswirkungen im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung zu leisten.

252.4 Materiell-rechtlich müssen Darstellungen des Flächennutzungsplans auch in der Funktion als vorbereitender Bauleitplan den Anforderungen des Bundesraumordnungsrechts genügen, soweit diese nicht ausschließlich für Raumordnungspläne gelten. Ein Flächennutzungsplan muss sich bei raumbedeutsamen Planungen - nicht nur im Stadtstaat - ungeachtet des Fehlens verbindlicher landesraumordnungsrechtlicher Vorgaben an den unmittelbar geltenden bundesrechtlichen Vorgaben des Raumordnungsrechts messen lassen. Gemäß § 4 Abs. 2 ROG 1998 sind die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung bei raumbedeutsamen Planungen in der Abwägung zu berücksichtigen. Diese Vorschrift richtet sich nicht nur an den Träger der Raumordnung, sondern greift in allen Fällen raumbedeutsamer Planungen i.S.d. § 3 Nr. 6 ROG 1998, also auch dann, wenn solche Planung in Gestalt eines Flächennutzungsplans erfolgt. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die Antragsgegnerin daher verpflichtet gesehen, im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB die Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung zu berücksichtigen.

26Die Antragsgegnerin war bundesrechtlich indes nicht gehalten, den Grundsätzen der Raumordnung in der Weise Rechnung zu tragen, dass aus ihnen zwingend verbindliche Ziele mit einem Inhalt abzuleiten gewesen wären, der dem Vorhaben entgegenstünde. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht die Antragsgegnerin daher auch nicht als verpflichtet angesehen, im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung ausdrücklich darzulegen, warum sie solche Ziele nicht für sachlich geboten erachtete, obwohl sie für das niedersächsische Umland und in vielen anderen Ländern gälten. § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG 1998 verpflichtet den Träger der Bauleitplanung im Stadtstaat grundsätzlich nicht, Ziele der Raumordnung festzulegen. Auch bei der Steuerung des raumbedeutsamen Einzelhandels kann er auf Zielfestlegungen verzichten (vgl. auch Urteil vom a.a.O. S. 41; BVerwG 4 BN 8.06 - BRS 70 Nr. 13 (2006) S. 93 f.). Zu den bei der Abwägung zu beachtenden Grundsätzen der Raumordnung gehört zwar auch der Grundsatz der zentralörtlichen Gliederung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG 1998. Dieser Grundsatz kann aber auf der Ebene der Landesplanung bei der Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe durch unterschiedliche Vorgaben für die städtebauliche Planung umgesetzt werden. Ob Beeinträchtigungsverbote, also die Vorgabe, dass die Ansiedlung die Funktion benachbarter zentraler Orte nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigen darf, Kongruenzgebote, wonach eine Ansiedlung der zentralörtlichen Versorgungsfunktion bzw. dem Verflechtungsbereich des jeweiligen zentralen Ortes entsprechen muss und/oder Integrationsgebote, wonach eine Ansiedlung nur im Zusammenhang mit bereits vorhandenen zentralen Einkaufsbereichen der Standortgemeinde zuzulassen ist, als verbindliche Ziele i.S.d. § 1 Abs. 4 BauGB zu normieren sind, ist bundesgesetzlich nicht vorgegeben, sondern hat der Träger der Raumordnung - sei es das Land, sei es der im Stadtstaat zuständige Träger der Bauleitplanung - mit Blick auf die Gegebenheiten im Planungsraum zu entscheiden. Ob sich das Planungsermessen ausnahmsweise zu der strikten Pflicht, sich festzulegen, reduzieren kann, bedarf keiner Entscheidung. Solche Besonderheiten liegen hier nicht vor. Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin die Grundsätze der Raumordnung bei ihrer Abwägungsentscheidung über die Änderung des Flächennutzungsplans berücksichtigt. Sie hat die Auswirkungen auf die Innenstadt, die Nebenzentren und die Zentren der Nachbargemeinden untersuchen lassen und sich mit den Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche der Antragstellerin in gleicher Weise auseinander gesetzt wie bei der Abwägungsentscheidung über den im Parallelverfahren aufgestellten Bebauungsplan. Dass die Abwägung nicht zu beanstanden war und die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen keinen Erfolg haben, wurde bereits dargelegt.

272.5 Als vorbereitender Bauleitplan muss der Flächennutzungsplan mit den Bauleitplänen benachbarter Gemeinden abgestimmt werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Darüber hinaus ergibt sich aus dem Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB das Gebot, Bauleitpläne, die mehr als geringfügige Auswirkungen auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen im Umgriff eines größeren Planungsraums haben und nicht auf einer übergeordneten Planungsebene abgestimmt worden sind, auch mit den betroffenen übergemeindlichen Planungen materiell abzustimmen. Ist die erforderliche Abstimmung mit übergemeindlichen Planungen des Nachbarlandes wegen des Fehlens einer landesweiten Raumordnungsplanung unterblieben, muss die Abstimmung im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung nachgeholt werden. Ist die Abstimmung auch auf dieser Ebene nicht oder nicht in der gebotenen Weise vorgenommen worden, ist die Abwägung fehlerhaft und der Flächennutzungsplan aus diesem Grunde unwirksam.

28Der materiellen Abstimmungspflicht ist Genüge getan, wenn die Belange des Nachbarlandes ermittelt, bewertet und gewichtet worden sind und sich die Planung als Ergebnis einer gerechten Abwägung unter Berücksichtigung der Belange des Nachbarlandes darstellt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist die Abstimmung mit den betroffenen Nachbargemeinden, insbesondere der Antragstellerin und den Trägern der Regionalplanung erfolgt. Planungen des Landes Niedersachsen seien dagegen nicht berührt; die Änderung wirke sich nicht auf das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen aus, sondern allenfalls auf die daraus zu entwickelnden Regionalpläne. An die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, dass Planungen des Nachbarlandes durch die Änderung des Flächennutzungsplanes nicht berührt werden, ist der Senat gebunden. Allein der Umstand, dass in einem Nachbarland Ziele der Raumordnung festgelegt worden sind, die der Planung entgegenstünden, wenn sie für den Plangeber im eigenen Land gälten, genügt nicht, um einen Abstimmungsbedarf auszulösen. Die Abstimmung dient nicht der Entwicklung einheitlicher Standards etwa für die Steuerung des Einzelhandels, sondern der Koordination raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 ROG). Wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht betont hat, bedeutet die Abstimmungspflicht nicht, dass sich ein Land darum bemühen muss, nach Möglichkeit den für das gesamte Gebiet des Nachbarlands verbindlichen Vorgaben zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums zu folgen. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht keinen Grund für eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 2 ROG 1998 gesehen hat. Der Anspruch auf förmliche Beteiligung dient dem Schutz der raumordnerischen Planungshoheit des Nachbarlandes. Darauf ist die für eine sachgerechte Abwägung gebotene Ermittlung und Gewichtung der grenzüberschreitenden Auswirkungen der Planung ausgerichtet. Fehlt es schon an der Möglichkeit, dass schutzwürdige Planungsinteressen des Nachbarlandes überhaupt betroffen sein könnten, weil der Planung eine überregionale Bedeutung für das Nachbarland nicht zukommt, bedarf es auch keiner verfahrensmäßig-förmlichen Abstimmung mit dem Nachbarland.

293. Schließlich ist der Flächennutzungsplan nicht deswegen unwirksam, weil sich der Plangeber bei der Abwägung des Flächennutzungsplans 1983 möglicherweise durch das Landes-Raumordnungsprogramm 1981, das erst nach Bekanntmachung des Flächennutzungsplans für unwirksam erklärt wurde, gebunden gefühlt hat (vgl. dazu BVerwG 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309, 315; BVerwG 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329). Ein solcher Fehler im Abwägungsvorgang wäre - sollte er erheblich im Sinne des seinerzeit maßgeblichen § 155 b Abs. 2 Satz 2 BBauG gewesen sein - jedenfalls nicht (mehr) beachtlich. Nach § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB i.d.F. vom sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen, die vor dem bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass dieser Fehler innerhalb von sieben Jahren nach dem schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht worden sei. Die Unbeachtlichkeit eines Abwägungsmangels tritt gemäß § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB i.d.F. vom nach Fristablauf unabhängig davon ein, ob die Gemeinde - wie in § 244 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.d.F. vom vorgesehen - innerhalb von sechs Monaten nach dem durch ortsübliche Bekanntmachung auf die Änderung der Rechtslage hingewiesen hat oder nicht. Eine solche Bekanntmachung erfolgte lediglich deklaratorisch ( BVerwG 4 NB 16.95 - NVwZ 1996, 372 <373>).

Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 8 Nr. 29
NAAAD-45375