BVerwG Urteil v. - 10 C 20.08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: § 3 Abs. 1 und 4 Asylverfahrensgesetz

Instanzenzug: VGH Hessen, 3 UE 455/06 .A vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein

Gründe

I

Die Kläger, aus Tschetschenien stammende Eheleute russischer Staatsangehörigkeit, und zwei ihrer (insgesamt drei) Kinder erstreben ihre Anerkennung als Flüchtlinge.

Die Eheleute sind nach ihren eigenen Angaben 1968 bzw. 1971, die beiden Kinder 1995 bzw. 1996 in Grozny, Tschetschenien, geboren und sind tscherkessischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten im Juni 2000 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten Asyl.

Der Kläger zu 1 trug zur Begründung im Wesentlichen vor: Er habe in Grozny die Schule besucht und nach Ableistung seines Militärdienstes in Weißrussland an der Universität in Grozny bis 1993 im Fachbereich Wirtschaft studiert und sein Diplom abgelegt. Im gleichen Jahr habe er seine Frau geheiratet. Anschließend habe er als Buchhalter gearbeitet. Seit 1995 habe er auf tschetschenischer Seite gekämpft und sich nicht mehr regelmäßig in Grozny aufgehalten. Nachdem sich seine tschetschenische Einheit aufgelöst habe, sei er im Mai 2000 zu Fuß nach Inguschetien in das Flüchtlingslager gegangen, in das er bereits im September 1999 seine Frau und seine beiden Kinder gebracht habe. Von hier aus seien sie gemeinsam nach Deutschland gereist. Er habe Tschetschenien verlassen, weil er Angst gehabt habe, von russischen Soldaten festgenommen zu werden. In die tscherkessische Republik sei er nicht übergesiedelt, da er dort niemanden kenne. Er befürchte, inhaftiert oder getötet zu werden, wenn er in sein Heimatland zurückkehren müsse.

Die Klägerin zu 2 trug im Wesentlichen vor: Sie habe ebenfalls in Grozny die Schule besucht und eine Ausbildung gemacht, habe jedoch nach der Hochzeit und der Geburt der beiden Kinder nicht mehr gearbeitet. Wegen des Krieges sei sie 1999 von Tschetschenen in Uniform von Grozny nach Inguschetien in ein Flüchtlingslager gebracht worden, da ihr Leben in Gefahr gewesen sei. In ihrem Heimatland habe sie Angst um ihre beiden kleinen Kinder und ihren Mann gehabt, der auf tschetschenischer Seite gekämpft habe. Deshalb sei sie letztendlich nach Deutschland gekommen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - lehnte mit Bescheid vom die Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation an.

Auf die dagegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Urteil vom verpflichtet, den Klägern flüchtlingsrechtlichen Abschiebungsschutz zu gewähren, und im Übrigen (hinsichtlich der Asylanerkennung) die Klagen abgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass tschetschenische Volkszugehörige seit Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges im September 1999 dort einer Gruppenverfolgung ausgesetzt gewesen seien und ihnen in den übrigen Regionen der Russischen Föderation auch keine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Hiervon seien die Kläger als tscherkessische Volkszugehörige in gleicher Weise betroffen.

Mit der dagegen gerichteten Berufung hat die Beklagte im Wesentlichen geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Kläger in anderen Teilen der Russischen Föderation keine zumutbare inländische Fluchtalternative finden könnten.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom nach § 130a VwGO das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klagen insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger hätten Tschetschenien vorverfolgt verlassen, da dort ihr Leben und ihre Freiheit im Zeitpunkt ihrer Ausreise allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier unmittelbar bedroht gewesen sei. Die Kläger seien als tscherkessische Volkszugehörige aus Tschetschenien von den russischen Sicherheitskräften keiner anderen, insbesondere keiner milderen Behandlung unterworfen gewesen als die dort lebenden tschetschenischen Volkszugehörigen. Die Kläger seien darüber hinaus nicht - zusätzlich - wegen ihrer persönlichen Erlebnisse als vorverfolgt anzusehen, da der Kläger zu 1 nach seinem eigenen Vortrag nie Kontakt mit den russischen Sicherheitskräften gehabt habe und zudem lediglich als einfacher Soldat auf Seiten der Tschetschenen gekämpft habe, mithin ein herausgehobenes Verfolgungsinteresse auf Seiten der russischen Sicherheitskräfte nicht belegt sei. Die angeblich einmal pro Monat stattfindenden Nachfragen der russischen Sicherheitskräfte bei der jetzt in der Republik Kabardino-Balkarien lebenden Mutter des Klägers zu 1 glaube ihm der Senat nicht. Ob im Falle der Rückkehr der vorverfolgten Kläger nach Tschetschenien stichhaltige Gründe im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG dagegen sprächen, dass sie dort von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden erneut bedroht sein würden, könne dahinstehen. Denn ihnen stehe als Angehörigen der Volksgruppe der Tscherkessen, die sich selbst als Adyge bezeichneten, zumindest nach den Maßstäben des Art. 8 der Richtlinie interner Schutz jedenfalls bei Ansiedlung in einer der drei Titularrepubliken der Adyge, nämlich Kabardino-Balkarien, Adygeja oder Karatschajewo-Tscherkessien, zur Verfügung. Dort müssten sie nicht wie in weiten Teilen der Russischen Föderation Benachteiligungen aufgrund ihrer kaukasischen Herkunft befürchten und ihrer Ansiedlung stünden allenfalls geringe, überwindbare bürokratische Hürden entgegen. Zwar gehörten die drei Republiken nach Aussage des Gutachters Prof. Dr. Luchterhandt zu den ärmsten und strukturschwächsten Regionen Russlands. Dies bedeute jedoch nicht, dass sich die Kläger nicht, und sei es auf einfachem Niveau, dort eine Existenz würden schaffen können. Die Kläger seien im Familienverband mit gegenseitigen Hilfestellungen bei einer Neuansiedlung in einer Region, in der andere Volkszugehörige ihrer Volksgruppe in nicht unwesentlichem Umfang angesiedelt seien, nicht auf sich allein gestellt. Sie könnten sich als Zugehörige der Volksgruppe der Adyge in einer der drei Titularrepubliken, gegebenenfalls unter Mithilfe der dort ansässigen Adyge, niederlassen und sich als Mitglieder der dort grundsätzlich erwünschten Volksgruppe auch erfolgreich gegen bürokratische Hemmnisse hinsichtlich einer Registrierung zur Wehr setzen. Dem stehe auch nicht die Tatsache entgegen, dass der Kläger zu 1 vorgetragen habe, während des zweiten Tschetschenienkrieges für die Rebellen gekämpft zu haben. Denn der Senat glaube ihm nicht, dass auch heute noch wegen dieser Tätigkeit bei den Rebellen nach ihm gesucht werde. Aus den Aussagen des Klägers zu 1 im bisherigen Verfahren ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Tätigkeit den russischen Sicherheitskräften tatsächlich bekannt geworden sei und er daher bei einer Rückkehr auch derzeit noch gefährdet sei. Den Klägern drohten an dem Ort des internen Schutzes auch keine sonstigen Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Für zuziehende Binnenmigranten bestehe in den drei tscherkessischen Titularrepubliken trotz der dort herrschenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten weder eine erhebliche konkrete Gefahr für die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG genannten Schutzgüter noch eine ernsthafte individuelle Bedrohung der in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, Art. 15c der Richtlinie genannten Schutzgüter infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Mit ihren vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revisionen wenden sich die Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass sie internen Schutz in einer der drei genannten Titularrepubliken der Russischen Föderation finden könnten. Ihr Prozessbevollmächtigter trägt hierzu im Wesentlichen vor: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs sei es den Klägern, die weder über finanziellen Rückhalt oder Vermögenswerte noch über persönliche Beziehungen dorthin verfügten, angesichts der prekären wirtschaftlichen Situation nicht möglich, ein menschenwürdiges Dasein unter Gewährleistung des elementaren Existenzminimums zu fristen. Der Verwaltungsgerichtshof übersehe bei seiner Einschätzung, dass die Familie der Kläger inzwischen aus fünf Personen bestehe, da der im Oktober 2001 geborene jüngste Sohn dazugehöre. Im Übrigen stünden einer Ansiedlung in den genannten Republiken auch unüberwindliche bürokratische Hemmnisse gegenüber. Letztendlich entscheidungserheblich sei der in sich schlüssige Vortrag des Klägers zu 1, dass er während des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges auf Seiten der tschetschenischen Rebellen bewaffnet gekämpft habe. Es bestehe die reale Möglichkeit, dass inzwischen die kämpferischen Aktivitäten des Klägers zu 1 bekannt geworden seien und er somit auf der aktuellen Fahndungsliste stehe. Zum Anderen unterliege er der Gefahr, als Rückkehrer bei einer sicherheitsdienstlichen Überprüfung befragt und als ehemaliger "Terrorist" enttarnt zu werden.

Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses treten der Revision entgegen und verteidigen das angegriffene Urteil.

II

Die Revisionen der Kläger bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) einen Anspruch der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt. Seine Annahme, den Klägern stehe interner Schutz in anderen Regionen der Russischen Föderation offen, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

1. Maßgeblich für die Beurteilung des Begehrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 und 4 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1798) sowie § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 162). Die in diesen Bekanntmachungen berücksichtigten Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom (BGBl. I S. 1970), die am in Kraft getreten sind, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylVfG zu Recht seiner am ergangenen Berufungsentscheidung zugrunde gelegt.

Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EG Nr. 1 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).

Die Bundesrepublik Deutschland hat in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der den Mitgliedstaaten in Art. 8 der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, internen Schutz im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Absatz 2 verlangt von den Mitgliedstaaten bei Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Gemäß Absatz 3 kann Absatz 1 auch angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat eine individuelle - erlittene oder bevorstehende - Verfolgung der Kläger bei der Ausreise verneint, weil der Kläger zu 1 trotz seiner Teilnahme am Kampf der tschetschenischen Rebellen als einfacher Soldat nach seinem eigenen Vorbringen nie deswegen festgenommen worden sei und bei Kontrollen immer wieder habe davonkommen können. Ausschlaggebend für seine Ausreise sei nicht die Tatsache gewesen, dass sein Kampf auf der tschetschenischen Seite den russischen Sicherheitskräften bekannt geworden wäre und nach ihm gesucht worden sei, sondern die Eskalation des Kriegsgeschehens, bei dem wahllos auch die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Diese Tatsachenfeststellungen haben die Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie für den Senat bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Sie wirken sich an dieser Stelle nicht zum Nachteil der Kläger aus, weil der Verwaltungsgerichtshof eine ihnen unmittelbar drohende Verfolgung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG schon deshalb bejaht, weil ihr Leben und ihre Freiheit im Zeitpunkt ihrer Ausreise - gemeint ist hier ersichtlich die Ausreise der Kläger zu 2 bis 4 aus Tschetschenien im September 1999 und die des Klägers zu 1 im Mai 2000 (BA S. 20) - allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier unmittelbar bedroht gewesen seien (BA S. 16 ff.). Ob die Begründung für eine Gruppenverfolgung den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben, an denen auch unter Geltung der Richtlinie festzuhalten ist, insbesondere mit Blick auf die gebotenen Feststellungen zur Verfolgungsdichte genügt (vgl. dazu BVerwG 10 C 11.08 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 39, [...] Rn. 13 ff. und vom - BVerwG 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30 Rn. 7 ff.; vgl. ferner BVerwG 10 C 19.08 - [...]), kann dahinstehen. Selbst wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, dass sie ihr Herkunftsland vorverfolgt verlassen haben und die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie eingreift, steht ihnen ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung nicht zu. Denn das Berufungsgericht hat sie auf die Möglichkeit internen Schutzes nach Art. 8 der Richtlinie innerhalb der Russischen Föderation verwiesen. Das hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand.

Der Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund seiner Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, dass für die Kläger jedenfalls in den drei tscherkessischen Titularrepubliken Kabardino-Balkarien, Adygeja und Karatschajewo-Tscherkessien keine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 8 der Richtlinie besteht. Dabei ist er zutreffend davon ausgegangen, dass dies im Falle einer Vorverfolgung unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zu ermitteln ist. Er nimmt zwar an, dass die nach dieser Vorschrift bestehende Vermutung erneuter Verfolgung dann nicht widerlegt wäre, wenn nach dem Kläger zu 1 heute noch wegen seiner Teilnahme am Kampf der Tschetschenen gesucht würde, verneint dies aber aufgrund seiner tatrichterlichen Würdigung des klägerischen Vorbringens und der im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten, insbesondere von Prof. Dr. Luchterhandt vom (BA S. 32 ff.). Dabei legt er im Einzelnen dar, dass und aus welchen Gründen nach seiner Überzeugung die Tätigkeit des Klägers zu 1 bei den Rebellen den russischen Sicherheitsbehörden tatsächlich nicht bekannt geworden ist. Weder aus dem eigenen Vorbringen des Klägers zu 1 noch aus den sonstigen Umständen des Falles ergebe sich, dass russische Sicherheitskräfte von seiner Tätigkeit bei den Rebellen etwas erfahren haben könnten, zumal er nie festgenommen worden sei und unbehelligt nach Inguschetien gelangt sei. Die dagegen gerichteten Einwände der Revision betreffen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, führen aber nicht auf eine Maßstabsabweichung oder eine revisionsrechtlich zu beanstandende fehlerhafte Überzeugungsbildung.

Die Revision rügt weiter, dass von den Klägern vernünftigerweise nicht erwartet werden könne, sich am Ort des internen Schutzes aufzuhalten (Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG). Dazu führen die Kläger aus, dass sie den für die Registrierung notwendigen Inlandspass nur erhalten könnten, wenn sie sich nach Tschetschenien begäben. Dies sei Ihnen wegen der dort bestehenden Verfolgungsgefahr nicht zuzumuten. Auch diese Rüge greift nicht durch.

Das Vorbringen der Kläger wird durch die noch den Anforderungen genügenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gestützt. Dieses hat aufgrund der eingeholten sachverständigen Stellungnahmen und Gutachten angenommen, dass sich die Kläger als Adyge in einer der drei genannten Titularrepubliken gegebenenfalls unter Mithilfe der dort ansässigen Adyge werden niederlassen können und sich als Mitglieder der dort grundsätzlich erwünschten Volksgruppe erfolgreich gegen bürokratische Hemmnisse hinsichtlich einer Registrierung werden zur Wehr setzen können (BA S. 31 f.). Dabei geht das Berufungsgericht ersichtlich davon aus, dass eine Registrierung - wie in dem erwähnten Gutachten von Prof. Dr. Luchterhand näher ausgeführt - letztlich auch ohne Inlandspass erreicht werden kann. Soweit die Revision meint, dass die Registrierung nicht ohne Inlandspass möglich sei, der nur in Tschetschenien beantragt werden könne, legt sie andere tatsächliche Voraussetzungen zugrunde, als sie das Berufungsgericht festgestellt hat, ohne entsprechende Verfahrensrügen zu erheben.

Am Ort des internen Schutzes muss unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Betroffenen jedenfalls das Existenzminimum gewährleistet sein ( BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 <197 Rn. 35>). Dem trägt die angefochtene Entscheidung - wenn auch in knapper Form - Rechnung. Insoweit ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht bei seiner Annahme eines wirtschaftlichen Auskommens der Familie jedenfalls "auf einfachem Niveau" neben dem Gesichtspunkt der Unterstützung durch dort ansässige Adyge auch die Angaben im Tatbestand der Berufungsentscheidung über die Ausbildung der Kläger zu 1 und 2 (Wirtschaftsdiplom und Näherin) und ihre russischen und tscherkessischen Sprachkenntnisse berücksichtigt hat. Die von der Revision insoweit erhobene Rüge, dass der Verwaltungsgerichtshof fälschlicherweise von zwei statt von drei zu versorgenden minderjährigen Kindern ausgegangen sei, führt ebenfalls nicht auf einen Rechtsfehler. Abgesehen davon, dass es Sache der Kläger gewesen wäre, diesen nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlichen, in ihre Sphäre fallenden Umstand im Berufungsverfahren geltend zu machen, zeigt die Revision nicht auf, dass sich die Bedingungen für ein wirtschaftliches Auskommen damit entscheidungserheblich verändern würden.

2. Nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass den Klägern im Hinblick auf den Ort des internen Schutzes weder subsidiärer Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG) noch nationaler Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) zusteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Fundstelle(n):
NAAAD-39219