Leitsatz
Leitsatz:
Die zum eingeführte Festlegung unterschiedlicher Grenzwerte im Rahmen der Degressionsregelung für Kieferorthopäden und die übrigen Zahnärzte ist verfassungskonform. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Instanzenzug: SG Dresden, S 11 KA 5016/07 Z vom
Gründe
I
Im Streit steht eine Honorarabsenkung aufgrund der sog Punktwertdegression im Jahr 2006.
Der Kläger nimmt als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie an der vertragszahnärztlichen Versorgung in Sachsen teil. Mit Degressionsbescheid vom stellte die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) eine für den Kläger - unter Berücksichtigung des angestellten Zahnarztes mit dem Faktor 0,7 - in den Quartalen I/2006 bis IV/2006 maßgebliche degressionsfreie Gesamtpunktmenge von 476.000 Punkten und eine Überschreitung dieser Grenze um 52.391 Punkte fest; hieraus ergab sich eine Honorarabsenkung von 6.116,10 Euro. Das Gesamthonorar des Klägers nach Abzug von Richtigstellungen, Verwaltungskosten, Sicherungseinbehalten und Degression betrug im Jahre 2006 nach den Feststellungen des Sozialgerichts (SG) - umgerechnet auf 1,7 Kieferorthopäden - 224.956 Euro.
Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das SG hat ausgeführt, die durch die Neufassung des § 85 Abs 4b Satz 1 Halbsatz 2 SGB V zum eingeführten Differenzierungen der degressionsfreien Gesamtpunktmenge und der Degressionsgrenzwerte zwischen Vertragszahnärzten und Kieferorthopäden seien verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe die Degressionsgrenzwerte bei Kieferorthopäden zum absenken dürfen, weil durch die gleichzeitige Umstrukturierung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) die Punktzahlen für kieferorthopädische Leistungen herabgesetzt worden seien; dies habe er lediglich nachvollzogen. Die geltend gemachten erheblichen Auswirkungen einer Doppelbelastung seien bei einem Kürzungsbetrag in Höhe von 6.116,10 Euro (1,16 % des Honorars) nicht zu erkennen. Auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liege nicht vor, denn Kieferorthopäden beschränkten sich typischerweise auf den Leistungsbereich, dessen Punktzahlbewertungen durch die Neufassung des Bema-Z um etwa 20 % abgesenkt worden seien (Urteil vom ).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. § 85 Abs 4b Satz 1 Halbsatz 2 SGB V sei wegen eines Verstoßes gegen Art 12 GG und Art 3 GG verfassungswidrig. Die ursprünglich rechtmäßige Intention des Gesetzgebers, die umsatzstärksten Praxen mit degressiven Punktwertabsenkungen zu belasten, werde durch die Neuregelung verkehrt. Die Neurelationierung des Bema-Z zum sei kostenneutral erfolgt, dh der Abwertung der kieferorthopädischen Leistungen stehe eine Aufwertung der übrigen zahnärztlichen Leistungen gegenüber. Durch die Absenkung der Degressionsgrenzwerte allein für Kieferorthopäden würden diese doppelt belastet, da sie nicht nur geringere Bewertungen ihrer Leistungen erhielten, sondern auch bei Überschreitung der abgesenkten Degressionsgrenzwerte zusätzliche Honorarminderungen hinnehmen müssten. Die Veränderungen des Bema-Z hätten nur dergestalt auf die Degressionsgrenzwerte übertragen werden dürfen, dass die Absenkung der Leistungsbewertungen für kieferorthopädische Leistungen zu einer Erhöhung der für die Degressionsberechnung maßgeblichen Grenzwerte habe führen müssen; umgekehrt wäre es folgerichtig gewesen, die Grenzwerte für die übrigen Vertragszahnärzte abzusenken, da sie durch die Aufwertung der konservierend-chirurgischen Leistungen bei gleich bleibendem Behandlungsumfang einen höheren Honorarumsatz erwirtschaften könnten. Werde davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand kieferorthopädische und sonstige zahnärztliche Leistungen nach der Neurelationierung gleichwertig im Bema-Z abgebildet seien, bleibe kein Raum dafür, bei Kieferorthopäden bereits zu einem früheren Zeitpunkt als bei den übrigen Zahnärzten einen Qualitätsverlust oder eine übermäßige Ausdehnung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit anzunehmen.
Die Absenkung der Degressionsgrenzwerte verstoße auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Nach der Neubewertung des Bema-Z müsse von einer gleichgewichtigen Leistungsbewertung ausgegangen werden; Zahnärzte und Kieferorthopäden hätten für dieselbe Gesamtpunktzahl den gleichen Aufwand betrieben. Dann gebe es aber keinen Anlass für die Annahme, dass der Kieferorthopäde bereits bei einem Aufwand von 80 % des vom Allgemeinarzt zu betreibenden Aufwandes seine vertragszahnärztliche Tätigkeit übermäßig und zu Lasten der Qualität seiner Arbeit ausdehne, und ihn daher der Degression zu unterwerfen. Gegen das Gleichbehandlungsgebot werde auch dadurch verstoßen, dass die Differenzierung nicht bei der Art der erbrachten Leistung ansetze, sondern am Zulassungsstatus des Vertragszahnarztes. Hierdurch werde willkürlich zwischen (reinen) Kieferorthopäden und (überwiegend) kieferorthopädisch tätigen Vertragszahnärzten differenziert, für welche weiterhin die bisherigen Degressionsgrenzwerte in unveränderter Höhe maßgeblich seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Honorarkonto des Klägers den Kürzungsbetrag in Höhe von 6.116,10 Euro gutzuschreiben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Gesetzgeber habe sich bei der Absenkung der Degressionsgrenzwerte für Kieferorthopäden im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums gehalten. Auch unter Zugrundelegung der reduzierten Punktzahlen verbleibe für die Leistungen in der höchsten Degressionsstufe immerhin noch ein, wenn auch reduzierter, Einnahmeüberschuss.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht das Honorar des Klägers aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit unter Berücksichtigung der ab dem geltenden Degressionsgrenzen berechnet. Das SG hat das Begehren des Klägers, für 2006 höheres Honorar unter Zugrundelegung der für Allgemeinzahnärzte geltenden höheren degressionsfreien Punktmenge zu erhalten, zu Recht zurückgewiesen.
Die Beteiligten stellen nicht in Frage, dass die Beklagte die Auswirkungen der Punktwertdegression im Jahr 2006 richtig berechnet und § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung korrekt angewandt hat. Diese Vorschrift ist entgegen der Auffassung des Klägers verfassungskonform; für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 Abs 1 GG besteht daher kein Anlass.
1. Das Bundessozialgericht (BSG) und das BVerfG haben bereits wiederholt entschieden, dass die Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V mit Art 12 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar sind (grundlegend BSGE 80, 223 = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 sowie dazu BVerfG [Kammer] NVwZ-RR 2002, 802; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 27 RdNr 11 sowie - juris RdNr 7). Wie in diesen Entscheidungen ausgeführt ist, ist die mit den Degressionsregelungen verbundene Begrenzung der vertragszahnärztlichen Vergütung rechtmäßig, weil sie wichtigen Gemeinwohlbelangen dient. Ihr Ziel ist es vor allem, Einsparungen bei den Krankenkassen zu erreichen und die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Die Bestimmungen sollen zusätzlich Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegensteuern, indem Zahnärzten mit umsatzstarken Praxen ein Anreiz gegeben wird, Patienten an andere, die Punktmengengrenzen nicht erreichende Zahnärzte abzugeben und so der Gefahr von Qualitätsdefiziten infolge übermäßiger Leistungserbringung entgegenzuwirken. Der Senat hat ferner darauf hingewiesen, dass große Umsätze im Allgemeinen Rationalisierungsmöglichkeiten und Kostenvorteile ergeben. Die Betriebskosten entwickeln sich bei größeren Leistungsmengen degressiv, da die Mitarbeiter und die Geräte produktiver eingesetzt werden können. Der Senat hat im Rahmen der Gesamtabwägung dargelegt, dass bei Prüfung der Verfassungsmäßigkeit solcher Regelungen eine generalisierende Betrachtung von deren Auswirkungen auf den betroffenen Berufszweig insgesamt zugrunde zu legen ist (BSGE 80, 223, 229 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 S 140 und BSG MedR 2000, 49, 50). Das BVerfG hat ausdrücklich ausgesprochen, dass die eine Punktwertdegression rechtfertigenden Zwecke, die Qualität vertragszahnärztlicher Leistungen zu verbessern und die Beitragssatzstabilität und damit die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten, ausreichend gewichtige Gründe des Gemeinwohls sind (BVerfG [Kammer] NVwZ-RR 2002, 802). Die Bewertung als verfassungsgemäß gilt auch für die Neuregelungen ab dem (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 27 RdNr 12 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 2 RdNr 10 f).
2. Auch die heute geltende Fassung des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V, die dieser durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG vom , BGBl I 2190) erhalten hat, ist verfassungsgemäß, wie der Senat bereits mit Urteil vom (SozR 4-2500 § 85 Nr 27 RdNr 13, 14, 25) festgestellt hat. Daran ist auch unter Berücksichtigung der Argumentation des Klägers festzuhalten.
a) Mit der Neuregelung durch das GMG hat der Gesetzgeber bei der - bis dahin für alle Vertragszahnärzte einheitlichen - degressionsfreien Gesamtpunktmenge und den Degressionsstufen erstmals Differenzierungen eingeführt, nämlich zwischen Vertragszahnärzten und Kieferorthopäden unterschieden. Für Vertragszahnärzte blieben die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen noch bis Ende 2004 bei 350.000/450.000/550.000 Punkten je Kalenderjahr; für Kieferorthopäden wurden sie indessen ab Beginn des Jahres 2004 auf 280.000/360.000/440.000 Punkte abgesenkt (so der angefügte zweite Halbsatz des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V). Die Absenkung der degressionsfreien Punktmenge zum für die Kieferorthopäden war abgestimmt auf die gleichzeitige Umstrukturierung des Bema-Z, durch die die Punktzahlen für Zahnersatz- und kieferorthopädische Leistungen herabgesetzt und diejenigen für konservierend-chirurgische Leistungen angehoben wurden (Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 102 "Zu Buchstabe j", vgl dazu § 87 Abs 2d - jetzt 2h - SGB V).
Der Gesetzgeber hat im GMG weiterhin zum eine Senkung auch für die "sonstigen" Vertragszahnärzte (die nicht als Kieferorthopäden zugelassen sind) festgelegt, und zwar von 350.000/450.000/550.000 auf 262.500/337.500/412.500 Punkte je Kalenderjahr. Dadurch lagen zunächst im Jahr 2004 die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen für Vertragszahnärzte höher als für Kieferorthopäden, ab dem Jahr 2005 dagegen für Vertragszahnärzte niedriger als für Kieferorthopäden. Die Absenkung zum für alle sonstigen Vertragszahnärzte beruhte auf der Umstellung beim Zahnersatz auf befundbezogene Festzuschüsse (BT-Drucks aaO S 153 "Zu Nummer 7" "Zu Buchstabe c"). Diese bewirkte, dass die Zahnersatzleistungen nunmehr außerhalb der Gesamtvergütungen honoriert werden und nicht mehr in die Punktmengenberechnungen für die Degression eingehen (sog Festzuschusssystem, § 87 Abs 1a iVm §§ 55 f SGB V, vgl dazu BT-Drucks 15/2710 S 42), sodass sich, bezogen auf die Degressionsregelungen, Vorteile für alle diejenigen ergaben, die Zahnersatzleistungen erbringen.
b) Die zum eingeführte Differenzierung der für die Degressionsregelung maßgeblichen Werte in solche für Kieferorthopäden und solche für die übrigen Zahnärzte verstößt nicht gegen Art 12 Abs 1 GG. Bei den Regelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V handelt es sich um verfassungsgemäße Beschränkungen der Berufsausübung im Sinne von Art 12 Abs 1 Satz 2 GG. Dies ergibt sich für die bis zum geltende Fassung des § 85 Abs 4b SGB V bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG, wie oben ausgeführt worden ist. Aber auch die Gesetzesänderung zum mit der Sonderregelung für die Kieferorthopäden hält sich im Rahmen verfassungsgemäßer Beschränkungen der Berufsausübung im Sinne von Art 12 Abs 1 Satz 2 GG (s schon BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 27 RdNr 25). Die Absenkung der für Kieferorthopäden geltenden Degressionsstufen stellt eine (naheliegende) Konsequenz aus der zeitgleichen Herabsetzung der punktzahlmäßigen Bewertung kieferorthopädischer Leistungen im Bema-Z durch den Bewertungsausschuss dar, deren Rechtmäßigkeit von den Beteiligten nicht in Frage gestellt worden ist.
aa) Der Bewertungsausschuss hatte vom Gesetzgeber durch § 87 Abs 2d - jetzt Abs 2h - Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 (GKV-GRG 2000) den Auftrag erhalten, die im Bema-Z enthaltenen Leistungen neu zu bewerten. Grund hierfür war, dass der zahnärztliche Bewertungsmaßstab in wesentlichen Teilen nach wie vor auf der Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner aus dem Jahre 1962 basierte, so dass eine Anpassung an neue wissenschaftliche Gegebenheiten und an den allgemeinen zahnmedizinischen Fortschritt, insbesondere eine stärkere Orientierung hin zu präventiven und zahnerhaltenden Maßnahmen, notwendig erschien (Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum GKV-GRG 2000, BT-Drucks 14/1245 S 73 zu § 87 Abs 2d SGB V). Möglichkeiten zur Neubewertung sah der Gesetzgeber insbesondere darin, Füllungsleistungen aufzuwerten und neue präventive Maßnahmen einzuführen, sowie den Bema-Z zu Lasten von prothetischen Leistungspositionen, für die das Indikationsspektrum begrenzt werden sollte, sowie zu Lasten des nach bisherigen Zeitmessstudien deutlich überbewerteten kieferorthopädischen Bereichs umzustrukturieren (vgl Begründung zum Gesetzentwurf zum GKV-GRG 2000, BT-Drucks 14/1245 S 73 zu § 87 Abs 2d SGB V; zur Überbewertung kieferorthopädischer Leistungen s schon BSGE 78, 185, 187 = SozR 3-2500 § 85 Nr 13 S 86 mwN). Bei der Neubewertung der Leistungen hatte der Bewertungsausschuss insbesondere die erforderliche Arbeitszeit als maßgebliches Kriterium zu berücksichtigen, da der Zeitfaktor aufgrund der bisherigen Erfahrungen als das mit Abstand wichtigste Kriterium für die Beurteilung der Bewertungsrelationen anzusehen ist (Gesetzesbegründung aaO). Dabei war auch zu berücksichtigen, ob die Leistungen durch den Vertragszahnarzt selbst oder ganz bzw überwiegend durch ausgebildetes Praxispersonal erbracht werden (vgl Gesetzesbegründung aaO), da Letzteres eine geringere Bewertung der Leistung rechtfertigt. Darüber hinaus hatte die Neubewertung entsprechend einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung und zudem - sowohl innerhalb der jeweiligen Leistungsbereiche (Zahnerhaltung, Prävention, Zahnersatz und Kieferorthopädie) als auch in Relation zu den anderen Leistungsbereichen - gleichgewichtig zu erfolgen.
bb) Der nach Anrufung des erweiterten Bewertungsausschusses durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung von jenem am 3./ und beschlossene und am in Kraft getretene (s Nr 6 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen zum Bema-Z nF) neue Bema-Z beinhaltet ua eine Punktzahlreduzierung für kieferorthopädische Leistungen in Höhe von 20 %. Dieser Punktzahlreduzierung entspricht die Absenkung der degressionsfreien Gesamtpunktmenge bzw der Degressionsstufen für Kieferorthopäden in § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V (Begründung zum Gesetzentwurf zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 102 "Zu Buchstabe j"). Da diese im selben Ausmaß abgesenkt wurden wie die Leistungsbewertungen, ergeben sich für Kieferorthopäden aus der Änderung des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V keine über die Punktzahlreduzierung an sich hinausgehenden Nachteile. Denn sie können weiterhin die gleiche Anzahl an Leistungen degressionsfrei erbringen wie vor der Neuregelung. Dass die Degression schon bei einem - im Vergleich zum Jahre 2003 - geringeren Umsatz aus kieferorthopädischer Tätigkeit eingreift, ist daher letztlich allein Folge der Absenkung der Leistungsbewertungen.
Der entgegenstehende Vortrag des Klägers berücksichtigt nicht, dass das Honorar aus der vertragszahnärztlichen Tätigkeit gerade nicht der Maßstab für die Bestimmung der degressionsfreien Gesamtpunktmenge bzw der Degressionsstufen ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber hierbei bewusst auf die - in Punktzahlen ausgedrückte - Leistungsmenge abgestellt. Dies dient nicht zuletzt dem Zweck, sicherzustellen, dass vom Zahnarzt nicht oder nur bedingt beeinflussbare Faktoren, die sich im Zeitablauf ändern, wie zB Preise für zahntechnische Leistungen, keinen Einfluss haben (Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. zum Gesundheits-Strukturgesetz, BT-Drucks 12/3608 S 88 zu § 85 Abs 4b SGB V). Dieser Ansatz korrespondiert mit den oben dargestellten Zielen der Degressionsregelung, insbesondere dem Ziel, im Hinblick auf die Sicherung der Behandlungsqualität Anreize zur Ausweitung der Leistungsmenge zu vermeiden.
Soweit der Kläger geltend macht, die Absenkung der Leistungsbewertungen für kieferorthopädische Leistungen hätte sogar zu einer Erhöhung der Punktmengengrenzen für Kieferorthopäden führen müssen, während umgekehrt die Punktmengengrenzen für die übrigen Vertragszahnärzte abzusenken gewesen wären, da sie durch die Aufwertung der konservierendchirurgischen Leistungen bei gleich bleibendem Behandlungsumfang einen höheren Honorarumsatz erwirtschaften könnten, ist eine rechtliche Grundlage für dieses Begehren nicht erkennbar. Der Gesetzgeber ist - ohne dass es hierzu näherer Ausführungen bedarf - nicht verpflichtet, gesetzliche Regelungen so zu gestalten, dass sie Kieferorthopäden möglichst hohe Umsätze ermöglichen oder diesen den 2003 erreichten Umsatz auf Dauer garantieren. Erst Recht ist er nicht gehalten, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Kieferorthopäden Punktzahlreduzierungen bei überbewerteten Leistungen durch eine - in ihrer Bedarfsnotwendigkeit zweifelhafte - degressionsfreie Ausweitung der Leistungsmenge honorarmäßig kompensieren können.
cc) Ein Verstoß gegen Art 12 Abs 1 GG ergibt sich auch nicht daraus, dass die Absenkung der maßgeblichen Schwellenwerte für Kieferorthopäden bereits zum erfolgt ist, obwohl aufgrund einer Übergangsregelung teilweise noch die alten (höheren) Bema-Z-Bewertungen weiter gegolten haben. Nach Nr 6 Buchst a Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen zum Bema-Z gelten für alle kieferorthopädischen Behandlungsfälle, für die vor dem ein kieferorthopädischer Behandlungsplan aufgestellt und die bis zum genehmigt wurden und deren Behandlung noch andauert, für die bis zum erbrachten Leistungen die Leistungsbeschreibungen und die Bewertungszahlen des Bema-Z und die Abrechnungsbestimmungen in der bis zum gültigen Fassung weiter. Entsprechendes gilt für vor dem beantragten Verlängerungsbehandlungen (Satz 2 aaO). Dass diese Regelung überhaupt noch Auswirkungen auf die Leistungserbringung im Jahre 2006 hat, ist weder vorgetragen noch erkennbar.
c) Die ab dem geltende Differenzierung der Degressionsgrenzwerte verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG fordert, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, während wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden kann (stRspr, vgl zB BVerfGE 113, 167, 214 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 83). Eine Ungleichbehandlung ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, wenn Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können (s zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 38; BVerfGE 113, 167, 214 f = SozR aaO). Der Normgeber darf auswählen und gewichten, nach welchen Kriterien er Sachverhalte als im Wesentlichen gleich oder ungleich ansieht, muss dabei aber sachgerecht verfahren (BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, jeweils RdNr 28). Er ist auch befugt, zu pauschalieren, zu typisieren, zu generalisieren und zu schematisieren (vgl zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR aaO RdNr 39; BVerfGE 116, 164, 182 f; ebenso zB BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 21 mwN; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, jeweils RdNr 28).
Er hat daher grundsätzlich eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, ob bzw inwieweit er für verschiedene Fachgruppen unterschiedliche Regelungen trifft oder sie gleichbehandelt. Dies hat der Senat bereits für den Satzungsgeber bei der Honorarverteilung ausgeführt (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 21 ff, insbesondere auch RdNr 24 mwN), und das gilt gleichermaßen auf der hier betroffenen Ebene förmlicher Gesetze (vgl BSGE 97, 158 = SozR 4-2500 § 135 Nr 10, jeweils RdNr 20, mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 27 RdNr 16). Fehlt für die gleiche oder ungleiche Behandlung ein vernünftiger, einleuchtender Grund, so ist Art 3 Abs 1 GG verletzt (stRspr, vgl zB BVerfGE 115, 381, 389 mwN; vgl auch BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, jeweils RdNr 28).
aa) Aus der allein für Kieferorthopäden geltenden Absenkung der degressionsfreien Gesamtpunktmenge bzw der Degressionsstufen zum resultiert kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Dabei hat außer Betracht zu bleiben, dass die Grenzwerte für Allgemeinzahnärzte seit dem sogar niedriger sind als für Kieferorthopäden, da dem eine Veränderung des Umfangs der in die Degressionsberechnung einbezogenen Leistungen zugrunde liegt (s hierzu unter 2 a). Denn es fehlt bereits an einer aus der Änderung des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V resultierenden Ungleichbehandlung. Ausgehend von der Feststellung, dass die Absenkung allein die verringerte Bewertung kieferorthopädischer Leistungen nachvollzieht, werden die Kieferorthopäden hierdurch im Vergleich zu den übrigen Zahnärzten nicht ungleich behandelt, denn sie können die gleiche Zahl an Leistungen wie zuvor degressionsfrei abrechnen. Dass es nicht zeitgleich zu einer Absenkung der für die übrigen Zahnärzte - namentlich Allgemeinzahnärzte - geltenden Degressionsgrenzen gekommen ist, hat der Gesetzgeber (vgl Begründung zum Gesetzentwurf zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 102 "Zu Buchstabe j") damit gerechtfertigt, dass der Absenkung der Leistungsbewertungen bei Zahnersatz und bei kieferorthopädischen Leistungen eine entsprechende Punktzahlerhöhung im Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen gegenübersteht. Diese Erwägungen, die ebenfalls die Neubewertung der im Bema-Z aufgeführten vertragszahnärztlichen Leistungen nachvollziehen, enthalten - vom Maßstab der erbringbaren Leistungsmenge her - keine Benachteiligung der Kieferorthopäden. Letztlich hat sich die Anzahl der von den Allgemeinzahnärzten bzw den Kieferorthopäden jeweils degressionsfrei erbringbaren Leistungen - und damit insoweit auch die Relation zwischen diesen Gruppen - nicht verändert.
Die von den Kieferorthopäden empfundene Ungleichbehandlung resultiert allein daraus, dass sie wirtschaftlich betrachtet eine geringere Honorarsumme degressionsfrei erhalten können als Zahnärzte. Dies ist aber eine zwingende Folge des Umstandes, dass die von ihnen in der Vergangenheit typischerweise erreichbare Punktzahlmenge infolge der Überbewertung kieferorthopädischer Leistungen überhöht war. Dass der Gesetzgeber bei der Degressionsregelung - wie bereits dargelegt - nicht den Umsatz bzw das Honorar zum Maßstab gemacht, sondern auf die Leistungsmenge abgestellt hat, hält sich innerhalb des diesem zustehenden Gestaltungsspielraums und ist auch sachgerecht, da die mit der Einführung der Degressionsregelungen verbundenen Ziele diesen Ansatz bedingen. Angesichts des vom Gesetzgeber zulässigerweise gewählten Maßstabes kann eine Gleichbehandlung nicht allein unter Honoraraspekten eingefordert werden. Dass ein Bestreben der Kieferorthopäden, die Absenkung der Leistungsbewertung durch eine Ausweitung der Leistungsmenge degressionsfrei zu kompensieren, schützenswert sein könnte, ist nicht erkennbar; vielmehr liefe dies den mit der Einführung der Degressionsstufen verbundenen Zielen zuwider.
Zu seinen Gunsten vermag der Kläger auch nichts daraus herzuleiten, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Degressionsregelung zunächst eine für alle Vertragszahnärzte einheitliche degressionsfreie Gesamtpunktmenge sowie einheitliche Degressionsstufen festgelegt hatte. Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen, welche Gründe den Gesetzgeber des Gesundheits-Strukturgesetz seinerzeit veranlasst haben, die Degressionsstufen exakt bei den in das Gesetz aufgeführten Punktmengen festzulegen. Erkennbar ist jedoch, dass der Gesetzgeber zur Vermeidung leistungsfeindlicher Impulse die Degression des Punktwertes erst bei einer überdurchschnittlich hohen Punktmenge aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit beginnen lassen wollte (Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. zum Gesundheits-Strukturgesetz, BT-Drucks 12/3608 S 88 zu § 85 Abs 4b SGB V). Da die "Punktmenge" mit der Zahl der erbrachten Leistungen korrespondiert, kann mithin davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die den damaligen Punktmengen entsprechende Leistungsmenge im Blick hatte.
Indiziert aber bereits die der untersten Degressionsstufe entsprechende Punktzahlmenge eine überdurchschnittlich hohe Leistungsmenge, hätte es des Vortrags des Klägers bedurft, dass diese Annahme aufgrund der zum erfolgten Absenkung der degressionsfreien Gesamtpunktmenge bei Kieferorthopäden nicht mehr gerechtfertigt ist. Derartiges ist jedoch weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Zumindest im Verhältnis der Kieferorthopäden untereinander ist infolge der alle Praxen gleichermaßen treffenden Absenkung der Leistungsbewertungen ohne Weiteres davon auszugehen, dass einer den untersten Grenzwert überschreitende Punktzahlmenge weiterhin eine entsprechende Indizwirkung zukommt. Aber auch bei Einbeziehung der übrigen Zahnärzte spricht nichts erkennbar gegen die Annahme, dass eine die degressionsfreie Gesamtpunktmenge von 280.000 Punkten überschreitende Leistungsmenge bei Kieferorthopäden nach wie vor als überdurchschnittlich anzusehen ist, da sie - wie dargelegt - als solche nicht verändert wurde.
Eine andere Betrachtung rechtfertigt auch nicht der Vortrag des Klägers, dass kieferorthopädische und allgemeinzahnärztliche Leistungen nach der Neubewertung in Bezug auf den mit der Leistungserbringung verbundenen Aufwand gleichwertig im Bema-Z abgebildet seien, Zahnärzten also bei identischem Aufwand eine höhere degressionsfreie Punktmenge zugestanden werde als Kieferorthopäden. Ungeachtet des Umstandes, dass die erforderliche Arbeitszeit bei der Neubewertung der Leistungen als maßgebliches Kriterium zu berücksichtigen war, fehlen schon belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Bewertungsrelationen des neuen Bema-Z den erforderlichen zeitlichen Aufwand wissenschaftlich exakt widerspiegeln. Hieran ergeben sich schon unter dem Gesichtspunkt Zweifel, dass das Leistungsspektrum der Kieferorthopäden auf wenige standardisierte Leistungen beschränkt und dadurch leichter einer Rationalisierung zugänglich ist.
Zudem änderte, selbst wenn der Vortrag zuträfe, dies nichts daran, dass der vom Gesetzgeber gewählte Maßstab - ein Anknüpfen an die Leistungsmenge statt an den Aufwand - in Anbetracht der mit der Degressionsregelung verbundenen Zielsetzung weiterhin als der sachgerechtere anzusehen ist. Auch unter Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bedürfte es insoweit keiner Modifikation dieses Maßstabes, da sich die Auswirkungen der Absenkung der Degressionsgrenzwerte auf die Kieferorthopäden in Grenzen halten. So hat der Kläger die für ihn im Jahre 2006 maßgebliche degressionsfreie Gesamtpunktmenge nur moderat - um 52.391 Punkte, dh um 11 % - überschritten und musste lediglich eine Honorarabsenkung in Höhe von 6.116,10 Euro hinnehmen; dies entsprach nach den Feststellungen des SG 1,16 % seines Honorars.
bb) Keinen Bedenken unter dem Blickwinkel des Art 3 Abs 1 GG begegnet es schließlich, dass die Differenzierung nicht bei der Art der erbrachten Leistungen ansetzt, sondern am Zulassungsstatus. Innerhalb des ihm zustehenden Rechts zur Pauschalierung und Generalisierung (s oben) steht es dem Gesetzgeber frei, an welche Merkmale er Differenzierungen knüpft, sofern es sich um sachgerechte Kriterien handelt (BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, jeweils RdNr 28). Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die veränderte Bewertung kieferorthopädischer Leistungen dergestalt nachvollzogen hat, dass auch die für die Degressionsberechnung maßgeblichen Grenzwerte für Kieferorthopäden abgesenkt wurden. Denn der Gesetzgeber durfte in typisierender und generalisierender Betrachtung davon ausgehen, dass es im Wesentlichen Fachzahnärzte für Kieferorthopädie sind, die kieferorthopädische Leistungen erbringen.
Er durfte dabei vernachlässigen, dass auch die übrigen Zahnärzte berechtigt sind, kieferorthopädische Leistungen zu erbringen, und dies auch in gewissem Umfang tun, da der Normgeber die Befugnis hat, seiner Entscheidung eine generalisierende Betrachtung der Auswirkungen zugrunde zu legen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 27 RdNr 25 - Oralchirurgen). Zum einen kommt angesichts der deutlichen Spezialisierung der Kieferorthopäden der berufsrechtlich zugelassenen kieferorthopädischen Tätigkeit der Allgemeinzahnärzte nur untergeordnete Bedeutung zu (s schon , BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, jeweils RdNr 66 und B 6 KA 14/08 R, RdNr 68). Zum anderen führt eine Anbindung an den Zulassungsstatus zu einer klaren, leicht handhabbaren Regelung, da ohne Weiteres feststeht, für wen und welche Leistungen sie gilt. Bei einer Differenzierung nach der Art der erbrachten Leistungen hätten die KZÄVen demgegenüber für jeden Vertragszahnarzt zwei unterschiedliche Degressionsberechnungen vornehmen müssen, je nachdem, ob es sich um kieferorthopädische oder um sonstige Leistungen handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).
Fundstelle(n):
KAAAD-40655