BFH Beschluss v. - IV B 103/07

Beschränkung der nachträglichen Ausübung von Bilanzierungswahlrechten durch § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist verfassungsgemäß

Gesetze: EStG § 4 Abs. 2, EStG § 4 Abs. 3, FördG § 4, GG Art. 3 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH, die im Streitjahr 1999 Komplementärin der X-KG (Klägerin, im Folgenden KG) war. Die KG betrieb die Sanierung und Privatisierung von ehemals kommunalen Wohnungsbauten in den neuen Bundesländern und fungierte dabei als sog. Zwischenerwerberin im Rahmen des Zwischenerwerbermodells nach dem Gesetz über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Altschuldenhilfegesetz vom , BGBl I 1993, 944). Ein Zwischenerwerber erwarb von dem Wohnungsunternehmen solche Objekte, die nicht zu mindestens einem Drittel unmittelbar an Mieter veräußert werden konnten. Er hatte Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen und den Mietern die modernisierten Wohnungen zum Kauf für einen nach oben begrenzten Preis anzubieten. Je nach Kaufinteresse wurden die Objekte in mieterprivatisierungsgebundene und -ungebundene Grundstücke aufgeteilt.

2 Die KG hatte im Februar 1998 915 Wohn- und Gewerbeeinheiten als Zwischenerwerberin erworben und die Sanierungsarbeiten im Jahr 1999 abgeschlossen. Noch 1999 veräußerte sie einen Großteil der Wohnungen für ca. 60 Mio. DM.

3 Nachdem für das Streitjahr 1999 mangels Abgabe von Steuererklärungen der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte zunächst aufgrund einer Schätzung ergangen war, hatte die KG im Einspruchsverfahren Jahresabschlüsse für das Wirtschaftsjahr 1998/99 und ein Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Juli bis beim damals zuständigen Finanzamt eingereicht, aus denen sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 1.518.996 DM ergaben. Auf dieser Grundlage erging ein entsprechend geänderter Bescheid.

4 Im September 2002 reichte die KG beim inzwischen zuständig gewordenen Finanzamt geänderte Steuererklärungen sowie geänderte Jahresabschlüsse ein, die einen Verlust von 789.746 DM auswiesen. Dieser Betrag ergab sich aus der Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) und Bildung eines entsprechenden Sonderpostens mit Rücklageanteil in Höhe von 2.488.741,86 DM abzüglich einer Auflösung der Gewerbesteuerrückstellung von 180.000 DM. Das Finanzamt lehnte mit Bescheid vom eine Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Der gegen die Ablehnung erhobene Einspruch blieb erfolglos.

5 Nach Erhebung einer Verpflichtungsklage fand bei der KG eine Betriebsprüfung statt, in deren Rahmen der Antrag auf zusätzliche Aktivierung von Herstellungskosten (357.386,38 DM) auf die als Anlagevermögen behandelten Gebäude gestellt wurde. Dementsprechend erhöhten sich die Absetzungen für Abnutzungen auf die Gebäude hinsichtlich der zusätzlich aktivierten Herstellungskosten um 21.148,77 DM. Zugleich wurde im Rahmen der Änderungsgrenzen des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG dem Antrag der KG auf Sonderabschreibungen nach dem FördG in Höhe von 355.861,94 DM entsprochen. Das zuständig gewordene Finanzamt erließ in Auswertung der Betriebsprüfung am einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid, mit dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 1.161.609 DM festgestellt wurden.

6 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der zuletzt weitere Sonderabschreibungen nach § 4 FördG von 2.132.879,82 DM geltend gemacht wurden, als unbegründet ab. Zwar sei der Bescheid formell noch nach § 164 Abs. 2 AO änderbar. Materiell habe sich aber keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen ergeben, weil eine Bilanzänderung nur im Umfang einer gegenläufigen Bilanzberichtigung zulässig sei. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Bilanzierenden gegenüber Personen, die den Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, liege nicht vor. Der Gesetzgeber dürfe höhere Anforderungen an die „anspruchsvollere” Gewinnermittlung stellen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit liege nicht vor.

7 Die Revision ließ das FG nicht zu.

8 Mit der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Klärungsbedürftig sei die Frage, ob die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem FördG unter Einreichung einer geänderten Bilanz als Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 EStG anzusehen sei. Die Frage sei nicht dadurch geklärt, dass der Bundesfinanzhof (BFH) die Geltendmachung einer Rücklage nach § 6b EStG als Bilanzänderung angesehen habe.

9 II. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen.

10 1. Die Beschwerdeführerin ist als ehemalige Gesellschafterin der KG durch Vollbeendigung der KG nach Ergehen des angefochtenen Urteils Beteiligte eines folgenden Rechtsmittelverfahrens geworden. Sie hat die Befugnis zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde.

11 Wie der Senat mit Urteil vom selben Tag in der Parallelsache IV R 48/07 entschieden hat, ist die ursprünglich eigene Klagebefugnis der KG für eine Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid nach Ergehen des FG-Urteils dadurch auf die Beschwerdeführerin übergegangen, dass diese infolge des Ausscheidens sämtlicher Kommanditisten Gesamtrechtsnachfolgerin der KG geworden ist.

12 Für eine Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid hat die Gesamtrechtsnachfolge jedoch andere Auswirkungen. Die KG war während ihres Bestehens als Prozessstandschafterin der Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) klagebefugt. Diese Befugnis gilt nach der Rechtsprechung des Senats so lange fort, wie die Gesellschaft wegen eines von ihr selbst betriebenen Prozesses (z.B. wegen Gewerbesteuer) steuerlich als noch nicht vollbeendet behandelt wird (, BFH/NV 2007, 1923). Im Fall einer Rechtsnachfolge tritt hingegen auch steuerlich sofortige Vollbeendigung ein, so dass auch die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO endet. Die Klagebefugnis als Prozessstandschafterin geht nicht auf den Rechtsnachfolger über. Vielmehr steht sie uneingeschränkt den durch den angefochtenen Feststellungsbescheid beschwerten ehemaligen Gesellschaftern zu (, juris; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 48 FGO Rz 101). Zugleich geht die Beteiligtenstellung auf die betreffenden Gesellschafter über (Steinhauff in HHSp, § 48 FGO Rz 121).

13 2. Die Frage nach der Anwendung des Bilanzänderungsverbots ist entscheidungserheblich. Denn Gegenstand des Verfahrens ist der Feststellungsbescheid vom geworden, mit dem die Einkünfte zwar gegenüber dem vorangegangenen Bescheid herabgesetzt wurden, der aber zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. In einem solchen Fall kann mit der Klage die weiter gehende Herabsetzung der festgestellten Einkünfte begehrt werden. Die Sperre des § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 1 AO gilt nicht.

14 3. Die Rechtssache ist jedoch nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Denn die Frage, ob die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem FördG unter das Bilanzänderungsverbot fällt, ist nicht mehr klärungsbedürftig.

15 a) Die in der Beschwerde ausführlich behandelte Frage, inwieweit § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG in seiner für den Streitfall geltenden Fassung verfassungsgemäß ist, hat bereits der XI. Senat des BFH in seinem Urteil vom XI R 16/05 (BFH/NV 2007, 1293) geklärt. Die Beschränkung der nachträglichen Ausübung von Wahlrechten durch Bilanzierende ist danach auch vor dem Hintergrund, dass bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG keine solche Beschränkung gilt, mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Seit dieser Entscheidung des BFH sind neue Argumente nicht entwickelt worden. Die Beschwerdeführerin zitiert auch selbst nur ältere Beiträge im steuerrechtlichen Schrifttum.

16 b) Es ist kein Grund dafür ersichtlich, die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht auf die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem FördG zu erstrecken. Der Wortlaut des Gesetzes erfasst jede Änderung der Bilanz, unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage die Ausübung des Wahlrechts beruht.

17 Für eine teleologische Reduktion im Hinblick auf die besonderen Zwecke der Abschreibungen nach dem FördG besteht kein Anlass. Alle Sonderabschreibungen dienen Lenkungszwecken, ungeachtet dessen, ob sie innerhalb des EStG oder in anderen Gesetzen geregelt sind. Diesem Lenkungszweck werden sie bereits dann gerecht, wenn sie aus der Sicht vor der Investition sinnvoll in Anspruch genommen werden können. Wenn sich die Verwertbarkeit der erzielten Gewinnminderung nachträglich als weniger günstig herausstellt, ändert dies an dem bereits erzielten Lenkungserfolg nichts. Der Lenkungszweck erfordert deshalb nicht, abweichend von den allgemeinen Grundsätzen nachträgliche Änderungen der Wahlrechtsausübung zuzulassen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 865 Nr. 5
SAAAD-39265