Leitsatz
Leitsatz:
Die Bundesnetzagentur ist befugt, bei der Festlegung einheitlicher, beim Wechsel des Gaslieferanten anzuwendenden Geschäftsprozesse und Datenformate einen Prozessschritt vorzuschreiben, nach dem eine Entnahmestelle, die keinem anderen Lieferanten zugeordnet werden kann, vom Netzbetreiber unabhängig davon dem Grundversorger zugeordnet wird, ob an der Entnahmestelle Gas entnommen wird und ob dem Grundversorger ein Anschlussnehmer oder -nutzer bekannt ist.
Gesetze: GasNVZ § 42 Abs. 7 Nr. 4
Instanzenzug: OLG Düsseldorf, VI-3 Kart 213/07 (V) vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Nachschlagewerk: ja; BGHR: ja
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Gasversorgungsgebiet Grundversorgerin im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG. Sie wendet sich gegen die von der Bundesnetzagentur mit Beschluss vom getroffene Festlegung einheitlicher Geschäftsprozesse und Datenformate beim Wechsel des Lieferanten bei der Belieferung mit Gas. Nach Nummer 1 der Festlegung sind seit dem zur Abwicklung des Wechsels von Lieferanten bei der leitungsgebundenen Versorgung von Letztverbrauchern mit Gas die in der Anlage "Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel Gas (GeLi Gas)" zur Festlegung näher beschriebenen Geschäftsprozesse anzuwenden. Die Bundesnetzagentur hat diese Festlegung den Gasnetzbetreibern - beispielsweise der Energieversorgung Halle Netz GmbH am - zugestellt, sie aber auch am in ihrem Amtsblatt unter Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung "zustellungshalber" veröffentlicht.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer am bei der Bundesnetzagentur eingegangenen Beschwerde gegen Unterabschnitt C.1 der GeLi Gas. Abschnitt C der GeLi Gas beschreibt die Geschäftsprozesse beim Wechsel des Lieferanten aufgrund gesetzlicher Lieferbeziehungen ("Ersatz-/ Grundversorgung"), Unterabschnitt C.1 den Prozess "Beginn der Ersatz-/Grundversorgung", der zusammenfassend wie folgt definiert wird:
Kurzbeschreibung "Ersatz-/Grundversor|Ersatzversorgung liegt bei einem Gasbezug vor, der weder einer Lieferung noch einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden kann (z.B. Gasbezug nach Neugung" anschluss einer Entnahmestelle ohne abgeschlossenen Liefervertrag). Grundversorgung entsteht durch einen Vertragsschluss, der auch konkludent erfolgen kann.
Kurzbeschreibung "Beginn der Ersatz-/Grundversorgung"|Der Prozess beschreibt die mögliche Zuordnung der Entnahmestelle beim Übergang in die Ersatz-/Grundversorgung.
Mögliche Folgen "Beginn der Ersatz-/Grundversorgung"|1. Die Entnahmestelle wird dem Ersatz-/Grundversorger zugeordnet.2. Die Entnahmestelle wird nicht dem Ersatz-/Grundversorger zugeordnet.
In der "detaillierten Beschreibung" (C.1.3) werden in Nummer 1 als Beispiele für Entnahmestellen, die keinem Lieferanten zugeordnet sind, genannt:
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- Neuanschluss einer Entnahmestelle ohne Anmeldung eines Lieferanten,
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- Abmeldung der Entnahmestelle aufgrund Kündigung des Liefervertrages ohne Folgebelieferung (Lieferende),
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- Abmeldung der Entnahmestelle aufgrund Kündigung des Ausspeiserahmenvertrags,
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- Schließung des Bilanzkreises des bisherigen Lieferanten.
Daran schließen sich folgende Prozessschritte an (NB = Netzbetreiber; E/G = Ersatz-/Grundversorger):
Nr.|Sender|Empfänger|Beschreibung des Prozessschrittes|Frist|Nachrichtentyp|Anmerkungen
2|NB|E/G|Meldung der Entnahmestelle durch den Netzbetreiber an den Ersatz-/Grundversorger, wenn sich Entnahmestelle im Niederdruck befindet.|Unverzüglich oder gemäß den speziellen Fristen der anderen Prozesse.|UTILMD|Der Netzbetreiber teilt auch den Beginn des Zuordnungswechsels mit. Er teilt u.a. weiterhin mit, ob der an der Entnahmestelle versorgte Letztverbraucher ein "Haushaltskunde" ist, sofern ihm dies bekannt ist, und welchem Marktgebiet die Entnahmestelle bislang zugeordnet ist. Der Netzbetreiber übermittelt ihm zudem Namen und Adressen des Anschlussnehmers und des Anschlussnutzers, sofern diese bekannt sind.
3|E/G|E/G|Prüfung des Ersatz-/Grundversorgers|Unverzüglich nach Eingang der Meldung des Netzbetreibers|-|Der Ersatz-/Grundversorger prüft u.a., ob es sich bei den Entnahmestellen um Grund- oder Ersatzversorgung handelt. Mögliche Ergebnisse der Prüfung, jeweils bezogen auf einen bestimmten Zeitraum: a) Die Entnahmestelle ist ihm als Ersatz- oder Grundversorger zuzuordnen. b) Die Entnahmestelle ist ihm nicht als Ersatz- oder Grundversorger zuzuordnen (z.B. weil er in dem betroffenen Netzgebiet nicht Ersatz-/Grundversorger ist).
4|E/G|NB|Meldung des Ersatz-/Grundversorgers, ob und ggf. für welchen Zeitraum die Entnahmestelle a) der Ersatzversorgung oder Grundversorgung b) ihm nicht zuzuordnen ist|Unverzüglich, jedoch spätestens bis zum Ablauf des 5. Werktags nach Eingang der Meldung des Netzbetreibers|UTILMD|Mitteilung gemäß dem Ergebnis der Prüfung durch den Ersatz-/Grundversorger. Der Ersatz-/Grundversorger informiert gemäß GasGVV auch den Letztverbraucher über Beginn und voraussichtliches Ende der Ersatzversorgung bzw. über die Vertragsbedingungen der Grundversorgung.
5|NB|NB|Zuordnung der Entnahmestelle durch Netzbetreiber gemäß Meldung des Ersatz-/Grundversorgers.|Unverzüglich|-|Die Zuordnung hat ggf. rückwirkend auf den vom Ersatz-/ Grundversorger mitgeteilten Termin zu erfolgen. Meldet sich der Ersatz- / Grundversorger nicht fristgerecht, ordnet der Netzbetreiber die Entnahmestelle zu dem von ihm gemeldeten Termin dem Ersatz-/ Grundversorger zu.
6|...|||||
Die Beschwerdeführerin meint, Entnahmestellen, für die kein Anschlussnehmer festgestellt werden könne, weil die betreffenden Wohnungen leerstünden und kein Gasbezug stattfinde oder ein neuer Anschlussnutzer die Gasentnahme nicht offenbare, dürften nicht dem Grundversorger zugeordnet werden. Nicht der Grundversorger, sondern der Netzbetreiber habe die Kostenlast für solche Anschlüsse zu tragen. Sie hat beantragt, die Festlegung aufzuheben, soweit in den GeLi Gas dem Grundversorger nichtbelegte Lieferstellen zugeordnet werden sollten, der Grundversorger verpflichtet werde, Anschlussnehmer und Anschlussnutzer zu ermitteln sowie an den Netzbetreiber zu melden, und soweit dem Grundversorger die faktische Verpflichtung auferlegt werde, im Falle der Nichtnutzung des Anschlusses die Sperrung zu beantragen.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - vom Beschwerdegericht zugelassene - Rechtsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin ihre Anträge weiterverfolgt.
II. Das Beschwerdegericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Beschwerde ausgegangen.
Zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde war für die Beschwerdeführerin die Monatsfrist nach § 78 Abs. 1 Satz 1 EnWG noch nicht abgelaufen. Die Festlegung ist ihr nicht förmlich zugestellt worden. Sie ist zwar im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlicht worden (§ 42 Abs. 9 GasNZV). Eine Veröffentlichung im Amtsblatt setzt jedoch die Rechtsmittelfrist nach § 78 Abs. 1 Satz 2 EnWG nicht in Lauf, da es sich bei einer Festlegung um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG handelt (vgl. , WuW/E DE-R 2369 Tz. 9 ff. - EDIFACT). Enthält der Verwaltungsakt - wie hier im Hinblick auf die nach der Festlegung vom Grundversorger anzuwendenden Geschäftsprozesse - verbindliche Regelungen gegenüber einem bestimmten Personenkreis, so ist er diesen Betroffenen gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 EnWG zuzustellen. Dagegen bewirkt die auf § 42 Abs. 9 GasNZV gestützte Bekanntmachung der Festlegungsentscheidung im Amtsblatt der Bundesnetzagentur oder ihre Veröffentlichung im Internet nur die Bekanntgabe, ersetzt aber nicht die für Entscheidungen der Regulierungsbehörden nach § 73 Abs. 1 Satz 1 EnWG vorgeschriebene förmliche Zustellung. Die gesetzlichen Zustellungserfordernisse bleiben gemäß § 41 Abs. 5 VwVfG durch solche Regelungen über die Bekanntgabe unberührt (vgl. BGHZ 172, 368 Tz. 32 - Auskunftsverlangen). Nur eine - nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zu bewirkende - förmliche Zustellung setzt daher die Rechtsmittelfrist nach § 78 Abs. 1 Satz 2 EnWG in Gang. Der Beschwerdeführerin ist die Festlegungsentscheidung nicht förmlich zugestellt worden. Der Zustellungsmangel kann allerdings nach § 8 VwZG durch Kenntnisnahme geheilt werden (BGHZ 172, 368 Tz. 34 - Auskunftsverlangen). Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen hat die Beschwerdeführerin von der Festlegungsentscheidung nicht vor dem Kenntnis erlangt, so dass die Beschwerde noch während der laufenden Frist eingelegt worden ist.
Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdebefugt, weil sie nach der Festlegung die in den GeLi Gas beschriebenen Geschäftsprozesse anzuwenden hat und ihr durch die angefochtene Entscheidung somit Handlungspflichten auferlegt werden.
III. Die Rechtsbeschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass der Regulierungsbehörde bei Festlegungen gemäß § 42 Abs. 7 Nr. 4 GasNZV ein weiter Ermessensspielraum zukomme. Die angegriffene Festlegung halte sich im Rahmen dieses Ermessensspielraums. Ein Ermessensfehler sei nicht darin zu sehen, dass die Bundesnetzagentur in den GeLi Gas unbelegte Gasentnahmestellen dem Bilanzkreis des jeweiligen Grundversorgers zuordne. Eine solche Zuordnung lege das gesetzliche Wertungsmodell der §§ 36, 38 EnWG nahe. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG gelte die Energie als vom Grundversorger geliefert, wenn nicht ausdrücklich eine andere Lieferbeziehung bestimmt werde. Werde deshalb aus dem Netz Gas entnommen, komme mit dem Grundversorger ein Gaslieferungsvertrag zustande, der ihn berechtige, das entnommene Gas mit dem Entnehmer abzurechnen. Damit sei der Grundversorger aber auch mit dem Vergütungsrisiko im Falle des anonymen Gasbezugs belastet. Dieser Risikoverteilung entspreche es, ihm die aktiven Entnahmestellen zuzuordnen, für die kein anderes Lieferverhältnis bestehe. Belaste man dagegen den Netzbetreiber mit diesem Risiko, müsse letztlich die Gesamtheit der Netznutzer diese Kosten tragen. Da der Grundversorger für eine etwaige unberechtigte Gasentnahme einzustehen habe, obliege ihm die Prüfung, wer aus der Entnahmestelle Gas entnehmen könne und welche vertraglichen Verhältnisse gegebenenfalls bestünden. Für die von der Bundesnetzagentur getroffene Regelung spreche auch, dass der Grundversorger den Anschluss im Falle des Zahlungsverzugs nur unter den engen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 GasGVV sperren dürfe. Der Grundversorger könne nämlich erst nach Identifizierung des anonymen Nutzers diesen in Verzug setzen und so über eine Sperrung das ihm durch §§ 36, 38 EnWG zugewiesene Risiko begrenzen.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Bundesnetzagentur kann nach § 42 Abs. 7 Nr. 4 GasNZV Festlegungen zur Abwicklung des Lieferantenwechsels nach § 37 GasNZV und den dabei zu übermittelnden Daten treffen. Durch die angefochtene Festlegung, nach der bei einem solchen Wechsel die in den GeLi Gas näher beschriebenen standardisierten Geschäftsprozesse anzuwenden sind, hat sie von dieser Befugnis Gebrauch gemacht.
§ 42 Abs. 7 Nr. 4 GasNZV erlaubt es der Bundesnetzagentur, für die Abwicklung des Lieferantenwechsels einheitliche von Netzbetreibern und Lieferanten anzuwendende Geschäftsprozesse festzulegen. Damit sollen - wie die Bundesnetzagentur in der Begründung der angefochtenen Festlegung zutreffend näher ausführt - massengeschäftstaugliche Regeln für die Zuordnung von Entnahmestellen zur Gewährleistung eines effektiven Netzzugangs geschaffen werden. Derartige Festlegungen dienen der Konkretisierung der Bestimmung des § 37 Abs. 1 GasNZV, der die Netzbetreiber verpflichtet, zur Vereinfachung des Lieferantenwechsels einheitliche Verfahren zu entwickeln und den elektronischen Datenaustausch in einem einheitlichen Format zu ermöglichen (vgl. BGH WuW/E DE-R 2369 Tz. 13 - EDIFACT). Die Festlegungen der Bundesnetzagentur sollen Netzbetreibern und Versorgern den organisatorischen und prozesstechnischen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich ein Wechsel in der Person des Lieferanten möglichst effektiv und problemlos vollziehen lässt.
Dass die Bundesnetzagentur von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und mit der angefochtenen Festlegung die anzuwendenden Geschäftsprozesse beschrieben und die hierbei zu verwendenden Datenformate vorgegeben hat, lässt keinen Ermessensfehler erkennen und wird auch von der Rechtsbeschwerde als solches nicht beanstandet.
b) Die Beschwerdeführerin wendet sich vielmehr gegen die Beschreibung einzelner in Unterabschnitt C.1 der Geli Gas für den Prozess "Beginn der Ersatz-/ Grundversorgung" aufgeführter Prozessschritte, nämlich die in den Nummern 2 bis 5 beschriebene Meldung der Entnahmestelle durch den Netzbetreiber an den Ersatz- bzw. Grundversorger, dessen Prüfung und Meldung an den Netzbetreiber und die hierauf folgende Zuordnung der Entnahmestelle (zum Grundversorger) durch den Netzbetreiber. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Festlegung im Umfang einzelner durch diese vorgegebener Prozessschritte angefochten werden kann. Es bedarf ferner keiner abschließenden Klärung, in welchem Umfang der Bundesnetzagentur über die Wahl geeigneter Datenformate hinaus auch bei der inhaltlichen Beschreibung der Geschäftsprozesse, für die sie eine Festlegung trifft, und der Bestimmung der einzelnen Prozessschritte ein Ermessen zusteht. Denn die in den GeLi Gas für den Prozess "Beginn der Ersatz-/Grundversorgung" aufgeführten Prozessschritte sind jedenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, weil sie in einer für die elektronische Datenverarbeitung geeigneten Weise die Rechtsbeziehungen abbilden, die sich zwischen Netzbetreiber, Grundversorger und Anschlussnehmer bzw. -nutzer in denjenigen Fällen ergeben, in denen eine Entnahmestelle (§ 37 Abs. 4 GasNZV) keinem (anderen) Lieferanten zugeordnet werden kann ("verwaist" ist).
aa) Nach § 36 Abs. 1 EnWG ist das Energieversorgungsunternehmen, das in einem Netzgebiet die meisten Haushaltskunden versorgt (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG), Grundversorger und als solcher verpflichtet, zu seinen öffentlich bekanntzugebenden Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preisen für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck jeden Haushaltskunden zu versorgen. Anschlussnehmer haben Anspruch auf diese Grundversorgung, wenn sie sich weder selbst versorgen noch sich von einem Dritten versorgen lassen (§ 37 Abs. 1 EnWG). Sofern Letztverbraucher Energie beziehen, ohne dass dieser Bezug einer Lieferung oder einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden kann, gilt die Energie nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG als vom Grundversorger geliefert, der damit auch Ersatzversorger ist. Selbst wenn Strom oder Gas bezogen wird, ohne dass ein vertragliches Lieferverhältnis begründet worden ist, entsteht mit der faktischen somit jedenfalls Entnahme ein gesetzliches Schuldverhältnis zum Grundversorger (vgl. Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 38 Rdn. 1). Handelt es sich bei dem Entnehmer um einen Haushaltskunden, kommt - wovon auch der Verordnungsgeber ausgeht (§ 2 Abs. 2 GasGVV) - zwischen diesem und dem Grundversorger ein Grundversorgungsvertrag zustande. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz begründet mithin jeder Energiebezug eine Rechtsbeziehung zu einem Versorger. Sofern keine anderweitige vertragliche Vereinbarung getroffen worden ist, entsteht diese Rechtsbeziehung stets zum Grundversorger. Dies rechtfertigt es, eine Entnahmestelle durch den Netzbetreiber immer dann dem Grundversorger zuzuordnen, wenn keine Zuordnung zu einem anderen Lieferanten möglich ist.
bb) Indem die angefochtene Festlegung in den GeLi Gas eine solche Zuordnung vorgibt, werden keine zusätzlichen zivilrechtlichen Pflichten des Grundversorgers begründet. Hierzu ist die Bundesnetzagentur nach § 42 Abs. 7 Nr. 4 GasNZV auch nicht befugt. Vielmehr knüpft die Festlegung an die Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes an und setzt diese um, indem sie massengeschäftstaugliche Prozessschritte vorgibt, die die Zuordnung einer jeden Entnahmestelle zu einem Lieferanten ermöglichen.
Die von der Rechtsbeschwerde beanstandeten Prozessschritte zielen - aus der Exante-Sicht - darauf ab, für den Netzbetreiber die Belieferungsverhältnisse hinsichtlich der einzelnen Entnahmestellen für jeden Zeitpunkt eindeutig darzustellen. Sie folgen dabei der durch die Vorschriften der §§ 36 ff. EnWG vorgegebenen Zuordnung der Gasabnahme zu den einzelnen Lieferanten und der sich aus dieser Zuordnung ergebenden Verteilung des Risikos, dass der Zahlungspflichtige nicht identifiziert werden kann oder die durch die Gasabnahme begründete Entgeltforderung des Lieferanten aus anderen Gründen nicht realisiert werden kann.
(1)
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Entstehung des Lieferverhältnisses nicht davon abhängig, dass die Person des Nutzenden dem Grundversorger gegenüber bereits individualisiert ist. Auch der dem Gasversorger unbekannte Nutzer wird von dem Zeitpunkt an dessen Vertragspartner, von dem an er Gas entnimmt (§ 2 Abs. 2 GasGVV).
Dass den Grundversorger das Risiko unvergüteter Entnahmen trifft, entspricht - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - somit der durch die §§ 36 ff. EnWG vorgegebenen Risikoverteilung. Andernfalls müsste die durch nicht identifizierbare Entnehmer verbrauchte Gasmenge als Verlustmenge vom Netzbetreiber beschafft werden (§ 22 EnWG); die hierdurch entstehenden Kosten flössen dann in die regulierten Entgelte ein (§ 5 Abs. 1 GasNEV). Dieses Ergebnis wäre system- und gesetzwidrig, weil hierdurch ein in der Lieferbeziehung zum Grundversorger liegendes Risiko der Gesamtheit der Verbraucher aufgebürdet würde.
Ebenso wie sein Vergütungsanspruch schon mit dem faktischen Gasbezug entsteht, wenn keine anderweitige Lieferverpflichtung besteht, muss vielmehr der Grundversorger die mit der Entnahme verbundene Gefahr tragen, die Person des Entnehmenden nicht feststellen und damit die gegen diesen bestehenden Ansprüche nicht durchsetzen zu können.
(2)
Durch die Festlegung werden dem Grundversorger auch keine über seine gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehenden Ermittlungs- und Meldepflichten auferlegt.
Die beanstandeten Prozessschritte begründen derartige Pflichten nicht. Das Beschwerdegericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es Sache des Grundversorgers ist, in welchem Umfang er ermittelt. Nach den Prozessschritten 3 und 4 prüft und meldet der Grundversorger nur, ob ihm die Entnahmestelle als Grundversorger zuzuordnen ist. Die Person des Anschlussnutzers ermittelt er in seinem eigenen Interesse, um seinen Entgeltanspruch zu sichern, der sich daraus ergibt, dass über das Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederdruck bezogene Energie als von ihm geliefert gilt (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG); er darf hierzu gegebenenfalls den Energieverbrauch für die Ersatzversorgung auf Grund einer rechnerischen Abgrenzung schätzen und den ermittelten anteiligen Verbrauch in Rechnung stellen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EnWG). Hinzu kommt, dass sich der Ermittlungsaufwand dadurch reduziert, dass der Gaskunde im Falle des Vertragsschlusses durch tatsächliche Entnahme verpflichtet ist, dem Grundversorger die Entnahme unverzüglich in Textform mitzuteilen (§ 2 Abs. 2 GasGVV).
(3)
Schließlich wird dem Grundversorger entgegen der Rechtsbeschwerde auch keine Verpflichtung auferlegt, verwaiste Entnahmestellen auf seine Kosten sperren zu lassen. Wenn ihm der Anschluss zuzuordnen ist, liegt es allein in seinem Interesse, eine Gasentnahme zu verhindern, für die er seinen Vergütungsanspruch nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen beitreiben kann. Ihm steht deshalb nach § 19 GasGVV das Recht zu, die Grundversorgung unter den in den Absätzen 1 und 2 genannten Voraussetzungen unterbrechen zu lassen, und er muss sie nur wieder aufnehmen, wenn der Kunde die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung der Belieferung ersetzt hat (§ 19 Abs. 4 GasGVV).
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es auch nicht zu beanstanden, dass die für den für den Prozess "Beginn der Ersatz-/Grundversorgung" vorgegebenen Prozessschritte die Zuordnung einer Entnahmestelle, die nicht einem anderen Lieferanten zugeordnet werden kann, zum Grundversorger unabhängig davon vorsehen, ob an der Entnahmestelle tatsächlich Gas entnommen wird.
Der Lieferantenwechsel soll nach § 37 Abs. 1 GasNZV nach einem einheitlichen Verfahren und soweit wie möglich im Wege des elektronischen Datenaustauschs in einem einheitlichen Format erfolgen. Dies setzt voraus, dass eine Entnahmestelle zu jedem Zeitpunkt eindeutig zugeordnet wird. Da bei einem nicht leistungsgemessenen Anschluss indessen erst nachträglich durch eine Zählerstandskontrolle feststellbar ist, ob und in welchem Umfang seit der letzten Kontrolle Gas entnommen worden ist, kann bei einer Standardisierung und Automatisierung der für die Abwicklung eines Lieferantenwechsels erforderlichen Prozessschritte die Zuordnung zum Grundversorger nicht von der unbekannten Größe Gasentnahme abhängig gemacht werden. Dies rechtfertigt es, im Prozessablauf die Zuordnung zum Grundversorger bereits dann vorzunehmen, wenn ein jederzeit möglicher Gasbezug mangels einer anderweitigen Lieferbeziehung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG dem Grundversorger zugewiesen wird.
Nur auf diese Weise können - worauf die Begründung der Festlegungsentscheidung auch ausdrücklich Bezug nimmt - für jede Entnahmestelle alle denkbaren Fälle eines Wechsels des Lieferanten erfasst werden. Je vollständiger die Entnahmestellen in ihrer jeweiligen Lieferbeziehung datentechnisch dokumentiert sind, umso effektiver wirken die Regelungen über den nach § 37 GasNZV angestrebten automatisierten Datenaustausch im Falle des Lieferantenwechsels, der die wettbewerblichen Strukturen auf dem Gasmarkt verbessern soll. Den Prozessschritten kommt im Blick auf die Rechtsverhältnisse zwischen Letztverbraucher, Grundversorger und Netzbetreiber auch dann keine konstitutive Wirkung zu, wenn der Grund- oder Ersatzversorgungsfall noch nicht eingetreten ist. Die durch die Festlegung vorgeschriebenen Prozessschritte sind nach ihrer Zielrichtung Regelungen über die Zuordnung der Entnahmestellen. Sie erfolgen aus der Exante-Perspektive und sind nicht darauf gerichtet, die Rechtsverhältnisse hinsichtlich verwaister Lieferstellen zu gestalten und Streitfälle bezüglich möglicher Entnahmen abstrakt zu entscheiden; vielmehr sollen sie die einzelnen Entnahmestellen den jeweiligen Lieferanten zuordnen, um prozesstechnisch einen möglichen Lieferantenwechsel ohne weiteres nachvollziehen zu können und einen nachfolgenden Energiebezug stets dem richtigen Lieferanten zuzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind für den Grundversorger mit der Zuordnung verwaister Anschlüsse unabhängig von einer Gasentnahme keine Belastungen verbunden, die dem Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung nicht auferlegt werden dürfen. Wird an der Entnahmestelle kein Gas entnommen, ist dies - wie die Bundesnetzagentur zutreffend ausgeführt hat - für den Grundversorger nicht mit Netzkosten verbunden; es fallen lediglich Messkosten an. Ob der Grundversorger diese endgültig zu tragen hat oder ob er sie gegebenenfalls auf den Netzbetreiber abwälzen kann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Grund- oder Ersatzversorgungsfall tatsächlich nicht eingetreten ist, entscheidet sich nach den materiellrechtlichen Regelungen des Energiewirtschaftsrechts und des bürgerlichen Rechts und wird durch die nach der angefochtenen Festlegung anzuwendenden Geschäftsprozesse nicht präjudiziert.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
FAAAD-39894