BSG Urteil v. - B 3 KR 36/09 B

(Vorlagebeschluss an den Großen Senat - Zuständigkeit sozialgerichtlicher Kammern und Senate zur Entscheidung von Schiedsverfahren nach § 18a KHG iVm § 120 Abs 4 SGB 5 - Zuständigkeit der vertragsarztrechtlichen Spruchkörper - Abgrenzung zu den Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung)

Gesetze: § 10 Abs 1 S 1 SGG, § 10 Abs 2 SGG, § 12 Abs 3 SGG, § 41 Abs 4 SGG, § 51 Abs 1 Nr 2 SGG vom , § 51 Abs 1 SGG vom , § 51 Abs 2 S 1 SGG vom , § 91 Abs 1 S 2 SGB 5, § 91 Abs 2 S 1 SGB 5, § 117 Abs 1 S 1 SGB 5 vom , § 120 Abs 2 S 1 SGB 5, § 120 Abs 2 S 2 SGB 5, § 120 Abs 4 SGB 5, § 18a Abs 1 KHG

Instanzenzug: Az: S 2 KR 862/05 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 5 KR 102/07 Urteil

Tatbestand

1 Die Kläger wenden sich gegen eine Schiedsstellenentscheidung zur Vergütung der Leistungen einer zahnärztlichen Hochschulambulanz.

2 Die Kläger sind gesetzliche Krankenkassen (§ 4 Abs 2 SGB V) bzw deren Verbände (§ 207 SGB V) und bilden eine nicht-rechtsfähige Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern. Beklagte ist die gemäß § 18a Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) für Bayern gebildete Schiedsstelle. Beigeladen zu 1) ist gemäß § 75 Abs 2 SGG das Klinikum der L. in München, das eine zahnmedizinische Hochschulambulanz betreibt und dessen Vergütungsansprüche durch Schiedsspruch vom neu festgesetzt worden sind. Der Beigeladene zu 2) ist ein Verband der privaten Krankenversicherung (Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG).

3 Die Leistungen der zahnmedizinischen Hochschulambulanz des Beigeladenen zu 1) wurden bis zum Jahresende 2002 über die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) Bayern auf der Basis von Vereinbarungen aus den Jahren 1982 und 1984 abgerechnet und vergütet. Dieses Vergütungssystem wurde durch gesetzliche Neuregelungen in den §§ 117, 120 SGB V zum geändert (vgl näher unten Punkt B.1.b); nunmehr werden nicht nur die Leistungen der psychiatrischen Institutsambulanzen und sozialpädiatrischen Zentren, sondern auch die der Hochschulambulanzen unmittelbar von den Krankenkassen vergütet (§ 120 Abs 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser <Fallpauschalengesetz - FPG> vom ) . Die Kläger und der Beigeladene zu 1) sowie weitere Hochschulambulanzen trafen im Februar 2004 mit Rückwirkung zum eine Vereinbarung gemäß § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V über die Grundsätze der Abrechnung und Vergütung der ambulanten zahnärztlichen Behandlung in den Kliniken für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (Hochschulambulanzen) der Universitäten in Bayern; über die Vergütungssätze konnten sie sich jedoch nicht einigen. Der Beigeladene zu 1) rief deshalb am die beklagte Schiedsstelle an und beantragte, die Vergütung in fünf zahnärztlichen Leistungsbereichen nach von ihm im Einzelnen begründeten Sätzen festzusetzen. Die Kläger traten diesem Ansinnen mit eigenen Preisvorstellungen entgegen. Unter dem erließ die Beklagte mehrheitlich einen Schiedsspruch, der eine Vergütungsregelung in mehreren Einzelpunkten zum Inhalt hatte, die sich weitgehend an den Vorstellungen des Beigeladenen zu 1) orientierte.

4 Mit der am erhobenen Klage haben die Kläger den Schiedsspruch angefochten und dessen Aufhebung sowie eine Neubescheidung des Antrags des Beigeladenen zu 1) gefordert. Diese Klage ist zunächst in der 38. Kammer des Sozialgerichts (SG) München - Zuständigkeit: Vertragsarztrecht - eingetragen worden. Das SG hat am einen Erörterungstermin durchgeführt und ausweislich der Sitzungsniederschrift mit den Beteiligten ua ausführlich die Frage erörtert, ob es sich um eine allgemein krankenversicherungsrechtliche oder speziell vertragsarztrechtliche Angelegenheit handele (Bl 70 - 73 SG-Akte). Am ist das Verfahren in der 38. Kammer des SG München ausgetragen und in der 2. Kammer desselben Gerichts - Zuständigkeit: Krankenversicherung - neu eingetragen worden.

5 Mit Urteil vom hat die 2. Kammer des SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, unter Berücksichtigung der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte sei der Schiedsspruch nicht zu beanstanden. Die beklagte Schiedsstelle habe das für sie maßgebliche zwingende Gesetzesrecht beachtet, ihren Spruch in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs aller Beteiligter getroffen und den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum eingehalten. Inhaltlich sei den Vorgaben des § 120 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V ausreichend Rechnung getragen worden, weil die Schiedsstelle in Übereinstimmung mit den Beteiligten den "Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen - BEMA" mit dessen Punktwerten angewendet und damit die Brücke zur Abrechnung im Vertragszahnarztrecht hergestellt und beschritten habe; dies sei sachgerecht, weil sich die Hochschulambulanzen in Konkurrenz mit den niedergelassenen Zahnärzten befänden und so eine größtmögliche Vergleichbarkeit hergestellt werde (Urteil des SG, Umdruck S 14 - Bl 343 SG-Akte). Ein Abschlag für Forschung und Lehre sei nicht vorzunehmen gewesen, weil der dies früher beinhaltende § 120 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V durch das FPG zum Jahresende 2002 ersatzlos gestrichen worden sei. Im Übrigen widerspreche der Schiedsspruch auch nicht dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und sich dabei ganz wesentlich auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung bezogen; die Revision hat es nicht zugelassen (Urteil vom ).

6 Die Kläger haben am Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision durch das LSG eingelegt und insgesamt fünf Fragen von ihrer Ansicht nach grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die beklagte Schiedsstelle und der Beigeladene zu 1) sind der Auffassung, dass der Nichtzulassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung zukomme; der Beigeladene zu 2) hat sich (noch) nicht zur Sache geäußert.

Gründe

7Der 3. Senat legt dem Großen Senat (GrS) des Bundessozialgericht (BSG) die im Tenor formulierten Rechtsfragen wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung vor, weil dies nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts und - vor allem - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 41 Abs 4 SGG) .

§ 41 Abs 4 SGG enthält zwei Zulässigkeitsvoraussetzungen: Eine Rechtsfrage muss grundsätzliche Bedeutung haben und ihre Beantwortung durch den GrS muss zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich sein. Die letztgenannte Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des GrS allein durch den vorlegenden Senat zu entscheiden und vom GrS nicht zu überprüfen (vgl BSG, Beschluss des GrS vom - GS 1/08 - SozR 4-1500 § 41 Nr 1 RdNr 25; vgl zur vergleichbaren früheren Regelung in § 43 SGG schon BSGE 62, 255, 258; 41, 41, 43) . Dagegen prüft der GrS in vollem Umfang nach, ob die vorgelegte Frage, soweit sie entscheidungserheblich ist, grundsätzliche Bedeutung besitzt (BSG aaO; stRspr) . Daneben müssen die dem GrS gestellten Vorlagefragen - wie auch im Rahmen einer Divergenzvorlage - revisibles Recht betreffen, was jedoch im Hinblick auf die hier streitige Auslegung der §§ 51 Abs 1 Nr 2 und 10 Abs 2 SGG ohne Zweifel der Fall ist.

Der 3. Senat ist der Überzeugung, dass die Anrufung des GrS zur Fortbildung des Rechts und - vor allem - zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist zwar allein durch den vorlegenden Senat zu entscheiden und kann durch den GrS nicht überprüft werden; gleichwohl sollen die maßgeblichen Gründe kurz skizziert werden.

10a) Die erste Vorlagefrage betrifft die sich durch alle Instanzen ziehende Unklarheit hinsichtlich der Zuständigkeit der sozialgerichtlichen Kammern und Senate zur Entscheidung von Schiedsverfahren nach § 18a KHG iVm § 120 Abs 4 SGB V. Schon das Ausgangsverfahren zeigt dies deutlich - zunächst war der Rechtsstreit in einer Kammer für Vertragsarztrecht anhängig, wurde aber dann von einer anderen Kammer desselben Gerichts als Streitigkeit aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entschieden. Dies ist kein Einzelfall, denn es existieren bereits zahlreiche divergierende Entscheidungen von Instanzgerichten zu diesem Problembereich (vgl unten Punkt B.1.c). Der erkennende 3. Senat ist dabei der Auffassung, dass es sich um eine Streitigkeit nach § 51 Abs 1 Nr 2 SGG handelt, die in seine Zuständigkeit (oder - je nach Poolung - in die des 1. Senats) fällt (vgl unten Punkt B.1.b). Der 6. Senat hat sich jedoch anlässlich eines Verfahrens zur Frage, welche Institution nach Einführung des veränderten Vergütungsregimes in § 120 Abs 2 SGB V für die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung bei von ermächtigten Hochschulambulanzen verordneten Arzneimitteln zuständig ist, anderslautend geäußert und ausdrücklich seine Zuständigkeit als Spezialsenat für Vertragsarztrecht angenommen (Urteil vom - B 6 KA 36/07 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 20 RdNr 20, vgl unten Punkt B.1.b). Damit ist eine Divergenz vorprogrammiert; diese zu vermeiden, den Instanzgerichten eine klare Vorgabe für die streitige Zuständigkeitsfrage zu geben und damit die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren, ist das erklärte Ziel der Vorlagefrage a).

11b) Die zweite Vorlagefrage ist ebenfalls zur Fortbildung des Rechts und - hier ganz besonders - zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des BSG interpretiert seinen durch § 10 Abs 2 SGG abgesteckten Zuständigkeitsrahmen sehr weit und reklamiert Entscheidungsbefugnisse in verschiedenen Grenzbereichen, die nach Auffassung des erkennenden und weiterer Senate des BSG zum Kernbereich der GKV und nicht zum Vertragsarztrecht gehören. Diese divergierende Sichtweise ist gerade in jüngster Zeit in verschiedenen Entscheidungen des BSG zum Ausdruck gekommen (vgl unten Punkt B.2.b und c) und verunsichert die Instanzgerichte erheblich. Der Bedarf nach einer möglichst raschen Klärung der Zuständigkeit der vertragsarztrechtlichen Spruchkörper und in Abgrenzung dazu der über Krankenversicherungsrecht entscheidenden Kammern und Senate ist deshalb groß, hierzu soll die Beantwortung von Vorlagefrage b) beitragen. Gerade im Zusammenhang mit Zuständigkeitsregelungen, die in den verfassungsrechtlich relevanten Bereich des gesetzlichen Richters hineinspielen, ist das Bestehen eines Schwebezustandes unerträglich und daher so schnell wie möglich zu beenden. Dies gilt umso mehr, als die Problematik durch Zuständigkeits- und Verteilungsregelungen seitens des Präsidiums nicht behoben werden kann (vgl unten Punkt B.2.e).

a) Zur Auslegung des Begriffs der grundsätzlichen Bedeutung in § 41 Abs 4 SGG wird in der Literatur vielfach auf die Kriterien verwiesen, die zur Interpretation der "grundsätzlichen Bedeutung" einer Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) entwickelt worden sind (so etwa Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 41 RdNr 18; Lüdtke in: Lüdtke, Hk-SGG, 3. Aufl 2008, § 41 RdNr 13; ähnlich der 4. Senat des BSG in seinem Vorlagebeschluss vom - B 4 R 85/06 R -, RdNr 16) . Demzufolge müssen die aufgeworfenen Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung, klärungsbedürftig und klärungsfähig, also entscheidungserheblich sein. Der GrS des BSG hat allerdings herausgearbeitet, dass dem Wortpaar "grundsätzliche Bedeutung" im Kontext einer Vorlage nach § 41 Abs 4 SGG eine eigene und über die Grundsätzlichkeit iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl insbesondere BSGE 62, 255, 257 ff). Der GrS soll sich nämlich nicht zu allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung äußern, denn die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen ist in erster Linie Aufgabe der einzelnen Senate (BSGE aaO, 258) . Die Bedeutung einer Vorlage an den GrS muss mithin "in höherem Maße grundsätzlich" sein als hinsichtlich der Revisionszulassung (so Zimmermann in: MünchKomm zur ZPO, 3. Aufl 2008, § 132 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG> RdNr 22) . Infolgedessen ist der GrS weder daran gebunden, dass zB eine Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde, noch daran, dass der vorlegende Senat sie für grundsätzlich bedeutsam hält. Er soll vielmehr - auch in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung - nur dann tätig werden, wenn ihm wegen der besonderen Bedeutung der Rechtsfrage, wegen zu erwartender Widerstände oder wegen drohender Divergenz die Beantwortung der Rechtsfrage mit seiner besonderen Autorität erforderlich erscheint (BSGE 62, 255, 258 f) . Diese Voraussetzungen hat das BSG ua dann bejaht, wenn die Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung verschiedener Senate des BSG unterschiedlich beantwortet worden ist, wenn auch nicht in den tragenden Gründen einer Entscheidung, sondern lediglich im Rahmen von obiter dicta (vgl BSGE 51, 23, 26) , oder wenn sich bereits abzeichnet, dass in verschiedenen Senaten des BSG unterschiedliche Auffassungen bestehen, die zu unterschiedlichen Entscheidungen führen könnten (vgl BSGE 62, 255, 259) . Entsprechendes gilt, wenn sich anhand von Rechtsprechung und Literatur zeigt, dass die vorgelegte Rechtsfrage auch künftig noch von weitreichender Bedeutung sein wird (vgl BSGE 49, 175, 181) . Der GrS ist vor allem dann zu einer Grundsatzentscheidung berufen, wenn "prozessuales Querschnittsrecht" betroffen ist - wenn sich also prozessuale Grundfragen in mehreren Fachsenaten gleichermaßen stellen und eine frühzeitige, Divergenzen verhindernde konzertierte Rechtsauslegung oder -fortbildung durch den GrS erforderlich erscheint (so Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, 18. ErgLfg 2009, § 11 RdNr 54).

13b) Die vorgelegten Rechtsfragen besitzen allgemeine und über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Dies ergibt sich schon aus den im Rahmen der Erforderlichkeit aufgezeigten Aspekten (vgl oben Punkt A.1) und wird unter Punkt B. noch im Einzelnen näher dargestellt. Zur ersten Vorlagefrage liegen bereits zahlreiche und sich widersprechende Entscheidungen der Instanzgerichte vor; das weitere Anwachsen der Zahl solch inkonsistenter Urteile ist vorgezeichnet. Außerdem vertreten der 3. und der 6. Senat des BSG diametral entgegengesetzte Auffassungen hinsichtlich der Frage, wie die Tätigkeit von ermächtigten Hochschulambulanzen nach der zum Jahresbeginn 2003 erfolgten Neuregelung durch das FPG zu bewerten ist. Die Problematik der zweiten Vorlagefrage hat sich ebenfalls bereits in einigen höchstrichterlichen Entscheidungen manifestiert; angesichts des vom 6. Senat des BSG sehr weit gezogenen Zuständigkeitsrahmens ist in Zukunft mit weiteren Kompetenzkonflikten zu rechnen, die das Präsidium nicht lösen kann (vgl unten Punkt B.2.e) und denen mit einer Grundsatzentscheidung des GrS begegnet werden soll.

14Sachlicher Hintergrund dafür, dass die Abgrenzung zwischen krankenversicherungsrechtlichen und vertragsärztlichen Streitigkeiten zunehmend problematisch wird, dadurch Rechtsprechungsdivergenzen in den Instanzgerichten verursacht werden und eine entsprechende Entwicklung auf der Ebene der BSG droht, sind insbesondere zwei Faktoren: Zum einen ist dies der gesetzlich normierte Funktionswandel der früheren Bundesausschüsse von reinen, für die gemeinsame kassenärztliche Selbstverwaltung charakteristischen Gremien der Krankenkassen und Kassen(zahn)ärzte, hin zu einem pluralistisch unter gleichzeitiger Beteiligung weiterer Gruppen zusammengesetzten untergesetzlichen Normgeber - dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) (vgl näher unten Punkt B.2.a). Zum anderen ist die gesetzlich vorprogrammierte Zunahme der Leistungserbringervielfalt infolge einer Relativierung und bewussten Zurücknahme der klassischen Steuerungsfunktion gerade der Kassen-/Vertragsärzte in niedergelassener Praxis zu nennen, insbesondere durch die Erweiterung der Aufgaben der Krankenhäuser im Bereich der ambulanten Versorgung, durch neue Formen der Leistungserbringung und gänzlich neu geschaffene Regelungsmechanismen wie zB Selektivverträge (vgl näher unten Punkt B.2.b und c).

15c) Die vorgelegten Rechtsfragen sind klärungsbedürftig. Dies ergibt sich zum einen aus der Unklarheit über die Besetzung der Spruchkammern mit ehrenamtlichen Richtern (§ 12 Abs 2 oder § 12 Abs 3 SGG) , so dass die Instanzgerichte Gefahr laufen, aufgrund fehlerhafter Besetzung der Spruchkörper einen wesentlichen Verfahrensmangel zu begehen (vgl § 144 Abs 2 Nr 3, § 160 Abs 2 Nr 3, § 202 SGG iVm § 547 ZPO) . Zum anderen zeigen die obiter dicta des 1., 3. und 6. Senats (vgl unten Punkt B.2.b - d) unterschiedliche Rechtsauffassungen in der Frage der Auslegung des Begriffs "Vertragsarztrecht", so dass in Zukunft mit divergierenden Entscheidungen zu rechnen ist.

16d) Die vorgelegten Rechtsfragen sind auch entscheidungserheblich, also klärungsfähig. Klage und Berufung sind statthaft und zulässig; der Schiedsspruch der Beklagten stellt einen Verwaltungsakt dar, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anfechtbar ist (§ 120 Abs 4 SGB V iVm § 18a KHG). Entgegen § 18a Abs 6 Satz 11 KHG ist nicht der Verwaltungsrechtsweg gegeben; zuständig sind vielmehr die Sozialgerichte, da es sich nicht um einen Streit betreffend das Pflegesatzverfahren, sondern um eine spezifische Streitigkeit in Angelegenheiten der GKV iS von §§ 51 Abs 1 Nr 2, 70 Nr 4 SGG handelt (Knittel in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung - Pflegeversicherung, Stand: November 2009 - Band 2, § 120 SGB V RdNr 8) . Dies hat auch das SG zutreffend erkannt (vgl Protokoll des Erörterungstermins vom mwN und Urteil vom , Umdruck S 6); ihm hat das LSG nicht widersprochen (Urteil vom , Umdruck S 8). Dies ist im Ergebnis zutreffend und für den erkennenden Senat zudem gemäß § 17a Abs 5 GVG bindend. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, vgl § 18a Abs 6 Satz 12 KHG (Knittel in: Krauskopf, aaO, RdNr 9; ebenso für das Schiedsverfahren in der Pflegeversicherung § 85 Abs 5 Satz 4 SGB XI) . Der Senat hält die Nichtzulassungsbeschwerde für zulässig und begründet, muss jedoch im Falle einer Zulassung der Revision - übrigens ebenso im Falle einer Verwerfung oder Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde - die grundsätzliche Frage beantworten, ob die zu treffende Entscheidung eine solche des Krankenversicherungsrechts (§§ 51 Abs 1 Nr 2, 10 Abs 1 SGG) ist oder zum Vertragsarztrecht (§ 10 Abs 2 SGG) gehört. Dies betrifft unmittelbar die erste Vorlagefrage, mittelbar jedoch auch die zweite Vorlagefrage, denn die erstere kann nicht losgelöst von der Gesamtproblematik und damit von der letzteren beantwortet werden. Wie im Folgenden noch ausgeführt wird, steht generell die Abgrenzung des Vertragsarztrechts als Spezialmaterie zum übergeordneten Begriff des Rechts der GKV auf dem Prüfstand. Eine allseits befriedende, für die Instanzgerichte richtungweisende und zukünftige Divergenzen vermeidende Lösung bedingt deshalb eine umfassende Auseinandersetzung des GrS mit dem Streitstoff im Sinne einer "in höherem Maße grundsätzlichen" Diskussion. In den obiter dicta des 1., 3. und 6. Senats sind bereits verschiedene Fallkonstellationen benannt und divergierend beantwortet worden; sie alle haben aber wie die erste Vorlagefrage denselben Ausgangspunkt - wie nämlich der Begriff "Vertragsarztrecht" in § 10 Abs 2 SGG zu interpretieren ist. Deshalb ist die zweite Vorlagefrage für den erkennenden Senat ebenfalls entscheidungserheblich, denn sie umfasst die erste Vorlagefrage inhaltlich und nur ihre zumindest inzidente Beantwortung "mit der Autorität des GrS" (BSGE 62, 255, 259) wird über den zu entscheidenden Fall hinaus Klarheit zur Abgrenzung des Vertragsarztrechts im Leistungserbringerrecht der GKV bringen. Wie wichtig und notwendig dies ist, zeigen die Entscheidungen des 6. Senats vom (B 6 KA 30/09 R und B 6 KA 31/09 R, letzteres zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) : Dort hat der 6. Senat zu Klagen im Zusammenhang mit der Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlungen nach § 116b Abs 2 SGB V - hierzu hält der 3. Senat seine Zuständigkeit ebenfalls für begründet (vgl unten Punkt B.2.c) - trotz Kenntnis der gegenteiligen Auffassung des 1. und 3. Senats ausgeführt, zuständig seien die Spruchkörper für Vertragsarztrecht; eine Vorlage an den GrS wegen grundsätzlicher Bedeutung sei indes nicht geboten, "weil weder in der Praxis der Instanzgerichte noch in der Wissenschaft die bisherige, langjährige Rechtsprechung des 6. Senats zur Abgrenzung der Angelegenheiten des Vertragsarztrechts iS des § 10 Abs 2 SGG von denen der Sozialversicherung iS des § 10 Abs 1 SGG in Frage gestellt worden" sei (zitiert nach BSG - Terminbericht Nr 5/10 vom , S 3; vgl dazu auch unten Punkt B.2.d) . Dies ist erkennbar unzutreffend und zeigt, dass eine Befassung des GrS dringend erforderlich ist.

17e) Eine - möglicherweise vorrangige - Anrufung des GrS wegen Divergenz iS von § 41 Abs 2 SGG kommt nicht in Betracht. Zwar hat der 6. Senat in seiner Entscheidung vom (B 6 A 1/08 R, BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2) bereits Ausführungen zu der aus seiner Sicht richtigen Definition des Vertragsarztrechtsbegriffs nach § 10 Abs 2 SGG gemacht. Die dort getroffenen Aussagen stellen jedoch weitgehend obiter dicta dar und begründen keine Divergenz iS des § 41 Abs 2 SGG zum vorliegenden Verfahren. In dem vom 6. Senat entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der aufsichtsbehördlichen Beanstandung einer Entscheidung des GBA zur Protonentherapie auf der Grundlage des § 137c SGB V; für diesen Streitgegenstand hat der 6. Senat seine Zuständigkeit ausdrücklich bejaht. Daneben hat er zwar auch noch eine Reihe anderer Rechtsgrundlagen und Verfahrensgegenstände benannt, die aus seiner Sicht dem Vertragsarztrecht nach § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen sind. Diese Zuordnung konnte der 6. Senat jedoch lediglich im Rahmen von obiter dicta treffen. Allein entscheidungserheblich war die Aussage, dass Verfahren, die nach Maßgabe des § 137c SGB V zu beurteilen sind, in die Zuständigkeit des 6. Senats fallen; hierzu kann sich der 3. Senat durch eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht in unmittelbaren Widerspruch setzen. Beide Verfahren sind anhand unterschiedlicher materieller Rechtsgrundlagen zu entscheiden, auch wenn die dahinter stehende Problematik identisch ist.

Entsprechendes gilt für die Entscheidung des 6. Senats vom (B 6 KA 36/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 20) . In jenem Verfahren ging es um die Frage, ob die Prüfgremien nach § 106 SGB V auch nach der im FPG zum erfolgten Neuregelung der Honorierung ermächtigter Hochschulambulanzen weiterhin für die Wirtschaftlichkeitsprüfung dort verordneter Leistungen zuständig sind; hierfür hat der 6. Senat seine Zuständigkeit bejaht. Im vorliegenden Fall ist jedoch streitig, wie eine Schiedsstellenentscheidung zur Vergütung der Leistungen einer Hochschulambulanz rechtlich zu bewerten ist - dies fällt nach Meinung des erkennenden 3. Senats in dessen Zuständigkeit. Die Streitgegenstände sind unterschiedlich, eine Divergenz ist nicht begründet.

18Insgesamt ist nicht damit zu rechnen, dass die streitigen und insbesondere für die Instanzgerichte wichtigen Zuordnungs- und Zuständigkeitsfragen durch eine Divergenzvorlage an den GrS nach § 41 Abs 2 SGG zeitnah geklärt werden können. Der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat interpretiert den Begriff "Vertragsarztrecht" sehr weitgehend und schließt aus dem Geschäftsverteilungsplan des BSG, dass durch die Zuweisung der Streitigkeiten aus dem Vertragsarztrecht an ihn eine abschließende Beurteilung getroffen worden ist. Ausgangspunkt dieser Beurteilung ist allerdings der Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 2008 (vgl Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 1 RdNr 2) , der noch eine sehr weitgehende und heute nicht mehr zutreffende Auflistung zum Begriff "Vertragsarztrecht" enthielt, die dem jetzigen Geschäftsverteilungsplan - bewusst (vgl Loytved/ Leitherer, "Vorläufiges Gutachten zur Abgrenzung der Zuständigkeit von gesetzlicher Krankenversicherung und Vertragsarztrecht im Rahmen der Geschäftsverteilung durch das Präsidium" vom ) - nicht mehr zugrunde liegt (vgl auch unten Punkt B.2.e). Schon damals war klar, dass eine Klärung der aufgetauchten Streitfragen letztlich allein durch den GrS erfolgen kann (Loytved/Leitherer, aaO, S 7) . In Betracht kommt daher nur eine Vorlage an den GrS wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 41 Abs 4 SGG.

20Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis findet heute noch in § 10 SGG seinen Niederschlag, der das Fachkammerprinzip regelt. Nach Abs 1 Satz 1 der Vorschrift sind Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Arbeitsförderung .... zu bilden; Satz 2 sieht fakultativ die Möglichkeit der Bildung von eigenen Kammern für die Knappschaftsversicherung einschließlich der Unfallversicherung für den Bergbau vor. Dass das Vertragsarztrecht als Regelungsbestandteil des SGB V zur Sozialversicherung und im engeren Sinne zum Leistungserbringerrecht des SGB V gehört, bedarf keiner weiteren Erklärung. Wenn der Gesetzgeber in § 10 Abs 2 SGG gleichwohl die Bildung eigener Kammern für das Vertragsarztrecht zwingend vorschreibt, so wird darin deutlich, dass es sich ersichtlich um eine Ausnahmeregelung handelt, deren extensive Anwendung grundsätzlich einer besonderen Rechtfertigung bedarf - "Absatz 2 steht zu Absatz 1 im Verhältnis der Spezialität" (so Groß in: Lüdtke, Hk-SGG, 3. Aufl 2008, § 10 RdNr 5) . Noch deutlicher bezeichnet Zeihe das Vertragsarztrecht als einen "besonderen Rechtsbereich, da es sich nicht unmittelbar um Sozialrecht handelt"; wegen der vielfältigen Verästelungen im Bereich des ärztlichen Vertragsrechts sei dort eine besondere Sachkunde erforderlich (Zeihe, SGG, 48. Lieferung, Stand: Juli 2009, § 10 RdNr 14a; vgl auch § 12 RdNr 19a) . Für eine ausdehnende Interpretation der Zuständigkeit der Kammern/Senate für Vertragsarztrecht, wie sie der 6. Senat vornimmt, besteht deshalb keine gesetzliche Legitimation.

21Der Sondercharakter des Vertragsarztrechts manifestiert sich außerdem in § 12 SGG, der die Besetzung der Kammern insbesondere mit ehrenamtlichen Richtern regelt. Für das Vertragsarztrecht wirken gemäß § 12 Abs 3 SGG neben Vertretern der Krankenkassen nur und ausschließlich Vertrags(zahn)ärzte und Psychotherapeuten mit - offensichtlich, weil sie bei Streitigkeiten aus dem eigenen Tätigkeitsbereich die erforderliche besondere Sachkunde aufweisen (BSGE 23, 105, 110; vgl auch Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 12 RdNr 6 mwN) . Daraus folgt für den erkennenden Senat, dass die Zuständigkeit der Kammern/Senate für Vertragsarztrecht gerade auf derartige Streitigkeiten zu begrenzen und nicht - wie es der 6. Senat vor allem mit seinen Ausführungen im Urteil vom (B 6 A 1/08 R, BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, jeweils RdNr 25) dargelegt hat - auf andere Rechtsgebiete des SGB V und hier konkret auf Rechtsstreite über die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Leistungserbringung zu erweitern ist. Es ist nicht ersichtlich, warum Vertrags(zahn)ärzte und Psychotherapeuten als ehrenamtliche Richter in Rechtsstreitigkeiten zB nach § 137c SGB V - Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus -, nach § 116b SGB V - Ambulante Behandlung im Krankenhaus - oder nach § 115b SGB V - Ambulantes Operieren im Krankenhaus - anstelle der "normalen" ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs 2 SGG) zur Entscheidung berufen sein sollen. Dies gilt erst Recht für Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und den gemäß § 117 Abs 1 SGB V ohne besondere Ermächtigung zur ambulanten ärztlichen Versorgung zugelassenen Hochschulambulanzen, wenn es zB um die Prüfung von deren Wirtschaftlichkeit (§ 106 SGB V) oder - wie hier - um deren Vergütungsansprüche gegenüber den Krankenkassen (§ 120 Abs 2 und 4 SGB V) geht.

22b) Gemäß § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V in der bis zum gültigen Fassung war der Zulassungsausschuss - Ausschuss zur Beschlussfassung und Entscheidung in vertragsärztlichen Zulassungssachen, § 96 Abs 1 Satz 1 SGB V - verpflichtet, Polikliniken auf Verlangen ihrer Träger ohne weitere Prüfung zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und des in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personenkreises zu ermächtigen. Dies gilt auch heute noch, der Kreis der solchermaßen zur ambulanten ärztlichen Behandlung zugelassenen Hochschuleinrichtungen wurde jedoch durch das FPG mit Wirkung zum erheblich erweitert und der neue Begriff "Hochschulambulanzen" eingeführt. In der Begründung des Bundesrates vom (BR-Drucks 701/01 - Beschluss, S 3 f) zum Regierungsentwurf vom heißt es dazu: "Unter 'Polikliniken' sind herkömmlich Ambulanzeinrichtungen zu verstehen, deren Ermächtigung zunächst sicherstellt, dass für Forschungs- und Lehrzwecke das gesamte Spektrum medizinischer Maßnahmen durchgeführt werden kann. Die institutionelle Ermächtigung ausschließlich derartiger Einrichtungen für Zwecke von Forschung und Lehre entspricht wegen des hohen Spezialisierungsgrades des Leistungsspektrums der Hochschulmedizin und des Forschungsbedarfs in speziellen Fachgebieten nicht mehr den Anforderungen von Forschung und Lehre und nicht mehr der Versorgungswirklichkeit. Deshalb werden alle Ambulanzeinrichtungen im Hochschulklinikum unter der Bezeichnung 'Hochschulambulanzen' zusammengefasst." Dadurch wird den Hochschul-Krankenhäusern nun das umfassende Recht eingeräumt, ambulante ärztliche Behandlungsleistungen zu erbringen. Es handelte sich um eine weitere Maßnahme des Gesetzgebers im Vierten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V - Leistungserbringerrecht - zur Öffnung der Krankenhäuser und zur Erweiterung von deren Aufgabenspektrum (§§ 115 ff SGB V) , nicht aber um eine Ausdehnung des Vertragsarztrechts (§§ 72 ff SGB V) . Dies wird auch in den weiteren Regelungen des § 117 Abs 1 SGB V deutlich: Die den Hochschulambulanzen zu erteilende Ermächtigung ist so zu gestalten, dass sie die Untersuchung und Behandlung der in Satz 1 genannten Personen in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang durchführen können (§ 117 Abs 1 Satz 2 SGB V). Auf diese Ermächtigung besteht ein Rechtsanspruch; eine Bedürfnisprüfung durch den Zulassungsausschuss ist ausgeschlossen (Hess in: KassKomm, Stand: 63. Erg-Lieferung Oktober 2009, § 117 SGB V, RdNr 3) ; nähere Einzelheiten sind vertraglich zu regeln (§ 117 Abs 1 Satz 3 SGB V) . Gerade durch diese Vertragskompetenz wird die Nähe zum allgemeinen Krankenhausrecht unterstrichen, es handelt sich keinesfalls um "Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten ... einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände", wie es § 10 Abs 2 SGG formuliert.

23Ein Blick in die Vergütungsregelung des § 120 SGB V unterstreicht dieses Ergebnis: Dort heißt es in § 120 Abs 2 Satz 1 SGB V: "Die Leistungen der Hochschulambulanzen ... werden unmittelbar von der Krankenkasse vergütet." Diese Regelung ist ebenfalls durch das FPG zum eingefügt worden und hat das alte Vergütungsregime für Polikliniken abgelöst, deren Leistungen noch aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung entlohnt wurden. In der Gesetzesbegründung hierzu heißt es (BR-Drucks 701/01 S 53) : "Die im Rahmen von Forschung und Lehre an den Polikliniken erbrachten Leistungen werden nicht mehr aus der Gesamtvergütung für Vertragsärzte vergütet. Diese Änderung ist geboten, um die Gesamtvergütung von solchen Leistungen zu entlasten, die nicht aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden. Durch die Neuregelung in Satz 1 wird des Weiteren vermieden, dass die Vergütung der Polikliniken durch die innerärztliche Honorarverteilung betroffen wird. Durch Satz 2 erhalten die Träger der Hochschulkliniken das Recht, selbst über die Vergütung der im Rahmen von Forschung und Lehre erbrachten Leistungen mit den Krankenkassen zu verhandeln. Dies ist zur Gewährleistung einer die besonderen Umstände der Leistungserbringung berücksichtigenden Vergütung erforderlich."

24Für den 3. Senat folgt daraus zwingend, dass es sich bei der hier zu entscheidenden Fallgestaltung um eine Frage des allgemeinen Krankenversicherungsrechts handelt, "Vertrags(zahn)arztrecht" ist nicht berührt. Die gegenteilige Ansicht einiger Instanzgerichte (vgl unten Punkt B.1.c) und des 6. Senats des BSG (vgl obiter dictum im Urteil vom , aaO, jeweils RdNr 25 und inzident im Urteil vom , aaO, RdNr 20) vermögen nicht zu überzeugen. Denn entscheidend kommt es allein auf die materielle Zuordnung an: Eine aus dem SGB V stammende Rechtsmaterie gehört nur dann zum Vertragsarztrecht, wenn das zu Grunde liegende materiell-rechtliche Rechtsverhältnis die "Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten ... einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände" regelt. Das ist hier jedoch gerade nicht der Fall, wie der Gesetzgeber in der oa Begründung zum FPG eindeutig klargestellt hat; es geht bei den Ermächtigungen von Hochschulambulanzen nicht - wie der 6. Senat im oa obiter dictum (Urteil vom , aaO) unzutreffend ausgeführt hat - "um den Zugang" von Krankenhäusern "zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung", sondern um die Erweiterung ihres ureigenen Leistungsspektrums als Krankenhaus. Nicht jede ambulante Behandlung rechnet zwangsläufig zum Vertragsarztrecht, wie schon die vom Gesetzgeber normierten Beispiele in § 115a Abs 1 SGB V (vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus), in § 115b Abs 1 Satz 1 SGB V (ambulantes Operieren im Krankenhaus) oder in § 116b SGB V (ambulante Behandlung im Krankenhaus) deutlich zeigen.

25Im Übrigen hat der Gesetzgeber bei einem Streit über die Grundsätze und Höhe der Vergütung der Leistungen von Hochschulambulanzen, wie er hier zu entscheiden ist, nicht etwa Institutionen im Rahmen der gemeinsamen Selbstverwaltung des Vertragsarztrechts für zuständig erachtet, sondern es ist gemäß § 120 Abs 4 SGB V die Schiedsstelle nach § 18a Abs 1 KHG anzurufen, die im Krankenhausrecht grundsätzlich bei Streitigkeiten über die Höhe der Pflegesätze (§ 18 KHG) zu befinden hat. Sie setzt sich zusammen aus einem neutralen Vorsitzenden sowie aus Vertretern der Krankenhäuser und Krankenkassen in gleicher Zahl einschließlich eines Vertreters der privaten Krankenversicherung (§ 18a Abs 2 Satz 1 und 2 KHG) und knüpft damit konkret an den Kreis der Institutionen an, die die Vergütungsvereinbarungen nach § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V zu treffen haben. Die Kassenärztliche Vereinigung oder gar einzelne Vertrags(zahn)ärzte sind daran naturgemäß nicht beteiligt. Deshalb ist ein entsprechender Schiedsspruch auch nicht von den Kammern/Senaten für Vertragsarztrecht zu überprüfen (ebenso Zeihe, aaO, § 10 RdNr 14c; vgl auch Beschluss des 7. Senats des - SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 20) .

26c) Nach den zuvor aufgezeigten Maßstäben (vgl oben Punkt A.2) ist grundsätzliche Bedeutung ua dann anzunehmen, wenn sich anhand von Rechtsprechung und Literatur zeigt, dass die vorgelegte Rechtsfrage auch künftig noch von weitreichender Bedeutung sein wird (vgl BSGE 49, 175, 181) . Ein solcher Indikator ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zu sehen, die derzeit offenkundig keine klare Zuordnung von Vergütungsverfahren nach § 120 Abs 2 und 4 SGB V zum Vertragsarztrecht bzw zum Recht der GKV vorzunehmen weiß. Die Instanzgerichte haben derartige Verfahren teilweise als solche des Krankenversicherungsrechts qualifiziert (so SG Magdeburg, Urteil vom - S 7 KR 822/04 -, juris; ebenso beide Instanzen in dem anhängigen Verfahren B 3 KR 36/09 B) , teilweise aber auch dem Vertragsarztrecht zugeordnet und durch die dafür zuständigen Kammern entschieden (so -, GesR 2008, 88; ähnlich -, MedR 2003, 706, in dem die "richtige" Besetzung nach § 12 Abs 3 SGG sogar thematisiert worden ist; vgl auch -, juris) .

27Mit Blick darauf sowie auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen des 3. und 6. Senats des BSG ist schon jetzt deutlich erkennbar, dass die vorgelegte Rechtsfrage im Sinne der Rechtsprechung des GrS auch künftig noch von weitreichender Bedeutung in der Rechtsprechung sein wird. Eine Klärung ist nicht in Sicht. Die Instanzgerichte laufen Gefahr, aufgrund fehlerhafter Besetzung der Spruchkörper einen wesentlichen Verfahrensmangel zu begehen (vgl §§ 144 Abs 2 Nr 3, 160 Abs 2 Nr 3 und 202 SGG iVm § 547 ZPO) . Gerade unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich die besondere - grundsätzliche - Bedeutung der Frage, ob Vergütungsstreitigkeiten nach § 120 Abs 2 und 4 SGB V solche des Vertragsarztrechts sind oder nicht. Da mit der Beantwortung dieser Frage zugleich die Klärung von Kammer- und Senatszuständigkeiten in allen Instanzen verbunden ist, können die sich abzeichnenden Unklarheiten in der Instanzrechtsprechung gerade nicht zu gegebener Zeit durch den "zuständigen" BSG-Senat entschieden werden. Die grundsätzliche Klärung solcher Kompetenzstreitigkeiten ist vielmehr eine typische Aufgabe des GrS.

29Dieser Ansatzpunkt ist nach Ansicht des vorlegenden 3. Senats spätestens seit der Neufassung des § 91 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom (BGBl I S 2190) nicht (mehr) zutreffend. Seit Jahresbeginn 2004 sind nämlich die verschiedenen Bundesausschüsse in bewusster Abkehr von der alten Rechtslage zu einem einheitlichen und sektorübergreifenden Steuerungsgremium zusammengefasst worden (vgl Gesetzentwurf zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 106 zu Nr 70) . Der GBA wird durch die Spitzenverbände der gemeinsamen Selbstverwaltung gebildet; er ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, seine Beschlüsse gelten für alle in der GKV Handelnden einschließlich Versicherte und Leistungserbringer (§ 91 Abs 6 SGB V) , haben in aller Regel verbindliche Geltung und stehen in der Normenhierarchie direkt unterhalb des Gesetzes (vgl Roters in: KassKomm, aaO, § 91 SGB V RdNr 20 ff, 24) . Nach § 91 Abs 2 Satz 1 SGB V besteht das Beschlussgremium des GBA aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie fünf vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Daraus, dass nur noch drei der dreizehn Mitglieder Vertreter der Vertrags(zahn)ärzte sind, kann heute keinesfalls mehr hergeleitet werden, dass es sich bei den Entscheidungen des GBA grundsätzlich um solche "aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertrags(zahn)ärzten" handelt. Das verdeutlicht auch die Auflistung der Bereiche (§ 92 Abs 1 Satz 2 SGB V) , in denen der GBA verbindliche Richtlinien erlassen kann. Sie betreffen das gesamte Leistungserbringerrecht des SGB V und gehen noch darüber hinaus (zB Nr 7: Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit, Nr 9: Bedarfsplanung, Nr 13: Qualitätssicherung) . Das entscheidende Abgrenzungskriterium wird deshalb nicht im SGG, sondern nur im materiellen Recht insbesondere des SGB V zu finden sein.

30b) Die Tatsache, dass ohne eine grundlegende Entscheidung des GrS zukünftige Divergenzen innerhalb der GKV-Fachsenate des BSG unvermeidbar sein werden und die Eingangsinstanzen schon heute keine Orientierung mehr besitzen, mit welcher Besetzung bestimmte Streitfälle zu verhandeln sind, wird durch mehrere Entscheidungen des 1., 3. und 6. Senats des BSG verdeutlicht. So hat zunächst der 6. Senat seine Zuständigkeit in einem Verfahren bejaht, in dem es um die Bewertung einer bestimmten Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Krankenhaus (§ 137c SGB V) ging, weil "zu den in § 10 Abs 2 SGG genannten Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände … auch die Streitigkeiten über Entscheidungen der gemeinsamen Gremien von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern oder anderen Leistungserbringern und Krankenkassen" rechnen würden; dies habe schon immer - vor allem bezogen auf den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, nunmehr GBA - der Rechtsprechung des BSG entsprochen. Daran habe auch die zum geänderte Struktur dieses Gremiums nichts geändert (Urteil vom , aaO, RdNr 20 ff) .

33Dem oa obiter dictum des 6. Senats hat der 3. Senat ausdrücklich widersprochen und darauf hingewiesen, dass Streitverfahren über die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Leistungen - §§ 115a ff SGB V, insbesondere § 116b Abs 2 SGB V - gerade nicht als solche des Vertragsarztrechts iS des § 10 Abs 2 SGG anzusehen sind (aaO, RdNr 13) .

35Der 7. Senat des BSG hat sich anlässlich eines Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Gerichts (§ 58 Abs 1 Nr 4 SGG) ebenfalls schon zur Tragweite des § 10 Abs 2 SGG geäußert und die am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung des 1. und 3. Senats geteilt; er hat klargestellt, dass Streitigkeiten zwischen einem Krankenhausträger und einem Krankenhaus nicht zum Vertragsarztrecht zu zählen sind (Beschluss vom - B 7 SF 6/04 S - SozR 4-1500 § 57a Nr 2, RdNr 20) .

37Der 6. Senat hat sich damit trotz Kenntnis der widersprechenden Auffassungen vor allem des 1. und 3. Senats nicht zu einer Anrufung des GrS nach § 41 Abs 4 SGG entschließen können, obwohl eine mögliche Divergenz sowohl in Bezug auf Streitigkeiten zu § 116b Abs 2 SGB V als auch in anderen Bereichen, in denen der GBA Richtlinien erlässt, vorgezeichnet ist. Deshalb hält es der vorlegende Senat für sachgerecht und geboten, den GrS nicht nur zur Entscheidung der Vorlagefrage 1, sondern vor allem auch der Vorlagefrage 2 zu ersuchen.

38e) Dies gilt umso mehr, als die Problematik nicht durch eine Entscheidung des Präsidiums des BSG gelöst werden kann. Denn das Präsidium eines Gerichts bestimmt grundsätzlich nur die Besetzung der Spruchkörper, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte (§ 21e Abs 1 Satz 1 GVG) , es ist aber nicht zur authentischen Interpretation gesetzlicher Vorschriften berufen. Dies ist Sache des Gesetzgebers, der die maßgeblichen Zuständigkeitsregeln selbst aufzustellen hat (vgl BVerfGE 19, 52; 95, 322) . Deshalb war die Zuständigkeit des 6. Senats in den Geschäftsverteilungsplänen des BSG zunächst jahrelang mit "Kassenarztrecht" und später - bis einschließlich 2000 - mit "Vertrags(zahn)arztrecht" umschrieben. Erst danach begann eine stark ausdifferenzierte Zuweisung von Streitigkeiten nach konkreten Anspruchsgrundlagen im SGB V an den 6. Senat, die offensichtlich mit dem erweiterten Aufgabenspektrum des GBA, den Modifikationen im Leistungserbringerrecht und vor allem mit der Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlungen zusammenhing. Noch für das Jahr 2009 fand sich im maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan (RdNr 6) folgende unübersichtliche Regelung:

40Wäre die Auffassung des 6. Senats zutreffend, dass dies alles "Vertragsarztrecht" sei, wogegen allerdings schon die dem Gesetz entsprechende Definition in Satz 1 des Geschäftsverteilungsplans spricht, dann hätte es dieser Spezifizierung im Geschäftsverteilungsplan nicht mehr bedurft.

41Nach den Empfehlungen von Loytved/Leitherer (Vorläufiges Gutachten ... vom - vgl oben Punkt A.2.e) ist der Geschäftsverteilungsplan 2010 wieder an die gesetzliche Regelung angenähert worden. Nunmehr heißt es dort (aaO, RdNr 6) :

43Diese Formulierung lehnt sich eng an den Text des § 10 Abs 2 SGG an und berücksichtigt zudem unstreitige Erweiterungen durch die Rechtsprechung des BSG. Die frühere - erweiternde - Spezifizierung hat das Präsidium auf Vorschlag von Loytved/Leitherer (aaO, S 7 f ) nicht übernommen, weil sie missverständlich und zum Teil auch unzutreffend gewesen ist. Eine abschließende Klärung der unterschiedlichen Standpunkte und die gewünschte Klarstellung für die Zukunft konnte das "Vorläufige Gutachten" nicht bringen, weil das Präsidium insoweit keine Regelungsbefugnis besitzt; dies kann letztlich nur durch eine Entscheidung des GrS erfolgen (so ausdrücklich Loytved/Leitherer,aaO, S 7) .

44Wie wichtig und bedeutsam eine umfassende Klärung der Problematik durch den GrS ist, zeigt die Praxis der Geschäftsverteilung innerhalb der Geschäftsstelle des BSG. Nach Ziffer IV.1. der "Geschäftsverteilung in der Geschäftsstelle" - in der neuesten Fassung gültig ab - obliegt dem Leiter der Geschäftsstelle das "Auszeichnen der Rechtsmittelschriften", also die Zuordnung der Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden zu den einzelnen Senaten. Maßgebliches Hilfsmittel ist für ihn der Geschäftsverteilungsplan. Bei der bestehenden Unsicherheit, was unter dem Begriff "Vertragsarztrecht" konkret zu verstehen ist, wird dem Leiter der Geschäftsstelle eine Entscheidung zugemutet, die das Präsidium selbst mangels Kompetenz nicht treffen kann: Er muss die Regelung des § 10 Abs 2 SGG authentisch interpretieren, einen Senat - KR oder KA - gerade in den aufgezeigten Zweifelsfällen als zuständig erkennen und damit den gesetzlichen Richter bestimmen. Die Möglichkeit, sich vor der Auszeichnung einer Sache beim Präsidium oder einem der Fachsenate rückzuversichern, ist nur von geringer Relevanz - das Präsidium besitzt keine Entscheidungskompetenz und in den immer häufiger werdenden Zweifelsfragen des SGB V besteht die Gefahr, dass jeder "erstangegangene" Senat - KA oder KR - seine Zuständigkeit bejahen wird. Dies ist ein unhaltbarer Zustand, denn die Zuteilung von Streitigkeiten aus dem GKV-Leistungserbringerrecht erfolgt damit gerade in solchen Fällen, in denen die Senatszuständigkeit zweifelhaft ist, nach dem reinen Zufallsprinzip; deshalb ist eine umfassende Beantwortung insbesondere der Vorlagefrage 2 durch den GrS erforderlich.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:100310BB3KR3609B0

Fundstelle(n):
CAAAD-45023