Keine Bindung an den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz bei Verfahrensfehler; unbedingte Klage im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit
Gesetze: FGO § 64 Abs. 1, FGO § 66, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug:
Gründe
1I. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) wies den Einspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Mit an die Familienkasse gerichtetem Faxschreiben vom beantragte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten die Änderung der Einspruchsentscheidung dahingehend, dass die Kindergeldfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bzw. insoweit vorläufig ergeht; er bat, „falls aus zeitlichen Gründen eine Änderung gem. § 174 AO nicht mehr durchgeführt werden kann, . dieses Schreiben als Klage gegen die Einspruchsentscheidung zu werten”. Die Familienkasse leitete das Schriftstück am dem Finanzgericht (FG) zu, das die Klage abwies.
2Das FG entschied, es sei keine wirksame Klage erhoben worden. Sie habe unter einer außerprozessualen Bedingung gestanden, weshalb der erforderliche unbedingte Wille zur Klageerhebung gefehlt habe.
3Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). In den vom FG zitierten Entscheidungen des (BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603), vom VIII B 118/91 (BFH/NV 1993, 40) und vom IX B 126/93 (BFH/NV 1994, 871) sei die Klageerhebung immer von zukünftigen, unbestimmten Ereignissen abhängig gewesen. Würden jedoch Einwendungen gegen die Einspruchsentscheidung mit dem Zusatz vorgebracht, das Schreiben solle als Klage gelten, wenn die Behörde nicht innerhalb der Klagefrist antragsgemäß entscheide, liege keine unzulässige außerprozessuale Bedingung vor (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz 4; , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1974, 320). Die aus vorstehender Rechtsprechung abzuleitenden Rechtsfolgen seien in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt.
4II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
51. Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt. Soll die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden, ist zu erläutern, dass das FG-Urteil von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweicht oder auf einem schwerwiegenden Fehler beruht, der unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und deshalb (objektiv) willkürlich erscheint (z.B. Senatsbeschluss vom III B 120/07, BFH/NV 2009, 1142, m.w.N.). Derartige Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Wenn er geltend macht, das FG habe aus vorhandener Rechtsprechung abzuleitende Rechtsfolgen nicht berücksichtigt und das Faxschreiben vom unzutreffend gewürdigt, wendet er sich vielmehr gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils; damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. , BFH/NV 2003, 495, m.w.N.).
62. Es ist aber anerkannt, dass keine Bindung an den geltend gemachten Zulassungsgrund —hier der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung— besteht, wenn der mit der Nichtzulassungsbeschwerde dargestellte Sachverhalt das Vorliegen eines Verfahrensmangels ergibt (, BFH/NV 2005, 1111, m.w.N.). So macht der Kläger mit der Beschwerde im Kern geltend, das FG habe zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden. Diese Rüge greift jedoch nicht.
7Soweit das bei der Familienkasse angebrachte Schreiben eine Klage enthielt, war diese —wie das FG zutreffend entschieden hat— mit einer unzulässigen, außerprozessualen Bedingung versehen. Der Kläger hatte zunächst beantragt, dass die Familienkasse unter Änderung der Einspruchsentscheidung das Kindergeld unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bzw. vorläufig festsetzt. Nur für den Fall, dass „aus zeitlichen Gründen eine Änderung . nicht mehr durchgeführt werden” könne, bat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten, das Schreiben als Klage zu werten. Danach sollte die Wertung der Schrift als Klage von einer Entscheidung der Familienkasse über den außergerichtlichen, innerhalb der Klagefrist gestellten Antrag auf (schlichte) Änderung (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung) abhängen; eine solche Entscheidung ist aber weder vom FG festgestellt noch sonst aktenkundig. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten ist eindeutig. Ein unbedingter Wille zur Klageerhebung kann nicht unterstellt werden. Die Vorentscheidung steht auch im Einklang mit dem (BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268) und der Entscheidung in EFG 1974, 320. Anders als im Streitfall lag dort im Zeitpunkt der Klageerhebung (§§ 64 Abs. 1, 66 FGO) eine Klageschrift ohne eine außerprozessuale Bedingung vor bzw. war in diesem Zeitpunkt die außerprozessuale Bedingung aktenkundig bereits eingetreten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 931 Nr. 5
SAAAD-40392