BGH Beschluss v. - 4 StR 640/09

Bindungswirkung der Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils gegen die Täter eines Betäubungsmitteldelikts im Verfahren gegen den Gehilfen

Gesetze: § 249 Abs 1 StPO, § 261 StPO, § 27 StGB, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Instanzenzug: LG Bochum Az: II-21 KLs 34 Js 986/08 - 3/09 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden und deshalb gegen ihn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.

21. Nach den Feststellungen überließ der Angeklagte den anderweitig Verfolgten W. A. und S. Sch. einen ihm gehörenden Pkw VW Golf in Kenntnis davon, dass diese das Fahrzeug zum Transport von zum Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland verwenden würden. Am führten A. und Sch. 3.657 g Heroingemisch (Wirkstoffmenge: 2.150 g) und 138 g Kokaingemisch (Wirkstoffmenge: 110 g) nebst ca. 4,5 kg Streckmittel, die jeweils in Hohlräumen des vom Angeklagten zur Verfügung gestellten VW Golf versteckt waren, von den Niederlanden nach Deutschland ein. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten - für sich gesehen rechtsfehlerfrei - als Beihilfehandlung gewertet. Zur Haupttat hat es im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt: „Die für eine Beihilfehandlung erforderliche Haupttat liegt in der von den Zeugen A. und Sch. begangenen Tat, festgestellt durch das rechtskräftige Urteil 29 KLs 34 Js 468/08 AK 76/08, welches im Schuldspruch Bindungswirkung entfaltet“. A. und Sch. waren in diesem Urteil auf Grund des Tatgeschehens vom wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge (A.) bzw. wegen Beihilfe hierzu (Sch.) verurteilt worden.

32. Die Annahme einer Bindungswirkung des früheren Urteils hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Feststellungen rechtskräftiger Urteile zu früheren Tatgeschehen einschließlich der Beweistatsachen, die in einem späteren Verfahren von Bedeutung sein können, binden den neu entscheidenden Tatrichter nicht (BGHSt 43, 106, 107 f.; Senat, Beschl.vom - 4 StR 77/08, NStZ 2008, 685; Meyer-Goßner 52. Aufl. Einl. Rdn. 170 m.w.N.). Das Landgericht hätte sich daher in Bezug auf das Tatgeschehen vom - ohne Bindung an das frühere Urteil - eine eigene Überzeugung verschaffen müssen. Feststellungen aus früheren rechtskräftigen Strafurteilen können zwar gegebenenfalls im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die neue Hauptverhandlung eingeführt und verwertet werden; der neue Tatrichter darf sie jedoch nicht ungeprüft übernehmen (BGH aaO).

43. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils. Die neu erkennende Strafkammer wird auch zu prüfen haben, ob mit der durch Urteil des Amtsgerichts Meschede vom gegen den Angeklagten verhängten Geldstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist (§ 55 StGB). Dies wäre der Fall, wenn - wozu sich das Urteil nicht verhält - diese Strafe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt war. Die zur Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten getroffenen Feststellungen werden zudem Anlass geben, die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) einer Prüfung zu unterziehen.

Tepperwien                                                Athing                                   Solin-Stojanović

                                Ernemann                                          Franke

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Fundstelle(n):
UAAAD-41200