BFH Urteil v. - V R 13/08

Vorsteueraufteilung bei Baumaßnahmen

Leitsatz

Für Zwecke des Vorsteuerabzugs ist bei Baumaßnahmen zwischen der Herstellung eines neuen Gebäudes und anschaffungsnahem Aufwand einerseits und Erhaltungsaufwendungen andererseits zu differenzieren. Liegen Herstellungskosten oder anschaffungsnaher Aufwand vor, ist für den Vorsteuerabzug unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 4 UstG auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen. Für den Vorsteuerabzug aus Erhaltungsaufwendungen kommt es demgegenüber darauf an, wie der Gebäudeteil genutzt wird, für den die Erhaltungsaufwendungen entstehen.
Hat der Steuerpflichtige in einer Steuererklärung für das Kalenderjahr des Leistungsbezugs einen sachgerechten Maßstab für die Aufteilung von Vorsteuern gewählt und wird diese als Steuerfestsetzung formell bestandskräftig, ist er sowohl für das Erstjahr als auch für die Folgejahre an diese Wahl gebunden.

Gesetze: UStG § 14, UStG § 15, FGO § 96 Abs. 1, FGO § 135, FGO § 136

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Beteiligten streiten über die Aufteilung von Vorsteuern, die im Zusammenhang mit der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes angefallen sind.

2 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete in den Jahren 1996 und 1997 ein teils zu gewerblichen Zwecken, teils zu Wohnzwecken genutztes Gebäude, dessen Gewerbeflächen gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG vermietet wurden. Im Zusammenhang mit der Gebäudeerrichtung fielen Vorsteuern in Höhe von 113.581 DM (1996), 427.008 DM (1997) und 1.020 DM (1999) an. Diese beruhten im Wesentlichen auf Rechnungen des Bauunternehmens S, in denen dieser entsprechend dem Baufortschritt des Gebäudes abgerechnet hatte, ohne den Rechnungspreis auf die einzelnen Gewerke des Baus aufzuteilen. Darüber hinaus lagen Rechnungen für die Vermessung des Grundstücks, der Verlegung von Anschlüssen (Strom, Gas, Wasser, Telefon), des Notars für die Grundbucheintragung, des Architekten des Gebäudes, des Baustatikers, eines Gartenbaubetriebes für die Bepflanzung des Grundstücks, eines Fenster- und Türenbauers für Türbeschläge sowie des Schornsteinfegers vor.

3 In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (1996, 1997 und 1999) teilte der Kläger die Vorsteuern im Verhältnis der Wohnflächen zu den gewerblich genutzten Flächen auf. Der Anteil der steuerpflichtig vermieteten Flächen betrug 1996 25 %, ab 1997 26,67 %. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) stimmte den Steuererklärungen zu (1996 und 1997) und folgte der Erklärung für 1999 ohne Abweichung. Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung beantragte der Kläger, die Vorsteuerbeträge nicht nach dem Flächenschlüssel, sondern im Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen aufzuteilen. Nach einer von ihm eingereichten Aufstellung über die kalkulierten Ausgangsumsätze im Zeitpunkt des Leistungsbezugs betrug der Anteil der steuerpflichtigen Umsätze an den gesamten Vermietungsumsätzen 34,35 %.

4 Das FA folgte dem nicht, sondern hob mit Bescheid vom für die Jahre 1996 und 1997 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Den Umsatzsteuerbescheid 1999 änderte es unter demselben Datum aus nicht im Streit befindlichen Gründen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

5 Das Finanzgericht (FG) gab nach erfolglosem Einspruchsverfahren der Klage statt. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, der Kläger könne die angefallenen Vorsteuern nach dem Umsatzschlüssel den jeweiligen Ausgangsleistungen zuordnen. Zwar gehe eine direkte Zuordnung der Eingangslieferungen und -leistungen zu den jeweiligen Gebäudeteilen einer Aufteilung im Schätzungswege vor. Eine eindeutige Zuordnung der Leistungsbezüge zu den steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen sei im Streitfall aber nicht möglich, weil die den Eingangsrechnungen zugrunde liegenden Leistungen ausnahmslos das gesamte Gebäude beträfen. Daher sei eine Aufteilung der Vorsteuern erforderlich, wobei das Verhältnis der im Zeitpunkt des Leistungsbezugs kalkulierten Ausgangsumsätze des Unternehmers eine sachgerechte Schätzung i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG darstelle.

6 Mit der Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 UStG) geltend. Die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Umsatzschlüssel sei zwar zulässig, das FG habe aber im Streitfall zu Unrecht die gesamten im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes entstandenen Vorsteuern nach einem Umsatzschlüssel aufgeteilt. Vielmehr seien zunächst die voll abziehbaren Vorsteuern für Leistungsbezüge, die ausschließlich zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze verwendet würden und die in vollem Umfang nicht abziehbaren Vorsteuern für Eingangsleistungen, die ausschließlich der Erzielung steuerfreier Umsätze dienten, zu ermitteln. Erst die danach verbleibenden nicht zuordnungsfähigen Vorsteuerbeträge seien nach einer sachgerechten Schätzungsmethode i.S. des § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Das gelte auch für auf Herstellungs- oder Anschaffungskosten beruhende Vorsteuerbeträge. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei bei Anwendung des Umsatzschlüssels im Streitfall nur die im Antrag bezifferte Herabsetzung der Umsatzsteuer berechtigt.

7 Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 1996 des FA dahingehend zu bestätigen, dass der Abzug der gesamten Vorsteuern versagt und die Umsatzsteuer nur für 1996 um 2.579,87 DM (1.319,06 €), 1997 um 8.728,02 DM (4.462,56 €) und 1999 um 21,15 DM (10,81 €) herabgesetzt wird.

8 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9 Er verteidigt die Vorentscheidung.

10 II. Die Revision des FA hat aus anderen als den geltend gemachten Gründen Erfolg; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung im Umfang des Revisionsantrages (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

11 1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer eine für sein Unternehmen bezogene Leistung nur zum Teil für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift ist der Unternehmer berechtigt, die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln.

12 2. Entgegen der Auffassung des FA war im Streitfall auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen, weil der Kläger das Gebäude neu errichtet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (vgl. Urteile vom V R 9/08, BFHE 225, 230, BFH/NV 2009, 1337; vom XI R 53/07, BFH/NV 2009, 228; vom V R 43/06, BFHE 219, 450, BStBl II 2008, 770; vom V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417), der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat (, BStBl I 2008, 896), ist bei Baumaßnahmen zwischen der Herstellung eines neuen Gebäudes und anschaffungsnahem Aufwand einerseits und Erhaltungsaufwendungen andererseits zu differenzieren. Liegen Herstellungskosten oder anschaffungsnaher Aufwand vor, ist für den Vorsteuerabzug unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 4 UStG auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen. Für den Vorsteuerabzug aus Erhaltungsaufwendungen kommt es demgegenüber darauf an, wie der Gebäudeteil genutzt wird, für den die Erhaltungsaufwendungen entstehen. Da der Kläger vorliegend ein Gebäude neu errichtet hat, waren für die Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes maßgeblich.

13 3. Die Revision des FA hat im Ergebnis deswegen Erfolg, weil das FG zu Unrecht davon ausging, der Kläger habe nachträglich vom Flächenschlüssel zum Umsatzschlüssel als Aufteilungsmaßstab wechseln dürfen.

14 Die Aufteilung der Vorsteuern im Verhältnis der Ausgangsumsätze stellt zwar grundsätzlich eine sachgerechte Schätzung i.S. des § 15 Abs. 4 UStG dar (BFH-Urteile in BFH/NV 2009, 228; vom V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833; , BFH/NV 2004, 234).

15 Hat der Steuerpflichtige in einer Steuererklärung für das Kalenderjahr des Leistungsbezugs jedoch —wie im Streitfall der Kläger— einen sachgerechten Maßstab für die Aufteilung von Vorsteuern gewählt und wird diese als Steuerfestsetzung formell bestandskräftig, ist er sowohl für das Erstjahr als auch für die Folgejahre an diese Wahl gebunden (, BFH/NV 2008, 628; vom V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729; in BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417).

16 4. So ist es im Streitfall. Der Kläger hat in seinen Umsatzsteuerjahreserklärungen 1996, 1997 und 1999 Vorsteuerbeträge erklärt, die auf einer Aufteilung der abziehbaren Vorsteuern nach dem Flächenschlüssel beruhen. Diese als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltenden Steuerfestsetzungen (§ 168 AO) sind formell bestandskräftig geworden. Der Kläger ist damit an die Ausübung seines Wahlrechts gebunden und konnte keine Aufteilung mehr nach dem Umsatzschlüssel verlangen. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Daher war das Urteil aufzuheben und die Klage im Umfang des Revisionsantrages abzuweisen.

17 Die Klage wäre wegen der Bindung des Klägers an die Ausübung seines Wahlrechts in vollem Umfang abzuweisen gewesen. Das FA hat aber auf der Grundlage seiner im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH stehenden Rechtsauffassung sinngemäß beantragt, den Vorsteuerabzug zwar nach dem Umsatzschlüssel zuzulassen, die Vorsteueraufteilung aber auf Vorsteuern zu beschränken, die nicht eindeutig steuerfreien oder steuerpflichtigen Umsätzen zugeordnet werden können. Gemäß § 121, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO konnte der Senat über den Antrag des FA nicht hinausgehen (, BFHE 156, 566, 574, BStBl II 1989, 733).

18 5. Der Senat erkennt gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.

19 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 FGO. Da die Revision des FA Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden; auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (, BFH/NV 2004, 341; vom VIII R 17/97, BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306; , BFH/NV 1990, 182).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 960 Nr. 5
HFR 2010 S. 632 Nr. 6
KÖSDI 2010 S. 16994 Nr. 6
UR 2010 S. 426 Nr. 11
FAAAD-40084