Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: OLG Zweibrücken, 4 U 58/09 vom LG Frankenthal, 6 O 199/08 vom
Gründe
I. Das Landgericht Frankenthal (Rheinland-Pfalz) hat die unter anderem auf Unterlassung, Übertragung eines Geschmacksmusters, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage mit der Klägerin am zugestelltem Urteil abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken Berufung eingelegt. Auf Antrag der Klägerin wurde die Frist zur Berufungsbegründung bis zum verlängert. Am ging die an das Oberlandesgericht gerichtete Berufungsbegründung, die im Adressfeld unterhalb der Anschrift des Oberlandesgerichts die Telefaxnummer des Landgerichts Frankenthal aufwies und von Rechtsanwalt F. aus der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet war, beim Landgericht ein. Dieses leitete den Schriftsatz an das Oberlandesgericht weiter, wo er am einging.
Die Klägerin hat am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die Übersendung der Berufungsbegründung an das Landgericht beruhe allein auf einem Fehler einer bewährten und ansonsten stets zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten. Diese habe zur Ermittlung der Telefaxnummer das vermeintlich letzte Anschreiben des Oberlandesgerichts in der Akte heraussuchen wollen. Sie sei dabei jedoch aufgrund geringfügiger Unaufmerksamkeit auf ein Schreiben des Landgerichts gestoßen, ohne dies zu bemerken, und habe in der irrigen Annahme, das Schreiben des Oberlandesgerichts aufgeschlagen zu haben, die dort angegebene Telefaxnummer in das Adressfeld des Berufungsbegründungsschriftsatzes übertragen. Rechtsanwalt F. sei, als er sich von der korrekten Adressierung des Schriftsatzes überzeugt habe, die angegebene Telefaxnummer nicht als unrichtig aufgefallen. Er habe daraufhin, nachdem ihm die Vorlage des Telefaxprotokolls bestätigt worden sei, die Berufungsbegründungsfrist im Fristenbuch gestrichen.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
II. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dessen Verschulden diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Ein Rechtsanwalt habe durch organisatorische Maßnahmen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass eine Telefaxnummer zuverlässig festgestellt werde und jede einzelne Sendung beispielsweise anhand des Sendeberichts auf die Richtigkeit des Adressaten und der Telefaxnummer überprüft werde. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Richtigkeit der von der Kanzleiangestellten auf dem Schriftsatz niedergeschriebenen Telefaxnummer nicht überprüft, sondern lediglich einer "Plausibilitätskontrolle" unterzogen und daher die Verwechslung der Telefaxnummern übersehen habe. Ihn habe aber selbst die Pflicht getroffen, im Rahmen der gebotenen Ausgangskontrolle organisatorisch sicherzustellen, dass das Telefax an die richtige Telefaxnummer gesandt werde. Das habe er nach seinem eigenen Vorbringen versäumt.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg.
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (, NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227; , FamRZ 2006, 192). Einer Partei darf daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchkörpers nicht rechnen musste (BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehenden Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze überspannt.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruhen die Übersendung des Berufungsbegründungsschriftsatzes an das Landgericht und damit die Versäumung der Begründungsfrist nicht auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten.
aa) Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin hat die Kanzleiangestellte die Telefaxnummer, die sie in das Adressfeld des Begründungsschriftsatzes eingefügt hat, einem Schriftstück in der Handakte entnommen, weil die Telefaxnummer des Pfälzischen Oberlandesgerichts in der Adressdatenbank der in Frankfurt ansässigen Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht hinterlegt war. Dabei hat sie versehentlich nicht einen Briefbogen des Oberlandesgerichts, sondern des Landgerichts verwendet. Nach Versendung des Schriftsatzes an die im Adressfeld angegebene Telefaxnummer hat sie die auf dem Sendebericht ausgewiesene Telefaxnummer mit derjenigen auf dem Adressfeld verglichen. Sodann hat sie dem die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt F. bestätigt, dass ihr der Sendebericht mit "OK"-Vermerk, der korrekten Seitenzahl und Faxnummer vorliege. Dieser hat daraufhin die Begründungsfrist im Fristenkalender gestrichen.
bb) Darin kann ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gesehen werden. Zwar muss sich, wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts eines per Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsatzes auch darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnummer des Empfangsgeräts angewählt wurde (st. Rspr.; vgl. , NJW 2006, 2412 Tz. 7 m.w.N.). Die Anwahl einer falschen Telefaxnummer kann auf einem Fehler bei der Eingabe der richtig ermittelten Nummer beruhen. Der Fehler kann seine Ursache aber auch darin haben, dass die Nummer des Gerichts schon nicht zutreffend ermittelt worden ist. Nur wenn die Telefaxnummer einem elektronischen oder buchmäßigen allgemeinen Verzeichnis entnommen wurde, muss sich wegen des dabei bestehenden besonders hohen Verwechslungsrisikos nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Überprüfung im Rahmen der Ausgangskontrolle nicht nur auf Eingabefehler, sondern auch auf die Überprüfung der richtigen Ermittlung der Telefaxnummer erstrecken. Soll die zur Übermittlung verwendete Telefaxnummer dagegen wie hier unmittelbar einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte entnommen und in den zu versendenden Schriftsatz eingefügt werden, reicht es wegen des bei dieser Vorgehensweise erheblich verringerten Verwechslungsrisikos aus, wenn die Überprüfung der verwendeten Telefaxnummer auf die Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Nummer beschränkt wird. In solchen Fällen genügt es deshalb, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfängernummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgeglichen wird (vgl. , NJW 2004, 3491 f.; Beschl. v. - VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690 Tz. 11).
b) Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass in der Akte Schreiben des Berufungsgerichts vorhanden waren. Dass infolge eines Versehens die Kanzleiangestellte die Telefaxnummer des Landgerichts an Stelle derjenigen des Oberlandesgerichts aus einem Schriftstück in der Akte ausgewählt und in den Schriftsatz eingefügt hat, braucht sich die Klägerin nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen zu lassen.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich nicht selbst davon überzeugt hat, ob es sich bei der auf dem Schriftsatz und dem Sendebericht enthaltenen Telefaxnummer um diejenige des Oberlandesgerichts handelt, sondern sich insoweit auf eine "Plausibilitätskontrolle" beschränkt hat, keine andere Beurteilung. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung kann der Rechtsanwalt seinem Personal überlassen (vgl. , NJW-RR 2008, 1288 Tz. 8 m.w.N.). In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin war die Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax durch eine allgemeine Weisung geregelt. Die Ausführung der erteilten Weisung braucht der Rechtsanwalt nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (BGH NJW-RR 2008, 1288 Tz. 8 m.w.N.). Er muss daher die Telefaxnummer, die von einer ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen Kanzleiangestellten ermittelt und in den Schriftsatz eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen (BGH NJW 2007, 1690 Tz. 7).
Fundstelle(n):
EAAAD-41185