Grundsatz des gesetzlichen Richters: Bestimmung eines Richters als so genannter Sondervertreter in einer Strafkammer
Gesetze: § 21e Abs 3 S 1 GVG, § 338 Nr 1 StPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG
Instanzenzug: LG Essen Az: 26 KLs 42/09 - 71 Js 448/08 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom sowie unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und beanstandet ferner die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat - nach Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich Fall 2 c der Urteilsgründe - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
I.
2Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 1 StPO, weil die zur Entscheidung berufene VI. Große Strafkammer des Landgerichts in der Person der Richterin am Landgericht Dr. D. vorschriftswidrig besetzt gewesen sei, hat keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom bemerkt der Senat:
3Jedenfalls soweit die Revision eine Verletzung von § 338 Nr. 1 StPO in der nach ihrer Auffassung fehlerhaften Annahme der Verhinderung von Frau Richterin am Landgericht B. sieht, ist die Rüge unzulässig, da der Inhalt der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden vom nicht mitgeteilt wird (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
4Die weiter gehende Rüge bleibt in der Sache erfolglos.
5Zwar kann die Bestellung eines sog. Sondervertreters gemäß § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG gegen § 338 Nr. 1 StPO verstoßen, wenn schon aus der Wahl der Sitzungstage die Möglichkeit ersichtlich ist, dass bei gleichzeitigen Sitzungen auch der Vertreterkammern die bestellten Vertreter nicht in der Lage sein werden, ihre Aufgaben in der Strafkammer wahrzunehmen, sodass Veranlassung bestand, diesen Mangel des Geschäftsverteilungsplanes zu beheben (Senatsbeschluss vom - 4 StR 166/87, StV 1987, 286). Die Revision, die sich auf diese Entscheidung des Senats stützt, übersieht indessen, dass im damaligen Fall die im Geschäftsverteilungsplan vorgesehene Vertretungsregelung schon für sich genommen nicht ausreichte, um die ordnungsgemäße Besetzung der zur Entscheidung berufenen Strafkammer sicher zu stellen, da nur zwei Vertretungskammern vorgesehen waren und deshalb wegen der Verteilung der Sitzungstage vorhersehbar war, dass die planmäßigen Vertreter sämtlich verhindert sein könnten. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Zahl der Mitglieder der insgesamt neun im Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Vertreterkammern rechtfertigte unter Berücksichtigung der Verteilung der Sitzungstage die Erwartung, dass auch bei Verhinderung von Mitgliedern einer oder mehrerer Strafkammern jedenfalls ein Mitglied einer der anderen Kammern zur Verfügung stehen würde. Die im vorliegenden Fall festzustellende Häufung von Verhinderungsfällen war danach nicht vorhersehbar.
6Entgegen der Auffassung der Revision war die Vorsitzende der hier zur Entscheidung berufenen VI. Großen Strafkammer nicht gehalten, dem Eintritt des Verhinderungsfalles durch kurzfristige Veränderung der Terminierung Rechnung zu tragen, nachdem sie erfahren hatte, dass die Mitglieder der geschäftsplanmäßigen Vertreterkammern auch für die bereits anberaumten Fortsetzungstermine nicht zur Verfügung standen. Die Annahme einer Verhinderung und die Bestellung eines außerplanmäßigen Vertreters erweist sich vor dem Hintergrund der von der Vorsitzenden mitgeteilten angespannten Terminslage der VI. Großen Strafkammer sowie der in den geschäftsplanmäßigen Vertreterkammern austerminierten Sitzungstage jedenfalls nicht als willkürlich.
II.
7Die Einstellung des Verfahrens im Fall II 3 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO auf Antrag des Generalbundesanwalts und der daraus folgende Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe führt zum Wegfall des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe, die deshalb vom Tatrichter neu zugemessen werden muss.
8Soweit das Verfahren eingestellt wird, beruht die Entscheidung über die Kosten und Auslagen auf § 467 Abs. 1 StPO.
Athing Solin-Stojanović Ernemann
Franke Mutzbauer
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Fundstelle(n):
LAAAD-39438