BSG Beschluss v. - B 1 KR 74/08 B

Leitsatz

Leitsatz:

Streitigkeiten über die Pflicht des Gemeinsamen Bundesausschusses als Hauptbeteiligter, Arzneimittelrichtlinien zu erlassen, gehören zu den Angelegenheiten der Krankenversicherung, nicht aber zum Vertragsarztrecht (Anschluss an - SozR 4-2500 § 139 Nr 2).

Instanzenzug: LSG Hamburg, L 1 KR 4/08 vom SG Hamburg, S 8 KR 537/07 vom

Gründe

I

Der gesetzlich krankenversicherte Kläger verfolgt mit seiner Klage das Ziel, den beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zu verurteilen, in seinen Richtlinien festzulegen, dass die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel "Thioctacid 600 HR" und "Milgamma mono 150" zur Behandlung seiner polyneuropathischen Erkrankung ausnahmsweise vertragsärztich verordnet werden dürfen. Er ist mit seinem Begehren in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung ua ausgeführt: Das Sozialgericht (SG) habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Einem Versicherten stehe kein unmittelbares Klagerecht gegenüber Richtlinien des Beklagten zu. Dessen Richtlinien seien untergesetzliche Normen, die von Versicherten grundsätzlich nur inzidenter im Rahmen von Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte der Krankenkassen überprüft werden könnten, weil das SGG eine Normenkontrollklage nicht kenne. Lediglich ausnahmsweise sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Feststellungsklage zulässig, wenn sonst kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden könne (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5). Dieser Rechtsschutz sei dem Kläger aber in seinem bereits abgeschlossenen Rechtsstreit gegen seine Krankenkasse wegen Erstattung der Kosten nach der Selbstbeschaffung der og Arzneimittel bzw Zurverfügungstellung dieser Arzneimittel für die Zukunft (SG Hamburg S 32 KR 739/06; LSG Hamburg L 1 KR 9/07) gewährt worden (Urteil vom , schriftlich abgesetzt bei der Geschäftsstelle eingegangen am , dem Kläger zugestellt am ).

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil macht der Kläger sinngemäß Verfahrensfehler geltend. Zugleich begehrt er für die Beschwerde die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes.

II

Der 1. Senat des BSG ist der für die Entscheidung zuständige Spruchkörper (dazu 1.). Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist abzulehnen (dazu 2.). Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil ist unzulässig (dazu 3.).

1. Der erkennende 1. Senat des BSG ist zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen, weil eine Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 Satz 1, § 31 Abs 1 Satz 1, § 40 Satz 1 SGG), nämlich der Krankenversicherung, und nicht des Vertragsarztrechts (§ 10 Abs 2, § 12 Abs 2, § 31 Abs 2, § 40 Satz 2 SGG) betroffen ist, für die der 6. Senat des BSG zuständig wäre.

Maßgeblich für die Zuordnung von Streitigkeiten ist, ob die begehrte Rechtsfolge nach ihren einschlägigen materiell-rechtlichen Grundlagen dem Bereich der Krankenversicherung oder des Vertragsarztrechts zuzuordnen ist (ebenso: 3. Senat des , RdNr 10 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; aA 6. Senat des - RdNr 21 f, zum Abdruck in BSGE und SozR vorgesehen). Soweit die begehrte Rechtsfolge im SGB V wurzelt, handelt es sich grundsätzlich um eine Angelegenheit der Krankenversicherung. Die Zuordnung von Streitigkeiten des Leistungs- und des Leistungserbringerrechts zu den Spruchkörpern für Krankenversicherung (§ 51 Abs 1 Nr 2 SGG) ist der Regelfall. Nur ausnahmsweise geht es dennoch um Vertragsarztrecht, soweit nämlich Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände betroffen sind (§ 10 Abs 2 SGG). Streitigkeiten aus diesem Teilbereich des Leistungserbringerrechts begründen eine abweichende Besetzung der Richterbank mit ehrenamtlichen Richtern ggf aus den Kreisen der Krankenkassen und jedenfalls der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten (§ 12 Abs 3, § 31 Abs 2, § 33, § 40 Satz 2 SGG). Für die übrigen Teile des Leistungserbringerrechts sind ebenso wie im Leistungsrecht des SGB V Rechtsfragen grundsätzlich in derselben und für das SGB V typischen Besetzung der Spruchkörper zu entscheiden, nämlich mit einem Vorsitzenden, (bei den Senaten) zwei weiteren Berufsrichtern und je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber (§ 12 Abs 2, § 31 Abs 1 Satz 1, § 33, § 40 Satz 1 SGG).

Ein Streit darüber, ob der GBA eine spezielle Richtlinie nach § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V zu erlassen hat, zählt zu den Sachen der Krankenversicherung und nicht des Vertragsrechts. Ganz unabhängig davon, wer den Erlass einer solchen Richtlinie begehrt, sei es ein Versicherter, ein Vertragsarzt, der Hersteller, eine Vereinigung von Vertragsärzten wie die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Kassen(zahn)ärztliche Bundesvereinigung, eine Krankenkasse, ein Krankenkassenverband oder der Spitzenverband Bund der Krankenkassen oder auch ein Dritter: In keinem Fall geht es um Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG.

Das ergibt sich aus Wortlaut, Gesetzessystematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der dafür einschlägigen prozess- und materiell-rechtlichen Grundlagen. Ein Streit über eine Pflicht des GBA zum Erlass von Richtlinien gehört schon nach dem Wortlaut grundsätzlich nicht zu den besonderen Streitigkeiten nach § 10 Abs 2 SGG, sondern zum Krankenversicherungsrecht. Ihm liegen Regelungen des SGB V zugrunde, der Streit besteht gerade nicht lediglich "aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände". Nur wegen einer Beteiligung des GBA sind nicht ausschließlich und speziell die Rechte und Pflichten von "Vertragsärzten" in ihrer Beziehung zu den Krankenkassen berührt. Vielmehr hat der GBA eine umfassende Steuerungsfunktion. Seine Beschlüsse und Richtlinien entfalten gleichermaßen verbindliche Wirkung gegenüber Versicherten, ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern (so § 91 Abs 6 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG] vom , BGBl I 378, anknüpfend an bereits zuvor ergangene Rechtsprechung des BSG, zB BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30 [6. Senat]; BSGE 87, 105, 111 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 8 sowie BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7 RdNr 20 [3. Senat]; BSGE 81, 73, 81 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 [1. Senat]). Leistungsrecht und Leistungserbringerrecht des SGB V stehen in keinem Vorrang/Nachrang-Verhältnis. Vielmehr ist - wie nicht zuletzt auch § 91 Abs 6 SGB V zeigt - von einer Einheit beider Teilbereiche auszugehen (zB BSGE 81, 54, 77 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 14 ff).

Das belegt auch die Entstehungsgeschichte des § 91 SGB V jedenfalls seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung am (§ 91 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes [GMG] - vom , BGBl I 2190, dort Art 1 Nr 70). Seither sind die verschiedenen Bundesausschüsse in bewusster Abkehr von der alten Rechtslage zu einem einheitlichen und sektorübergreifenden Steuerungsgremium zusammengefasst (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 106 zu Nr 70). Nach § 91 Abs 2 Satz 1 SGB V (in der ab geltenden GKV-WSG [aaO]) werden sogar nur noch drei der dreizehn Mitglieder des Beschlussgremiums von der Kassenärztlichen bzw Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung gestellt (neben drei unparteiischen Mitgliedern sowie Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen). Es ist auch vor diesem Hintergrund nicht angebracht, ein begehrtes oder angegriffenes Handeln des GBA dem Bereich der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten und Krankenkassen zuzuordnen, (anders: 6. Senat des aaO, RdNr 21 ff).

Auch Sinn und Zweck der Sonderregelungen im SGG für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts (§ 12 Abs 3, § 31 Abs 2, § 33, § 40 Satz 2 SGG) schließen die Zuordnung der den GBA betreffenden Streitigkeiten zum Vertragsarztrecht aus. Von der Intention her sollen im Segment "Vertragsarztrecht" nur solche Personen im Spruchkörper mitwirken, die sachkundig und mit der besonderen Materie sowie den tatsächlichen Verhältnissen in der vertragsärztlichen Versorgung vertraut sind (vgl BSGE 23, 105, 110; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 12 RdNr 6). Letztlich repräsentieren die besonderen Gruppen der ehrenamtlichen Richter im Vertragsarztrecht diejenigen, die es angeht. Dies ist zB der Fall, wenn der Streitgegenstand etwa den rechtlichen Status als Vertragsarzt, Fragen der vertragsärztlichen Zulassung oder der Honorierung einschließlich der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft. Die dargestellte umfassende Aufgabenstellung des GBA als untergesetzlicher Normgeber und seine zentrale Rolle für das gesamte Leistungsrecht wie für das Leistungserbringerrecht stehen einer Zuordnung der ihn betreffenden Streitigkeiten zum Vertragsarztrecht deshalb entgegen, zumal selbst das Vertragsarztrecht nur ein Teilelement des Leistungserbringerrechts ist. Es bliebe gänzlich unbeachtet, dass die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft die Aufgabe hat, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 Satz 1 SGB V); sie besteht nicht in erster Linie wegen der Behandlungsberechtigung durch Vertragsärzte.

Einer Anrufung des Großen Senats bedarf es vorliegend trotz der aufgezeigten Rechtsprechung des 6. Senats mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Auch der 6. Senat geht nämlich jedenfalls davon aus, dass Streitigkeiten zwischen Versicherten und dem GBA zu den Streitigkeiten der Krankenversicherung gehören: Die besondere funktionelle Zuständigkeit der Kammern bzw Senate für Vertragsarztrecht im Sinne der § 10 Abs 2, § 57a SGG bestehe - unausgesprochen, aber selbstverständlich - nur insoweit, als ein Bezug zum Leistungserbringerrecht gegeben sei ( aaO, RdNr 29).

2. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An dieser Erfolgsaussicht fehlt es. Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen. Die Sache bietet weder Anhalt für eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, noch ist erkennbar, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abgewichen sein könnte (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG). Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers und des Akteninhalts ergeben sich auch keine hinreichenden Hinweise auf ein verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des LSG im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

a) Soweit der Kläger vorbringt, das LSG habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt und damit eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärungspflicht) rügt, vermag dies die Erfolgsaussicht der Beschwerde nicht zu begründen. Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann ein Verfahrensmangel nach § 160a Abs 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger einen den rechtlichen Anforderungen genügenden Beweisantrag gestellt hat. Da das LSG die Klage für unzulässig gehalten hat, ist jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb es sich hätte gedrängt fühlen müssen, dem inhaltlichen Vorbringen des Klägers nachzugehen, die streitigen Arzneimittel seien bei seiner besonderen Form der Erkrankung die einzig wirksame Behandlung.

b) Das Vorbringen des Klägers, das LSG habe unzutreffend die Klage für unzulässig gehalten, kann bei summarischer Prüfung nicht zur Zulassung der Revision wegen einer auf einem Verfahrensfehler beruhenden Fehlerhaftigkeit des LSG-Urteils führen. Nach der von dem LSG zitierten Rechtsprechung des BSG verstößt es nicht gegen Art 19 Abs 4 GG, Versicherten die Möglichkeit einer Klage auf Erlass von Richtlinien des GBA vorzuenthalten. Ihnen verbleibt der Weg der Inzidenterkontrolle im Rahmen von auf die Leistung selbst gerichteten Klagen (vgl zB BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr 40 - Lorenzos Öl).

c) Auch mit der Rüge, das am verkündete Urteil sei ihm erst fünf Monate später am zugestellt worden, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan, dass ein Verfahrensfehler im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG gegeben sein könnte. Aus dem Akteninhalt ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass das LSG-Urteil wegen verspäteter Absetzung als nicht mit Gründen versehen einzustufen ist.

Nach § 547 Nr 6 ZPO, der über § 202 SGG auch in sozialgerichtlichen Verfahren gilt, iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist. Das Fehlen von Entscheidungsgründen liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn ein Urteil nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den beteiligten Berufsrichtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist (GmSOGB SozR 3-1750 § 551 Nr 4; BSG SozR 4-1500 § 120 Nr 1 RdNr 4 mwN; - RdNr 5, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Das mit Gründen abgesetzte und unterschriebene LSG-Urteil gelangte (entsprechend dem in den Gerichtsakten enthaltenen Vermerk) am - also innerhalb einer Frist von fünf Monaten nach seiner Verkündung - zur Geschäftsstelle. Auf den Tag der Zustellung kommt es dagegen nicht an (BVerwG NVwZ 2001, 1150).

Für das Vorliegen eines Verfahrensmangels, der sich aus den Umständen des Falles auch bei Einhaltung der Fünfmonatsfrist ergeben kann, ist nichts ersichtlich. So liegt es, wenn infolge der verzögerten Abfassung der Urteilsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses und der für die Entscheidungsfindung leitenden Erwägungen nicht mehr gewährleistet ist (BVerwG Buchholz 310 § 117 VwGO Nr 47; BVerwG ZOV 2009, 210 f RdNr 11; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 134 RdNr 4). Konkrete fallbezogene Anhaltspunkte dafür, dass die Dauer der Urteilsabfassung im vorliegenden Fall Zweifel an der Übereinstimmung von Beratungsergebnis und Entscheidungsbegründung (wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme) begründen könnte, sind bei summarischer Prüfung nicht aufzufinden.

d) Eine hinreichende Erfolgsaussicht ergibt sich auch nicht aus einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des LSG bei der mündlichen Verhandlung am (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG). Allerdings ist das LSG-Urteil unter Vorsitz des Richters am LSG Dr. K. zustande gekommen, obwohl das LSG nicht zuvor über das von dem Kläger am gestellte Gesuch, diesen Richter als befangen abzulehnen, formell entschieden hatte. Dieser gerügte Verfahrensfehler könnte aber die Zulassung der Revision nicht begründen, weil bei der gebotenen eigenen Überprüfung durch den erkennenden Senat keine Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit bestehen.

Zwar wäre eine förmliche Entscheidung des LSG über das Ablehnungsgesuch erforderlich gewesen, weil der Antrag des Klägers nicht als offensichtlich rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann (zur mangelnden Notwendigkeit der formellen Bescheidung wegen offensichtlicher Rechtsmissbräuchlichkeit vgl nur BVerfGE 74, 96, 100; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4; - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen): Der Kläger hat sein Gesuch hinreichend sachlich begründet, indem er die vermeintliche Voreingenommenheit des Richters im Wesentlichen darauf gestützt hat, dass dieser im Schreiben vom auf die Aussichtslosigkeit des Klagebegehrens hingewiesen und zur Klagerücknahme geraten habe.

Jedoch hätte eine hierauf gestützte Beschwerde dennoch keine Aussicht auf Erfolg, weil der erkennende Senat selbst über den Antrag auf Ablehnung entscheiden müsste und das Ablehnungsgesuch höchstwahrscheinlich als unbegründet anzusehen hätte. Wenn eine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch fehlt und - wie hier - die Tatsachenfeststellungen ausreichen, kann das Beschwerdegericht die Ablehnungsgründe prüfen und darüber entscheiden. In einem solchen Fall steht einer Überprüfung nicht der Umstand entgegen, dass der abgelehnte Richter sich zum Inhalt des Ablehnungsgesuchs bisher nicht geäußert hat (vgl ausführlich BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 11 f mwN).

Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass das Gesuch des Klägers auf Ablehnung des Richters am LSG Dr. K. begründet war. Eine Besorgnis der Befangenheit (§ 60 SGG iVm § 42 ZPO) ist nur dann gegeben, wenn der Beteiligte von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (Keller in MeyerLadewig/Keller/Leitherer, aaO, § 60 RdNr 7 ff mwN). Die Zweifel an der Unparteilichkeit müssen ihren Grund in eigenem Verhalten des Richters haben. Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann keine Ablehnung begründen.

Der Kläger stützt sein Gesuch im Wesentlichen auf den Inhalt des Richterbriefes über die fehlende Erfolgsaussicht seiner Berufung. Ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters kann jedoch nicht daraus hergeleitet werden, dass sich dieser eine Meinung über die Rechtslage und den Verfahrensausgang gebildet hat und diese Meinung in sachlicher Form äußert, ggf auch verbunden mit dem Rat, die Klage oder Berufung zurückzunehmen. Vielmehr ergibt sich aus der Pflicht des Gerichts zur Prozessförderung ein Recht des Richters, gegenüber den Beteiligten eine vorläufige Meinung über den zu erwartenden Prozessausgang kundzutun. Dies wird in der Regel von den Beteiligten sogar begrüßt, weil es ihnen Gelegenheit gibt, vor der Entscheidung nochmals und gezielter auf die entscheidungserheblichen Punkte einzugehen (vgl BVerwG DVBl 1979, 560; mwN). Weder hat es der Kläger dargelegt noch ist es sonst erkennbar, dass der abgelehnte Richter ausnahmsweise durch seinen Hinweis seine Unparteilichkeit zum Ausdruck gebracht haben könnte; für unsachliche oder sogar willkürliche Erwägungen des Richters fehlen jegliche Anhaltspunkte.

3. Die bereits vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 SGG vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG). Sie ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.

4. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
FAAAD-43710