BGH Beschluss v. - 4 StR 637/09

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Strafverfahren: Zu späte Kenntnisnahme von einer Gesetzesänderung

Gesetze: § 35a S 3 StPO, § 44 S 1 StPO, § 44 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Arnsberg Az: 6 KLs 212 Js 915/07 - 44/08 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in sechs Fällen - unter Anrechnung von Auslieferungshaft - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionseinlegungsfrist und seine Revision bleiben ohne Erfolg.

21. Dem angefochtenen Urteil ging eine Verständigung voraus. Nach der Verkündung des Urteils am wurde der Angeklagte qualifiziert belehrt. Er verzichtete daraufhin auf Rechtsmittel. Mit einem auf den datierten, am beim Landgericht eingegangenen Schreiben legte der Angeklagte Revision ein und begehrte gleichzeitig unter Hinweis auf die Regelung in § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO n.F. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Schreiben vom 6. Oktober und legten auch seine Verteidiger Revision ein und beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

3Das Wiedereinsetzungsgesuch wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Rechtsmittelverzicht gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO n.F. unwirksam gewesen sei. Hätte der Angeklagte dies gewusst, hätte er fristgerecht Revision eingelegt.

42. Der Wiedereinsetzungsantrag bleibt ohne Erfolg.

5a) Bedenken bestehen bereits gegen seine Zulässigkeit, weil die Begründungsschreiben - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit den Zeitpunkt des Wegfalles des Hindernisses im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO erkennen lassen (vgl. Senat, Beschluss vom - 4 StR 399/05, NStZ 2006, 54).

6b) Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

7Zwar ist es zutreffend, dass nach § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO in der Fassung des am in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom (BGBl. I S. 2353) der in der Hauptverhandlung vom nach Urteilsverkündung erklärte Rechtsmittelverzicht nicht zulässig war. Dies hat zur Folge, dass der Rechtsmittelverzicht unwirksam ist, so dass dem Angeklagten die - hier erheblich überschrittene - einwöchige Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) zur Verfügung gestanden hätte.

8Der Angeklagte war jedoch nicht - wie in § 44 Satz 1 StPO gefordert - ohne Verschulden gehindert, die Frist zur Einlegung der Revision zu wahren. Denn die zu späte Kenntnisnahme des Angeklagten oder seines Verteidigers von einer gesetzlichen Bestimmung stellt - ebenso wenig wie die Unkenntnis höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. , wistra 2006, 28 m.w.N.) - keine Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift dar.

9Auch § 44 Satz 2 StPO vermag dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Unterlassen einer Rechtsmittelbelehrung nach § 35 a Satz 1 StPO wird nicht geltend gemacht. Die qualifizierte Belehrung nach einer Verständigung (§ 35 a Satz 3 StPO) wird nicht von dem Vermutungstatbestand des § 44 Satz 2 StPO erfasst; im Übrigen wurde der Angeklagte entsprechend belehrt. Schließlich sieht das Gesetz eine Belehrung darüber, dass bei vorausgegangener Verständigung gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen ist, nicht vor.

103. Danach ist die Revision unzulässig, weil verspätet eingelegt (§ 341 Abs. 1 StPO).

Tepperwien                                     Athing                                    Ernemann

                            Cierniak                                 Mutzbauer

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Fundstelle(n):
ZAAAD-42821