Umsatzsteuer;
Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 1
Buchst. b i. V. m.§ 6a UStG für
innergemeinschaftliche Lieferungen
Bezug:
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a UStG) unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung, insbesondere der (Collée), BStBl 2009 II S. 78, (Twoh International), BStBl 2009 II S. 83, und (Teleos u. a.), BStBl 2009 II S. 70, sowie der , BStBl 2009 II S. 49, , BStBl 2009 II S. 52, , BStBl II S. 55, , BStBl II S. 57, , BStBl 2010 II S. 511, sowie unter Berücksichtigung der Grundsätze der , BStBl 2010 II S. 509 und , BStBl 2010 II S. 517, Folgendes:
I. Grundvoraussetzungen einer (steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferung
1Eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt eine im Inland steuerbare Lieferung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) voraus. Gegenstand der Lieferung muss ein körperlicher Gegenstand sein, der vom liefernden Unternehmer, vom Abnehmer oder von einem vom liefernden Unternehmer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung kommt nicht in Betracht für Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität im Sinne des § 3g UStG. Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 UStG) können unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG innergemeinschaftliche Lieferungen sein.
2Bei Reihengeschäften (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) kommt die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung nur für die Lieferung in Betracht, der die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands zuzurechnen ist. Im Rahmen eines Reihengeschäfts, bei dem die Warenbewegung im Inland beginnt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates endet, kann daher mit der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet nur eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG bewirkt werden. Die Steuerbefreiung kommt demnach nur bei der Beförderungs- oder Versendungslieferung zur Anwendung (vgl. Abschnitt 31a Abs. 13 UStR).
3Die Person/Einrichtung, die eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung bewirken kann, muss ein Unternehmer sein, der seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes besteuert (sog. Regelversteuerer). Auf Umsätze von Kleinunternehmern, die nicht gemäß § 19 Abs. 2 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes optiert haben, auf Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, auf die die Durchschnittssätze gemäß § 24 UStG angewendet werden, und auf Umsätze, die der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG unterliegen, findet die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a UStG keine Anwendung (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 4, § 24 Abs. 1 Satz 2, § 25a Abs. 5 Satz 2 und § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG).
4Die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung erstreckt sich auf das gesamte Entgelt, das für die Lieferung vereinbart oder vereinnahmt worden ist.
Abschnitt 128 Abs. 6 Nr. 2 UStR ist entsprechend anzuwenden.
II. Anwendungsgrundsätze
1. Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG)
5Das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass der Unternehmer, der Abnehmer oder ein vom liefernden Unternehmer oder vom Abnehmer beauftragter Dritter den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Eine Beförderungslieferung liegt vor, wenn der liefernde Unternehmer, der Abnehmer oder ein von diesen beauftragter unselbständiger Erfüllungsgehilfe den Gegenstand der Lieferung befördert. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG). Eine Versendungslieferung liegt vor, wenn die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausgeführt oder besorgt wird. Zu den weiteren Voraussetzungen einer Beförderungs- oder Versendungslieferung vgl. Abschnitt 30 Abs. 2 bzw. Abs. 3 UStR.
6Das übrige Gemeinschaftsgebiet umfasst die gemeinschaftsrechtlichen Inlandsgebiete der EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Inlands der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG. Zu den einzelnen Gebieten des übrigen Gemeinschaftsgebiets vgl. Abschnitt 13a UStR.
7Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung „in das übrige Gemeinschaftsgebiet” erfordert, dass die Beförderung oder Versendung im Inland beginnt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats endet. Der Liefergegenstand muss somit das Inland der Bundesrepublik Deutschland physisch verlassen haben und tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, d. h. dort physisch angekommen sein. Hat der Empfänger einer innergemeinschaftlichen Lieferung (Abnehmer) im Bestimmungsmitgliedstaat in seiner Mehrwertsteuererklärung den Erwerb des Gegenstands als innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt, kann dies nur ein zusätzliches Indiz dafür darstellen, dass der Liefergegenstand tatsächlich das Inland physisch verlassen hat. Ein maßgeblicher Anhaltspunkt für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist dies jedoch nicht.
2. Empfänger (= Abnehmer) der Lieferung (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG)
8Empfänger einer innergemeinschaftlichen Lieferung können nur folgende Personen sein:
Unternehmer, die den Gegenstand der Lieferung für ihr Unternehmen erworben haben;
juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben haben oder
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber.
9Der Abnehmer im Sinne des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG muss der Empfänger der Lieferung bzw. der Abnehmer des Gegenstands der Lieferung sein. Das ist regelmäßig diejenige Person/Einrichtung, der der Anspruch auf die Lieferung zusteht und gegen die sich der zivilrechtliche Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises richtet.
10Eine Person/Einrichtung, die den Gegenstand für ihr Unternehmen erwirbt, muss zum Zeitpunkt der Lieferung Unternehmer sein. Es ist nicht erforderlich, dass dieser Unternehmer im Ausland ansässig ist. Es kann sich auch um einen im Inland ansässigen Unternehmer handeln. Unerheblich ist auch, ob es sich (ggf. nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates) bei dem Abnehmer um einen Kleinunternehmer, um einen Unternehmer, der ausschließlich steuerfreie den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze ausführt, oder um einen Land- und Forstwirt handelt, der seine Umsätze nach einer Pauschalregelung besteuert.
11Von der Unternehmereigenschaft des Abnehmers kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn dieser gegenüber dem liefernden Unternehmer mit einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten, im Zeitpunkt der Lieferung gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) auftritt. Nicht ausreichend ist es, wenn die USt-IdNr. im Zeitpunkt des Umsatzes vom Abnehmer lediglich beantragt wurde. Die USt-IdNr. muss vielmehr im Zeitpunkt des Umsatzes von der zuständigen Behörde zugeteilt worden sein. Zur Aufzeichnung der USt-IdNr. und zum Nachweis der Gültigkeit vgl. Rz. 41 und 42.
12Von einem Erwerb des Gegenstands für das Unternehmen des Abnehmers kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Abnehmer mit einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten, im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. auftritt und sich aus der Art und Menge der erworbenen Gegenstände keine berechtigten Zweifel an der unternehmerischen Verwendung ergeben.
13Die Lieferung kann auch an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt, bewirkt werden. Es kann sich um eine juristische Person des öffentlichen oder des privaten Rechts handeln. Die juristische Person kann im Ausland (z. B. eine ausländische Gebietskörperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts oder ein ausländischer gemeinnütziger Verein) oder im Inland ansässig sein. Von der Eigenschaft der juristischen Person als zur Erwerbsbesteuerung verpflichteter Abnehmer kann nur dann ausgegangen werden, wenn sie gegenüber dem liefernden Unternehmer mit einer ihr von einem anderen Mitgliedstaat erteilten, im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. auftritt.
14Bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs kommt es auf die Eigenschaft des Abnehmers nicht an. Hierbei kann es sich auch um Privatpersonen handeln. Zum Begriff der neuen Fahrzeuge vgl. § 1b UStG und Abschnitt 15c UStR.
3. Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in einem anderen Mitgliedstaat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG)
15Zu den Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gehört nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung (Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs; kurz: Erwerbsbesteuerung) unterliegt. Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen kommt daher für andere Gegenstände als verbrauchsteuerpflichtige Waren und neue Fahrzeuge nicht in Betracht, wenn der Abnehmer Kleinunternehmer, Unternehmer, der ausschließlich steuerfreie den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze ausführt, Land- oder Forstwirt ist, der seine Umsätze nach einer Pauschalregelung versteuert, oder eine nicht unternehmerische juristische Personen ist und die innergemeinschaftlichen Erwerbe dieses Abnehmerkreises im Bestimmungsmitgliedstaat des gelieferten Gegenstands nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, weil im Bestimmungsmitgliedstaat die dortige Erwerbsschwelle vom Abnehmer nicht überschritten wird und er dort auch nicht zur Besteuerung seiner innergemeinschaftlichen Erwerbe optiert hat.
Das in Deutschland ansässige Saatgutunternehmen D liefert am Saatgut an einen Frankreich ansässigen Landwirt F, der dort mit seinen Umsätzen der Pauschalregelung für Land- und Forstwirte unterliegt. Das Saatgut wird durch einen Spediteur im Auftrag des D vom Sitz des D zum Sitz des F nach Amiens befördert. Das Entgelt für das Saatgut beträgt 2.000 €. F hat außer dem Saatgut im Jahr 2008 keine weiteren innergemeinschaftlichen Erwerbe getätigt und in Frankreich auch nicht zur Besteuerung der innergemeinschaftlichen Erwerbe optiert. F ist gegenüber D nicht mit einer französischen USt-IdNr. aufgetreten.
Die Lieferung des D ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln, weil F mit seinem Erwerb in Frankreich nicht der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs unterliegt, da er unter die Pauschalregelung für Land- und Forstwirte fällt, die Erwerbsschwelle nicht überschreitet und er auf deren Anwendung nicht verzichtet hat. Die Lieferung des D ist als inländische Lieferung steuerbar und steuerpflichtig.
Der in Deutschland ansässige Weinhändler D, dessen Umsätze nicht der Durchschnittssatzbesteuerung (§ 24 UStG) unterliegen, liefert am fünf Kisten Wein an den in Limoges (Frankreich) ansässigen Versicherungsvertreter F (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer). D befördert die Ware mit eigenem Lkw nach Limoges. Das Entgelt für die Lieferung beträgt 1.500 €. F hat D seine französische USt-IdNr. mitgeteilt. F hat außer dem Wein im Jahr 2008 keine weiteren innergemeinschaftlichen Erwerbe getätigt.
Für D ist die Lieferung des Weins als verbrauchsteuerpflichtige Ware eine innergemeinschaftliche Lieferung, weil der Wein aus dem Inland nach Frankreich gelangt, der Abnehmer ein Unternehmer ist und mit der Verwendung seiner USt-IdNr. zum Ausdruck bringt, dass er die Ware für sein Unternehmen erwirbt und den Erwerb in Frankreich der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs zu unterwerfen hat. Da F mit seiner französischen USt-IdNr. auftritt, kann D davon ausgehen, dass der Wein für das Unternehmen des F erworben wird. Unbeachtlich ist, ob F in Frankreich die Erwerbsschwelle überschritten hat oder nicht (vgl. analog für Deutschland § 1a Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 UStG). Unbeachtlich ist auch, ob F in Frankreich tatsächlich einen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt oder nicht.
16Durch die Regelung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, nach der der Erwerb des Gegenstands in einem anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegen muss, wird sichergestellt, dass die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in den Fällen nicht anzuwenden ist, in denen die in Rz. 15 bezeichneten Ausschlusstatbestände vorliegen.
17Die Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ist erfüllt, wenn der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer mit einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten, im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. auftritt (vgl. , BFH/NV 2004 S. 988). Hiermit gibt der Abnehmer zu erkennen, dass er den Gegenstand steuerfrei erwerben will, weil der Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat den dortigen Besteuerungsvorschriften unterliegt. Es ist nicht erforderlich, dass der Erwerb des Gegenstands dort tatsächlich besteuert wird. Die Voraussetzung, dass der Erwerb des Gegenstands der Erwerbsbesteuerung unterliegt, ist auch erfüllt, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat steuerfrei ist oder dem sog. Nullsatz (Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug) unterliegt.
Der deutsche Computer-Händler H verkauft dem spanischen Abnehmer S einen Computer. S lässt den Computer von seinem Beauftragten, dem in Frankreich ansässigen F abholen.
F tritt im Abholungszeitpunkt mit seiner ihm in Frankreich erteilten USt-IdNr. auf, die H als Abnehmer-USt-IdNr. aufzeichnet. S tritt ohne USt-IdNr. auf.
Die Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil der Abnehmer S gegenüber dem liefernden Unternehmer H nicht mit einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten USt-IdNr. auftritt. Die USt-IdNr. des F als Beauftragter des S kann für Zwecke des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG keine Verwendung finden.
4. Bearbeitung oder Verarbeitung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 6a Abs. 1 Satz 2 UStG)
18Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein. Der Ort, an dem diese Leistungen tatsächlich erbracht werden, kann sich im Inland, im Drittland oder in einem anderen Mitgliedstaat mit Ausnahme des Bestimmungsmitgliedstaats befinden. Die genannten Leistungen dürfen unter den Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 2 UStG nur von einem Beauftragten des Abnehmers oder eines folgenden Abnehmers erbracht werden. Erteilt der liefernde Unternehmer oder ein vorangegangener Lieferer den Bearbeitungs- oder Verarbeitungsauftrag, ist die Ausführung dieses Auftrags ein der innergemeinschaftlichen Lieferung des Unternehmers vorgelagerter Umsatz. Gegenstand der Lieferung des Unternehmers ist in diesem Fall der bearbeitete oder verarbeitete Gegenstand und nicht der Gegenstand vor seiner Bearbeitung oder Verarbeitung.
Das in Italien ansässige Textilverarbeitungsunternehmen I hat bei einer in Deutschland ansässigen Weberei D1 Stoffe zur Herstellung von Herrenanzügen bestellt. D1 soll die Stoffe auftragsgemäß nach Italien befördern, nachdem sie von einer in Deutschland ansässigen Färberei D2 gefärbt worden sind. D2 erbringt die Färbearbeiten im Auftrag von I.
D1 erbringt mit der Lieferung der Stoffe an I eine innergemeinschaftliche Lieferung. Gegenstand dieser Lieferung sind die ungefärbten Stoffe. Das Einfärben der Stoffe vor ihrer Beförderung nach Italien stellt eine Bearbeitung im Sinne von § 6a Abs. 1 Satz 2 UStG dar, die unabhängig von der innergemeinschaftlichen Lieferung des D1 zu beurteilen ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass I (und nicht D1) den Auftrag zu der Verarbeitung erteilt hat.
Wie Beispiel 4; die Stoffe werden jedoch vor ihrer Beförderung durch D1 in Belgien von dem dort ansässigen Unternehmen B (im Auftrag des I) eingefärbt. Zu diesem Zweck transportiert D1 die Stoffe zunächst nach Belgien und nach ihrer Einfärbung von dort nach Italien.
D1 erbringt auch in diesem Falle eine im Inland steuerbare innergemeinschaftliche Lieferung an I. Die Be- oder Verarbeitung des Liefergegenstands kann auch in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns oder Endes der Beförderung oder Versendung erfolgen.
5. Innergemeinschaftliches Verbringen als innergemeinschaftliche Lieferung (§ 6a Abs. 2 UStG)
19Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt gemäß § 6a Abs. 2 UStG auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a UStG). Zu den Voraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Verbringens vgl. Abschnitt 15b UStR. Ebenso wie bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 6a Abs. 1 UStG ist auch bei einem innergemeinschaftlichen Verbringen gemäß § 6a Abs. 2 UStG die Steuerbefreiung davon abhängig, dass der Vorgang in dem anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt. Rz. 15 bis 17 sind entsprechend anzuwenden.
III. Pflicht zum Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung (§ 6a Abs. 3 UStG)
1. Allgemeines
20Gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG muss der liefernde Unternehmer die Voraussetzungen für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 und 2 UStG nachweisen. Nach § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV hat der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung einschließlich der USt-IdNr. des Abnehmers buchmäßig nachzuweisen; die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (sog. Buchnachweis; § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV). Unter einem Buchnachweis ist ein Nachweis durch Bücher oder Aufzeichnungen in Verbindung mit Belegen zu verstehen. Der Buchnachweis verlangt deshalb stets mehr als den bloßen Nachweis entweder nur durch Aufzeichnungen oder nur durch Belege. Belege werden durch die entsprechenden und erforderlichen Hinweise bzw. Bezugnahmen in den stets notwendigen Aufzeichnungen Bestandteil der Buchführung und damit des Buchnachweises, so dass beide eine Einheit bilden.
21Die §§ 17a (Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen) und 17b UStDV (Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen) regeln, mit welchen Belegen der Unternehmer den Nachweis zu führen hat. Nach § 17a Abs. 1 UStDV muss der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG (z. B. Unternehmereigenschaft des Abnehmers, Verpflichtung des Abnehmers zur Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat), die auch nachgewiesen werden müssen, enthält die UStDV keine besonderen Regelungen für den Belegnachweis.
22Grundsätzlich hat allein der Unternehmer die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu tragen. Die Finanzverwaltung ist nicht an seiner Stelle verpflichtet, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nachzuweisen. Insbesondere ist die Finanzverwaltung nicht verpflichtet, auf Verlangen des Unternehmers ein Auskunftsersuchen an die Finanzverwaltung im Zuständigkeitsbereich des vermeintlichen Abnehmers der innergemeinschaftlichen Lieferung zu stellen (vgl. (Twoh International), BStBl 2009 II S. 83). Kann der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht vollständig oder nicht zeitnah führen, ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 und 2 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn – trotz der Nichterfüllung, der nicht vollständigen oder der nicht zeitnahen Erfüllung des Buchnachweises – aufgrund der vorliegenden Belege und der sich daraus ergebenden tatsächlichen Umstände objektiv feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG vorliegen. Damit kann ein zweifelsfreier Belegnachweis Mängel beim Buchnachweis heilen.
Sind Mängel im Buch- und/oder Belegnachweis festgestellt worden und hat das Finanzamt z. B. durch ein bereits erfolgtes Auskunftsersuchen an den Bestimmungsmitgliedstaat die Kenntnis erlangt, dass der Liefergegenstand tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist, ist auch diese Information in die objektive Beweislage einzubeziehen.
Der Unternehmer ist nicht von seiner grundsätzlichen Verpflichtung entbunden, den Beleg- und Buchnachweis vollständig und rechtzeitig zu führen. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Unternehmer die Vertrauensschutzregelung nach § 6a Abs. 4 UStG in Anspruch nehmen (vgl. Rz. 50 bis 53).
2. Voraussetzungen des Beleg- und Buchnachweises nach den §§ 17a bis 17c UStDV
23Die §§ 17a bis 17c UStDV regeln im Einzelnen, wie der Unternehmer die Nachweise der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu führen hat. § 17a Abs. 1 UStDV bestimmt in Form einer Generalklausel (Mussvorschrift), dass der Unternehmer im Geltungsbereich der UStDV durch Belege nachzuweisen hat, dass er oder der Abnehmer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich aus den Belegen leicht und eindeutig nachprüfbar ergeben.
§ 17c Abs. 1 UStDV setzt voraus, dass auch in der Person des Abnehmers die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung durch den liefernden Unternehmer vorliegen müssen und bestimmt (Mussvorschrift), dass der Unternehmer die USt-IdNr. des Abnehmers buchmäßig nachzuweisen, d. h. aufzuzeichnen hat.
24Für die Form, den Inhalt und den Umfang des beleg- und buchmäßigen Nachweises stellt die UStDV Sollvorschriften auf. Erfüllt der Unternehmer diese Sollvorschriften, ist der beleg- und buchmäßige Nachweis als erfüllt anzuerkennen. Das Fehlen einer der in den Sollvorschriften der §§ 17a ff. UStDV aufgeführten Voraussetzungen führt nicht zwangsläufig zur Versagung der Steuerbefreiung. Der jeweils bezeichnete Nachweis kann auch durch andere Belege – z. B. durch die auf den Rechnungen ausgewiesene Anschrift des Leistungsempfängers als Belegnachweis des Bestimmungsorts nach § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV – erbracht werden. Weicht der Unternehmer von den Sollvorschriften der UStDV ab und führt den Nachweis über die innergemeinschaftliche Lieferung anhand anderer Belege, können diese nur dann als Nachweise anerkannt werden, wenn
sich aus der Gesamtheit der Belege die innergemeinschaftliche Lieferung eindeutig und leicht nachprüfbar ergibt (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV) und
die buchmäßig nachzuweisenden Voraussetzungen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sind (§ 17c Abs. 1 UStDV).
Abschnitt 131 Abs. 2 bis 4 UStR ist entsprechend anzuwenden.
3. Belegnachweis in Beförderungs- und Versendungsfällen (§ 17a UStDV)
3.1 Belegnachweis in Beförderungsfällen
25Nach § 17a Abs. 2 UStDV soll in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, der Unternehmer den Nachweis hierüber wie folgt führen:
durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten und
in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.
26Der Unternehmer kann den nach § 17a UStDV erforderlichen Belegnachweis ggf. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht nachholen. Das gilt in Abholfällen auch für die Versicherung des Abnehmers nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV. Hat der Unternehmer im Übrigen die tatsächliche Durchführung der innergemeinschaftlichen Lieferung nachgewiesen, kann er sich – unabhängig davon, dass die Versicherung (§ 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV) bereits im Zusammenhang mit der Abholung des gelieferten Gegenstands zeitnah schriftlich erklärt werden muss – die Abholung und Verbringung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nachträglich bestätigen lassen.
27Der Begriff „Bestimmungsort” in § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV ist dahingehend zu verstehen, dass aus den Belegen der jeweilige EU-Mitgliedstaat, in den der gelieferte Gegenstand befördert werden soll oder befördert wird, und der dort belegene Bestimmungsort des Liefergegenstands (z. B. Stadt, Gemeinde) hervorgehen. Eine Angabe wie z. B. „Aus Deutschland ausgeführt und nach Österreich verbracht” ist unzureichend, wenn der Bestimmungsort in dem anderen Mitgliedstaat nicht genannt ist. Mit einer Bescheinigung des Kraftfahrt-Bundesamtes, wonach ein vorgeblich innergemeinschaftlich geliefertes Fahrzeug nicht in Deutschland für den Straßenverkehr zugelassen ist, kann der Nachweis, dass ein Fahrzeug das Inland verlassen hat bzw. in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden ist, nicht geführt werden. Die Risiken hinsichtlich der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die sich daraus ergeben, dass der Lieferer die Beförderung oder Versendung der Sache dem Erwerber überlässt, trägt grundsätzlich der liefernde Unternehmer. So kann der Unternehmer nicht einwenden, er habe z. B. als Zwischenhändler in einem Reihengeschäft ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran, den endgültigen Bestimmungsort des Liefergegenstandes nicht anzugeben, um den Endabnehmer nicht preis geben zu müssen, zumal die Regelungen über die Nachweise bei der Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen keine Sonderregelungen für Reihengeschäfte vorsehen. Auch ein Einwand des liefernden Unternehmers, dass er im Falle der Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer in einem Reihengeschäft keine verlässlichen Angaben über den Bestimmungsort des Gegenstandes machen könne, weil dieser ihm nur bekannt sein könne, wenn er selbst den Transportauftrag erteilt habe, ist nicht durchgreifend.
28Entspricht der Bestimmungsort nicht den Angaben des Abnehmers, ist dies nicht zu beanstanden, wenn es sich bei dem tatsächlichen Bestimmungsort um einen Ort im übrigen Gemeinschaftsgebiet handelt. Zweifel über das Gelangen des Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen.
29Die Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (§ 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV) und die Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten (§ 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV) müssen den Namen und die Anschrift des Abnehmers sowie den Namen und die Unterschrift des Belegausstellers enthalten, Außerdem muss sich aus der Empfangsbestätigung bzw. der Versicherung ergeben, dass der Abnehmer den Beauftragten mit der Beförderung des Liefergegenstands im Rahmen der Lieferung an den Abnehmer (und nicht im Rahmen einer Lieferung an einen nachfolgenden Abnehmer im Reihengeschäft) beauftragt hat.
Die Empfangsbestätigung bzw. die Versicherung muss einen Zusammenhang zu der Lieferung, auf die sie sich bezieht, erkennen lassen. Daher ist die Berechtigung, den Gegenstand der Lieferung in den Fällen der Beförderung durch den Unternehmer oder den Abnehmer in Empfang nehmen zu dürfen bzw. beim liefernden Unternehmer abholen zu dürfen, durch geeignete Unterlagen (z. B. Auftragsschein mit Abholnummer, Abholschein, Lieferschein) nachzuweisen. Es ist nicht erforderlich, die Berechtigung für jeden einzelnen Liefergegenstand nachzuweisen. Bei Lieferungen, die mehrere Gegenstände umfassen, oder bei Rechnungen, in denen einem Abnehmer gegenüber über mehrere Lieferungen abgerechnet wird, ist es regelmäßig ausreichend, wenn sich die Berechtigung auf die jeweilige Lieferung bzw. auf die Sammelrechnung bezieht. Bei dauerhaften Liefervereinbarungen wird es nicht beanstandet, wenn die Nachweisunterlagen für den vereinbarten Leistungszeitraum vorliegen.
30Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung zählt nicht zu den Erfordernissen für einen im Sinne von § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweis. Die Finanzverwaltung hat jedoch stets die Möglichkeit, beim Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall diesen Nachweis zu überprüfen. Somit kann der Unternehmer in Zweifelsfällen ggf. zur Vorlage einer Vollmacht, die den Beauftragten berechtigt hat, den Liefergegenstand abzuholen, sowie zur Vorlage der Legitimation des Ausstellers der Vollmacht aufgefordert werden.
31Bestehen auf Grund von Ermittlungen der ausländischen Steuerverwaltung Zweifel an der tatsächlichen Existenz des vorgeblichen Abnehmers, können vom Unternehmer nachträglich vorgelegte Belege und Bestätigungen nur dann anerkannt werden, wenn die Existenz des Abnehmers im Zeitpunkt der nachträglichen Ausstellung dieser Unterlagen nachgewiesen werden kann und auch dessen Unternehmereigenschaft zum Zeitpunkt der Lieferung feststeht.
32Befördert der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (sog. Abholfall), muss sich aus den Belegen leicht und einfach nachprüfbar entnehmen lassen, dass der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird oder befördert hat. Die entsprechende Versicherung nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV muss schriftlich und in deutscher Sprache erfolgen. Eine mündliche Versicherung reicht nicht aus. Die Versicherung muss insbesondere den Namen und die Anschrift des Abnehmers sowie eine – mit Datum versehene – Unterschrift des Abnehmers bzw. dessen Vertretungsberechtigten enthalten oder mit der Unterschrift eines unselbständigen Beauftragten versehen sein. Die Unterschrift muss ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen.
33Mit einer erst nach Ausführung einer Lieferung erstellten, nicht den Gegebenheiten entsprechenden Bestätigung über die Beförderung des Gegenstands der Lieferung kann der liefernde Unternehmer den erforderlichen Belegnachweis nicht erbringen. Ein Beleg, der weder eine Empfangsbestätigung des Abnehmers noch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, enthält, genügt nicht den Anforderungen an den Belegnachweis.
3.2 Belegnachweis in Versendungsfällen
34Versendet der liefernde Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der liefernde Unternehmer den belegmäßigen Nachweis durch ein Doppel der Rechnung und einen Versendungsbeleg führen (§ 17a Abs. 4 UStDV). Als Versendungsbeleg nach § 17a Abs. 4 Nr. 2 UStDV kommen insbesondere in Betracht: Frachtbrief (Eisenbahnfrachtbrief, Luftfrachtbrief), Konnossement, Posteinlieferungsschein, das zur Auftragserteilung an einen Kurierdienst gefertigte Dokument, Ladeschein und deren Doppelstücke, wenn sich aus ihnen die innergemeinschaftliche Warenbewegung ergibt; hinsichtlich der Anforderungen an das zur Auftragserteilung an einen Kurierdienst gefertigte Dokument ist Abschnitt 135 Abs. 6 UStR entsprechend anzuwenden. Bei elektronischer Auftragserteilung an einen Kurierdienst wird auch die Versandbestätigung einschließlich des Zustellnachweises als Versendungsbeleg anerkannt. Der Unternehmer kann den nach § 17a UStDV erforderlichen Belegnachweis auch in Versendungsfällen ggf. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht nachholen (vgl. Rz. 26).
35Die bei der Abwicklung einer innergemeinschaftlichen Lieferung anfallenden Geschäftspapiere, z. B. Rechnungen, Auftragsschreiben, Lieferscheine oder deren Durchschriften, Kopien und Abschriften von Versendungsbelegen, Spediteur-Übernahmebescheinigungen, Frachtabrechnungen, sonstiger Schriftwechsel, können als Versendungsbelegnachweis in Verbindung mit anderen Belegen anerkannt werden, wenn sich aus der Gesamtheit der Belege die Angaben nach § 17a Abs. 4 Satz 1 UStDV eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben. Unternehmer oder Abnehmer, denen Belege über die innergemeinschaftliche Lieferung eines Gegenstands, z. B. Versendungsbelege oder sonstige handelsübliche Belege, ausgestellt worden sind, obwohl sie diese für Zwecke des Versendungsbelegnachweises nicht benötigen, können die Belege mit einem Übertragungsvermerk versehen und an den Unternehmer, der die Lieferung bewirkt hat, zur Führung des Versendungsbelegnachweises weiterleiten.
36Als Versendungsbeleg kann auch ein sonstiger handelsüblicher Beleg dienen, insbesondere eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs (zu den Sollangaben des sonstigen handelsüblichen Belegs vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 UStDV). Ein Frachtbrief soll stets die Unterschrift desjenigen tragen, der dem Frachtführer den Auftrag zu Beförderung des Frachtgutes erteilt hat. Dies folgt aus § 408 Abs. 2 HGB, wonach der Frachtbrief in drei Originalausfertigungen ausgestellt wird, die vom Absender unterzeichnet werden. Unter „Absender” versteht das Frachtbriefrecht stets den Vertragspartner des Frachtführers, auch wenn dieser Vertragspartner der Empfänger des Frachtguts ist. Die Angaben in einem Frachtbrief, der nicht vom Absender unterschrieben ist, sind nicht – wie es § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV verlangt – leicht und eindeutig nachprüfbar. Ein solcher Beleg kann nicht als ordnungsgemäßer Beleg anerkannt werden.
37Eine dem Muster der Anlage 1 zu dem (BStBl 2000 I S. 179) entsprechende, vollständig und richtig ausgefüllte und unterzeichnete Bescheinigung durch einen Spediteur oder Frachtführer ist als Beleg im Sinne des § 17a Abs. 4 Nr. 2 UStDV bzw. als sonstiger handelsüblicher Beleg im Sinne des § 10 Abs. 1 UStDV anzuerkennen. Als Nachweis ist regelmäßig auch der sog. CMR-Frachtbrief anzuerkennen. CMR-Frachtbriefe werden nach Maßgabe des Übereinkommens vom über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr-CMR – (BGBl 1961 II S. 1120) ausgestellt. Sie müssen gemäß Art. 6 des Übereinkommens folgende Angaben enthalten:
Ort und Tag der Ausstellung,
Name und Anschrift des Absenders,
Name und Anschrift des Frachtführers,
Stelle und Tag der Übernahme des Gutes sowie die für die Ablieferung vorgesehene Stelle,
Name und Anschrift des Empfängers,
die übliche Bezeichnung der Art des Gutes und die Art der Verpackung, bei gefährlichen Gütern ihre allgemein anerkannte Bezeichnung,
Anzahl, Zeichen und Nummern der Frachtstücke,
Rohgewicht oder die anders angegebene Menge des Gutes,
die mit der Beförderung verbundenen Kosten (Fracht, Nebengebühren, Zölle und andere Kosten, die vom Vertragsabschluß bis zur Ablieferung anfallen),
Weisungen für die Zollbehandlung und sonstige amtliche Behandlung,
die Angabe, dass die Beförderung trotz einer gegenteiligen Abmachung den Bestimmungen dieses Übereinkommens unterliegt.
Unter „Absender” (bzw. „Sender” oder „Expediteur”) i. S. d. Feldes Nr. 1 des CMR-Frachtbriefs ist der Vertragspartner des Frachtführers zu verstehen, auch wenn dieser Vertragspartner der Empfänger des Frachtguts ist (vgl. Rz. 36).
38Die Anerkennung des CMR-Frachtbriefs als belegmäßiger Nachweis setzt allerdings voraus, dass sich aus dem CMR-Frachtbrief die grenzüberschreitende Warenbewegung in den Bestimmungsmitgliedstaat ergibt. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn im Feld 24 des CMR-Frachtbriefs der Empfang der Ware mit allen dort erforderlichen Angaben bestätigt wird und dem liefernden Unternehmer nach Aushändigung der Ware zeitnah eine Ausfertigung übersendet wird. Eine fehlende Bestätigung in Feld 24 ist allein kein Grund anzunehmen, dass der Gegenstand der Lieferung nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Bestehen ernstliche Zweifel an der tatsächlich grenzüberschreitenden Warenbewegung im Rahmen dieser Lieferung und fehlt in Feld 24 die Empfangsbestätigung des Abnehmers, ist der liefernde Unternehmer verpflichtet, den erforderlichen Nachweis der grenzüberschreitenden Warenbewegung durch andere geeignete Unterlagen nachzuweisen.
4. Belegnachweis in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen (§ 17b UStDV)
39In Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichen Lieferungen soll der liefernde Unternehmer den Belegnachweis durch Belege nach § 17a UStDV führen, die zusätzlich die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (§ 17b Satz 2 UStDV). Abschnitt 134 UStR ist entsprechend anzuwenden.
5. Belegnachweis in Fällen der Beförderung oder Versendung eines neuen Fahrzeugs an Nichtunternehmer
40Wird ein neues Fahrzeug an einen anderen Abnehmer als an einen Unternehmer für dessen Unternehmen geliefert, reicht der auf der Basis der Bestimmungen in § 17a Abs. 2 bis 4 UStDV zu führende Nachweis der Beförderung oder der Versendung des Fahrzeugs in das übrige Gemeinschaftsgebiet zur Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauchs nicht aus. Der Nachweis der Beförderung oder der Versendung des Fahrzeugs in das übrige Gemeinschaftsgebiet ist in diesen Fällen aber als erbracht anzusehen, wenn nachgewiesen wird, dass das Fahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat zum Straßenverkehr amtlich zugelassen worden ist. Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Nachweis der Beförderung oder der Versendung des Fahrzeugs in das übrige Gemeinschaftsgebiet in einer anderen gleichermaßen eindeutigen und leicht nachprüfbaren Weise, z. B. durch den Nachweis der Erwerbsbesteuerung, erfolgt.
6. Buchnachweis (§ 17c UStDV)
41Zur Führung des Buchnachweises muss der liefernde Unternehmer die USt-IdNr. des Abnehmers aufzeichnen (§ 17c Abs. 1 UStDV). Darüber hinaus soll er den Namen und die Anschrift des Abnehmers aufzeichnen (§ 17c Abs. 2 Nr. 1 UStDV). Zu den erforderlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung gehört auch die Unternehmereigenschaft des Abnehmers. Diese muss der liefernde Unternehmer nachweisen (§ 17c Abs. 1 UStDV i. V. m. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a UStG). Die Aufzeichnung der USt-IdNr. allein reicht hierfür nicht aus, weil sich aus ihr nicht ergibt, wer der tatsächliche Leistungsempfänger ist. Die Beteiligten eines Leistungsaustausches – und somit auch der Abnehmer – ergeben sich regelmäßig aus den zivilrechtlichen Vereinbarungen. Handelt jemand im fremden Namen, kommt es darauf an, ob er hierzu Vertretungsmacht hat. Der Unternehmer muss daher die Identität des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten), z. B. durch Vorlage des Kaufvertrags, nachweisen. Handelt ein Dritter im Namen des Abnehmers, muss der Unternehmer auch die Vollmacht des Vertretungsberechtigten nachweisen, weil beim Handeln im fremden Namen die Wirksamkeit der Vertretung davon abhängt, ob der Vertretungsberechtigte Vertretungsmacht hat (vgl. zu den Anforderungen an die Vollmacht Rz. 30).
42Die nach § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV buchmäßig nachzuweisende USt-IdNr. des Abnehmers bezeichnet die gültige USt-IdNr. des Abnehmers i. S. von Rz. 9. Wenn der liefernde Unternehmer die gültige USt-IdNr. des Abnehmers nicht aufzeichnen bzw. im Bestätigungsverfahren beim Bundeszentralamt für Steuern nicht erfragen kann, weil ihm eine unrichtige USt-IdNr. genannt worden ist, steht nicht objektiv fest, an welchen Abnehmer die Lieferung bewirkt wurde. Im Übrigen steht nicht entsprechend § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG fest, dass der Erwerb des Gegenstands in dem anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt. In einem solchen Fall liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung somit grundsätzlich nicht vor. Dieser Mangel kann geheilt werden, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass es sich um einen Abnehmer i. S. d. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG handelt und der erforderliche Buchnachweis – ggf. spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht – nachgeholt wird. Zu einer etwaigen Gewährung von Vertrauensschutz in diesen Fällen vgl. Rz. 50 ff.
43Hat der Unternehmer eine im Zeitpunkt der Lieferung gültige USt-IdNr. des Abnehmers i. S. von Rz. 9 aufgezeichnet, kann
die Feststellung, dass der Adressat einer Lieferung den Gegenstand nicht zur Ausführung entgeltlicher Umsätze verwendet hat,
die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, oder
die Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, bei dem Abnehmer handele es sich um einen „missing trader”,
für sich genommen nicht zu dem Schluss führen, nicht der Vertragspartner, sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung gewesen.
44Für die Unternehmereigenschaft des Abnehmers ist es auch unerheblich, ob dieser im Bestimmungsmitgliedstaat des Gegenstands der Lieferung seine umsatzsteuerlichen Pflichten erfüllt.
45Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender und wer als Leistungsempfänger anzusehen ist. Allerdings kommt unter vergleichbaren Voraussetzungen eine von den „vertraglichen Vereinbarungen” abweichende Bestimmung des Leistungsempfängers in Betracht, wenn bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach den konkreten Umständen des Falles für den liefernden Unternehmer erkennbar eine andere Person als sein „Vertragspartner” unter dessen Namen auftritt, und bei denen der liefernde Unternehmer mit der Nichtbesteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs rechnet oder rechnen muss.
46Der Inhalt und der Umfang des buchmäßigen Nachweises sind in Form von Sollvorschriften geregelt (§ 17c Abs. 2 bis 4 UStDV). Der Unternehmer kann den Nachweis auch in anderer Weise führen. Er muss jedoch in jedem Fall die Grundsätze des § 17c Abs. 1 UStDV beachten.
47Der buchmäßige Nachweis muss grundsätzlich im Geltungsbereich der UStDV geführt werden. Steuerlich zuverlässigen Unternehmern kann jedoch gestattet werden, die Aufzeichnungen über den buchmäßigen Nachweis im Ausland vorzunehmen und dort aufzubewahren. Voraussetzung ist hierfür, dass andernfalls der buchmäßige Nachweis in unverhältnismäßiger Weise erschwert würde und dass die erforderlichen Unterlagen den deutschen Finanzbehörden jederzeit auf Verlangen im Geltungsbereich der UStDV vorgelegt werden. Der Bewilligungsbescheid ist unter einer entsprechenden Auflage und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zu erteilen. Die zuständige Finanzbehörde kann unter den Voraussetzungen des § 146 Abs. 2a und 2b AO auf schriftlichen Antrag des Unternehmers bewilligen, dass die elektronischen Aufzeichnungen über den buchmäßigen Nachweis im Ausland geführt und aufbewahrt werden.
48Aus dem Grundsatz, dass die buchmäßig nachzuweisenden Voraussetzungen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein müssen (§ 17c Abs. 1 UStDV), ergibt sich, dass die erforderlichen Aufzeichnungen grundsätzlich laufend und unmittelbar nach Ausführung des jeweiligen Umsatzes vorgenommen werden sollen. Der buchmäßige Nachweis darf um den gegebenenfalls später eingegangenen Belegnachweis vervollständigt werden. Der Unternehmer muss den buchmäßigen Nachweis der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung bis zu dem Zeitpunkt führen, zu dem er die Umsatzsteuer-Voranmeldung für die innergemeinschaftliche Lieferung abzugeben hat. Der Unternehmer kann fehlende oder fehlerhafte Aufzeichnungen eines rechtzeitig erbrachten Buchnachweises bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ergänzen oder berichtigen.
49Bei der Aufzeichnung der Menge und der handelsüblichen Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung sind Sammelbezeichnungen, z. B. Lebensmittel oder Textilien, in der Regel nicht ausreichend (vgl. Abschnitt 185 Abs. 15 UStR). Aus der Aufzeichnung der Art und des Umfangs einer etwaigen Bearbeitung oder Verarbeitung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet sollen auch der Name und die Anschrift des mit der Bearbeitung oder Verarbeitung Beauftragten, die Bezeichnung des betreffenden Auftrags sowie die Menge und handelsübliche Bezeichnung des gelieferten Gegenstandes hervorgehen. Als Grundlage dieser Aufzeichnungen können die Belege dienen, die der Unternehmer über die Bearbeitung oder Verarbeitung erhalten hat.
IV. Gewährung von Vertrauensschutz (§ 6a Abs. 4 UStG)
50Nach § 6a Abs. 4 UStG ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. Die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist. Entscheidend dabei ist, dass die vom Unternehmer vorgelegten Nachweise (buch- und belegmäßig) eindeutig und schlüssig auf die Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hindeuten und dass der Unternehmer bei der Nachweisführung – insbesondere mit Blick auf die Unrichtigkeit der Angaben – der Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns genügte und in gutem Glauben war.
51„Abnehmer” im Sinne von § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG ist derjenige, der den Unternehmer durch falsche Angaben getäuscht hat, d. h. derjenige, der gegenüber dem Unternehmer als (vermeintlicher) Erwerber aufgetreten ist. Dieser schuldet die entgangene Steuer und die Steuer ist gegen ihn festzusetzen und ggf. zu vollstrecken (ggf. im Wege der Amtshilfe, da es sich bei den Betroffenen in der Regel um nicht im Inland ansässige Personen handelt). Der (vermeintliche) Abnehmer im Sinne des § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG muss nicht notwendigerweise mit der im Beleg- und Buchnachweis des Unternehmers als Leistungsempfänger dokumentierten Person übereinstimmen. Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz vor, ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, auch dann als steuerfrei anzusehen, wenn eine Festsetzung der Steuer nach § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG gegen den Abnehmer nicht möglich ist, z. B. weil dieser sich dem Zugriff der Finanzbehörde entzogen hat.
52Die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts für die Festsetzung der entgangenen Steuer ergibt sich aus § 21 Abs. 1 AO und der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung – UStZustV –.
53Der gute Glaube im Sinne des § 6a Abs. 4 UStG bezieht sich allein auf unrichtige Angaben über die in § 6a Abs. 1 UStG bezeichneten Voraussetzungen (Unternehmereigenschaft des Abnehmers, Verwendung des Lieferungsgegenstandes für sein Unternehmen, körperliche Warenbewegung in den anderen Mitgliedstaat). Er bezieht sich nicht auch auf die Richtigkeit der nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. § 17a ff. UStDV vom Unternehmer zu erfüllenden Nachweise.
54Die Erfüllung des Beleg- und Buchnachweises gehört zu den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns. Deshalb stellt sich die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a bis 17c UStDV vollständig nachgekommen ist. Allerdings kann die Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall in Betracht kommen, wenn der Unternehmer eine unrichtige USt-IdNr. aufgezeichnet hat, dies jedoch auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (z. B. weil der Bestimmungsmitgliedstaat die USt-IdNr. des Abnehmers rückwirkend für ungültig erklärt hat). Der Unternehmer trägt die Feststellungslast, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet hat.
55War die Unrichtigkeit einer USt-IdNr. erkennbar und hat der Unternehmer dies nicht erkannt (z. B. weil das Bestätigungsverfahren nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als dem des Umsatzes durchgeführt wird), genügt dies nicht der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns. Gleiches gilt in Fällen, in denen der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung befördert und der liefernde Unternehmer die Steuerbefreiung in Anspruch nimmt, ohne über eine schriftliche Versicherung des Abnehmers zu verfügen, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat befördern zu wollen.
56An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der vermeintlichen innergemeinschaftlichen Lieferung ein Barkauf zu Grunde liegt. In Fällen dieser Art ist es dem Unternehmer auch zumutbar, dass er sich über den Namen, die Anschrift des Abnehmers und ggf. über den Namen, die Anschrift und die Vertretungsmacht eines Vertreters des Abnehmers vergewissert und entsprechende Belege vorlegen kann. Wird der Gegenstand der Lieferung von einem Vertreter des Abnehmers beim liefernden Unternehmer abgeholt, reicht die alleinige Durchführung eines qualifizierten Bestätigungsverfahrens nach § 18e UStG über die vom Abnehmer verwendete USt-IdNr. nicht aus, um den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns zu genügen.
57Die Vertrauensschutzregelung ist auf Fälle, in denen der Abnehmer in sich widersprüchliche oder unklare Angaben zu seiner Identität macht, von vornherein nicht anwendbar. Bei unklarer Sachlage verstößt es stets gegen die einem ordentlichen Kaufmann obliegenden Sorgfaltspflichten, wenn der liefernde Unternehmer diese Unklarheiten bzw. Widersprüchlichkeiten aus Unachtsamkeit gar nicht erkennt oder im Vertrauen auf diese Angaben die weitere Aufklärung unterlässt. Für einen Vertrauensschutz ist nur dort Raum, wo eine Täuschung des liefernden Unternehmers festgestellt werden kann.
Dieses Schreiben ist in allen noch offenen Steuerfällen anzuwenden.
Das (BStBl 2009 I S. 60) wird aufgehoben.
BMF v. - IV D 3
- S 7141/08/10001
Fundstelle(n):
BStBl 2010 I Seite 508
CAAAD-42953