Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: KSchG § 15; BetrVG § 103; BGB § 626 Abs. 1; GG Art. 103
Instanzenzug: LAG Baden-Württemberg, 7 Sa 118/06 vom ArbG Stuttgart, 22 Ca 4475/06 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine fristlose Kündigung.
Der Kläger trat 1995 in die Dienste des beklagten Logistikunternehmens und war als kaufmännischer Angestellter in D tätig. Dort sind etwa 540 Arbeitnehmer beschäftigt. Es besteht ein Betriebsrat, zu dessen Mitglied der Kläger im Jahr 2002 gewählt wurde. Die konstituierende Sitzung fand am statt.
Am kamen nach der sog. Midnight-Schicht gegen 2:00 Uhr in der Tiefgarage des Betriebs ca. 30 bis 40 Mitarbeiter zusammen. An der Versammlung nahmen ua. der damalige Betriebsratsvorsitzende G. und der Kläger teil. Dabei ging es um die Erhöhung von außertariflichen Lohnbestandteilen und um die Arbeitsbelastung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Betriebsratsvorsitzende die versammelten Mitarbeiter dazu aufgefordert hat, wegen der unterbliebenen Lohnerhöhung in Zukunft langsamer zu arbeiten.
Im Anschluss an die Versammlung beantragten 315 wahlberechtigte Arbeitnehmer und die Beklagte beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats, hilfsweise den Ausschluss einzelner Betriebsratsmitglieder, ua. des Vorsitzenden G. und des Klägers. Der Betriebsrat bzw. der Betriebsratsvorsitzende habe während der Versammlung am zu einem Bummelstreik aufgerufen. Das Arbeitsgericht vernahm Herrn G., den Kläger, weitere Verfahrensbeteiligte und Zeugen. Ein Beteiligter und ein Zeuge bestätigten den Vorwurf, während Herr G. die Anschuldigungen bestritt. Der Kläger erklärte Folgendes:
"Gegenstand des Gespräches ist die Arbeitsbelastung gewesen. Es sind zu wenig Leute im Ladebereich gewesen, deshalb sind die Leute unzufrieden gewesen. Sie sind auf uns zugekommen und wir haben uns dann in der Tiefgarage mit ihnen getroffen. In dem Gespräch ist es um die Belastung und auch um Gehaltserhöhungen gegangen. Die Mitarbeiter haben den G. gefragt, weil vor dem Urlaub 8 Mitarbeiter am Verladen waren und während des Urlaubes nur 5. Was der G. dazu gesagt hat, weiß ich nicht mehr im Einzelnen. Mehr habe ich nicht in meinem Kopf. Er hat gesagt, dass die Kollegen 100 % Leistung geben müssten. Wer genau sonst noch was gesagt hat, weiß ich nicht. Es ist aber so, dass der G. nicht gesagt hat, dass sie langsamer arbeiten sollen.
[Auf die Frage, wer denn bei dem Gespräch in der Garage zugegen war:]
Also ich war da und der F ..., der M (Herr G.), einige afrikanische Arbeitnehmer, vielleicht 10 - 15 türkische Arbeitnehmer, aber Namen weiß ich jetzt nicht.
[Auf die Frage, wo denn das Gespräch dieser Gruppe stattgefunden haben soll in der Tiefgarage:]
Ich bin mir sicher, dass das Gespräch nicht am Eingang stattgefunden hat, sondern eher an der hinteren Seite. ...
Ich habe mich mitten in der Gruppe befunden. So etwa 1 - 1 ½ Meter von dem Herrn G. entfernt.
[Auf die Frage, ob der Beteiligte den Herrn F. in der Gruppe bemerkt habe:]
Nein, ich habe ihn nicht gesehen.
[Auf die Frage, ob der Herr G. im Rahmen des Gespräches am erklärt habe, dass alle Mitarbeiter, egal wie viele an der Verladestation eingesetzt seien, immer 100 % Leistung bringen müssten:]
So hat er das nicht gesagt. Er hat aber erklärt, dass die Arbeitnehmer das machen müssten, was sie können.
Dass aber die Arbeitsmenge nicht festgelegt sei. An mehr kann ich mich nicht erinnern.
[Auf die Frage, ob es Nachfragen der Arbeitnehmer gegeben habe, was 100 % seien:]
Nein, jedenfalls hat der Herr G. nicht gesagt, dass sie langsamer arbeiten sollen."
Mit Schreiben vom beantragte die Beklagte bei dem Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers wegen vorsätzlicher Falschaussage im Rahmen der Beteiligtenvernehmung vor dem Arbeitsgericht. Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung des Klägers verweigert hatte, leitete die Beklagte ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG ein.
Am erklärte der Betriebsrat seinen Rücktritt.
Im Rahmen der durchgeführten Neuwahl war der Kläger Mitglied des Wahlvorstands und Wahlbewerber. Die Wahl fand am 26. und statt. Der Kläger wurde zum Ersatzmitglied des Betriebsrats gewählt. Am veranlasste der Wahlvorstand den Aushang der Wahlniederschrift. Eine förmliche Bekanntmachung des endgültigen Wahlergebnisses gem. § 18 Satz 1 Wahlordnung (WO) unterblieb. Der Wahlvorstand lud die neu gewählten Mitglieder zur konstituierenden Sitzung ein, die am stattfand. Der Kläger nahm als Ersatzmitglied an der Sitzung teil, da ein Betriebsratsmitglied bis zum in Urlaub war.
Am bat die Beklagte den Vorsitzenden des Wahlvorstands um den Aushang des endgültigen Wahlergebnisses iSv. § 18 Satz 1 WO. Die neugewählte Betriebsratsvorsitzende teilte der Beklagten daraufhin am die Zusammensetzung des Betriebsrats mit. Mit Schreiben vom sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Das Zustimmungsersetzungsverfahren aus dem Jahr 2005 wurde von den Beteiligten für erledigt erklärt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei wegen § 103 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Mangels Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses iSv. § 18 Satz 1 WO habe er bei ihrem Zugang weiterhin den besonderen Kündigungsschutz als Mitglied des Wahlvorstands und als Wahlbewerber besessen. In jedem Fall habe es einer Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG bedurft. Außerdem fehle es an einer Vertragspflichtverletzung. Er habe nicht vorsätzlich falsch ausgesagt. Der damalige Betriebsratsvorsitzende habe die ihm vorgeworfenen Äußerungen tatsächlich nicht gemacht. Im Übrigen stelle die ihm angelastete Falschaussage allenfalls eine Amts- und keine Vertragspflichtverletzung dar.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom nicht aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den hinaus für die Dauer des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe am vor Gericht vorsätzlich falsch ausgesagt. Die Kündigung habe der Zustimmung des Betriebsrats nicht bedurft. Der Kläger habe bei deren Zugang weder als Mitglied des alten Betriebsrats noch als Mitglied des Wahlvorstands und Wahlbewerber Sonderkündigungsschutz iSv. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG bzw. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG genossen. Eine Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG sei im Rahmen des von ihr eingeleiteten Verfahrens nach § 103 BetrVG erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit in die Revisionsinstanz gelangt - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Gründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Die Kündigung ist weder nach § 15 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 103 BetrVG wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats unwirksam (I.) noch ergibt sich ihre Unwirksamkeit aus § 102 Abs. 1 BetrVG (II.). Ob sie durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest (III.).
I. Die Kündigung ist weder nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG noch nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam. Sie bedurfte nicht der Zustimmung des Betriebsrats.
1. Die Zustimmung des Betriebsrats war nicht wegen der Mitgliedschaft des Klägers in dem im Jahr 2002 gewählten Betriebsrat erforderlich (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG). Die Amtszeit des Klägers als Mitglied des im Jahre 2002 gewählten Betriebsrats endete spätestens mit der konstituierenden Sitzung des neuen Betriebsrats am .
a) Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG besteht indes nur während der jeweiligen Amtszeit des Betriebsratsmitglieds (APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 83, 136 und § 103 BetrVG Rn. 3). Danach ist die Kündigung zwar weiterhin nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig, bedarf aber nicht mehr der Zustimmung des Betriebsrats. Scheidet ein Betriebsratsmitglied während des Zustimmungsersetzungsverfahrens aus dem Betriebsrat aus, besteht nur noch nachwirkender Kündigungsschutz (Senat - 2 ABR 14/91 - zu B III 2 der Gründe, RzK II 3 Nr. 20).
b) Beschließt der Betriebsrat - wie hier - seinen Rücktritt, bleibt er gem. § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG iVm. § 22 BetrVG geschäftsführend im Amt, bis der neue Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekanntgegeben ist. Die Geschäftsführung endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Sie endet allerdings spätestens mit Ablauf der regulären - vierjährigen - Amtszeit, selbst wenn bis dahin ein neuer Betriebsrat noch nicht gewählt ist (Fitting 24. Aufl. § 21 Rn. 27, 29; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 21 Rn. 19, 20; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 21 Rn. 12).
c) Unterbleibt die Bekanntgabe des Wahlergebnisses, so endet die Amtszeit des geschäftsführenden Betriebsrats spätestens mit der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Gremiums iSv. § 29 Abs. 1 BetrVG, auch wenn die reguläre Amtszeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen ist. Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen.
aa) Der Gesetzgeber hat in § 22 BetrVG die Dauer der Geschäftsführung durch den zurückgetretenen Betriebsrat zeitlich begrenzt. Sie soll in jedem Fall mit Bekanntgabe des Ergebnisses der Neuwahl enden. Nach der Vorstellung des Gesetzes geht die nach § 18 Satz 1 WO vom Wahlvorstand vorzunehmende Bekanntmachung der Gewählten der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Betriebsrats zeitlich voraus. Aus der Bekanntmachung der Gewählten ergeben sich die Personen der in den Betriebsrat einrückenden und bei der konstituierenden Sitzung teilnahmeberechtigten Mitglieder. Zugleich beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses die Amtszeit der neu gewählten Betriebsratsmitglieder. Eine Überschneidung der Amtszeiten ist nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber ordnet also einen nahtlosen zeitlichen Übergang von der Amtszeit bzw. Geschäftsführung des alten auf den neuen Betriebsrat an. Dieser Übergang soll dann stattfinden, wenn die Mitglieder des neuen Betriebsrats feststehen und bekannt sind. Dieser Zeitpunkt war hier jedenfalls bei der konstituierenden Sitzung am erreicht. Mit ihm beginnt die Amtszeit des neuen Betriebsrats unabhängig davon, ob die reguläre Amtszeit des zurückgetretenen Betriebsrats schon abgelaufen war. Dieser war im Streitfall am zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten; wann seine Amtszeit begonnen hatte, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
bb) Die zeitliche Dauer des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 103 BetrVG kann nicht länger sein als die reguläre Amtszeit oder die Weiterführung der Geschäfte selbst. Das zeigt § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der für die Zeit nach Ablauf der Amtszeit ausdrücklich die Zustimmungspflichtigkeit für Kündigungen aufhebt.
cc) Dass der Wahlvorstand hier die gesonderte förmliche Bekanntgabe des Wahlergebnisses unterlassen hat, steht den vorstehenden Erwägungen nicht entgegen. Die Vorschrift des § 18 Satz 1 WO hat nicht den Zweck, im Falle ihrer Nichtbeachtung einander überlappende Amtszeiten von Betriebsräten zu schaffen. Ebenso wenig ist es ihr Ziel, den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf funktionslose ehemalige Amtsträger so lange zu erstrecken, bis die Bekanntmachung eines Wahlergebnisses erfolgt, das bereits in die Tat umgesetzt worden ist. Schließlich will § 18 Satz 1 WO nicht erreichen, dass ihr Amt bereits ausübende Betriebsratsmitglieder des Schutzes des § 15 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entbehren müssen. Dies zeigt, dass jedenfalls dann, wenn die Zusammensetzung des Betriebsrats nicht im Streit steht, die Amtszeit des geschäftsführenden Betriebsrats spätestens mit der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Betriebsrats auch für den Fall enden muss, dass eine förmliche Bekanntmachung des Wahlergebnisses unterblieben ist. Wie ohne eine solche die Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 BetrVG berechnet werden muss, bedarf hier keiner Erörterung. Ebenso wenig war zu entscheiden, ob als "Bekanntgabe des Wahlergebnisses" iSv. § 22 BetrVG, § 18 Satz 1 WO auch ein Aushang der gesamten Wahlniederschrift iSv. § 16 Abs. 1 WO anzusehen ist, weil in ihr nach Abs. 1 Nr. 6 die Namen der gewählten Bewerber festzustellen sind.
2. Die Kündigung bedurfte nicht deshalb der Zustimmung des Betriebsrats, weil der Kläger bei dessen Neuwahl im Jahr 2006 Mitglied des Wahlvorstands und Wahlbewerber war (§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG).
a) Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Wahlvorstands vom Zeitpunkt seiner Bestellung, die eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig. Ist, wie im Streitfall, die förmliche Bekanntgabe des Wahlergebnisses unterblieben, der Betriebsrat jedoch zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten, endet der Schutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG mit diesem Zeitpunkt.
b) In § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG hat der Gesetzgeber das Ende des Sonderkündigungsschutzes - anders als in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG - ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wahlergebnisses begrenzt. Er ist auch dabei von dem gesetzlich vorgeschriebenen zeitlichen Ablauf ausgegangen. Danach liegt die Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor der konstituierenden Sitzung. Sie macht den Kreis der einzuladenden Mitglieder des neuen Betriebsrats bekannt. Damit ist vorausgesetzt, dass der Schutz bei der konstituierenden Sitzung schon geendet hat. Demzufolge muss diese als der Zeitpunkt angesehen werden, nach dem der Sonderkündigungsschutz auf keinen Fall mehr bestehen kann. Im Übrigen steht mit der konstituierenden Sitzung die personelle Zusammensetzung des Betriebsrats fest. Diese kann damit als bekannt gegeben iSd. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG gelten.
3. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung war nicht deshalb erforderlich, weil der Kläger an der konstituierenden Sitzung als Ersatzmitglied teilgenommen hat.
a) Der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG erstreckt sich auch auf Ersatzmitglieder, die wegen einer zeitweiligen Verhinderung eines regulären Betriebsratsmitglieds gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG tätig waren ( - zu 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21; APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 110; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 13; Stahlhacke/Stahlhacke 9. Aufl. 2005 Rn. 1612). Das Zustimmungserfordernis iSv. § 103 BetrVG besteht indes nur, wenn das Ersatzmitglied entweder endgültig für ein ausgeschiedenes Mitglied eingerückt ist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) oder wenn und solange es ein zeitweilig verhindertes Mitglied vertritt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Ersatzmitglieder, die nach Beendigung der Vertretungszeit wieder aus dem Betriebsrat ausgeschieden sind, haben hingegen nur noch nachwirkenden Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG ( - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; - 5 AZR 891/77 - zu 1 der Gründe, aaO.; APS/Linck § 15 KSchG Rn. 112).
b) Danach endete der besondere Kündigungsschutz des Klägers als Ersatzmitglied mit der Rückkehr des regulären Betriebsratsmitglieds.
I. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt nicht daraus, dass der Betriebsrat vor ihrem Anspruch nicht gem. § 102 BetrVG angehört wurde. Scheidet ein Betriebsratsmitglied während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG aus dem Betriebsrat aus, ist für die dann ohne Zustimmung mögliche außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber eine erneute Anhörung des Betriebsrats nicht erforderlich (Senat - 2 AZN 276/00 - BAGE 95, 60; - 2 ABR 14/91 - zu III der Gründe, RzK II 3 Nr. 20; APS/Linck 3. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 29; KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 133). Der Anhörungspflicht ist durch die Unterrichtung im Rahmen des Antrags nach § 103 BetrVG genügt.
III. Ob die Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam ist, steht noch nicht fest.
1. Die außerordentliche Kündigung eines durch § 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 KSchG geschützten Arbeitnehmers ist unzulässig, wenn diesem ausschließlich eine Amts- und nicht zugleich eine Vertragspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Eine Kündigung kommt dagegen in Betracht, wenn in dem Verhalten zugleich eine Vertragspflichtverletzung zu sehen ist. In solchen Fällen ist an die Berechtigung der fristlosen Entlassung ein "strengerer" Maßstab anzulegen als bei einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört (Senat - 2 ABR 71/85 - zu B II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 95 = EzA BGB § 626 nF Nr. 105; - zu 5 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 4 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 29).
2. Die vorsätzliche Falschaussage eines Betriebsratsmitglieds in einem den eigenen Arbeitgeber betreffenden Beschlussverfahren stellt nicht nur eine Verletzung von Amtspflichten, sondern auch eine Vertragspflichtverletzung dar. Ein bestimmtes Verhalten ist nur dann ausschließlich eine Amtspflichtverletzung, wenn dem Betriebsratsmitglied lediglich ein Verstoß gegen allein kollektivrechtliche Pflichten zum Vorwurf zu machen ist. Verstößt das Betriebsratsmitglied stattdessen gegen eine für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende vertragliche Pflicht, liegt - zumindest auch - eine Vertragspflichtverletzung vor ( - zu 2 b der Gründe, BAGE 71, 14). Das ist hier der Fall. Die vorsätzliche Falschaussage in einem den Arbeitgeber berührenden gerichtlichen Verfahren ist - unabhängig von ihrer strafrechtlichen Würdigung - ein Verstoß gegen ein für jeden Arbeitnehmer geltendes Verbot.
3. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe im Rahmen des Amtsenthebungsverfahrens am vor dem Arbeitsgericht vorsätzlich falsch ausgesagt, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zutreffend.
a) Wie die Revision zu Recht rügt, durfte das Landesarbeitsgericht die Vernehmung der vom Kläger gegenbeweislich benannten Zeugen K. und D. nicht unterlassen. Seine Vorgehensweise steht nicht im Einklang mit Art. 103 Abs. 1 GG. Sie verletzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
aa) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern ( - BVerfGE 64, 135). Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen ( - NJW 2000, 131) und erhebliche Beweisantritte zu berücksichtigen ( - NJW 2005, 1487; - 2 BvR 183/90 - NJW 1991, 285). Die Nichtberücksichtigung eines entscheidungserheblichen Beweisangebots verletzt den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet ( - BVerfGE 69, 141; - Rn. 13 mwN, AE 2009, 268).
bb) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat den Beweisantrag des Klägers auf Vernehmung der Zeugen K. und D. selbst für erheblich gehalten. Das zeigt sich daran, dass es die - zum Termin nicht erschienenen - beiden Zeugen geladen hat. Die Beweiserhebung war auch entbehrlich, da diese Zeugen - neben anderen, die vom Landesarbeitsgericht vernommen wurden - vom Kläger gegenbeweislich dafür benannt worden waren, dass Herr G. nicht zum Bummelstreik aufgerufen habe.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat sein Vorgehen damit begründet, dass der Kläger die ladungsfähigen Anschriften trotz einer bis zum bemessenen Frist erst vier Tage vor dem Termin vom mitgeteilt habe und durch eine Vertagung eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung eingetreten wäre. Diese Begründung findet im Prozessrecht keine Stütze. Die Ladung der Zeugen wurde vom Kammervorsitzenden am veranlasst und am ausgeführt. Dass die Ladungen die Zeugen nicht rechtzeitig erreicht hätten, ist nicht festgestellt. Der Zeuge K. hat dem Gericht zwei Tage später mitteilen lassen, er sei durch Krankheit am Erscheinen gehindert. Abgesehen davon hat das Landesarbeitsgericht am kein Urteil verkündet, sondern Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den festgesetzt. Inwiefern bei dieser Lage gleichwohl eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung gegeben sein soll, ist nicht erkennbar.
(3) Soweit sich das Landesarbeitsgericht darauf bezieht, der Kläger habe erklärt, er wisse nicht, ob der Zeuge K. bei der Versammlung am zugegen gewesen sei, könnte allenfalls dieser Umstand die Nichtvernehmung des Zeugen K. rechtfertigen. Allerdings hatte der Kläger von seinem Beweisantrag auch in Bezug auf den Zeugen K. nicht Abstand genommen, sondern ihn aufrechterhalten. Dass er sich angesichts der besonderen Umstände der Zusammenkunft und nach Verlauf von vier Jahren nicht sicher war, ob der Zeuge an der Versammlung teilgenommen hatte, stand bei der hier gegebenen Lage dessen Vernehmung nicht entgegen - zumal das Landesarbeitsgericht angesichts der besonderen räumlichen Verhältnisse in der Tiefgarage der Aussage verschiedener vom Kläger benannter Zeugen, sie hätten den Hauptbelastungszeugen F. bei der Versammlung nicht gesehen, keinerlei Bedeutung beigemessen hat.
b) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Beweiswürdigung außerdem wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen und damit den Anforderungen des § 286 ZPO nicht genügt. Dabei ist von besonderem Gewicht, dass der von ihm als Kündigungsgrund angesehene und als bewiesen erachtete Vorwurf lautet, der Kläger habe vorsätzlich falsch ausgesagt.
aa) Bei dieser Würdigung hätte das Landesarbeitsgericht bedenken müssen, dass der Kläger vor dem Arbeitsgericht nicht nur ausgesagt hatte, Herr G. habe die Kollegen aufgefordert, "100 % Leistung" zu geben, sondern auch erklärt hatte: "Was der G. dazu gesagt hat, weiß ich nicht mehr im Einzelnen." Es kam jedenfalls in Betracht, dass der Kläger damit seine Erklärung unter einen gewissen Vorbehalt stellen wollte. Damit hätte sich das Landesarbeitsgericht eingehend auseinandersetzen müssen.
bb) Außerdem hätte das Landesarbeitsgericht bedenken müssen, dass die Grenze zwischen der Aufforderung zum "Bummelstreik" und der Erklärung, die Arbeitnehmer müssten "100 % geben", fließend ist, solange lediglich der Wortlaut in Betracht gezogen wird. So mag es durchaus möglich sein, mit der Aufforderung "100 %" zu geben, einen Tonfall oder eine Gestik zu verbinden, die bei den Zuhörern keinen Zweifel daran lässt, dass sie zum "Bummelstreik" aufgefordert werden. Ebenso gut kann allerdings das Gegenteil der Fall sein. Jedenfalls berücksichtigt der vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss vom Wortlaut eines Teils der Aussage des Klägers über den Wortlaut eines Teils der Äußerungen von Herrn G. auf den Sinn der Aussage des Herrn G. und den Sinn der Aussage des Klägers nicht ausreichend die auf der Hand liegende Möglichkeit der Mehrdeutigkeit beider Aussagen.
cc) Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht den Umstand ausreichend berücksichtigt, dass die Arbeitnehmer, die sich in der Tiefgarage versammelt hatten, übereinstimmend der Auffassung waren, die Beklagte verlange mehr Arbeitsleistung von ihnen als ihren vertraglichen Pflichten entspreche. Es ist deshalb nicht fernliegend, dass Herr G. mit einer etwaigen Aufforderung, weniger zu arbeiten als die Beklagte verlange, nicht zu einem rechtswidrigen Bummelstreik aufrufen wollte, sondern lediglich dazu, dass die Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten sollten, als sie vertraglich verpflichtet seien. War es aber so, dann würde die vom Kläger gegebene Darstellung, Herr G. habe dazu aufgefordert, 100 % zu geben, der Darstellung, dass damit zugleich eine Aufforderung verbunden war, weniger zu leisten als die Beklagte verlangte, nicht widersprechen, ohne dass von der Aufforderung zu einem Bummelstreik die Rede sein könnte.
dd) Schließlich hätte das Landesarbeitsgericht in Erwägung ziehen müssen, dass die nächtliche Versammlung von Arbeitnehmern mehrerer Nationalitäten mit unterschiedlichen Muttersprachen besucht wurde. Da die Frage, ob Herr G. zu einem Bummelstreik aufgerufen hat, nur dann beantwortet werden kann, wenn feststeht, dass dieser annehmen konnte, richtig verstanden zu werden, kann auch die Frage, ob der Kläger den Sinn der Aussage des Herrn G. richtig wiedergegeben hat, nicht ohne Berücksichtigung der Sprachkenntnisse derjenigen beantwortet werden, die an der Versammlung teilnahmen.
IV. Der Rechtsstreit war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 ZPO). Dieses wird darauf Bedacht nehmen müssen, dass im Streitfall an den wichtigen Grund besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Die mögliche Pflichtverletzung stand in einem inneren Zusammenhang mit den kollektivrechtlichen Aufgaben des Klägers. Außerdem muss es in seine Überlegungen einbeziehen, dass der Kündigungsvorwurf nur gerechtfertigt ist, wenn der Kläger vorsätzlich falsch ausgesagt hat. Das Landesarbeitsgericht wird schließlich den noch unerledigten Beweisanträgen nachzugehen und bei einer erneuten Beweiswürdigung die unter III 3 genannten Umstände zu berücksichtigen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1019 Nr. 17
DB 2010 S. 790 Nr. 14
XAAAD-40266