Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: OLG Hamburg, 4 U 160/07 vom LG Hamburg, 417 O 121/07 vom
Gründe
I. Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag vom von einer aus den Beklagten bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Verkäuferin) ein Grundstück in H. , das teilweise an einen Kinobetreiber vermietet war. Der Kinobetreiber durfte den Mietzins nach dem Mietvertrag solange um 20% mindern, bis "im Nebengebäude an der B. straße oder im Gebäude, in dem sich das Mietobjekt befindet, Feizeitanlagen (mindestens Bowlingcenter mit mehreren Bowlingbahnen und 1.000 m² Gastronomie), errichtet werden". In dem Kaufvertrag verpflichtete sich die Verkäuferin, die Klägerin von Mietausfallrisiken auf Grund dieses Mietminderungsrechts freizustellen. Der Kinobetreiber machte von seinem Mietminderungsrecht in dem hier zu beurteilenden Zeitraum vom bis einschließlich Dezember 2005 Gebrauch. Darauf beruht die Klageforderung von 512.947,25 EUR nebst Zinsen. Die Beklagten wenden ein, der Schwellenwert von "1.000 m² Gastronomie" sei erreicht gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit welcher sie die Wiederherstellung des Landgerichtsurteils erreichen wollen. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
1. Das Berufungsgericht legt die Freistellungsklausel dahin aus, dass die Beklagten die Klägerin von Mietausfällen nur dann und nur solange freizustellen haben, wie die Schwelle von 1.000 m² Gastronomiefläche nicht erreicht ist. So sei es hier. Die gastronomisch genutzten Flächen in der Bowlingbahn zählten nach der Klausel nicht mit. Dazu gehörten nur die Flächen in einem Billardcafe des Mieters Ö. und die Gastronomieflächen der Mieterin A. . Diese lägen aber unterhalb von 1.000 m². Dabei sei hinsichtlich der Mieterin A. von dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten auszugehen, wonach die Fläche 602 m² betrage. Der Vortrag im Berufungsverfahren, wonach die Fläche größer sei, sei nicht zu berücksichtigen. Zwar habe der Senat um näheren Vortrag zu der Fläche gebeten. Die Beklagten hätten aber nicht ihren erstinstanzlichen Vortrag präzisiert, sondern einen anderen Vortrag gehalten, nämlich andere Maße angegeben und geltend gemacht, auch eine Fläche vor dem Gebäude sei anzurechnen. Das sei neuer Vortrag, der, da verspätet, nicht zu berücksichtigen sei.
2. Damit hat das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
a) Dem Gewährleistungsgehalt von Art. 103 Abs. 1 GG entnimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, von dem Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (vgl. , NJW-RR 2006, 937; Senat, Beschl. v. , V ZR 225/07, [...]). Der auf einen solchen Hinweis gehaltene Vortrag ist zu berücksichtigen. Das ergibt sich unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG, aber auch einfachrechtlich aus § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nämlich auch vor, wenn das Berufungsgericht die Rechtslage abweichend von der Vorinstanz beurteilt und neuer Vortrag erforderlich ist, um auf der Grundlage dieser Beurteilung zu obsiegen (Senat, Beschl. v. , aaO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das neue Angriffs- und Verteidigungsmittel schon in erster Instanz oder in der Berufungserwiderung hätte vorgebracht werden können.
b) Danach durfte das Berufungsgericht, was es zunächst auch selbst so gesehen hatte, den Vortrag der Beklagten zu der Neuvermessung der den Mietern Ö. und A. vermieteten Räumen und zu den von der Mieterin A. genutzten Räume nur unberücksichtigt lassen, wenn er unschlüssig war.
Das ist möglich, aber auf Grund eines Gesichtspunktes, den die Parteien bisher nicht, jedenfalls nicht in seiner Bedeutung erkannt haben.
aa) Von dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus konnte die Schwelle von 1000 m² nur überschritten und die Erstattungspflichten der Verkäuferin und damit analog § 128 HGB der Beklagten nur entfallen sein, wenn die an die Mieterin A. vermieteten Flächen die im Berufungsverfahren geltend gemachte Größe hatten. Das setzt wiederum voraus, dass unter anderen auch die Außenflächen E 33 und E 34 mit einer Gesamtfläche von 129,98m² auf den Schwellenwert von 1.000 m² angerechnet werden können.
bb) Die Anrechnung dieser Fläche scheitert zwar nicht daran, dass die Mieterin A. für ihre Benutzung, wie die Klägerin meint, keine rechtliche Grundlage hat. Die ergibt sich nämlich aus § 1 Nr. 2a des ursprünglichen Vertrags, der insoweit durch die vorgelegten Nachträge 01 und 02 zu diesem Vertrag keine Änderungen erfahren hat. Danach ist der Mieterin A. auch die in Anlage 1a schraffiert dargestellte Fläche überlassen. Diese Fläche entspricht vielleicht nicht in allen Einzelheiten, aber doch im Kern den in Anlage BB1 als E 33 und E 34 dargestellten Flächen.
cc) Zweifelhaft ist aber, ob der Schwellenwert von 1.000 m² mit dieser Außenfläche erreicht werden kann. Sie ist nicht "in" dem Gebäude. Vor allem aber ist sie nur saisonal nutzbar und kann den Zweck des Schwellenwerts, nämlich durch Schaffung von ganzjährig nutzbaren Gastronomieflächen eines bestimmten Mindestumfangs Publikum anzuziehen, das auch das Kino frequentiert, nicht erreichen. Das zeigt sich auch darin, dass die Mieterin A. für die ihr überlassene Außenfläche keine Miete zu zahlen hat. Im Gegensatz dazu ist mit dieser Mieterin für die in dieser Beziehung werthaltige Fläche im Foyer in den Nachträgen zu dem Mietvertrag die Zahlung eines Mietzinses vereinbart worden, mag dieser auch geringer sein als der für das eigentliche Ladenlokal.
Es spricht deshalb einiges dafür, dass die unentgeltliche Überlassung der Außenfläche keine Schaffung von Gastronomiefläche im Sinne der Vertragsklausel ist. Dann aber hätte die Verkäuferin den Schwellenwert in dem streitigen Zeitraum verfehlt und müsste die Klägerin freistellen. Das führte zur Haftung der Beklagten.
dd) Wie die Klausel in dieser Hinsicht auszulegen ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden, weil die Parteien diesen Punkt bislang jedenfalls nicht in seiner Bedeutung erkannt haben. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom auf Seite 18/19 die Unentgeltlichkeit der Nutzung angesprochen, ohne die angesprochene Fragestellung zu erkennen. Den Beklagten ist schon aus dem Blick geraten, dass Mieterin A. auf Grund des ursprünglichen Mietvertrags zur unentgeltlichen Benutzung dieser Fläche berechtigt war.
3. Die Sache ist daher nach § 544 Abs. 7 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstelle(n):
PAAAD-44547