Verweigerung der Präferenzbehandlung für Israel bei der Einfuhr von im Westjordanland hergestellter Waren zulässig
Leitsatz
1. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können die durch das am in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits eingeführte Gewährung der Präferenzbehandlung verweigern, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können keine Wahlfeststellung treffen, indem sie die Frage offenlassen, welches der in Betracht kommenden Abkommen, nämlich das Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits und das am in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits, im vorliegenden Fall anzuwenden ist und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss.
2. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind im Rahmen des Verfahrens nach Art. 32 des Protokolls Nr. 4 im Anhang des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits nicht an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden, wenn diese Antwort im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind nicht verpflichtet, dem nach Art. 39 dieses Protokolls eingerichteten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen eine Streitigkeit über die Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens vorzulegen.
Instanzenzug: FG Hamburg (Vorlage-) Beschluss vom - 4 K 133/06,
Gründe
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am in Brüssel unterzeichneten Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits (ABl. 2000, L 147, S. 3, im Folgenden: Assoziierungsabkommen EG-Israel) unter Berücksichtigung des am in Brüssel unterzeichneten Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommens über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits (ABl. 1997, L 187, S. 3, im Folgenden: Assoziierungsabkommen EG-PLO).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Zollrechtsstreits zwischen der Firma Brita GmbH, einer Gesellschaft deutschen Rechts, und dem Hauptzollamt Hamburg-Hafen über die Entscheidung des Zollamts, der Klägerin des Ausgangsverfahrens bei der Einfuhr von Waren, die im Westjordanland hergestellt wurden, die Präferenzbehandlung nicht zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Das Wiener Übereinkommen
Nach Art. 1 ("Geltungsbereich dieses Übereinkommens") des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom (United Nations Treaty Series, Nr. 1155, S. 331, im Folgenden: Wiener Übereinkommen) findet dieses auf Verträge zwischen Staaten Anwendung.
Art. 3 ("Nicht in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende internationale Übereinkünfte") des Wiener Übereinkommens lautet:
"Der Umstand, dass dieses Übereinkommen weder auf die zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten oder zwischen solchen anderen Völkerrechtssubjekten geschlossenen internationalen Übereinkünfte noch auf nicht schriftliche internationale Übereinkünfte Anwendung findet, berührt nicht
...
b) die Anwendung einer der in diesem Übereinkommen niedergelegten Regeln auf sie, denen sie auch unabhängig von diesem Übereinkommen auf Grund des Völkerrechts unterworfen wären;
..."
Art. 31 ("Allgemeine Auslegungsregel") des Wiener Übereinkommens bestimmt:
"(1) Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.
...
(2) Für die Auslegung eines Vertrags ...
(3) [sind] [a]ußer dem Zusammenhang ... in gleicher Weise zu berücksichtigen
...
c) jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz.
..."
Art. 34 ("Allgemeine Regel betreffend Drittstaaten") dieses Übereinkommens lautet:
"Ein Vertrag begründet für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte."
Das Assoziierungsabkommen EG-Israel
Das Assoziierungsabkommen EG-Israel, das durch den Beschluss 2000/384/EG, EGKS des Rates und der Kommission vom (ABl. L 147, S. 1) genehmigt wurde, trat am in Kraft.
Art. 6 Abs. 1 in Titel II ("Freier Warenverkehr") dieses Abkommens bestimmt:
"Die Freihandelszone zwischen der Gemeinschaft und Israel wird nach den in diesem Abkommen festgelegten Modalitäten und im Einklang mit den Bestimmungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 und der übrigen multilateralen Übereinkünfte über den Warenverkehr, die dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) beigefügt sind ..., ausgebaut."
Nach Art. 8 dieses Abkommens in Bezug auf gewerbliche Waren im Sinne dieses Abkommens und vorbehaltlich der darin vorgesehenen Ausnahmen sind "Einfuhr- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben gleicher Wirkung ... zwischen der Gemeinschaft und Israel verboten. ..."
Art. 75 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens EG-Israel sieht vor:
"Jede Vertragspartei kann den Assoziationsrat mit jeder Streitigkeit über die Anwendung oder die Auslegung dieses Abkommens befassen."
Der räumliche Geltungsbereich des Assoziierungsabkommens EG-Israel wird in Art. 83 wie folgt definiert:
"Dieses Abkommen gilt für die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl angewandt werden, und nach Maßgabe jener Verträge einerseits sowie für das Gebiet des Staates Israel andererseits."
Das Protokoll Nr. 4 im Anhang des Assoziierungsabkommens EG-Israel (im Folgenden: Protokoll EG-Israel) legt die Vorschriften zur Bestimmung der Begriffe "Erzeugnisse mit Ursprung" oder "Ursprungserzeugnisse" und die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen fest.
Nach Art. 2 Abs. 2 dieses Protokolls gelten als Ursprungserzeugnisse Israels Erzeugnisse, die im Sinne des Art. 4 dieses Protokolls vollständig in Israel gewonnen oder hergestellt worden sind sowie Erzeugnisse, die in Israel unter Verwendung von Vormaterialien hergestellt worden sind, die dort nicht vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, vorausgesetzt dass diese Vormaterialien in Israel im Sinne des Art. 5 dieses Protokolls "in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden sind".
Art. 17 Abs. 1 des Protokolls lautet:
"Ursprungserzeugnisse im Sinne dieses Protokolls erhalten bei der Einfuhr in eine Vertragspartei die Begünstigungen des Abkommens, sofern
a) eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ... vorgelegt wird oder
b) in den in Artikel 22 Absatz 1 genannten Fällen vom Ausführer eine Erklärung ... auf einer Rechnung, einem Lieferschein oder einem anderen Handelspapier abgegeben wird, in der die Erzeugnisse so genau bezeichnet sind, dass die Feststellung der Nämlichkeit möglich ist (im Folgenden 'Erklärung auf der Rechnung' genannt)."
Nach Art. 22 ("Bedingungen für die Ausfertigung einer Erklärung auf der Rechnung") Abs. 1 Buchst. a dieses Protokolls kann die in Art. 17 Abs. 1 Buchst. b genannte Erklärung auf der Rechnung von einem ermächtigten Ausführer im Sinne des Art. 23 dieses Protokolls ausgefertigt werden.
Die Zollbehörden des Ausfuhrstaats können nach Art. 23 einen Ausführer, "ermächtigter Ausführer" genannt, der häufig unter das Assoziierungsabkommen EG-Israel fallende Erzeugnisse versendet und jede von den Zollbehörden für erforderlich gehaltene Gewähr für die Kontrolle der Ursprungseigenschaft dieser Erzeugnisse und die Erfüllung der übrigen Bedingungen dieses Protokolls bietet, dazu ermächtigen, Erklärungen auf der Rechnung auszufertigen. Eine solche Erklärung bescheinigt die Ursprungseigenschaft der betreffenden Waren und ermöglicht somit dem Einführer, in den Genuss der Präferenzregelung nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel zu kommen.
Art. 32 des Protokolls EG-Israel regelt das Verfahren zur Prüfung der Ursprungsnachweise folgendermaßen:
"(1) Nachträgliche Prüfungen der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 oder der Erklärungen auf der Rechnung erfolgen stichprobenweise oder immer dann, wenn die Zollbehörden des Einfuhrlands begründete Zweifel an der Echtheit des Papiers, der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse oder der Erfüllung der übrigen Bedingungen dieses Protokolls haben.
(2) Zur Anwendung des Absatzes 1 senden die Zollbehörden des Einfuhr[staats] die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 und die Rechnung, wenn sie vorgelegt worden ist, oder eine Abschrift davon an die Zollbehörden des Ausfuhrlands zurück, gegebenenfalls unter Angabe der sachlichen oder formalen Gründe, die eine Untersuchung rechtfertigen.
Zur Begründung des Antrags auf nachträgliche Prüfung übermitteln sie alle Unterlagen und teilen alle bekannten Umstände mit, die auf die Unrichtigkeit der Angaben in der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder in der Erklärung auf der Rechnung schließen lassen.
(3) Diese Prüfung wird von den Zollbehörden des Ausfuhrlands durchgeführt. Sie sind berechtigt, die Vorlage von Belegen zu verlangen und jede Art von Überprüfung der Buchführung des Ausführers oder sonstige von ihnen für zweckdienlich erachtete Kontrollen durchzuführen.
(4) ...
(5) Das Ergebnis dieser Prüfung ist den Zollbehörden, die die Prüfung beantragt haben, binnen zehn Monaten mitzuteilen. Anhand dieses Ergebnisses muss sich eindeutig feststellen lassen, ob die Nachweise echt sind und ob die Waren als Ursprungserzeugnisse angesehen werden können und die übrigen Bedingungen dieses Protokolls erfüllt sind.
...
(6) Ist bei begründeten Zweifeln binnen zehn Monaten keine Antwort erfolgt oder enthält die Antwort keine ausreichenden Angaben, um feststellen zu können, ob der betreffende Nachweis echt oder welches der tatsächliche Ursprung der Waren ist, so lehnen die Zollbehörden, die die Prüfung beantragt haben, die Gewährung der Präferenzbehandlung ab, es sei denn, es liegen Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände vor."
Zur Beilegung von Streitigkeiten bestimmt Art. 33 des Protokolls EG-Israel:
"Streitigkeiten in Verbindung mit den Prüfungsverfahren des Artikels 32, die zwischen den Zollbehörden, die eine Prüfung beantragen, und den für diese Prüfung zuständigen Zollbehörden entstehen, oder Fragen zur Auslegung dieses Protokolls sind dem Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollwesen vorzulegen.
..."
Art. 39 ("Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen") des Protokolls lautet:
"(1) Es wird ein 'Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen' eingesetzt, der beauftragt ist, im Hinblick auf die ordnungsgemäße und einheitliche Anwendung dieses Protokolls die Zusammenarbeit der Verwaltungen sicherzustellen und alle sonstigen Aufgaben auf dem Gebiet des Zollwesens durchzuführen, die ihm übertragen werden.
(2) Der Ausschuss setzt sich einerseits aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten und aus für Zollfragen verantwortlichen Beamten der Europäischen Kommission und andererseits aus von Israel benannten Sachverständigen zusammen."
Das Assoziierungsabkommen EG-PLO
Das durch den Beschluss 97/430/EG des Rates vom (ABl. L 187, S. 1) genehmigte Assoziierungsabkommen EG-PLO trat am in Kraft.
Art. 3 dieses Abkommens bestimmt:
"... die Gemeinschaft und die Palästinensische Behörde [errichten] ... im Einklang mit den Bestimmungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 und der übrigen multilateralen Übereinkünfte über den Warenverkehr, die dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) beigefügt sind ..., schrittweise eine Freihandelszone."
Die Art. 5 und 6 des Abkommens lauten:
"Artikel 5
Im Handel zwischen der Gemeinschaft und dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen werden weder Einfuhrzölle noch Abgaben gleicher Wirkung eingeführt.
Artikel 6
Die Ursprungswaren des Westjordanlands und des Gaza-Streifens werden frei von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung und frei von mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zur Einfuhr in die Gemeinschaft zugelassen."
Zum räumlichen Geltungsbereich dieses Abkommens sieht Art. 73 vor:
"Dieses Abkommen gilt für die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angewandt wird, und nach Maßgabe jenes Vertrags einerseits sowie für das Gebiet des Westjordanlands und des Gaza-Streifens andererseits."
Das Protokoll Nr. 3 im Anhang an das Assoziierungsabkommen EG-PLO (im Folgenden: Protokoll EG-PLO) legt die Vorschriften für die Bestimmung der Begriffe "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen fest.
Nach Art. 2 Abs. 2 des Protokolls gelten als Ursprungserzeugnisse des Westjordanlands und des Gazastreifens Erzeugnisse, die vollständig im Westjordanland und im Gazastreifen gewonnen oder hergestellt worden sind sowie die Erzeugnisse, die dort unter Verwendung von Vormaterialien hergestellt worden sind, die dort nicht vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, vorausgesetzt, dass diese Vormaterialien im Westjordanland und im Gazastreifen in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden sind.
Art. 15 Abs. 1 des Protokolls EG-PLO sieht vor, dass die Ursprungserzeugnisse des Westjordanlands und des Gazastreifens bei der Einfuhr in die Gemeinschaft die Begünstigungen des Assoziierungsabkommens EG-PLO erhalten, sofern eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 vorgelegt wird oder in den in Art. 20 Abs. 1 dieses Protokolls genannten Fällen vom Ausführer eine Erklärung auf einer Rechnung, einem Lieferschein oder anderen Handelspapieren abgegeben wird, in der die Erzeugnisse so genau bezeichnet sind, dass die Feststellung der Nämlichkeit möglich ist. Diese Erklärung wird "Erklärung auf der Rechnung" genannt.
Nach Art. 16 Abs. 1 des Protokolls EG-PLO wird die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats erteilt. Art. 16 Abs. 4 bestimmt, dass ein solches Zertifikat von den Zollbehörden des Westjordanlands und des Gazastreifens ausgestellt wird, wenn die betreffenden Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse des Westjordanlands und des Gazastreifens angesehen werden können und die übrigen Voraussetzungen dieses Protokolls erfüllt sind.
Gemäß Art. 20 ("Voraussetzungen für die Ausfertigung einer Erklärung auf der Rechnung") Abs. 1 Buchst. a des Protokolls EG-PLO kann eine solche Erklärung von einem ermächtigten Ausführer im Sinne des Art. 21 des Protokolls ausgefertigt werden. Eine Erklärung auf der Rechnung kann nach Art. 20 Abs. 2 ausgefertigt werden, wenn die betreffenden Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft, des Westjordanlands und des Gazastreifens angesehen werden können und die übrigen Voraussetzungen dieses Protokolls erfüllt sind.
Art. 21 ("Ermächtigter Ausführer") des Protokolls EG-PLO sieht in Abs. 1 vor, dass die Zollbehörden des Ausfuhrstaats einen Ausführer, der häufig unter das Assoziierungsabkommen EG-PLO fallende Erzeugnisse ausführt und jede von den Zollbehörden für erforderlich gehaltene Gewähr für die Kontrolle der Ursprungseigenschaft der Erzeugnisse und der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen dieses Protokolls bietet, dazu ermächtigen können, Erklärungen auf der Rechnung auszufertigen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Firma Brita GmbH, hat ihren Sitz in Deutschland. Sie führt Sprudelwasserbereiter sowie Zubehör und Getränkesirupe ein, die von einem israelischen Lieferanten, der Soda-Club Ltd, erzeugt werden, deren Produktionsstätte in Mishor Adumin im Westjordanland, östlich von Jerusalem, liegt. Die Soda-Club Ltd ist ein ermächtigter Ausführer im Sinne von Art. 23 des Protokolls EG-Israel.
In der ersten Jahreshälfte 2002 beantragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit insgesamt mehr als 60 Zollanmeldungen die Überführung der eingeführten Waren in den zollrechtlich freien Verkehr. Sie meldete Israel als Ursprungsland dieser Waren an und beantragte die Anwendung der Zollpräferenz nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel anhand von Rechnungen des Lieferanten, auf denen dieser erklärt, dass es sich um Waren mit Ursprung in Israel handele.
Das deutsche Zollamt gewährte vorläufig die begehrte Zollpräferenz, setzte aber ein nachträgliches Prüfungsverfahren in Gang. Auf Nachfrage der deutschen Zollbehörden antworteten die israelischen Zollbehörden, dass "[die] Prüfung ... ergeben [hat], dass die betreffenden Waren aus einer Zone stammen, die unter israelischer Zollzuständigkeit steht. Demgemäß handelt es sich um Ursprungsware gemäß dem Assoziierungsabkommen EG-Israel, die präferenzberechtigt im Sinne dieses Abkommens ist".
Mit Schreiben vom baten die deutschen Zollbehörden die israelische Zollverwaltung um ergänzende Mitteilung, ob die betreffenden Waren in den israelischen Siedlungsgebieten im Westjordanland, im Gazastreifen, in Ost-Jerusalem oder auf den Golanhöhen hergestellt wurden. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.
Mit Bescheid vom lehnten die deutschen Zollbehörden daher die zuvor gewährte Präferenzbehandlung ab, weil nicht zweifelsfrei habe festgestellt werden können, dass die eingeführten Waren unter das Assoziierungsabkommen EG-Israel fielen. Dementsprechend wurde Zoll von insgesamt 19 155,46 Euro nacherhoben.
Nach Zurückweisung ihres Einspruchs erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens beim Finanzgericht Hamburg Klage auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, wie das Assoziierungsabkommen EG-Israel, das Protokoll EG-Israel und das Protokoll EG-PLO auszulegen sind.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist dem Einführer einer Ware, die ihren Ursprung im Westjordanland hat, die begehrte Präferenzbehandlung im Hinblick darauf, dass die Präferenzbehandlung in zwei in Betracht kommenden Abkommen - nämlich dem Abkommen EG-Israel sowie dem Abkommen EG-PLO - für Waren vorgesehen ist, die ihren Ursprung in dem Gebiet des Staates Israel bzw. im Westjordanland haben, auf jeden Fall zu gewähren, auch wenn nur ein formelles Ursprungszeugnis aus Israel vorgelegt wird?
Falls die erste Frage mit "Nein" zu beantworten ist:
2. Ist die Zollbehörde eines Mitgliedstaats im Verhältnis zu einem Einführer, der für eine in das Gebiet der Gemeinschaft eingeführte Ware die Gewährung der Präferenzbehandlung begehrt, nach dem Abkommen EG-Israel an einen Ursprungsnachweis der israelischen Behörde gebunden - und das Prüfungsverfahren nach Art. 32 des Protokolls Nr. 4 nicht eröffnet -, solange die Zollbehörde keinen anderen Zweifel an der Ursprungseigenschaft der Ware hat als den Zweifel, ob die Ware nicht aus einem Gebiet stammt, das lediglich unter israelischer Kontrolle steht - nämlich nach dem Israelisch-Palästinensischen Interimsabkommen von 1995 -, und solange kein Verfahren nach Art. 33 des Protokolls Nr. 4 durchgeführt wurde?
Falls die zweite Frage mit "Nein" zu beantworten ist:
3. Darf die Zollbehörde des Einfuhrlands dann, wenn auf ihr Prüfungsersuchen nach Art. 32 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 von den israelischen Behörden (nur) bestätigt worden ist, dass die Waren in einem Gebiet hergestellt worden seien, das unter israelischer Zollzuständigkeit stehe, und sie somit israelischen Ursprungs seien, und wenn die daraufhin ergangene Aufforderung der Einfuhrzollbehörde um nähere Darlegung von den israelischen Behörden unbeantwortet geblieben ist, bereits aus diesem Grund die Präferenzbehandlung ohne Weiteres verweigern, insbesondere ohne dass es noch darauf ankommt, welchen Ursprung die Ware tatsächlich hat?
Falls die dritte Frage mit "Nein" zu beantworten ist:
4. Darf die Zollbehörde die Präferenzbehandlung nach dem Abkommen EG-Israel ohne Weiteres deswegen verweigern, wenn - wie inzwischen feststeht - die Ware ihren Ursprung im Westjordanland hat, oder ist die Präferenzbehandlung nach dem Abkommen EG-Israel auch für Waren dieses Ursprungs zu gewähren, jedenfalls solange kein Streitbeilegungsverfahren nach Art. 33 des Protokolls Nr. 4 über die Auslegung des Abkommensbegriffs "Gebiet des Staates Israel" durchgeführt worden ist?
Zu den Vorlagefragen
Zu der ersten und der vierten Frage
Mit der ersten und der vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats die Präferenzbehandlung nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel verweigern können, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben.
Zunächst ist festzustellen, dass die Antwort auf diese Fragen eng mit der Auslegung von Art. 83 des Assoziierungsabkommens EG-Israel verknüpft ist, in dem der räumliche Geltungsbereich des Abkommens definiert wird.
Dazu ist darauf hinzuweisen, dass ein vom Rat der Europäischen Union gemäß den Art. 217 AEUV und 218 AEUV geschlossenes Abkommen mit einem Drittland für die Europäische Union eine Handlung eines Unionsorgans im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV darstellt, dass die Bestimmungen eines solchen Abkommens seit dessen Inkrafttreten ein wesentlicher Bestandteil des Unionsrechts sind und dass der Gerichtshof in dem durch diese Rechtsordnung gesteckten Rahmen zur Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Abkommens befugt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Demirel, 12/86, Slg. 1987, 3719, Randnr. 7, und vom , Racke, C-162/96, Slg. 1998, I-3655, Randnr. 41). Im Übrigen wird das Assoziierungsabkommen EG-Israel, das zwischen zwei Völkerrechtssubjekten geschlossen wurde, durch das Völkerrecht, und zwar, im Hinblick auf seine Auslegung, durch das Völkervertragsrecht geregelt.
Das Völkervertragsrecht wurde im Wesentlichen im Wiener Übereinkommen kodifiziert. Nach Art. 1 dieses Übereinkommens findet es auf Verträge zwischen Staaten Anwendung. Der Umstand, dass das Übereinkommen nach Art. 3 Buchst. b nicht auf die zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten geschlossenen internationalen Übereinkünfte Anwendung findet, berührt nicht die Anwendung der in diesem Übereinkommen niedergelegten Regeln auf sie, denen sie auch unabhängig von diesem Übereinkommen aufgrund des Völkerrechts unterworfen wären.
Folglich sind die Bestimmungen des Wiener Übereinkommens auf ein zwischen einem Staat und einer internationalen Organisation geschlossenes Abkommen wie das Assoziierungsabkommen EG-Israel anzuwenden, soweit diese Bestimmungen eine Ausprägung des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts sind. Das Assoziierungsabkommen EG-Israel ist daher nach diesen Bestimmungen auszulegen.
Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass, obwohl das Wiener Übereinkommen weder die Gemeinschaft noch alle Mitgliedstaaten bindet, eine Reihe seiner Bestimmungen die Regeln des Völkergewohnheitsrechts wiedergibt, die als solche die Organe der Gemeinschaft binden und Bestandteil der Rechtsordnung der Gemeinschaft sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Racke, Randnrn. 24, 45 und 46; vgl. auch in Bezug auf das Wiener Übereinkommen im Rahmen der Auslegung von Assoziierungsabkommen, die von den Europäischen Gemeinschaften geschlossen wurden, die Urteile vom , El-Yassini, C-416/96, Slg. 1999, I-1209, Randnr. 47, und vom , Jany u. a., C-268/99, Slg. 2001, I-8615, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ein Vertrag ist nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen. Dabei ist außer dem Zusammenhang in gleicher Weise jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz zu berücksichtigen.
Zu den einschlägigen Völkerrechtssätzen, die in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens EG-Israel geltend gemacht werden können, gehört der völkerrechtliche Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, wonach die Verträge Dritten weder schaden noch nützen dürfen (pacta tertiis nec nocent nec prosunt). Dieser völkerrechtliche Grundsatz hat in Art. 34 des Wiener Übereinkommens eine besondere Ausprägung gefunden, wonach ein Vertrag für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte begründet.
Aus diesen Vorbemerkungen ergibt sich, dass Art. 83 des Assoziierungsabkommens EG-Israel, der den räumlichen Geltungsbereich dieses Abkommens definiert, in dem Sinne auszulegen ist, dass er mit dem Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt im Einklang steht.
In diesem Zusammenhang steht fest, dass die Europäischen Gemeinschaften nacheinander zwei Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen abgeschlossen haben, das erste mit dem Staat Israel, das zweite mit der PLO zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gazastreifen.
Jedes dieser beiden Assoziierungsabkommen hat einen eigenen räumlichen Geltungsbereich. Art. 83 des Assoziierungsabkommens EG-Israel bestimmt, dass dieses für das "Gebiet des Staates Israel" gilt. Nach Art. 73 des Assoziierungsabkommens EG-PLO gilt dieses für das "Gebiet des Westjordanlands und des Gaza-Streifens".
Die beiden Assoziierungsabkommen verfolgen denselben Zweck - genannt in Art. 6 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens EG-Israel und in Art. 3 des Assoziierungsabkommens EG-PLO -, nämlich die Errichtung/den Ausbau der Freihandelszone zwischen den Parteien, und haben dasselbe Ziel - definiert in Art. 8 des Assoziierungsabkommens EG-Israel und in den Art. 5 und 6 des Abkommens EG-PLO -, nämlich die Abschaffung von Einfuhrzöllen, mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im Handel zwischen den Parteien des jeweiligen Abkommens.
Was die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen in Bezug auf das Assoziierungsabkommen EG-Israel betrifft, geht aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. a und Art. 23 Abs. 1 des Protokolls EG-Israel hervor, dass die für die Präferenzbehandlung bei der Ausfuhr erforderliche "Erklärung auf der Rechnung" durch einen von den "Zollbehörden des Ausfuhr[staats]" ermächtigten Ausführer erfolgt.
In Bezug auf das Assoziierungsabkommen EG-PLO ergibt sich aus den Art. 20 Abs. 1 Buchst. a und 21 Abs. 1 des Protokolls EG-PLO, dass die für die Präferenzbehandlung bei der Ausfuhr erforderliche "Erklärung auf der Rechnung" durch einen von den "Zollbehörden des Ausfuhrstaats" ermächtigten Ausführer erfolgt. Weiter sieht Art. 16 Abs. 4 des Protokolls EG-PLO vor, dass nur die "Zollbehörden des Westjordanlands und des Gaza-Streifens" befugt sind, eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 auszustellen, wenn die betreffenden Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse des Westjordanlands und des Gazastreifens angesehen werden können.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die "Zollbehörden des Ausfuhrstaats" im Sinne der beiden genannten Protokolle jeweils im Rahmen ihres räumlichen Geltungsbereichs über eine ausschließliche Zuständigkeit zur Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 oder zur Ermächtigung der Ausführer, die in dem ihrer Verwaltung unterstehenden Gebiet niedergelassen sind, verfügen.
Demnach würde eine Auslegung von Art. 83 des Assoziierungsabkommens EG-Israel in dem Sinne, dass die israelischen Behörden über Zollbefugnisse in Bezug auf Erzeugnisse mit Ursprung im Westjordanland verfügten, bedeuten, dass den palästinensischen Zollbehörden die Verpflichtung auferlegt würde, die Befugnisse, die ihnen durch die genannten Bestimmungen des Protokolls EG-PLO übertragen wurden, nicht auszuüben. Eine solche Auslegung, die zur Verpflichtung eines Dritten ohne seine Zustimmung führt, stünde daher im Gegensatz zu dem in Art. 34 des Wiener Übereinkommens niedergelegten allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt.
Folglich ist Art. 83 des Assoziierungsabkommens EG-Israel in dem Sinne auszulegen, dass die Erzeugnisse mit Ursprung im Westjordanland nicht in den räumlichen Geltungsbereich dieses Abkommens und folglich nicht unter die durch dieses Abkommen eingeführte Präferenzregelung fallen.
Unter diesen Umständen konnten die deutschen Zollbehörden den betreffenden Waren die Gewährung der Präferenzbehandlung nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel verweigern, weil sie aus dem Westjordanland stammten.
Ebenfalls im Rahmen der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Zollbehörden des Einfuhrstaats die Präferenzbehandlung gewähren können, wenn eine solche Behandlung in beiden in Betracht kommenden Abkommen vorgesehen ist, nämlich im Assoziierungsabkommen EG-Israel und im Assoziierungsabkommen EG-PLO, wenn unstreitig ist, dass die betreffende Ware ihren Ursprung im Westjordanland hat und wenn nur ein formelles Ursprungszeugnis aus Israel vorgelegt wird. Konkret fragt es, inwiefern eine Wahlfeststellung zulässig ist, indem die Frage offengelassen wird, welches dieser beiden Abkommen anzuwenden ist, und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss.
Eine solche Wahlfeststellung zuzulassen, die nur auf die Feststellung gestützt ist, dass die beiden in Rede stehenden Abkommen eine Präferenzbehandlung vorsehen und dass der Ursprungsort der Waren durch andere als in dem tatsächlich anzuwendenden Assoziierungsabkommen vorgesehene Beweismittel festgestellt wurde, würde darauf hinauslaufen, dass allgemein die Notwendigkeit verneint wird, dass ein gültiger, von der zuständigen Behörde des Ausfuhrstaats stammender Ursprungsnachweis vorliegen muss, damit die Präferenzbehandlung gewährt werden kann.
Sowohl aus Art. 17 des Protokolls EG-Israel als auch aus Art. 15 des Protokolls EG-PLO geht hervor, dass für die Ursprungserzeugnisse der Vertragsparteien ein Ursprungsnachweis erforderlich ist, damit ihnen die Präferenzbehandlung gewährt werden kann. Dieses Erfordernis eines gültigen Ursprungsnachweises, der von der zuständigen Behörde stammt, kann nicht als bloße Formalität angesehen werden, die unbeachtet bleiben kann, wenn der Ursprungsort durch andere Beweismittel festgestellt wird. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Bescheinigungen, die von anderen Behörden ausgestellt wurden als den namentlich in dem betreffenden Assoziierungsabkommen bezeichneten, nicht als gültig anerkannt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Anastasiou u. a., C-432/92, Slg. 1994, I-3087, Randnrn. 37 bis 41).
Nach alledem ist auf die erste und die vierte Frage zu antworten, dass die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats die durch das Assoziierungsabkommen EG-Israel eingeführte Gewährung der Präferenzbehandlung verweigern können, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können keine Wahlfeststellung treffen, indem sie die Frage offenlassen, welches der in Betracht kommenden Abkommen, nämlich das Assoziierungsabkommen EG-Israel und das Assoziierungsabkommen EG-PLO, im vorliegenden Fall anzuwenden ist und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss.
Zu der zweiten und der dritten Vorlagefrage
Mit der zweiten und der dritten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Zollbehörden des Einfuhrstaats im Rahmen des Verfahrens nach Art. 32 des Protokolls EG-Israel an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden sind. Weiter möchte es wissen, ob die Zollbehörden des Einfuhrstaats eine Streitigkeit in Verbindung mit Verfahren zur Prüfung der fraglichen Erklärungen auf der Rechnung nach Art. 33 dieses Protokolls dem Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen vorlegen müssen, bevor sie einseitige Maßnahmen ergreifen.
Zur Frage, ob die Zollbehörden des Einfuhrstaats an die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden sind
Aus Art. 32 des Protokolls EG-Israel geht hervor, dass die nachträgliche Prüfung von Erklärungen auf der Rechnung immer dann erfolgt, wenn die Zollbehörden des Einfuhrstaats begründete Zweifel an der Echtheit der Erklärungen oder der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse haben. Die Prüfung wird von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats durchgeführt. Das Ergebnis dieser Prüfung ist den Zollbehörden, die die Prüfung beantragt haben, binnen zehn Monaten mitzuteilen. Anhand dieses Ergebnisses muss sich eindeutig feststellen lassen, ob die Nachweise echt sind und ob die Waren als Ursprungserzeugnisse angesehen werden können. Ist bei begründeten Zweifeln binnen zehn Monaten keine Antwort erfolgt oder enthält die Antwort keine ausreichenden Angaben, um feststellen zu können, ob der betreffende Nachweis echt oder welches der tatsächliche Ursprung der Waren ist, so lehnen die Zollbehörden des Einfuhrstaats die Gewährung der Präferenzbehandlung ab.
In einem ähnlichen rechtlichen Rahmen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich aus diesen Vorschriften ergibt, dass die Bestimmung des Ursprungs der Waren insofern auf einer Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Zollbehörden der Parteien des betreffenden Freihandelsabkommens beruht, als der Ursprung von den Behörden des Ausfuhrstaats bestimmt wird. Diese Regelung ist dadurch gerechtfertigt, dass diese Behörden am besten in der Lage sind, die Tatsachen, von denen der Ursprung abhängt, unmittelbar festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Les Rapides Savoyards u. a., 218/83, Slg. 1984, 3105, Randnr. 26).
Ein solcher Mechanismus kann jedoch nur funktionieren, wenn die Zollverwaltung des Einfuhrstaats die von den Behörden des Ausfuhrstaats rechtmäßig vorgenommenen Beurteilungen anerkennt (vgl. in diesem Sinne Urteile Les Rapides Savoyards u. a., Randnr. 27, und vom , Sfakianakis, C-23/04 bis C-25/04, Slg. 2006, I-1265, Randnr. 23).
Folglich können die Zollbehörden des Einfuhrstaats im Rahmen dieses Systems der gegenseitigen Anerkennung eine von einem Ausführer, der von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ordnungsgemäß ermächtigt wurde, ausgefertigte Erklärung auf der Rechnung nicht einseitig für ungültig erklären. Außerdem sind die Zollbehörden des Einfuhrstaats im Fall einer nachträglichen Prüfung grundsätzlich an deren Ergebnisse gebunden (vgl. in diesem Sinne Urteil Sfakianakis, Randnr. 49).
Im Ausgangsverfahren betraf die nachträgliche Prüfung nach Art. 32 des Protokolls EG-Israel nicht die Frage, ob die eingeführten Erzeugnisse vollständig an einem bestimmten Ort gewonnen oder dort in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden waren, um nach den Bestimmungen des Protokolls EG-Israel als Ursprungserzeugnisse dieses Orts angesehen werden zu können. Die nachträgliche Prüfung betraf den Herstellungsort der eingeführten Erzeugnisse selbst, um zu beurteilen, ob diese Erzeugnisse in den räumlichen Geltungsbereich des Assoziierungsabkommens EG-Israel fallen. Die Union ist nämlich der Ansicht, dass die Erzeugnisse, die an Orten gewonnen wurden, die seit 1967 unter israelischer Verwaltung stehen, nicht unter die in dem Abkommen definierte Präferenzbehandlung fallen.
Gemäß Art. 32 Abs. 6 des Protokolls EG-Israel müssen die Zollbehörden, die die Prüfung beantragt haben, die Gewährung der Präferenzbehandlung ablehnen, wenn die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können.
Aus den Unterlagen des Ausgangsverfahrens geht hervor, dass die israelischen Zollbehörden im Rahmen der nachträglichen Prüfung keine konkrete Antwort auf das Schreiben der deutschen Zollbehörden gegeben haben, mit dem überprüft werden sollte, ob die betreffenden Erzeugnisse in den israelischen Siedlungen im Westjordanland, im Gazastreifen, in Ost-Jerusalem oder auf den Golanhöhen hergestellt wurden. Das Schreiben der deutschen Zollbehörden vom blieb sogar unbeantwortet.
Unter solchen Umständen ist davon auszugehen, dass eine Antwort wie die der Zollbehörden des Ausfuhrstaats keine ausreichenden Angaben im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls EG-Israel enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können, so dass die Bestätigung dieser Behörden, dass die betreffenden Waren unter die Präferenzbehandlung des Assoziierungsabkommens EG-Israel fallen, die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats in diesem Zusammenhang nicht bindet.
Zur Pflicht zur Befassung des Ausschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen
Nach Art. 33 Abs. 1 des Protokolls EG-Israel sind Streitigkeiten in Verbindung mit den Prüfungsverfahren des Art. 32 des Protokolls oder Fragen zur Auslegung dieses Protokolls dem Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollwesen vorzulegen.
Nach Art. 39 des Protokolls EG-Israel ist der Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen ein Verwaltungsorgan, das sich aus Sachverständigen und aus für Zollfragen verantwortlichen Beamten der Kommission, der Mitgliedstaaten und des Staates Israel zusammensetzt. Er ist damit beauftragt, im Rahmen der Bestimmungen dieses Protokolls alle technischen Aufgaben auf dem Gebiet des Zollwesens durchzuführen. Demnach kann er nicht als zuständig angesehen werden, Streitigkeiten über rechtliche Fragen wie die nach der Auslegung des Assoziierungsabkommens EG-Israel selbst zu klären. Solche Streitigkeiten können hingegen nach Art. 75 Abs. 1 dieses Abkommens dem Assoziationsrat vorgelegt werden.
In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens kann die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats im Rahmen des nachträglichen Prüfungsverfahrens gemäß Art. 32 des Protokolls EG-Israel nicht als der Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung dieses Protokolls zugrunde liegend betrachtet werden. Denn zum einen werden in der Antwort die verlangten Auskünfte nicht gegeben. Zum anderen ist zwar im Ausgangsverfahren eine Streitigkeit in Verbindung mit dem nachträglichen Prüfungsverfahren entstanden, das von den Zollbehörden des Einfuhrstaats eingeleitet wurde, doch betrifft diese Streitigkeit nicht die Auslegung des Protokolls EG-Israel, sondern die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs des Assoziierungsabkommens EG-Israel.
Folglich verfügt unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens jede Vertragspartei über die Möglichkeit, die Frage nach der Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Assoziierungsabkommens EG-Israel dem Assoziationsrat vorzulegen. Hingegen ist die Befassung des Ausschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen nicht angezeigt, da diese Auslegungsfrage nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fällt.
Auch wenn die Befassung des Assoziationsrats mit einer Streitigkeit über die Auslegung des Assoziierungsabkommens als solches in Betracht kam, hat der Gerichtshof jedenfalls bereits festgestellt, dass die Nichtanrufung des Assoziationsausschusses, einer Einrichtung des Assoziationsrats, nicht als Rechtfertigung für eine Abweichung vom System der Zusammenarbeit und von der Wahrung der Zuständigkeiten dienen kann, die sich aus dem Assoziierungsabkommen ergeben (vgl. entsprechend Urteil Sfakianakis, Randnr. 52).
Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Zollbehörden des Einfuhrstaats im Rahmen des Verfahrens nach Art. 32 des Protokolls EG-Israel nicht an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden sind, wenn diese Antwort im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind nicht verpflichtet, dem nach Art. 39 dieses Protokolls eingerichteten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen eine Streitigkeit über die Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Assoziierungsabkommens EG-Israel vorzulegen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können die durch das am in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits eingeführte Gewährung der Präferenzbehandlung verweigern, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können keine Wahlfeststellung treffen, indem sie die Frage offenlassen, welches der in Betracht kommenden Abkommen, nämlich das Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits und das am in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits, im vorliegenden Fall anzuwenden ist und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss.
2. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind im Rahmen des Verfahrens nach Art. 32 des Protokolls Nr. 4 im Anhang des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits nicht an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden, wenn diese Antwort im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind nicht verpflichtet, dem nach Art. 39 dieses Protokolls eingerichteten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen eine Streitigkeit über die Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens vorzulegen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAD-42125