BGH Beschluss v. - 4 StR 62/10

Brandstiftung: Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 306 StGB

Instanzenzug: LG Paderborn Az: 1 KLs 45/09 - 331 Js 453/09 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Brandstiftung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

21. Nach den Feststellungen zündete der Angeklagte - jeweils nach erheblichem Alkoholkonsum - am 3. und den Inhalt eines Mülleimers an, der nahe der gläsernen Schiebetür bzw. unmittelbar an der Gebäudewand eines Lebensmittelmarktes stand. Am zündete er einen direkt neben dem Eingang dieses Geschäfts stehenden, mit leeren Pappschachteln befüllten Karton an. In keinem der Fälle, die sich jeweils außerhalb der Geschäftszeiten ereigneten, kam es zu einem Übergreifen des Feuers auf das Gebäude; bei der Tat vom wurde allerdings infolge der Hitzeeinwirkung ein Fenster zerstört.

32. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Brandstiftung in drei Fällen hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

4Die Strafkammer begründet ihre Annahme, der Angeklagte habe in allen drei Fällen ein Übergreifen der Flammen auf das Gebäude billigend in Kauf genommen, allein damit, dass die in Brand gesetzten Behältnisse in unmittelbarer Nähe des Gebäudes standen. Sie meint, dass die Gefahr eines Übergreifens allgemeiner Lebenserfahrung entspräche und selbst einem unterdurchschnittlich begabten, erheblich alkoholisierten Menschen - wie dem Angeklagten - bewusst sei.

5Diese Erwägungen genügen nicht den Anforderungen, die an die Begründung eines bedingten Brandstiftungsvorsatzes zu stellen sind. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und damit in einer Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung entweder billigend in Kauf nimmt oder sich wenigstens mit ihr abfindet (vgl. = BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 6). Um dies festzustellen, bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände.

6Den Urteilsausführungen ist nicht zu entnehmen, dass das Landgericht eine solche vorgenommen hat. Dies wird besonders deutlich bei dem Tatgeschehen vom : Nur zwei Wochen zuvor hatte der Angeklagte die Erfahrung gemacht, dass ein in gleicher Weise gelegter Brand nicht auf das Gebäude übergegriffen hatte. Dennoch änderte er seine Vorgehensweise nicht, um diesmal den Taterfolg sicher zu stellen. Darüber hinaus belegen die Urteilsfeststellungen - entgegen der Ansicht des Landgerichts - weder in diesem noch in den beiden weiteren Fällen, dass objektiv überhaupt die Gefahr eines Übergreifens des Feuers auf das Gebäude bestanden hat, aus welcher Rückschlüsse auf die innere Tatseite gezogen werden könnten; einen Brandsachverständigen hat das Landgericht hierzu nicht gehört.

7Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

83. Abschließend bemerkt der Senat, dass sich die Berechnung der Blutalkoholkonzentration im Fall 3 deswegen revisionsrechtlicher Überprüfung entzieht, weil das Urteil keine Angaben zur Tatzeit enthält.

Tepperwien                                         Solin-Stojanović                                            Ernemann

                                Franke                                                   Mutzbauer

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Fundstelle(n):
LAAAD-43290