Erbringung von Dienstleistungen – Vertragserfüllung in mehreren Mitgliedstaaten
Leitsatz
1. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung anwendbar ist, wenn Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden.
2. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten für die Entscheidung über alle Klagen aus dem Vertrag das Gericht zuständig ist, in dessen Sprengel sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet. Bei einem Handelsvertretervertrag ist dies der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder, mangels solcher Bestimmungen, aus dessen tatsächlicher Erfüllung ergibt; kann der fragliche Ort nicht auf dieser Grundlage ermittelt werden, so ist auf den Wohnsitz des Handelsvertreters abzustellen.
Instanzenzug: OLG Wien (Österreich) - Entscheidung vom
Gründe
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Verordnung) vorgesehenen Regel eines besonderen Gerichtsstands für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen.
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH (im Folgenden: Wood Floor) mit Sitz in Amstetten (Österreich) und der Silva Trade SA (im Folgenden: Silva Trade) mit Sitz in Wasserbillig (Luxemburg) wegen Ersatzes des durch die Auflösung eines in mehreren Mitgliedstaaten erfüllten Handelsvertretervertrags entstandenen Schadens.
Rechtlicher Rahmen
Der erste Erwägungsgrund der Verordnung lautet:
"Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums hat die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen zu erlassen."
Der zweite Erwägungsgrund der Verordnung sieht vor:
"Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen."
Im elften Erwägungsgrund der Verordnung heißt es: "Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein, außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. ..."
Die durch die Verordnung aufgestellten Zuständigkeitsregeln finden sich in ihrem Kapitel II, das aus den Art. 2 bis 31 besteht.
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung, der zu Kapitel II Abschnitt 1 ("Allgemeine Vorschriften") gehört, lautet:
"Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen."
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung, der ebenfalls zu Abschnitt 1 gehört, bestimmt:
"Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden."
In Art. 5 der Verordnung, der sich in Abschnitt 2 ("Besondere Zuständigkeiten") ihres Kapitels II befindet, heißt es:
"Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
b) im Sinne dieser Vorschrift - und sofern nichts anderes vereinbart worden ist - ist der Erfüllungsort der Verpflichtung
- für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;
- für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;
c) ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a);
..."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, erhob Wood Floor am gegen Silva Trade eine Klage beim Landesgericht Sankt Pölten (Österreich), mit der sie beantragte, ihr wegen der Auflösung eines Handelsvertretervertrags eine Kündigungsentschädigung in Höhe von 27 864,65 Euro und einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 83 593,95 Euro zuzusprechen.
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts leitete Wood Floor aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung ab, wobei sie vortrug, dass sie ihre Tätigkeit ausschließlich an ihrem Sitz, d. h. in Amstetten, ausgeübt habe, so dass die Anwerbung und Gewinnung von Kunden in Österreich erfolgt sei.
Silva Trade stellte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in Abrede und machte geltend, über drei Viertel des Umsatzes von Wood Floor seien in anderen Ländern als Österreich erwirtschaftet worden; Art. 5 Nr. 1 der Verordnung enthalte für diesen Fall keine ausdrückliche Regel. Da der Erfüllungsort der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Verpflichtung, die geografisch unbegrenzt sei, nicht bestimmt werden könne, sei Art. 5 Nr. 1 nicht anwendbar, und die Zuständigkeit sei auf der Grundlage von Art. 2 der Verordnung zu bestimmen.
Die Einrede der Unzuständigkeit wurde vom Landesgericht Sankt Pölten mit der Begründung abgewiesen, dass Handelsvertreterverträge unter den Begriff "Erbringung von Dienstleistungen" im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung fielen und dass nach der österreichischen Rechtsprechung bei der Bestimmung des Ortes der Erbringung von Dienstleistungen auf den Tätigkeitsschwerpunkt des Dienstleistungserbringers abzustellen sei, wenn die Dienstleistungen in mehreren Ländern erbracht würden.
Silva Trade erhob Rekurs an das Oberlandesgericht Wien, vor dem sie geltend macht, die fragliche österreichische Rechtsprechung beziehe sich ausschließlich auf den Fall, dass sich die verschiedenen Lieferorte in einem einzigen Mitgliedstaat befänden. Befänden sich die verschiedenen Lieferorte in mehreren Mitgliedstaaten, sei jedes Gericht nur für den Teil der Verpflichtung zuständig, der am Gerichtsort erfüllt werden müsse. Wolle der Kläger - wie hier - seine gesamten Ansprüche bei einem Gericht geltend machen, könne er dies nur auf der Grundlage von Art. 2 der Verordnung tun, so dass in dieser Rechtssache die österreichischen Gerichte unzuständig seien.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, das beabsichtigt, die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen, gelten die im Urteil vom , Color Drack (C-386/05, Slg. 2007, I-3699), genannten Grundsätze auch dann, wenn sich die verschiedenen Orte der Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten befinden; der "Erfüllungsort" im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung müsse anhand des Ortes der Hauptleistung oder des Tätigkeitsschwerpunkts des Dienstleistungserbringers bestimmt werden.
Im vorliegenden Fall habe der Handelsvertreter seine Tätigkeit zum weitaus überwiegenden Teil von Amstetten aus entfaltet, so dass der nach dem zeitlichen Aufwand und der Bedeutung der ausgeübten Tätigkeit zu bestimmende Schwerpunkt seiner Dienstleistungserbringung auch dort liege.
Der Gerichtshof habe jedoch im Urteil Color Drack klargestellt, dass sich seine Antworten in dieser Rechtssache auf den Fall mehrerer Lieferorte in einem einzigen Mitgliedstaat beschränkten und einer Entscheidung im Fall mehrerer Lieferorte in verschiedenen Mitgliedstaaten nicht vorgriffen.
Fraglich sei sodann, wie der Ort der Dienstleistungserbringung zu bestimmen sei und - falls kein einheitlicher Erbringungsort bestimmt werden könne - ob der Kläger seinen gesamten Anspruch nach seiner Wahl bei jedem Gericht geltend machen könne, in dessen Sprengel eine Dienstleistung erbracht worden sei.
Sofern der Gerichtshof die Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten verneine, sei schließlich fraglich, ob Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung anwendbar sei.
Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Wien beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. a) Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen auch dann anwendbar, wenn die Dienstleistungen vereinbarungsgemäß in mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden?
Für den Fall der Bejahung dieser Frage:
Ist die genannte Bestimmung dahin auszulegen, dass
b) der Erfüllungsort der charakteristischen Verpflichtung nach jenem Ort zu bestimmen ist, an dem sich der - nach Zeitaufwand und Bedeutung der Tätigkeit zu beurteilende - Tätigkeitsschwerpunkt des Dienstleistungserbringers befindet;
c) mangels Feststellbarkeit eines Tätigkeitsschwerpunkts die Klage über sämtliche Ansprüche aus dem Vertrag nach Wahl des Klägers an jedem Dienstleistungsort innerhalb der Gemeinschaft eingebracht werden kann?
2. Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen auch dann anwendbar, wenn die Dienstleistungen vereinbarungsgemäß in mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden?
Zu den Vorlagefragen
Zu Frage 1 a
Mit Frage 1 a möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten anwendbar ist.
Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Color Drack die Auffassung vertreten hat, dass die in Art. 5 Nr. 1 der Verordnung vorgesehene Regel eines besonderen Gerichtsstands für vertragliche Streitigkeiten, die die grundsätzliche Regel des Gerichtsstands des Wohnsitzes des Beklagten ergänzt, dem Ziel der räumlichen Nähe entspricht und ihren Grund in der engen Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht hat (Urteil Color Drack, Randnr. 22; Urteile vom , Rehder, C-204/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32, und vom , Car Trim, C-381/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48).
Ferner hat der Gerichtshof zum Erfüllungsort von Verpflichtungen aus Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen ausgeführt, dass die Verordnung dieses Anknüpfungskriterium in ihrem Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich autonom definiert, um die Ziele der Vereinheitlichung der Gerichtsstandsregeln und der Vorhersehbarkeit zu stärken. Für solche Fälle wird somit der Ort der Lieferung der beweglichen Sachen als autonomes Anknüpfungskriterium festgelegt, das auf sämtliche Klagen aus ein und demselben Kaufvertrag anwendbar ist (Urteile Color Drack, Randnrn. 24 und 26, Rehder, Randnr. 33, und Car Trim, Randnrn. 49 und 50).
In Anbetracht der Ziele der räumlichen Nähe und der Vorhersehbarkeit hat der Gerichtshof entschieden, dass die in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung aufgestellte Regel auch im Fall mehrerer Lieferorte in einem Mitgliedstaat anwendbar ist, da nur ein Gericht für die Entscheidung über alle Klagen aus dem Vertrag zuständig sein soll (Urteile Color Drack, Randnrn. 36 und 38, und Rehder, Randnr. 34).
Zweitens hat der Gerichtshof in der Folge entschieden, dass die Erwägungen, auf die er sich gestützt hat, um zu der im Urteil Color Drack formulierten Auslegung zu gelangen, auch bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen gelten, und zwar auch in Fällen, in denen die Dienstleistungen nicht nur in einem Mitgliedstaat erbracht werden (Urteil Rehder, Randnr. 36).
Die in der Verordnung für Verträge über den Verkauf beweglicher Sachen und die Erbringung von Dienstleistungen vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsregeln haben nämlich dieselbe Entstehungsgeschichte, verfolgen dasselbe Ziel und nehmen denselben Platz in dem mit der Verordnung errichteten System ein (Urteil Rehder, Randnr. 36).
Für die Ziele der räumlichen Nähe und der Vorhersehbarkeit, die mit der Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit an dem Ort, an dem nach dem entsprechenden Vertrag die Dienstleistungen zu erbringen sind, und mit der Festlegung einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit für alle auf diesen Vertrag gestützten Forderungen verfolgt werden, kann keine andere Betrachtungsweise gelten, wenn die fraglichen Dienstleistungen an mehreren Orten in verschiedenen Mitgliedstaaten zu erbringen sind (Urteil Rehder, Randnr. 37).
Eine solche Differenzierung fände nämlich nicht nur keine Grundlage in den Bestimmungen der Verordnung, sondern stünde auch im Widerspruch zu dem für ihren Erlass maßgebenden Ziel, dass die Verordnung durch die Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zur Entwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts innerhalb der Gemeinschaft beiträgt, wie aus dem ersten und dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung hervorgeht (Urteil Rehder, Randnr. 37).
Nach alledem ist auf Frage 1 a zu antworten, dass Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung anwendbar ist, wenn Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden.
Zu Frage 1 b
Mit Frage 1 b möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, nach welchen Kriterien der Erfüllungsort der charakteristischen Verpflichtung und damit das für die Entscheidung über sämtliche Klagen aus dem Vertrag zuständige Gericht im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung zu bestimmen ist. Angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens ist diese Frage dahin zu verstehen, dass sie insbesondere darauf abzielt, nach welchen Kriterien dieser Ort im Fall eines Handelsvertretervertrags zu bestimmen ist.
Hierzu ist erstens daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Urteil Color Drack entschieden hat, dass bei der Anwendung der in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung enthaltenen Regel eines besonderen Gerichtsstands für vertragliche Streitigkeiten im Fall des Verkaufs beweglicher Sachen, wenn es mehrere Lieferorte gibt, unter dem Erfüllungsort grundsätzlich der Ort zu verstehen ist, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, wobei dies im Allgemeinen der Ort der Hauptlieferung sein wird (Urteil Color Drack, Randnr. 40).
Aus den in den Randnrn. 25 bis 28 des vorliegenden Urteils angeführten Gründen gilt dies mutatis mutandis auch im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung.
Folglich ist bei der Anwendung der in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung enthaltenen Regel eines besonderen Gerichtsstands für vertragliche Streitigkeiten im Fall der Erbringung von Dienstleistungen, wenn es mehrere Erbringungsorte gibt, unter dem Erfüllungsort grundsätzlich der Ort zu verstehen, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, wobei dies im Allgemeinen der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung sein wird.
Zweitens ist klarzustellen, dass es bei einem Handelsvertretervertrag der Handelsvertreter ist, der die für diesen Vertrag charakteristische Leistung und die Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung erbringt.
Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17) ist der Handelsvertreter nämlich damit betraut, für den Unternehmer den Verkauf oder den Ankauf von Waren zu vermitteln und gegebenenfalls diese Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers abzuschließen. Darüber hinaus muss der Handelsvertreter nach Art. 3 dieser Richtlinie "sich in angemessener Weise für die Vermittlung und gegebenenfalls den Abschluss der ihm anvertrauten Geschäfte einsetzen[,] dem Unternehmer die erforderlichen ihm zur Verfügung stehenden Informationen übermitteln [und] den vom Unternehmer erteilten angemessenen Weisungen nachkommen".
Somit ist bei der Anwendung der in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung enthaltenen Regel eines besonderen Gerichtsstands für vertragliche Streitigkeiten, wenn es mehrere Orte der Leistungserbringung durch den Handelsvertreter gibt, unter "Erfüllungsort" grundsätzlich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter zu verstehen.
Drittens ist zu klären, nach welchen Kriterien der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung zu bestimmen ist, wenn die Leistungen in verschiedenen Mitgliedstaaten erbracht werden.
Im Hinblick auf das vom Verordnungsgeber im elften Erwägungsgrund der Verordnung dargelegte Ziel der Vorhersehbarkeit und unter Berücksichtigung des Wortlauts von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung, wonach maßgebend ist, an welchem Ort in einem Mitgliedstaat die Dienstleistungen "nach dem Vertrag" erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen, ist der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung nach Möglichkeit aus den Bestimmungen des Vertrags selbst abzuleiten. Somit ist bei einem Handelsvertretervertrag auf der Grundlage dieses Vertrags der Ort zu ermitteln, an dem der Vertreter seine Tätigkeit für Rechnung des Unternehmers, die insbesondere darin besteht, die ihm anvertrauten Geschäfte vorzubereiten, zu vermitteln und gegebenenfalls abzuschließen, hauptsächlich vorzunehmen hatte.
Die Ermittlung des Ortes der hauptsächlichen Leistungserbringung anhand der im Vertrag festgelegten Wahl der Parteien entspricht dem Ziel der räumlichen Nähe, da dieser Ort dem Wesen nach eine Verknüpfung zum Gegenstand des Rechtsstreits aufweist.
Kann der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, weil diese entweder mehrere Erbringungsorte oder ausdrücklich gar keinen bestimmten Erbringungsort vorsehen, hat der Vertreter aber bereits solche Leistungen erbracht, so ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem er seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend vorgenommen hat, vorausgesetzt, die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort widerspricht nicht dem Parteiwillen, wie er sich aus den Vertragsbestimmungen ergibt. Dabei können tatsächliche Aspekte der Rechtssache, insbesondere die an diesen Orten aufgewendete Zeit und die Bedeutung der dort ausgeübten Tätigkeit, berücksichtigt werden. Es ist Sache des angerufenen nationalen Gerichts, anhand der ihm vorgelegten Beweismittel über seine Zuständigkeit zu befinden (vgl. Urteil Color Drack, Randnr. 41).
Viertens ist der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung, wenn er weder anhand der Bestimmungen des Vertrags selbst noch aufgrund von dessen tatsächlicher Erfüllung bestimmt werden kann, auf eine andere Weise zu ermitteln, die den beiden vom Verordnungsgeber verfolgten Zielen der Vorhersehbarkeit und der räumlichen Nähe Rechnung trägt.
Zu diesem Zweck wird bei der Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung als Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch einen Handelsvertreter der Ort anzusehen sein, an dem er seinen Wohnsitz hat. Dieser Ort kann nämlich immer mit Sicherheit ermittelt werden und ist demnach vorhersehbar. Darüber hinaus weist er eine räumliche Nähe zum Rechtsstreit auf, da der Vertreter dort aller Wahrscheinlichkeit nach einen nicht unerheblichen Teil seiner Dienstleistungen erbringen wird.
Nach alledem ist auf Frage 1 b zu antworten, dass Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung dahin auszulegen ist, dass im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten für die Entscheidung über alle Klagen aus dem Vertrag das Gericht zuständig ist, in dessen Sprengel sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet. Bei einem Handelsvertretervertrag ist dies der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder, mangels solcher Bestimmungen, aus dessen tatsächlicher Erfüllung ergibt; kann der fragliche Ort nicht auf dieser Grundlage ermittelt werden, so ist auf den Wohnsitz des Handelsvertreters abzustellen.
Zu Frage 1 c und zu Frage 2
In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1 a und 1 b sind die Frage 1 c und die Frage 2 nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung anwendbar ist, wenn Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden.
2. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten für die Entscheidung über alle Klagen aus dem Vertrag das Gericht zuständig ist, in dessen Sprengel sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet. Bei einem Handelsvertretervertrag ist dies der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder, mangels solcher Bestimmungen, aus dessen tatsächlicher Erfüllung ergibt; kann der fragliche Ort nicht auf dieser Grundlage ermittelt werden, so ist auf den Wohnsitz des Handelsvertreters abzustellen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAD-43748