BGH Beschluss v. - IX ZB 176/09

Insolvenzrecht: Steuerforderungen aus einem vollziehbaren Steuerbescheid als Eröffnungsgrund trotz Anhängigkeit eines finanzgerichtlichen Verfahrens

Gesetze: § 14 Abs 1 InsO, § 16 InsO

Instanzenzug: Az: 1 T 30/09 Beschlussvorgehend Az: 72 IN 102/07

Gründe

1Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 6, 7, 26, 34 Abs. 1 InsO), jedoch unzulässig; weder hat die Sache rechtsgrundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

21. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene, als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob die den Insolvenzantrag stellende Finanzbehörde den Anforderungen an die Glaubhaftmachung bzw. den Nachweis ihrer Forderungen gegen den Schuldner gemäß § 14 InsO durch Vorlage der Steuerbescheide genügt, wenn über die den Steuerbescheiden zugrundeliegenden Steuerforderungen ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist, in dem auch über die Frage zu entscheiden ist, ob der Schuldner rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, ist nicht klärungsbedürftig.

3Ebenso wenig ist klärungsbedürftig die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene, als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob das Insolvenzgericht einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 16 InsO annehmen darf, wenn über die Forderungen, auf die der Eröffnungsantrag gestützt wird, ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist.

4Beide Fragen sind geklärt (vgl. , ZIP 2010, 291, 292 Rn. 6 ff m.w.N.).

5Nach § 14 Abs. 1 InsO muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Eröffnet wird das Verfahren, wenn ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (, ZIP 2006, 1452, 1453 f Rn. 11; aaO S. 292 Rn. 6).

6Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen (, ZIP 2008, 281, 282 Rn. 9; v. aaO). Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (, ZInsO 2009, 2072 Rn. 5 m.w.N.; v. aaO).

7Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen ( aaO). Ob hiervon bei unstreitigen oder offensichtlichen Sachverhalten eine Ausnahme zu machen ist, bedarf keiner Klärung, denn der Sachverhalt ist streitig und das Ergebnis des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht offensichtlich.

8Der Schuldner hat nicht dargelegt, dass die Vollziehung der Steuerbescheide, die weder durch die behaupteten Einsprüche (vgl. § 361 Abs. 1 AO) noch durch die (Untätigkeits-) Klage gehemmt worden war (vgl. § 69 Abs. 1 FGO), ausgesetzt worden wäre (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 bis 4 FGO). Er hat nicht einmal entsprechende Anträge dargelegt.

92. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners lag schon deshalb nicht vor, weil das nach seiner Auffassung übergangene Vorbringen - insbesondere die von ihm erhobene Klage vor dem Finanzgericht und sein dortiger Vortrag zur rechtzeitigen Einlegung der Einsprüche - aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich war.

103. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

Ganter                                Gehrlein                                Vill

                   Lohmann                                 Fischer

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 1774 Nr. 9
VAAAD-44545