BVerwG Urteil v. - 2 A 2.08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gründe

I

Der 1953 geborene Antragsteller war seit 1982 beim Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigt. Im Jahre 1985 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen; zuletzt hatte er das Amt eines Oberregierungsrats inne.

Seit Anfang 2002 erschien der Antragsteller nur noch sporadisch zum Dienst. Für den überwiegenden Teil der Abwesenheitszeiten legte er Atteste verschiedener Ärzte vor, die ihm ohne Angabe einer Diagnose bescheinigten, er sei nicht in der Lage, Dienst zu leisten. Wegen der Abwesenheitszeiten im Jahre 2002, die nicht durch ein ärztliches Attest gedeckt waren, leitete der Präsident des BND im Januar 2003 ein Disziplinarverfahren ein. Der Antragsteller nahm im Februar 2003 mündlich zu den Vorwürfen Stellung. Im Januar 2004 und April 2005 dehnte der Präsident des BND das Disziplinarverfahren auf unentschuldigte Abwesenheitszeiten in den Jahren 2003 und 2004 aus. Hierzu äußerte sich der Antragsteller nicht mehr.

In der Disziplinarklageschrift vom lastete der Präsident des BND dem Antragsteller an, zwischen dem und dem an insgesamt 112 Arbeitstagen dem Dienst vorsätzlich unerlaubt ferngeblieben zu sein. Der Antragsteller nahm im Disziplinarklageverfahren weder schriftlich zu den Vorwürfen Stellung noch nahm er an der mündlichen Verhandlung teil, obwohl er mehrfach auf die Schwere der Vorwürfe und die disziplinarrechtlichen Folgen seiner Untätigkeit hingewiesen wurde. Durch rechtskräftiges BVerwG 2 A 3.05 - entfernte der Senat den Antragsteller wegen vorsätzlichen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst in dem angeschuldigten Umfang aus dem Beamtenverhältnis. Das Urteil wurde der zustellungsbevollmächtigten Frau B. zugestellt, in deren Wohnung sich der Antragsteller damals aufhielt.

Im Januar 2008 bestellte das Vormundschaftsgericht einen vorläufigen Betreuer für den Antragsteller unter anderem für den Aufgabenkreis "Vertretung (...) im Verfahren gegenüber dem ehemaligen Dienstherrn". Zudem ordnete das Gericht die stationäre Unterbringung des Antragstellers zur Klärung seines Gesundheitszustandes an. Daraufhin wurde der Antragsteller am in ein psychiatrisches Krankenhaus verbracht, wo er sich bis zum aufhielt. Aufgrund dieses stationären Aufenthalts erstellte der Psychiatrische Assistenzarzt B. das psychiatrische Gutachten vom , mit dem sich der Oberarzt Dr. M. "nach eigener Untersuchung und Beurteilung" einverstanden erklärte. Die Gutachter empfahlen die gesetzliche Betreuung des Antragstellers in den Bereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge. Einen Einwilligungsvorbehalt für Willenserklärungen des Antragstellers hielten sie nicht für erforderlich. Dementsprechend ordnete das Vormundschaftsgericht die Betreuung des Antragstellers in den genannten Aufgabenkreisen sowie für die Vertretung vor Behörden und Gerichten ohne Einwilligungsvorbehalt an und bestellte einen Betreuer.

Am hat der vorläufige Betreuer des Antragstellers für diesen einen Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarklageverfahrens gestellt, den er wie folgt begründet: Der Antragsteller sei während des Disziplinarklageverfahrens geschäftsunfähig und damit prozessunfähig gewesen. Er sei bereits im Jahr 2002 alkoholabhängig und schwer psychisch erkrankt gewesen. Der Antragsteller sei krankheitsbedingt apathisch und nicht mehr im Stande gewesen, am Leben teilzunehmen. So habe er seine Wohnung verlassen, ohne sich um Möbel, Auto und die Post zu kümmern. Der Briefkasten seiner Wohnung sei übergequollen. Obwohl er seit 1996 als Betreuer seiner Mutter bestellt gewesen sei, habe er sich um sie bis zu ihrem Tod im August 2004 nicht gekümmert. Der Antragsteller habe eine auffällige Gesichtsakne und die Lähmung eines Gesichtsnervs nicht ärztlich behandeln lassen.

Der vorläufige Betreuer habe von dem Disziplinarurteil erst nach der stationären Unterbringung des Antragstellers Ende Januar 2008 Kenntnis erlangt. Die Urteilsausfertigung habe sich in einem Konvolut von Schriftstücken befunden, die ihm Frau B.s Rechtsanwalt übersandt habe. Der Antragsteller lebe nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus in einer Pension. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aus dem Erbe seiner Mutter, das ihm nach dem Tod seines Bruders in voller Höhe zugefallen sei.

Zum Nachweis der Prozessunfähigkeit des Antragstellers während des Disziplinarklageverfahrens hat dessen vorläufiger Betreuer das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten des Facharztes Dr. Schw. vom vorgelegt, das dieser in der mündlichen Verhandlung erläutert hat.

Der Antragsteller beantragt,

das aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarklageverfahrens abzulehnen,

hilfsweise,

den Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Die Antragsgegnerin hält den Nachweis der Prozessunfähigkeit nicht für erbracht. Nach dem psychiatrischen Gutachten vom sei der Antragsteller noch im Februar 2008 geschäfts- und prozessfähig gewesen. Folgerichtig habe das Vormundschaftsgericht seine Betreuung auf Vorschlag des Gutachters auf bestimmte Aufgabenkreise beschränkt und keinen Einwilligungsvorbehalt für Willenserklärungen des Antragstellers angeordnet. Auch könne der Antragsteller sein alltägliches Leben ohne Schwierigkeiten bewältigen, da er seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus unauffällig in einer Pension wohne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens - BVerwG 2 A 3.05 - verwiesen.

II

Der Senat ist für den Antrag auf Wiederaufnahme im ersten und letzten Rechtszug zuständig (§ 73 Abs. 1 Satz 1 BDG; § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO).

Der Antrag, über den der Senat gemäß § 75 Abs. 1 BDG aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden hat, kann keinen Erfolg haben. Das rechtskräftig abgeschlossene Disziplinarklageverfahren gegen den Antragsteller kann nicht wiederaufgenommen werden, weil nicht feststeht, dass der Antragsteller während dieses Verfahrens prozessunfähig war.

1. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist zulässig. Der vorläufige Betreuer des Antragstellers hat ihn für diesen innerhalb der gesetzlichen Antragsfrist gestellt und Tatsachen vorgetragen, die die Prozessunfähigkeit des Antragstellers ernsthaft möglich erscheinen lassen. Die Antragstellung war vom Aufgabenkreis des Betreuers umfasst.

a) Der Antrag stützt sich auf einen zulässigen Wiederaufnahmegrund.

Die Gründe für die Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Disziplinarverfahrens sind in § 71 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 BDG geregelt, sodass die Vorschriften über die Nichtigkeits- und Restitutionsgründe für die Wiederaufnahme gemäß §§ 579, 580 ZPO grundsätzlich nicht anwendbar sind. Allerdings fehlt in § 71 Abs. 1 BDG ein Wiederaufnahmegrund, der dem Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO entspricht. Nach § 578, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO findet die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens statt, wenn die Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Dieser Wiederaufnahmegrund erfasst die fehlende Vertretung einer wegen Prozessunfähigkeit vertretungsbedürftigen Partei. Er ist verfassungsrechtlich geboten, um diese Partei vor einem Urteil zu schützen, das bis zu seiner Aufhebung formell gegen sie wirkt, obwohl es in einem Verfahren ergangen ist, in dem das rechtliche Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG nicht gegeben war. Die Wiederaufnahme ist auch zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und eines fairen Verfahrens gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG erforderlich ( BVerwG 8 A 1.73 - BVerwGE 48, 201 <203> = Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 15 und vom - BVerwG 7 A 1.96 - BVerwGE 104, 182 <184> = Buchholz 303 § 579 ZPO Nr. 2). Es kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige Wiederaufnahme eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens auf eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung des Wiederaufnahmegrundes der Beibringung erheblicher und neuer Tatsachen und Beweismittel gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 2 BDG oder unmittelbar auf § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestützt wird. Diese Vorschrift ist bei Annahme einer Regelungslücke des Bundesdisziplinargesetzes gemäß § 3 BDG, § 173 Satz 1 VwGO entsprechend anwendbar.

b) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BDG binnen dreier Monate zu stellen. Nach Satz 2 dieses Absatzes beginnt die Antragsfrist mit dem Tag zu laufen, an dem der Antragsberechtigte von dem Grund für die Wiederaufnahme Kenntnis erhalten hat.

Steht der Beamte unter gesetzlicher Betreuung und fällt die Wiederaufnahme in den Aufgabenkreis des Betreuers, so kommt es für den Fristbeginn auf dessen Kenntnis von dem Wiederaufnahmegrund an. Zwar gilt ein geschäftsfähiger Betreuter nur dann regelmäßig als prozessunfähig, wenn der Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einem Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB unterfällt (§ 62 Abs. 2 VwGO). Jedoch kann ein Betreuer, dessen Aufgabenkreis sich auf den Verfahrensgegenstand erstreckt, auch ohne darauf bezogenen Einwilligungsvorbehalt das Verfahren im Namen des Betreuten einleiten oder ein von diesem selbst eingeleitetes Verfahren jederzeit an sich ziehen. Dieses Vorgehen des Betreuers hat zur Folge, dass der Betreute einem Prozessunfähigen gleichgestellt ist (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 62 Rn. 13; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 62 Rn. 32).

Die vorläufige Betreuung des Antragstellers umfasste den Aufgabenkreis "Vertretung im Verfahren gegenüber dem ehemaligen Dienstherrn". Damit wollte das Gericht es dem vorläufigen Betreuer ermöglichen, die Wiederaufnahme gegen dieses Urteil für den Antragsteller zu betreiben.

Dessen Wiederaufnahmeantrag vom hat die Dreimonatsfrist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BDG gewahrt. Die Frist hat erst Ende Januar 2008 zu laufen begonnen, weil der vorläufige Betreuer erst zu dieser Zeit Kenntnis von dem Disziplinarurteil vom erlangt hat. Nach seinen glaubhaften Angaben übersandte ihm Frau B.s Rechtsanwalt die dem Antragsteller zugestellte Ausfertigung des Urteils zusammen mit anderen Schriftstücken, nachdem der Antragsteller am aus der Wohnung Frau B.s in das psychiatrische Krankenhaus verbracht worden war.

c) Die Begründung des Wiederaufnahmeantrags muss den Anforderungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 BDG genügen. Für die Darlegung des Wiederaufnahmegrundes der Prozessunfähigkeit des Beamten ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass neue Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass der Beamte während des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens prozessunfähig war.

Die in der Antragsschrift vom vorgetragenen tatsächlichen Umstände waren dem Senat bis zur Verkündung des BVerwG 2 A 3.05 - allesamt nicht bekannt. Die Schilderungen, dass der Antragsteller in wichtigen persönlichen Angelegenheiten völlig untätig blieb und seine Wohnung verließ, ohne sich um die Folgen zu kümmern, sind jedenfalls Anlass, der Frage der Prozessfähigkeit während des rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarklageverfahrens nachzugehen.

2. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist nicht begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Nachweis der Prozessunfähigkeit des Antragstellers nicht zur Überzeugung des Senats erbracht.

Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme sind erfüllt, wenn der Nachweis der Prozessunfähigkeit des Verfahrensbeteiligten während des früheren gerichtlichen Verfahrens erbracht wird. Das Gericht muss die sichere Überzeugung gewinnen, dass Prozessunfähigkeit vorgelegen hat. Insoweit gilt auch für die Wiederaufnahme der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass ein Beteiligter als prozessfähig gilt, solange nicht das Gegenteil nachgewiesen ist ( BVerwG 4 B 42.75 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 16).

Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sind die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen, d.h. prozessfähig. Demnach ist eine Prozesspartei wegen Prozessunfähigkeit vertretungsbedürftig, wenn sie geschäftsunfähig ist. Nach § 104 Nr. 2 BGB ist dies bei einem Volljährigen der Fall, wenn er sich in einem die freie Willenbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Demnach müssen zwei Voraussetzungen kumulativ gegeben sein: Zum einen muss sich der Beteiligte während des gerichtlichen Verfahrens in einem nicht nur vorübergehenden Zustand der krankhaften Störung der Geistestätigkeit befunden haben. Zum anderen muss aufgrund dieser Störung die freie Willensbestimmung ausgeschlossen gewesen sein.

Nach allgemeiner Auffassung stellt Alkoholsucht für sich genommen keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit dar. Es muss hinzukommen, dass die Alkoholkrankheit entweder Symptom einer schon vorhandenen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ist oder der durch die Krankheit verursachte Verfall der Persönlichkeit das Ausmaß einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche erreicht hat. Hierfür kommt es nicht auf die Alkoholkrankheit als solche, sondern auf deren psychopathologische Folgen an. Für die Geschäftsunfähigkeit ist der Nachweis erforderlich, dass der chronische Alkoholmissbrauch auf einem hirnorganischen Psychosyndrom beruht oder zu einem derartigen Syndrom geführt hat. Die Alkoholkrankheit muss auf hirnorganische Veränderungen mit entsprechender Symptomatik zurückzuführen sein oder diese verursacht haben. Als insoweit einschlägige Krankheitsbilder kommen das Delirium tremens, die Alkoholintoxikation und das Korsakow-Syndrom in Betracht (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom - 1 Z BR 45/01 - NJW 2003, 216 <219 f.>; zum Ganzen Knothe, in: Staudinger, BGB, Bd. I, 2004, § 104 Rn. 9).

Bei krankhafter Störung der Geistestätigkeit ist Geschäftsunfähigkeit anzunehmen, wenn der Betroffene aufgrund der Störung nicht mehr fähig ist, seinen Willen zu bilden oder nach den gewonnenen Einsichten zu handeln (Verlust der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit). Er muss den krankheitsbedingten Einflüssen und Empfindungen widerstandslos ausgeliefert sein ( - NJW 1996, 918 <919>).

Die Anordnung der Betreuung durch das Vormundschaftsgericht lässt keine Rückschlüsse auf Geschäftsunfähigkeit zu, weil das Betreuungsrecht nach §§ 1896 ff. BGB die Anordnung der Betreuung nicht von der konstitutiven Feststellung der Geschäftsunfähigkeit abhängig macht. An die Stelle dieser Feststellung tritt der vom Vormundschaftsgericht angeordnete Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB. In Bereichen, für die zwar die Betreuung aber kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, kann der Betreute in geschäftsfähigem Zustand Willenserklärungen rechtswirksam abgeben und entgegennehmen. Erst der Einwilligungsvorbehalt verhindert, dass dies ohne Zustimmung des Betreuers möglich ist (Schwab, in: Münchner Kommentar, Bd. 8, 5. Aufl. 2009, § 1903 BGB Rn. 17 m.w.N.).

Hiernach ist der Nachweis der Prozessunfähigkeit des Antragstellers während des Disziplinarklageverfahrens - BVerwG 2 A 3.05 - nicht erbracht. Nach den medizinischen Befunden hat der Antragsteller während dieses Verfahrens nicht an einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche gelitten. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das psychiatrische Gutachten vom . Dieses Gutachten ist geeignet, dem Senat die notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Es wurde von psychiatrischen Fachärzten auf der Grundlage des stationären Aufenthalts des Antragstellers von fünfeinhalb Wochen erstellt. Das Gutachten stellt den Gesundheitszustand des Antragstellers und seine Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit schlüssig und nachvollziehbar dar. Der Antragsteller hat keine Anhaltspunkte dargelegt, die Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde der Gutachter geben könnten. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass die Gutachter von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen sein könnten.

Nach dem psychiatrischen Gutachten vom hat der Antragsteller Anfang 2008 an Alkoholsucht und einer mittelgradigen depressiven Episode gelitten. Die Gutachter B. und Dr. M. haben festgestellt, dass sich beide Krankheiten gegenseitig beeinflussten und verstärkten. Die Krankheiten haben zu erheblichen Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen, nämlich zu ausgeprägter Antriebsstörung und Initiativlosigkeit sowie zu erheblichen Störungen des planerischen Handelns und Konzentrationsvermögens geführt. Eine kernspintomographische Untersuchung hat eine Minderung der Hirnsubstanz ergeben. Nach Auffassung der Gutachter ist der Antragsteller mit der Vermögens- und Gesundheitsfürsorge überfordert.

Dieser Befund lässt auf einen erheblichen Persönlichkeitsabbau des Antragstellers schließen. Die Minderung der Hirnsubstanz stellt eine hirnorganische Veränderung dar. Beides reicht aber auch in der Gesamtheit nicht für die Annahme einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche aus. Hierfür ist erforderlich, dass sich aufgrund der Veränderungen bereits ein hirnorganisches Psychosyndrom ausgebildet hat. Eine derartige Auswirkung des Alkoholmissbrauchs wird in dem Gutachten vom nicht beschrieben. Vielmehr spricht der psychopathologische Befund entscheidend gegen eine derartige Annahme:

Danach fehlen psychotische Symptome für einen Verlust der Fähigkeit des Antragstellers zur Selbstkontrolle und Entscheidungsfindung. Der Antragsteller hat jedenfalls Anfang 2008 nicht an mnestischen oder kognitiven Beeinträchtigungen gelitten. Seine Auffassung und Konzentration sind erhalten geblieben. Der formale Gedankengang ist ohne Auffälligkeiten gewesen, es hat keine Hinweise auf inhaltliche Denkstörungen, Wahn, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen und zirkadiane Rhythmusstörungen gegeben. Zusammenfassend haben die Gutachter festgestellt, Kritik- und Urteilsfähigkeit des Antragstellers seien erhalten geblieben. Dementsprechend haben die Gutachter B. und Dr. M. zwar eine Betreuung des Antragstellers, insbesondere für die Aufgabenkreise Vermögens- und Gesundheitsfürsorge, nicht aber einen darauf bezogenen Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB für erforderlich gehalten.

Dieser Anfang 2008 erhobene Befund lässt Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Antragstellers während des im Januar 2007 abgeschlossenen Disziplinarklageverfahrens zu.

Aus dem Gutachten des vom Betreuer beauftragten Facharztes Dr. Schw., das dieser in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, folgt nichts anderes. Der Privatgutachter stützt sich nach seinen Angaben auf das psychiatrische Gutachten vom , die Akten und auf zwei Untersuchungen des Klägers in seinen Praxisräumen. Nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung steht fest, dass der Privatgutachter das Gutachten vom zugrunde gelegt und daraus Schlüsse gezogen hat. So hat er etwa die Minderung der Hirnsubstanz nicht aufgrund eigener Untersuchungen festgestellt, sondern den Befund des Gutachtens vom übernommen.

Folgerichtig stimmt das Privatgutachten hinsichtlich der festgestellten Krankheitsbilder mit diesem Gutachten, das auf einer erheblich breiteren Tatsachenbasis erstellt wurde, überein. Auch der Facharzt Dr. Schw. nimmt eine alkoholtoxische, d.h. durch chronischen Alkoholmissbrauch verursachte Wesensänderung des Antragstellers, nämlich Teilnahms- und Bindungslosigkeit, depressive Phasen und Verstimmungszustände an. Er legt ausführlich dar, dass die Erkrankungen, an denen der Antragsteller leidet, nämlich Alkoholkrankheit und depressive Phasen sowie die Hirnatrophie einzeln und zusammengenommen zu einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche führen können. Jedoch ergibt sich aus seinen schriftlichen und mündlichen Ausführungen nicht, dass diese Folge beim Antragsteller eingetreten ist:

So heißt es in dem Gutachten, gesichert sei die Alkoholabhängigkeit. Daneben seien depressive Phasen vorhanden. Nach den Schilderungen des Antragstellers lägen auch Phasen vor, die eine endogene Depression "wahrscheinlich" werden lassen. Es zeige sich eine offensichtliche frontale präsenile Hirnatrophie, wobei an das Vorliegen eines Morbus Pick "gedacht" werden müsse. Ein solcher Frontalhirnprozess sei beim Antragsteller "unbedingt diskutabel". Der Frontalhirnprozess und das Vorliegen depressiver Phasen "wären" als Geisteskrankheit zu bewerten.

Die Annahme des Facharztes Dr. Schw., der alkoholbedingte Persönlichkeitsverfall sei bereits 2002 eingetreten, ist nicht durch Befundtatsachen belegt. Seine Würdigung, der Kläger sei seit mindestens 2002 geschäftsunfähig gewesen, wird von den psychiatrischen Feststellungen seines Gutachtens nicht gedeckt. Vielmehr stimmt der Befund des Facharztes mit dem psychopathologischen Befund des Gutachtens vom überein. Auch in dem Gutachten von Dr. Schw. heißt es, der Antragsteller habe sich autopsychisch, situativ, zeitlich und örtlich vollorientiert gezeigt. Seine Bewusstseinlage sei nicht gestört gewesen. Zwar hat Dr. Schw. in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass er den krankheitsbedingten Persönlichkeitsabbau des Antragstellers für erheblich weiter fortgeschritten hält als er dies schriftlich dargestellt hat. Er hat jedoch nicht plausibel gemacht, welche Erkenntnisse ihn zu dieser veränderten Einschätzung veranlasst haben. Dr. Schw. hat weder neue Befundtatsachen vorgetragen noch dargelegt, aufgrund welcher Erwägungen er die schriftlich dargestellten Befundtatsachen, die mit den Feststellungen des Gutachtens vom übereinstimmen, nunmehr anders bewertet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 1 VwGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BAAAD-39998