Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: VG Köln, 11 L 1214/07 vom VG Köln, 21 L 1886/09 vom Veröffentlichungen: Fachpresse: nein; Amtliche Sammlung: nein
Gründe
I
Die Antragstellerin bietet nicht-mobilen breitbandigen Internetzugang auf der Basis eines eigenen Funknetzes an. Dafür hatte sie seit 1999 insgesamt 36 regionale Frequenzzuteilungen erhalten, von denen sie nur vier nutzt. Die Frequenzzuteilungen waren bis zum befristet. In einem vor dem Verwaltungsgericht Köln im Zuge des Rechtsstreits um die Verlängerung der genannten Frequenzzuteilungen geschlossenen Prozessvergleich vom - 11 L 1880/06 - hat sich die Antragsgegnerin verpflichtet, die Nutzung der zugeteilten Frequenzen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren der Hauptsache, längstens bis zur Aufnahme der Nutzung durch einen anderen Zuteilungsinhaber, zu dulden.
Mit Allgemeinverfügung vom (ABl BNetzA S. 3115) in der Fassung der Allgemeinverfügung vom (ABl BNetzA S. 3626) ordnete die Bundesnetzagentur gemäß § 55 Abs. 9 TKG u.a. an, dass der Zuteilung der Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten in den Bereichen 790 bis 862 MHz, 1710 bis 1725 MHz, 1805 bis 1820 MHz sowie 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz ein Vergabeverfahren nach § 61 TKG voranzugehen hat. Die Antragstellerin hat dagegen Klage erhoben; ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht erstmals durch Beschluss vom - 11 L 1214/07 - abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom abgewiesen und unter Hinweis auf dieses Urteil durch Beschluss vom einen von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom abgelehnt.
Die Antragstellerin hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts am die darin zugelassene Revision eingelegt und am beantragt, unter Abänderung der Beschlüsse vom und vom die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Vergabeanordnung der Bundesnetzagentur in Bezug auf die Frequenzen im Bereich 2,6 GHz, hilfsweise in Bezug auf sämtliche von der Vergabeanordnung betroffenen Frequenzen, anzuordnen. Darüber hinaus beantragt sie, der Antragsgegnerin im Wege einer Zwischenverfügung aufzugeben, den auf den anberaumten Versteigerungstermin - mindestens - in Bezug auf die Frequenzen im Bereich 2,6 GHz aufzuheben und einen neuen Termin zur Versteigerung nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes festzulegen.
II
Der Abänderungsantrag, über den das Bundesverwaltungsgericht mit Rücksicht auf das bei ihm anhängige Revisionsverfahren als Gericht der Hauptsache zu entscheiden hat (§ 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO), bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn zugunsten der Antragstellerin angenommen wird, dass sie mit ihrem erneuten Antrag veränderte Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend gemacht hat. Denn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der von der Bundesnetzagentur erlassenen Vergabeanordnung überwiegt weiterhin das Aufschubinteresse der Antragstellerin.
1. Die Interessenabwägung, die der Senat im Rahmen des § 80 Abs. 7 VwGO vorzunehmen hat, wird im vorliegenden Fall nicht durch die Erfolgsaussichten des Verfahrens der Hauptsache bestimmt, an denen sie sich regelmäßig in erster Linie auszurichten hat. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand lässt sich weder mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom Bestand haben wird, noch ist umgekehrt evident, dass sich die Antragstellerin mit der gegen dieses Urteil eingelegten Revision durchsetzen wird.
Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin ist insbesondere nicht offensichtlich, dass die umstrittene Vergabeanordnung schon wegen der Überschreitung der in § 55 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 61 Abs. 8 Satz 1 TKG geregelten Entscheidungsfrist aufgehoben werden muss. Die mit dem Erlass der Vergabeanordnung nach § 55 Abs. 9 Satz 1 TKG verbundene Umwandlung des Anspruchs auf Einzelzuteilung von Frequenzen in einen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme am Vergabeverfahren ist, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht dadurch auflösend bedingt, dass es die Bundesnetzagentur versäumt, innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist über den Zuteilungsantrag zu entscheiden (s. BVerwG 6 C 4.09 - DVBl 2009, 1520 Rn. 16). Gegen die Auffassung der Antragstellerin, das Vergabeverfahren dürfe nach Fristablauf allenfalls nach erneuter Feststellung der Frequenzknappheit aufgrund einer neu zu erlassenden Vergabeanordnung fortgesetzt werden, spricht der Umstand, dass der Beginn der erwähnten Entscheidungsfrist nicht an den Erlass der (ersten) Vergabeanordnung, sondern an den Zuteilungsantrag anknüpft und die etwaige Notwendigkeit, eine neue Vergabeanordnung zu erlassen, das Zuteilungsverfahren, gerechnet ab dem Zuteilungsantrag, insgesamt weiter verlängern würde. Auch im Übrigen ist der Streitstoff des vor dem Senat anhängigen Revisionsverfahrens von einer solchen Komplexität, dass sich auch nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil über dessen Ausgang verbietet.
2. Unter diesen Umständen hat das nach § 80 Abs. 7 VwGO zu einer vorläufigen Entscheidung berufene Revisionsgericht eine vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung durchzuführen (s. auch BVerwG 6 VR 5.07 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 74 Rn. 16 m.w.N.). Diese Interessenabwägung fällt hier zum Nachteil der Antragstellerin aus. Denn die Folgen, die sie bei einem für sie ungünstigen Ausgang des Eilverfahrens und späterem Obsiegen im Verfahren der Hauptsache zu gewärtigen hat, wiegen weniger schwer als die Folgen, die eintreten, wenn ihr vorläufiger Rechtsschutz gewährt würde, ihre Klage gegen die Vergabeanordnung aber endgültig abgewiesen werden sollte.
a) Wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Vergabeanordnung der Bundesnetzagentur (weiterhin) abgelehnt, hat die Klage aber später Erfolg, sind damit Nachteile im Hinblick auf die Durchsetzung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Neuzuteilung der ihr ursprünglich befristet zugeteilten Frequenzen im Bereich von 2,6 GHz verbunden. So könnte einerseits der erfolgreiche Bieter, dem die umstrittenen Frequenzen nach Abschluss des Vergabeverfahrens zugeteilt werden (§ 61 Abs. 1 Satz 3 TKG), mit deren Nutzung noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Anfechtungsrechtsstreits beginnen und dadurch die von der Antragsgegnerin infolge des Prozessvergleichs vom einstweilen weiter geduldete Frequenznutzung der Antragstellerin beenden, während andererseits die Vergabeanordnung bis zu ihrer etwaigen Aufhebung wegen der mit ihr verbundenen "Sperrwirkung" (s. Urteil vom a.a.O.) der von der Antragstellerin begehrten Einzelzuteilung der Frequenzen an sie selbst entgegensteht.
Das Interesse der Antragstellerin, diese für sie wirtschaftlich abträglichen Folgen durch die beantragte Aussetzung des Vollzugs der Vergabeanordnung zu verhindern, ist aber zum einen dadurch gemindert, dass die begehrte Neuzuteilung der Frequenzen an sie selbst auch nach einer etwaigen Aufhebung der angefochtenen Vergabeanordnung von weiteren Umständen abhängt, deren Eintritt ebenfalls ungewiss ist. So ist die Vereinbarkeit der von der Antragstellerin vorgesehenen Nutzung der Frequenzen im Bereich von 2,6 GHz mit den frequenzplanungsrechtlichen Vorgaben (§ 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TKG) ebenso wenig abschließend geklärt wie die Frage, ob eine effiziente Frequenznutzung durch die Antragstellerin gewährleistet wäre (s. § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 TKG); insoweit ist von Belang, dass sie gemäß den Feststellungen des Verwaltungsgerichts von insgesamt 36 Regionalzuteilungen nach mehr als zehn Jahren nur vier tatsächlich nutzt, die übrigen 32 aber ungenutzt lässt. Abgesehen davon käme die Antragstellerin mit ihrem Zuteilungsbegehren selbst dann nicht ohne Weiteres zum Zuge, wenn sie sämtliche Voraussetzungen für eine Einzelzuteilung erfüllen würde und überdies wegen formeller oder materieller Fehler der angefochtenen Vergabeanordnung deren Aufhebung verlangen könnte; selbst unter dieser Prämisse wäre nämlich die von ihr selbst angesprochene Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Bundesnetzagentur aufgrund einer neuerlichen Knappheitsprognose eine erneute Vergabeanordnung erlassen könnte, die wiederum eine Sperrwirkung gegenüber einer Einzelzuteilung der Frequenzen entfalten würde.
Das Interesse der Antragstellerin, den Vollzug der Vergabeanordnung aufzuschieben, ist zum anderen dadurch gemindert, dass ihr - soweit erforderlich - eine sachnähere Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes zur Verfügung stände, um etwaige unzumutbare Nachteile vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache von sich abzuwenden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass einerseits der zwischen den Beteiligten am geschlossene Prozessvergleich der Antragstellerin die einstweilige Weiternutzung der ihr seinerzeit zugeteilten Frequenzen bis zur Aufnahme der Nutzung durch einen neuen Zuteilungsinhaber sichert, während andererseits die Antragsgegnerin die Zuteilung der streitbefangenen Frequenzen mit einer auflösenden Bedingung für den Fall versehen wird, dass sie durch rechtskräftige Entscheidung verpflichtet wird, die Nutzungsrechte eines anderen Unternehmens zu verlängern oder neu einzuräumen (s. Nr. IV 4.7 der Allgemeinverfügung der Bundesnetzagentur vom ). Soweit die Antragstellerin auf den ungesicherten Zwischenzustand ab Nutzungsaufnahme durch die neuen Zuteilungsinhaber verweist, der sie, die Antragstellerin, aufgrund des Verlustes ihrer Kundenbasis gegebenenfalls zur Einstellung des Geschäftsbetriebes zwingen werde, muss sie sich zunächst entgegenhalten lassen, dass gegenwärtig überhaupt noch nicht absehbar ist, in welchem Zeitpunkt die neuen Zuteilungsinhaber die Nutzung der von der Antragstellerin konkret verwendeten Frequenzen aufnehmen werden. Erforderlichenfalls könnte sie zudem um vorläufigen Rechtsschutz gegen einzelne Zuteilungsbescheide mit dem Ziel nachsuchen, diese einstweilen auszusetzen. Auf diese Möglichkeit ist die Antragstellerin um so mehr zu verweisen, als ihr seinerzeit nur ein Teil der im Bereich von 2,6 GHz nunmehr zur Versteigerung anstehenden Frequenzen zugeteilt worden war, den sie wiederum nur zu einem geringen Anteil tatsächlich nutzt, so dass die mit dem vorliegenden Antrag begehrte Aussetzung der Vergabe aller Frequenzen im Bereich von 2,6 GHz, hilfsweise sogar aller von der Vergabeanordnung betroffenen Frequenzen, erheblich über ihr - allenfalls schutzwürdiges - Interesse an einer vorläufigen Wahrung des Status quo hinausgeht.
b) Würde dagegen antragsgemäß die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die umstrittene Vergabeanordnung angeordnet, die Klage aber vom Senat später rechtskräftig abgewiesen, wögen die Folgen schwerer. So weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie mit dem Vergabeverfahren, das auch im Frequenzbereich von 2,6 GHz weit über die von der Antragstellerin faktisch genutzten Frequenzen hinausgreift, im Rahmen der sogenannten Breitbandstrategie der Bundesregierung eine Verbesserung der Breitbandversorgung in bislang unterversorgten Gebieten anstrebt; mit dem Aufschub des Vergabeverfahrens wären erhebliche Verzögerungen und ein beträchtlicher organisatorischer Mehraufwand verbunden. Bei der Gewichtung des Interesses der Antragsgegnerin an der Vermeidung dieser Folgen ist auch zu berücksichtigen, dass § 137 Abs. 1 TKG abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO von der sofortigen Vollziehung der Entscheidungen der Bundesnetzagentur regelmäßig ausgeht. Der dort angeordnete Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage hat nicht lediglich zur Folge, dass die Behörde von der ihr sonst nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders zu begründen. Er enthält vielmehr die gesetzliche Wertung, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug selbst bei offenem Prozessausgang regelmäßig erhebliches Gewicht hat (vgl. Beschluss vom a.a.O. Rn. 26 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass die Vorinstanz aufgrund einer aus ihrer Sicht endgültigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage bereits in der Hauptsache zu Lasten der Antragstellerin entschieden hat. Diese Überlegungen verstärken noch den Befund, dass dem öffentlichen Vollzugsinteresse unter den gegebenen Umständen der Vorrang gegenüber dem Aufschubinteresse der Antragstellerin gebührt.
3. Eine Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung vor der Entscheidung des Senats über den Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO erübrigt sich damit.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Fundstelle(n):
MAAAD-42471